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87VV Die »««« Eoncesfion verleiht dem Syndikate die ausschließ» licke Eontrole und Polizeigewalt Uber den Canal, frei von jedweder Einmengung der Behörden Nicaragua». Der Canal soll u. A. perpeluelle Steuerfreiheit genießen und sUr alle Zeit der Leistung von Eingangszöllen auf da- zum Bau, Unterhalt und Betrieb erforderliche Material enthoben sein. Hierzu kommt die unentgeltliche Bewilligung von GtaatS- tandereien in der Höhe von t 000 000 Morgen und eine Option auf weitere 1 000 000 Hektar zum Preise von 1 Dollar pro Hektar. Der Contract darf zu jeder Zeit auch ohne Zustimmung der Negierung auf Dritte übertragen werden, jedoch mit Ausschluß fremder Regierungen. Die Baufrist beträgt zehn Jahre. Die Gesellschaft soll eine aus schließlich amerikanische sein, die Neutralität des Canals wird für ewige Zeit garantirt, Freikäfen werden anerkannt und passirende Schiffe genießen sammt Fracht Zollfreiheit. Die Gesellschaft ist mit einem Stauimcapital von wenigstens 100 000 000 Dollar zu errichten, von dem der nicaraguanischen Regierung 8 Proc. zufallen. Der Gesellschaft steht alsdann das Recht zu, das Capital nack Gutdünken zu erhöben oder Obliga tionen in beliebiger Anzahl zu emittiren. Die neugeschaffene politischeLage hat den allen Plan eines Canals in ein acuteö Stadium gerückt und der neue Plan verdient mit größter Aufmerksamkeit über alle Stufen seiner Entwickelung verfolgt zu werden, vor Allem wird die Haltung der Unionsregie rung abzuwarten sein, die nicht ohne Weiteres geneigt scheint, aus das ersehnte Protektorat über die Wasserstraße von Nica ragua zu verzichten. Denn der Nicaraguacanal ist ein altes LieblingSproject der Bereinigten Staaten, die schon während der Präsidentschaft von General Graut den ganzen JsthmuS auf das Genaueste untersuchen ließen, wobei sich die Commission endgiltig für die Nicaraguaroute aussprach. Die Bereinigten Staaten haben ihr dauerndes Interesse an der Frage durch einen Congreßbeschlnß erwiesen, der eine „Canalcoinmission" ins Leben rief Dieser Commission haben über 300 000 Dollar zur Ber- fügunz gestanden, und sie hat während des letzten halben Jahres nicht weniger als 50 Ingenieure zur Prüfung der Strecke beschäftigt, die von der alten Canalgesellschaft inS Auge gefaßt wurde. Ihr Bericht, der der nächsten Session des Congresses vorgelegt wird, wird sich für die vollkommene Durchführbarkeit des Projects auesprechen, ja eine Reihe von Arbeiten als billiger, wie von der Gesellschaft berechnet, bezeichnen. Deutsches Reich. * Berlin, 22. November. (BedingteVerurt Heilung) Gutem Vernehmen nach ist im Neichsjustizamt eine weitere, die dritte Denkschrift über die Entwickelung der Frage der bedingten Verurtbeilung in Vorbereitung begriffen. Der „Nat.-Lib. Corr." geht mii Bezugnahme darauf folgende Zu schrift zu: Zum ersten Male di'ufte die Denkschrift auch auf die Erfahrungen Bezug nehmen, welche in Deutschland selbst mit jener Form der bedingten Verurtbeilung gemacht sind, welche bei uns zur Anwendung gelangt, mit der bedingten Begnadigung. Mit Preußen, wo die bedingte Begnadigung durch einen Allerhöchsten Erlaß vom 23. Oclober 1895 eingesübrt wurde, haben bekanntlich auch die anderen Bundesstaaten diese Institution übernommen, die sich von den in fremden Staaten gehandhabten Einrichtungen gleicher Art grundsätzlich dadurch unterscheidet, daß sie direkt an das Begnadigungsrecht der Krone auknüpst und die Strafaussetzung nicht dem richterlichen Ermessen, sondern der Entscheidung der obersten Stelle der Justizverwaltung bezw. der Krone anheimstellt. Die Wahl dieser Form erfolgt unter Anderem in Rücksicht darauf, daß die Er fahrungen, die bis dabin im Auslande mit der bedingten Verurtbeilung gemacht waren, nicht auSreichte», um in Deutschland eine reichSgesetzlicke Action in dem gedachten Sinne ins Werk zu setzen. Bon den Anhängern der bedingten Verurtbeilung wird an der bedingten Begnadigung vor Allem der bureaukratische Cbarakler des Verfahrens bemängelt; der entscheidende Einfluß, der der Staatsanwaltschaft und der Justizverwaltung cin- grräunit ist, hat dazu die moralische Wirkung der bedingte» Begnadigung beeinträchtigt. Weiter hat sich die schrift liche Berichterstattung, welche Platz greifen mußte, als unzu länglich erwiesen, da sie uuniöglich die lebendigen Eindrücke ersetzen konnte, die den Richtern auS der mündlichen Verhand lung des EinzelsalleS werden. So hat der Grundgedanke der bedingten Bcrurtheilung offenbar an Sympathie gewonnen und damit deren einheitliche reichsgesetzliche Regelung. Das Reichsjustizamt bat sich einer solchen auch keineswegs ab lehnend gcgenübergestellt. Staalssecretair Or. Nieberding hat am 28. November 1896 die jetzige Einrichtung nur als einen Versuch charakterisirt, der bestimmt sei, eigene Erfah rungen auznbahnen. Er erkannte an, daß eine einheitliche Regelung durchaus erwünscht sei und daß eine solche nur auf dem Wege der NeichSgesetzgcbung herbeizuführen wäre. Zweifelhaft bleibt allerdings, ob dieser Schritt schon in der kommenden NeichstagSsession gethan werben kann. * Berlin, 22. November. Unter der Nebers chrift „Lästige Ausländer" schreibtdie„Deutsche Wochcnsch. i. d. Niederlanden": „In jüngster Zeit erscheinen in hiesigen Zeitungen mit ziemlicher Regelmäßigkeit «nter obiger Aufschrift Bericht«, denen zufolge di« deutsche Regierung außerordentlich« Strenge gegen olche Niederländer walten läßt, welche in ihrer Heimath der Militairpslicht nicht genügt haben oder auch dem deutschen Arbeiter zu scharfe Eoncurrenz machen. Solche Leute würden ohne kurzen Proceß über die Grenzen gebracht. Da dergleichen Berichte sehr wohl angethan sind, das hier circulirendr Märchen von der Willkür, mit der jeder preußische Beamte vom Gendarmen an bis zum Minister belebt ist, zur Thatsache zu stempeln, haben wir in Deutschland verschiedenerseitS Erkundigungen betreffs der Nichtig keit der Sensationsartikel eingezogen und können auf Grund derselben folgende Mitlheilungen machen. Seit längerer Zeit be- geben sich zahlreiche junge holländische Arbeiter in der Absicht, sich der Militairpslicht zu entziehen, in die deutschen Grenzbezirke, wo ie von Arbeitgebern aus dem Grunde sehr gerne eingestellt werden, weil ihnen zu keiner Zeit eine Eiubernsung zur Reserve u. s. w. bevorsteht, worunter bekanntlich mancher Betrieb zu leiden hat. Kehrt nun rin deutscher Reservist von der Uebung zurück, so findet er seine Stellung zumeist durch einen Holländer besetzt. In dieser Lage gesellt sich bei ihm zum Schaden auch noch häufig der Spott. Zudem besitzen manche dieser holländischen Arbeiter ein übertriebenes Freiheitsgesühl, daS sie alS Erbtheil aus der alten Heimath mit in di« neue hiniibergenommen haben und das häufig bei unpassenden Gelegenheiten zum AuS- druck gelangt. Man findet denn auch viele von ihnen in den vordersten Reihen der Socialdemokcaten. So lange sie in diesen Reihen als Statisten siguriren, wird ja durchaus keine Veranlassung genommen, ihnen näher zu treten. Mischen sie sich jedoch in An gelegenheiten, welche die LandeSverwaltung tangiren, so besieht mau sich die Leutchen genauer. Gewöhnlich hapcrt's bann mit den LegitiinationSvapieie». Man läßt den Leuten nun Zeit, solche zu beschaffen, aber zumeist langen die Legitimationen nicht an, da die betreffenden Personen „militairslüchtig" sind. Jetzt allerdings werden sie vor die Alternative gestellt, sich uaturalisire» zn lassen und ihrer Militairpslicht in Deutschland zu geuügcn oder in die Heimath zurück- zukehreu. Das nennt man hier maucherjeits nun Willkür Wir fiuden's ganz natürlich. Die Ausländer hier zu Lande hätten daun noch viel eher Grund, sich über Willkür zu beklage», da sie bekanntlich verpflichtet sind, fünf Diensljahre bei der „Schutterij" abznleisten Ein Aequivalent für diese Maßregel besieht in Deutschland nicht. Zudem ist durch ministeriellen Beschluß vom Decembcr vorigen Jahres Len hiesigen Behörden befohlen, bedürftigen Deutschen hier zu Lande keinen Unterstand mehr zu gewähren, sondern sie ohne Weiteres über die Grenze zu schieben. Von einer Gegeumaßregel deutscherseits hat inan bis vor Kurzem nichts vernommen, obwohl deutsche Blätter sich häufig in Klagen über die strenge Ausführung des ministeriellen VesehleS ergangen haben." DaS Blatt bestätigt und ergänzt also lediglich die von uns vor einigen Tagen niitgetbeilte ofsiciöse Erklärung der deutschen Negierung über die Ausweisungen an der nieder ländischen Grenze. — Die EinberusnngSordre für den Reichstag soll dem Kaiser zur Uuterschrift nach Malta gesandt worden sein. Es seien drei Termine, der 29., 30. November und 1. December, zur Wahl gestellt. — Dein Reichstage werden, wie die „Dtsch. TgSztz." inittheilt, sofort nach Zusammentritt drei in erster Reihe von den Vorstandsmitgliedern dcö Bundes der Landwirthe unterzeichnete Interpellationen zugehcn. Die Inter pellationen betreffen: 1) den in Berlin ebne Vorhandensein einer staatlich beaufsichtigten Productenbörse stallfiudendeu Getreideverkehr, sowie die an der Berliner Börse statt findenden Termingeschäfte in vom Termiuhaudel aus geschlossenen Weuhpapieren; 2) die Erhebungen in ver schiedenen deutschen Bundesstaaten über Vorhandensein und Ausdehnung der Fleischnoth; 3) den hohen NeichSbankdiScont. — Die „Nordd. Allg. Ztg." ist berufen worden, über die Blätter zu Gericht zu sitzen, die Les Glaubens waren, Mil tbeilungen über die neue Militairvorlage veröffent lichen zu können. Sie spricht von Combinationen, die auf subjektiven Anschauungen pensionirter Ossiciere beruhen und Nichtiges und Unrichtiges durcheinander mengen, und wörtlich erklärt sie: Der Natur der Sache nach und gemäß der im Kriegs- Ministerium herrschenden unbedingten DiScretion, kann daS bisher in Len Zeitungen Mitgethciltc über Reorganisationen rc. nur auf Combinationcn beruhen, und es besteht die einzige Unterlage in der am 14. Decembcr 1897 voin Krieg-Minister abgegebenen Er klärung, daß ein dringendes Bediirsniß nach AenLcrung der Organisation sich bei der Feldartillerie kaum noch länger hinausschieben lasse. . . . Wenn andererseits auS dem Militairetat schon jetzt bestimmte Angaben und Zahlen mitgetheilt werden, so dürste dies, nach unserer Kenntuiß der Verhältnisse, nur dadurch zu erklären sein, daß Unberufene, welchen der Etat bis zum Druck und bis zur Vcrthcilung durch die Finger geht, mit mehr oder «weniger Gründlichkeit in der Eile Auszüge, zum Zwecke der Fruc- tlfirir«»- ta Zeitungen, «»gefertigt Haven. Auch dies« Mit- tdrilungrn, scheinbar aus officieller Unterlage beruhend, sind daher mit großer Vorsicht anfzunehmen. — Auf die an de« Fürsten Herbert Bismarck ge richtete Anfrage des Amsterdamer BiSmarck-AuS- schusseü, unter welchen Umständen von Zeit und Art die geplante Darbringung eines SilberkranzeS erfolgen könne und insbesondere eine Vertretung der deutschen Colonie auf die Tbeilnahme an den BeisetzungSfeierlickkeilen rechnen dürfe, ist in Amsterdam eine Antwort eingetroffen. Fürst Herbert Bismarck spricht für die beabsichtigte Ehrung des Andenkens seines VaterS der deutschen Colonie Amsterdams den wärmsten Dank auS und stellt anheim, die Ausführung deö Vorhabens bis in daß Frühjahr zu vertagen, da erst zu dieser Zeit die Grabcapelle fertig gestellt sein wird. — Zu Ehren des fünfzigjährigen RegierungSjubi- läumS des Kaisers von Oesterreich wird am Vor mittage deS 2. TecemberS auf Veranlassung der hiesigen Botschaft in der St.-HedwigSkircbe ein feierliches Hochamt mit Tedeum staitsinden. Der kirchlichen Feier folgt für die Mitglieder der hiesig«» österreichischen und der ungarischen Colonie ein Empfang auf der Botschaft. Wegen der tiefen Trauer um den Heimgang der Kaiserin Elisabeth ist von jeder Festlichkeit zn Ehren dieses JubiläumSlageS abgesehen worden. — Der „Neicksanzciger" meldet die Ernennung des RegierungsratbS Förster cuS Danzig zum Geh. Finanz rath und Vortragenden Rath im Finanzministerium. — Im zweite» Berliner LandtagSwablkreise wird von der Freis. Volkspartei an Stelle von Kopsck, der in Görlitz angenommen bat, voraussichtlich der für Schaum burg-Lippe zum NeichstagSabgeordueten gewählte Kainmer- gerichtSrath Müller-Berlin ausgestellt werden. — Ueber das nächste päpstliche Consistorium schreibt die „Germania": Telegrammen auS Roin zufolge soll daS nächste Consistorium am 28. d. M. stattsiiiden. Eine Cardinalscomniijsion, der Cardinal LangeniSux aiigehörte, verhandelte über die vom Papste dabei zu haltende Ansprache. Sie wird das Protectorat über die orientalischen Katholiken behandeln und ferner eine indirecte Antwort auf Lcn kirchenpolitischen Theil der italienischen Thron rede enthalten. Wenn sich diese Nachricht bestätigt, so ist sie lediglich als Bew.iS dafür auftufassen, daß man in Rom die Quer treibereien gegen Deutschland noch lange nicht aufzugeben gedenkt; vielleicht suaviter m mocko werden die Herren vor zugehen versuchen, aber sonst wird Alles beim Alten bleiben. Wir haben nichts Anderes erwartet. — Ueber a rgenti irische Waffen ankäufe in Deutsch land berichtet die in Buenos Aires erscheinende „Deutsche La Plata-Zrg.": Die Ankäufe repräsentiren ein bedeutendes Kriegsmaterial und zeigen, daß mit den deutschen Was fenfabrikan ten kein anderes europäisches Land concurriren konnte. Die angekanftcn Waffen sind: 40000 Mauscrgewehre „moäelo ar^entino 91", 20000 Manscrcarabiner dito, 30 Millionen Patronen, 200 MnnilionSwageu für die Infanterie mit Geschirren, 10 000 Revolver für Artillerie und Cavallerie mit je 300 Schuß, 10 000 Lanzen mit Slahlschost, 20000 Cavalleriesäbel, 6000 Ofsiciersdcgcu, 40 000 Bajonette, 15 vollständige Feldarlillerie- batterien, d. h. 90 Schnellseuergeschütze mit 500 Shrapnels pro Geschütz, 15 vollständige Verg-Arullcriebatterien, d. h. 90 Geschütze mit 300 Shrapnels pro Geschütz, 6 vollständige Feldhanbitzen- Batterien, d. h. 38 Geschütze mit der Lazu gehörigen Munition und den Geschirren, 255 Artilleric-Mnnitionswagcn, 6262 Geschirre für Batterien und MunitionSwagen, 838 Geschirre für Jufanteric- MnnitionSwagen, 25 000 Sprenggrauaten und 100 Wagen mit voll- ständigen Geschirren für den Train, ferner eine vollständige maschinelle Einrichtung zur Herstellung von Arlilleriegeschossen, so wie 100 Maxim-Nevolverkanonen und 18 großkalibrige Haubitzen zur Vertheidigung deS KriegShafenS. — Die neue preußische Arzneitaxe für 1899 soll hinnen Kurzem erscheinen. Wie verlautet, wird sic keines falls eine weitere Ermäßigung der Arzneipreise bringen. ES dürfte vielmehr den Wünschen der Apotheker auf Wieder erhöhung einzelner, zu gering bemessener Positionen der neuen Arzneitaxe entgegengekommen werden, während anderer seits von der Einführung einer Nachttaxe abgesehen werden soll. — Der englische Botschafter am Berliner Hofe Sir Frank Lascelles kehrt heute von London nach Berlin zurück. — Der sächsische Kammerhcrr Gras Fabrice und der dänische Gesandte von Löweuorn sind hier angekommen. (D Kiel, 22. November. Kriegsmarine und Kaiser- Wilhelm-Canal. Dcr Kaiser-Wilhelm-Caual wird fort gesetzt von den dentschen Kriegsschiffen recht erheblich in An spruch genommen. Im letzten Betriebsjahre, 1897/98, passirten 422 unter der KriegSflagge fahrende Schiffe den Canal; davon waren 48 Dampfbarkasscn, Pinnassen, Dampf- und Segclyachtc». Im Jahre 1896/97 benutzten 327 Kriegsschiffe den Canal, während im ersten Jahre 1895/96 nur 192 Kriegs fahrzeug« diesen Weg nahmen. Zählt man diese Summen zusammen, so ergiebt sich, daß seit Eröffnung deS Wasser weges im Juli 1895 schon 94 l deutsche Kriegsschiffe diese Straße befahren haben. Das Canalamt hat ausgerechnet, daß bei Erhebung einer Gebühr für die Kriegsschiffe diese eine Höbt von 38 353 ergeben hätte. Von fremden Kriegs schiffen benutzten im letzten Jahre nur zehn den Canal. * Braunschwein, 22. November. Im braunschweigischen Landtag ist die Interpellation eingebracht: Welchen Verlauf haben die Verhandlungen über die Verwrrthung der staat lichen Kalilager seit dem 6. September genommen? Die Berathung findet in den nächsten Tagen statt. * Köln, 22. November. In der verflossenen Nacht wurde daS in der Neustadt gelegene, im vorigen Jahre enthüllte Kaiser-Wilhelm-Denkmal demolirt und dabei die in der Hand der Colonia befindliche SiegeSpalme gewaltsam abgeschlagen und mitgenommen. Zwei der That verdächtige Personen wurden durch einen Nachlschutzmann verfolgt, ent kamen jedoch. * Darmstadt, 22. November. Der antisemitische Ab geordnete Köhler hat bekanntlich an die Regierung eine Interpellation wegen deS Verbots deS Verkaufs der Zeit schriften „Zukunft" und „SiniplicissimuS" im Babn- bof Gießen durch die preußische Eiscnbabnverwaltung gerichtet. Er motivirt die Interpellation damit, daß er in dem Verbot eine unzulässige, auf hessischem Berschlcißgebiet angeordnete polizeiliche Maßnahme des preußischen Staates und eine offenbare Beeinträchtigung dcr hessischen Rechts- und Landes hoheit erblicke. * Karlsruhe, 22. November. Die badische Negierung sieht sich veranlaßt, eine weitere Ausdehnung des Ein fuhrverbotes für Rindvieh auS der Schweiz anznordnen. * Stuttgart, 22. November. Morgen begebt Minister präsident Freiherr v. Mitt nacht das Jubiläum seiner 25jährigen Thäligkeit als Minister des königlichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten. * Aus Bayern, 22. November. In CentrumSorganen werden allerhand Aeußerungen von Bauernbundsführern mitgetheilt, in denen die politische Bildung dieser Herren im schönsten Lichte erscheint. So sagten Schäfer, Pondorf u. A. in Eslarn: „Die ReichSrathökammer hat zur Besserung der Lage der Landwirthschaft noch 3 Millionen mehr bewilligt als die Abgeordneten, also muß sie beseitigt werden. In unserer Kammer sitzen nahezu 300 (?) Abgeordnete. Im Reiche haben wir vier NeichSmarschallsecretaire mit je 6000 Aufbesserung und die vier bayerischen Minister sinv mit 3 Millionen aufgebeffert worden. Die zwei Districts- schulinspectorcn des Bezirkes Vohenstrauß beziehen miteinander einen Gehalt von 10 500-L Viele Beamte werden schon in einem Aller von 30 Jahren pcnsionirt." Der Abg. Bachmeier that in einer Rede folgende Weisheitssprüche: „Bei der letzten Flottcnvorlage hat man das Aeternat preisgegeben. Damit können wir nicht einverstanden sein, ein so wichtiges Volksrecht können wir nicht Preisgeben." — „Kein Land ist so hock besteuert wie Bayern, auch in Italien nicht." — „Unsere Kinder müssen was lernen, sie sollen nicht so dumm bleiben, wie wir." Der letzte Ausspruch zeugt wenigstens von Selbsterkenntnis;. Wenn die CentrumSblätter die Bauerusührer deshalb anulken, übersehen sie aber, daß solche negative Weisheit ans der CentrumSschule stammt. * München, 22. November. Zur Stunde sind nach der „Allgem. Ztg." noch keine Einzelbestimmungcn über den Aufcnihalt des deutschen Kaisers und der Kaiserin getroffen. Jedenfalls finde hier eine Frühstückstasel statt — ob in der köuigl. Residenz oder im Königssalon des Central- bahnhofcS, sei fraglich. Für beide Eventualilälen würden Vorkehrungen getroffen. Dcr Bahnhof wird jedei falls abgesperrt. — Wegen Majestätsbeleidigung wurde der 19jährige Kutscher Francois Deprs aus Brüssel zu fünf Monaten Gefängniß verurlheilt. Er hatte, den „M. N. N." zufolge, während erbeim Cirkus Wulff in Stellung war, in Pest nnv hier in München öfter gemeine, höchst beleidigende Aeußerungen gegen den deutschen Kaiser gemacht. Deprs las stets französische Zeitungen und machte, trotzdem ihn seine Kameraden warnten, ost seinem Haffe gegen die Deutschen Lust. Er juckte umsonst die Anklage auf einen Nacheact seiner College» znrück- zuführcn. Oesterdeich-Ungarn. Ministcranklagc. * Wie», 22. November. Das Abgeordnetenhaus beginnt die Verhandlung des An klage an träges DaszynSki-Kosakicwicz wegen Verhängung des Ausnahmezustandes in Galizien. Daszynskl ichildert in dreistündiger Rede auf Grund statistischer Daten das Elend dcr Bauern in Galizien, behauptet, daß der Ausnahmezustand vorwiegend zur Unterdrückung der socialislischen Propaganda in Galizien benutzt worden sei, und bringt die heftigsten Angriffe auf die Verwaltung und den Richterstand Galiziens vor. Der Ministerpräsident Graf Thun tritt dieicn Angriffen mit größter Entschiedenheit entgegen und weist die von Duszynski vor gebrachten Beschuldigungen zurück. Wenn die socialisiische Partei die Anschauungen theile, denen TaSzynski in seiner Rede Ausdruck gegeben, dann sei es vollkommen begreiflich, daß die politischen Behörden Galiziens, welche für Ruhe und Ordnung verantwortlich „Wo wohnen Sie?' „In der Euston Road", entgegnete das Mädchen ohne Zögern. „Papa geht es jetzt nicht besonders gut; wir leben sehr zurück gezogen." Die Amerikanerin erriech sofort die ganze Sachlage und blieb eine Weile gedankenvoll. Dann begann sie: „Ein Vertrauen ist des andern Werth. Sie werden auch über meine Verhältnisse etwas erfahren wollen ... Ich bin ver gangenen Herbst nach Europa gekommen, um mich von einem schweren Schlage, dem Tode meines Gatten, zu erholen ... Ich bereiste Italien und Frankreich." „Wie angenehm muß das geuxsen sein!" „Das kann ich gerade nicht behaupten. Die fremden Städte gefielen mir gar nicht und die Leute noch weniger. Sie gesti- culiren, während sie sprechen, als ob man sie dadurch besser ver stände. Man trifft nur selten Jemand, der Englisch versteht, die Idioten haben gar nicht den Verstand, es zu lernen und setzen voraus, daß wir Ausländer ihre Sprach« wißen müßten, wenn wir ihr Land bereisen, und das kann man doch von uns nicht verlangen! So verließ ich den Continent, trotzdem ich einige Städte, die sehr viele Kunstschätze enthielten, wunderschön fand. Sie werden durch die Kunst und das Geld, das sie den Reisenden erpressen, reich." „Die Reisen haben Sie also ermüdet?" „Sehr. Ich hab« mich entschlossen, nach England zu kommen. Trotzdem man mir versicherte, daß es entsetzlich altmodisch und steif sei, nichts von Picknicks und Landparthien wisse, gefallen mir die Menschen hier weit besser als auf dem Continrnt." Sie fuhr Capri mit ihren Fingern durchs Haar, dang fragt« sie plötzlich: „Wie gefällt Ihnen mein Zimmer, Kleine?" „Wunderbar!" „Es hat aber auch eine Unmenge Geldes gekostet", entgegnet« Mrs. Lordson, durch Capri's Antwort geschmeichelt. „Das kann ich mir denken", entgegnete diese. „Dort das Wandschränkchen habe ich in Italien gekauft, es gehört« einer gewissen Catharine von Medici; wissen Sie etwas von dieser Dame?" -J-." „In dem herzoglichen Palast in Florenz hab« ich eine Venu- ven Medici gesehen, ein schamloses Ding, denn sie hat sich splitternackt mobelliren lassen, aber sie ist ein schönes Weib, daS muß ich zugeben, noch schöner als Sie, mein Kind. Von einer Catharine d« Medici habe ich aber nichts gesehen, wahrscheinlich weil st« nicht so schamlos war wie ihre Verwandte, die vrnuS." Das Schränkchen der Catharina di Medici war in der That ein Kunstwerk ersten Ranges, Ebenholz mit Elfenbein eingelegt. Capri erhob sich, um es mit gebührender Ehrfurcht anzustaunen. Solche Möbelstücke hatte sie bislang nur in Museen gesehen. „Sie müssen wissen, ich bete die Kunst an und lebe für sie. Ich finde nur an Kunstgegenständcn Gefallen", dabei wanderten ihre Blicke von der chinesischen Vase auf die unzähligen, kostbaren Nippsachen. „Jetzt will ich Ihnen etwas ganz besonders Schönes zeigen." Sie trat vor eine seltsam geschnitzte Truhe in der Form eines antiken Sarkophags, die Capri's Blicken entgangen war. „Von außen ist nicht viel daran, aber umsomehr von innen." Mit diesen Worten hob sie den ziemlich schweren Deckel in die Höhe. Das Mädchen stieß einen Ausruf des Entzückens aus; auf einem rothen Hintergrund erblickte man gemalte Cherubim, welche Kränze aus goldenen Rosen, Purpur-Früchten und gelben Blättern schwangen. Die Leisten ringsum waren mattgold mit reichverschlungenen Arabesken in blassestem Rosa und Dunkel grün. „Was sagen Sie dazu? Mancher der englischen Raritäten sammler würde sein rechtes Auge dafür hergeben. Ursprünglich gehörte die Truhe der Collection Sechan an. Das zeigt doch dieitlich, wie sehr ich die Kunst liebe", schloß die gute Dame, d«nn sie bemaß den Werth eines Kunstwerks nur nach der Summe, di« sie dafür bezahlte. „Sie muß doch schrecklich viel Geld gekostet haben!" Ein kleines Vermögen. Ich habe st« bei einer großen Ver steigerung in Paris gekauft. Ein Erzbischof und ein franzö sischer Marquis haben um die Wette mit mir geboten, aber ich habe doch den Sieg davongetragen, denn ich wollte sie um jeden Preis erstehen", entgegnete sie mii auf Capri gerichteten Blicken. „Das Mädchen ist bezaubernd", sagte sie sich im Geiste. Man konnte sich aber auch kaum ein schöneres Gesicht denken als das Capri's, in welchem sich all das Erstaunen und Entzücken, welches sie empfand, widerspiegelte. Ihre Augen strahlten förmlich vor Begeisterung. „Sie sieht wie ein auS dem Rahmen gesprungenes Bild auS", fuhr Mrs. Lordson in ihrem Gedailkenczang fort, „oder wie «ine der Statuen in den Galerien, nur viel schöner, denn daS Leben verleiht ihr warme, frische Farben. . . Singen Sie?" fragte sie jetzt laut, und deutet« auf daS offene Piano. „Ja", antwortete daS Mädchen, und setzte sich ohne Zögern ans Instrument. „Was soll ich singen?" „Was Sie wollen, mein Kind. Ich liebe die Musik und be geistere mich an ihr, denn sie gehört zu den schönen Künsten." Capri halt« noch niemals auf einem so schönen Clavier ge spielt, die Töne kamen rein, tief und klangvoll heraus, als sie die ersten Accorde anschlug. Sie sang ein liebliches Schubert'sches Lied, das klagend und weich beginnt, um sich immer höher und höher zu erheben und dann wie in einem Seufzer zu endigen. Capri besaß die glückliche Gabe, mit ihrer Stimme die Herzen der Zuhörer zu rühren, und auch diesmal gelang es ihr, der Amerikanerin Thränen zu entlocken. Nachdem sie geendigt, erhob sie sich, nahm ihren Platz zu deren Füßen wieder ein und legte ihr Köpfchen in deren Schooß, als ob sie Zuflucht und Liebe bei ihr suchen wollte. Mrs. Lordson war eine Zeit lang keines Wortes mächtig, wischte sich die Thränen aus den Augen und strich ihr zärtlich über das Weiche Haar. „Sie haben wohl viele Freunde, Capri?" begann sie, nachdem sie sich gefaßt. „Freund«? . . . Nein!" entgegnete diese, denn sie glaubte vernünftiger zu handeln, wenn sie die Besuche in Marc's Atelier, dessen Hingabe und die Freundschaftsbeweise der Schüler ihres Vaters verheimlichte. „Nicht? Wit ist das möglich?" „Ich lebe sehr zurückgezogen, Papa empfängt nur wenige Be suche — in einer Großstadt muß man mit Bekanntschaften sehr vorsichtig sein. — Ich bin fast den ganzen Tag allein, denn Papa geht vi«l aus", schloß sie seufzend. „Das ist für ein junges Mädchen nicht angenehm." „Gewiß nicht; aber ich habe mich schon daran gewöhnt." Mrs. Lordson blickte nachdenklich vor sich hin und streichelte dabei fortwährend Capri's Wangen. Plötzlich fragte sie: „Wollen Sie nicht als Gesellschafterin zu mir kommen?" Das war «s, was Capri mit dem Eintritt in dieses Haus ersehnt. Die Antwort erstarb ihr auf den Lippen, sie hörte ihr Herz heftig pochen, als ob es zerspringen wollte, und alles Blut war aus ihren Wangen gewichen. War ihr das Schicksal wirk lich so hold? Wachte oder träumt« sie? Fast jubelnd entrang sich ihr endlich der Ausruf: „Einzigste, beste Frau Lordson, es wäre mein sehnlichster Wunsch!" „Gut . . . Sie sehen, ich lebe allein, und obgleich ich viel ausgehe, fühl« ich doch das Bedürfniß, Jemanden um mich zu haben, mit dem ich nach Belieben plaudern kann. Sie gefielen mir schon, als ich Sie in der Galerie kennen lernte." . . . „O, wie danke ich dem Zufalle, der mich gerade an dem Tage hinführte!" unterbrach sie Capri. „Wenn S« also einwilligen, meine Gesellschafterin zu werden, und Ihr Bater eS erlaubt, sollen Sie 100 Pfund jährlich bekommen, und Sie können zu mir ziehen, sobald es Ihnen paßt. Je eher, je lieber." Das Mädchen traute ihren Ohren kaum. War es denn möglich, daß man ihr 100 Pfund bot? Sie brauchte nicht länger in einer Straße zu wohnen, wo vom frühen Morgen bis zum späten Abend die Obst- und Gemüsehändler laut schreiend ihre Maaren feilboien und in deren Nähe man auf Schritt und Tritt dcr Armuth und dem Elend ins Auge blicken mußte. Hier in dem eleganten Hause, mitten im Aristokratenviertel, umgeben von Neichthum und Luxus, wartete ihrer eine Zukunft, wie sie sich sie, seitdem sie denken konnte, erhofft. Mrs. Lordson's Vorschlag dünkte ihr wie eine Aussicht aufs Paradies. Wäre sie allein ge wesen, sie hätte laut aufgrjubelt und im Zimmer herumgetanzt wie ein übermüthiges Fohlen. Der Gedanke an ihr neues Leben raubte ihr beinahe die Sinne und sie saß eine Weile athemlos da. Nach und nach beruhigte sie sich so weit, daß sie stammeln konnte: „O, wie ich Ihnen danke!" „Ich erwarte Sie möglichst bald, vorausgesetzt, daß Ihr Papa nichts dagegen hat." Capri hatte in ihrem Glücksrausch gar nicht erwogen, welche Kämpfe cs sie kosten würde, ehe sie dessen Einwilligung erhalten konnte; jetzt, da Mrs. Lordson sie an ihn erinnerte, graute ihr ein wenig davor, aber sic war fest entschlossen, um jeden Preis die Stellung anzunehmen, selbst auf di« Gefahr hin, mit ihm brechen zu müssen. Wenn sie ihre Sehnsucht nach Reichthum erfüllt sehen wollt«, mußte sie sich selbst ihren Weg bahnen. Hauptmann DankerS mit all seiner Würde und seinem Hochmuth würde ihr niemals dazu verhelfen. Deshalb erwiderte sie darauf: „Papa wird gerne seine Einwilligung geben, wenn er ein sieht, daß es zu meinem Besten ist, und das muß er doch. Heute ist Montag, einige Tage brauch« ich, um mich bereit zu machen, wenn cs Ihnen paßt, komm« ich Sonnabend." „Sehr wohl, ich erwarte Sie also an dem von Ihnen be stimmten Tage." „Tausend Dank!" „Noch eins: fast hätte ich vergessen. Sie zu fragen, ob Sir Kunstliebhaberin und Kennerin sind." „Beides", entgegnete Capri keck. „Herr Phillips, dem ich zu der „Bettelmaid" gesessen habe, war so liebenswürdig, mich in dir Geheimnisse der Kunst einzuweihen, aber auch mein alter Freund und Lehrer Signor Pallamari, der in Pompeji mehrere Urnen entdeckt hat und jede Statue, ja sogar jeden Stein in Rom kennt, hat sich in dieser Richtung Mühe mit mir gegeben, so daß wir jetzt nur über Kunst mit einander plaudern." (Forts, folgt.)