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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.11.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981123023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898112302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898112302
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-11
- Tag 1898-11-23
-
Monat
1898-11
-
Jahr
1898
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Gröbere Schriften laut unserem Prell- vkrzeichniß. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. Vxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderunx tiO.—, mit Postbrsorderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Sx-editto» zu richten. Druck und Verlag von L Pol, in LeipzkA S2. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. November. ES geschieht keineswegs zu ihrem Vergnügen, noch in der Meinung, den Lesern ein Vergnügen zu bereiten, wenn die Presse den lippischen Streitfall unausgesetzt erörtert. Die Angelegenheit hat aber, nachdem man sie von Berlin und Bücke burg aus nach der schiedsgerichtlichen Entscheidung nicht ruhen ließ, eine nie geahnte reichspolitische Wichtigkeit erlangt. Jbre Entstehung und die Art ihrer Behandlung sind symptomatisch für das gegenwärtige Regiment und ihre Wciterfübrung in der bisherigen Weise würde bleibende Nisse im Reichsbau hinterlaßen, während eine rasche Entscheidung im Sinne des Schiedsgerichts das Geschehene wieder gut zu machen ver möchte. Darum muß ihr die Presse volle Auf merksamkeit zuwenden und heute von Zeichen berichten, die darauf hindeuten, daß die preußische Negierung auf dem ein- geschlaaeuen verkehrten Wege weiter zu gehen entschlossen ist. Die „Nordd. Allg. Ztg." nimmt nämlich indirekt zur Sache Stellung, indem sie Auslassungen anderer Blätter ansübrt, die den Berliner Standpunkt vertreten. Bei der Wahl seiner Gewährsmänner muß freilich das Regierungsblatt taut cko inioux ähnlich verfahren, wie der Necruten ausbebende Falstaff freiwillig gethan. Es beruft sich auf das „Berliner Tageblatt", daS trotz seines Freisinns die Forderung einer landesgesetz- lichen Regelung der lippischen Thronfolge für im höchsten Maße unbillig erklärt, und auf ein parteiloses Berliner Localblatt, das sein Nenommöe der peinlichen Genauigkeit verdankt, mit der es die intimsten Einzelheiten von Lust morden und ähnlichen Begebenheiten schildert. Wenigstens was dieses zweite Blatt anlangt, hat man es ohne Zweifel mit dem bekannten Manöver zu thun, das darin bestebt, daß eine und dieselbe Stelle irgendwo eine „Auffassung" ausspricht und diese anderswo als eine Stimme der öffentlichen Meinung wiederg den läßt. Es handelt sich in diesem zweiten Falle zunächst um eine Polemik gegen das sächsische „Vaterland", bei dessen Erwäh nung diplomatisch, aber mit deutlich erkennbarer Spitze ge sagt wird, daß ihm „sonst Beziehungen zur sächsischen Re gierung zugeschricben werden". Sodann wird mitgetheilt, daß die preußische Negierung zwei Anträge in der Sache gestellt: den bekannten, daß der Bundesratb seine Competenz erklären solle, und „einen zweiten Antrag, daß jedoch z. Z. kein aus reichender Grund zu einer materiellen Entschei dung für den Bundesratb vorliege, da die allein acut gewesene Frage der Erbberechtigung deS Graf-Regenten durch daö Schiedsgericht schon entschieden sei und die Frage der Erbberechtigung seiner Söhne z. Z. keineswegs Bedeutung babe". Dieser zweite Antrag dient subsieiär der Verschleppungstaktik, die die „Nat.-Ztg." kürzlich sigualisirt hat. Seine Begründung, daß die Frage der Erbberccht i gun g der Söhne des Regenten „keineswegs acut" sei, ist keine Begründung. Graf Ernst kann über 'Nacht sterben; dann wäre zwar aus Grund eines lippischen Landesgesetzeö ein Regent da, aber dieses Gesetz wird von Schaumburg angefochten, und wenn dies im „acuten" Falle auch ohne Erfolg geschähe, es bliebe eben doch nur eine Regentschaft, die auch nach dem Tode deS regierungS- unfähigen Fürsten fortdauern müßte, wenn nicht bis dabin die landesgesetzliche Regelung der Erbfrage erfolgt ist. Mit anderen Worten: Der preußische Antrag bezweckt, die Wunde am Neichskörper, als welche die lippische Sache sich darstellt, auch für den Fall offen zu laßen, daß die Entscheidung des BundeSrathes über die Zuständigkeit nicht mehr hinau-geschoben werden kann. Bejaht der Bundesrath die Competenzfraze, so bleibt auf unabsehbare Zeit ein Zustand bestehen, der durch daS Telegramm deS Kaisers an den Grafen Ernst und deS Letzteren Denkschrift an die Bundesfürsten gekennzeichnet ist. Die Frage, wie daS Präsidium des neuen Reichstags zusammengesetzt werden soll, kann natürlich erst gelöst werden, wenn der Reichstag sich constituirt bat und die Fraktionen mit einander Fühlung genommen haben. Immerhin ist es schon jetzt als wahrscheinlich zu bezeichnen, daß die Zusammen setzung des Präsidiums eine andere sein werde, als beim Schluffe der letzten Legislaturperiode. Daß das Cent rum als die stärkste Partei wieder den ersten Präsidenten stellt, ist selbstverständlich; einen zweiten Präsibentenposten wird man ihm aber schwerlich überlassen. Die „Kreuzztg." meldet nämlich, daß die konservativen Parteien sich entschlossen haben, aus ihrer, in den letzten Sessionen geübten Zurück haltung hervorzutreten und einen Sitz im Präsidium in An spruch zu nehmen. Der Freisinn werde also auf die Besetzung der ersten Vicepräsidentenstelle verzichten und dieselbe den Conservativen überlassen müssen. Ueber die Personenfrage äußert sich das Blatt wie folgt: „Welchen Abgeordneten unsere Fraktion als ersten Vicepräsi denten stellen wird, wissen wir natürlich nicht; doch ist, soviel uns bekannt, in weiten Kreisen unserer Partei die Ansicht vertreten, daß im Fall das Centrum zum Präsidenten einen Süddeutschen wählt, die zweite Präsidentenstelle einen Preußen übertragen werden müsse. Die dafür bisher in der Presse namhaft gemachten Herren dürsten nicht in Betracht kommen; am wenigsten hat, wie wir wissen, Herr Or. von Levetzow Lust, als zweiter Vicepräsident zu fungiren. Stellt das Centrum einen Preußen als Präsidenten, so wird aller Wahrscheinlichkeit nach die conservative Fraction ein hervorragendes sächsisches Mitglied aus ihren Reihen präsentiren." „In diesem Falle würde die Ergänzung deS Präsidiums durch einen nationalliberalen Süddeutschen die beste Eombination sein", so beißt cs dann weiter, worauf unter Hinweis auf den 23. März 1895 bemerkt wird: „Inzwischen bat das Ceutrum, so gut es konnte, seine bedauernswerthe Handlung an dem erwähnten Märztage gutznmachen versucht, und die Ehrung, die eS dem lebenden Bismarck versagt hatte, dem entschlafenen großen Kanzler geweiht, indem cs die Herren vr. Bachem und vr. Spahn entsandte, um am Sarge des Heimgegangenen einen Kranz niederzuleaen." Diese Be merkung ist wahrscheinlich an die Adresse der Nationalliberalen gerichtet, um sie von einer Weigerung, den zweiten Vice präsidenten zu stellen, abzubringen. Tie „Nat.-lib. Corresp." erklärt denn auch: „Die nationalliberale Fraction wird sich über ihre Stellung nahme zur Präsidialwahl, insbesonerc über die eventuell« „Personen- frage", erst schlüssig machen, wenn sie Zusammentritt. Den Tra ditionen der nalionalliberalen Fraction aber entspricht es, wie es ihr unausgesetztes Bestreben gewesen, die Arbeiten des Reichstags, gleichviel unter welchen Verhältnissen, nach Möglichkeit im Interesse der Nation zu fördern, sich auch nicht der Verpflichtungen bezüglich der Leitung der Reichstagsgeschäfte zu ent ziehen, soweit ihr dies durch die Verhältnisse mit Ehren er möglicht wird." Einigen sich Centrum, Conservative und Nationalliberale über ihren Antheil am Präsidium, so werden bürgerliche Demokratie und Socialdemokratie keinen Einfluß auf die Zusammensetzung deS Präsidiums haben. Auf alle Fälle aber glauben wir der Erwartung Ausdruck geben zu müssen, daß die nationalliberale Reichstagsfraction bei der Wahl ibreS Candidaten in erster Linie seine Unabhängigkeit von der Regierung und der Berliner Hofgesellschaft berücksichtigen werde. Zwischen Frankreich und Italien ist nun endlich nach jahrelangen, oft abgebrochenen, aber immer wieder an geknüpften Verhandlungen ein Handelsabkommen perfect geworden, das beiden Staaten unabsehbare Vortheile bringen wird, nachdem der seit 1888 andauernde erbitterte Zollkrieg den Wohlstand beider, vor Allem dem des armen Italiens, er hebliche Wunden geschlagen hatte. In Frankreich war es nicht bloS das extreme Schutzzollsystem Msline's, sondern auch politische Rancune gegen den Verbündeten Deutschlands und den Rivalen in Nordafrika, was die wiederholten italie nischen Versuche, den feindseligen Nachbar zur Nachgiebigkeit zu vermögen, zum Scheitern brachte. Was bat nun die französische Regierung plötzlich so vertragsfreundlich gestimmt? In einem Theil der deutschen Presse wird mit Nachdruck betont, daß die Demüthigung in der Faschodafrage und das Versagen deS russischen Verbündeten Frankreich zu der Einsicht gebracht habe, daß es besser sei, nach anderer Seite hin Fühlung zu suchen und Verstimmungen zu beseitigen. Wir sind der Meinung, daß die Faschoda- angelegenheit und was drum und dran hängt, wohl den Abschluß des Handelsabkommens beschleunigt haben mögen, daß es aber ungerechtfertigt ist, die politische Seite der Sache so ausschließlich zu accentuiren. Die Verhandlungen, welche nun zum Ziele geführt, haben schon unter dem letzten Ministerium di Rudini begonnen und einen guten Fortgang genommen. Ausschlaggebend für die französischen Unterhändler war beim Abschluß in erster Linie die nicht länger abzuweisende Ueberzeugung, daß man die Widerstands kraft Italiens unterschätzt und daß man sich in der Prohibitiv- kraft der Zollschranken, namentlich bezüglich deS Haupkemfnbr- artikelS, nämlich deS italienischen Weins, doch etwas geirrt batte. In den ersten Monaten des laufenden Jahres z. B. sind für 110 Millionen 623 000 Franken italienische Waaren in Frankreich eingefübrt und für 114 Millionen 370 000 Franken französische Erzeugnisse nach Italien auSgefübrt worden. Im Vergleich mit dem Vorjahre ergiebt sich daraus eine Ver mehrung der italienischen Einfuhr in Frankreich um 3»/r Millionen und eine Verminderung der franzö sischen Ausfuhr nach Italien um nahezu 10 Millionen. Diese Statistik konnte nicht ohne Eindruck bleiben. Was nun die Befürchtungen betrifft, die bei uns bisher an eine handelspolitische Annäherung beider Staaten geknüpft wurden — man konnte besorgen, daß cs Frankreich gelingen werde, das versöhnte Italien vom Dreibund ab auf seineSeite zu ziehen — so treten sie jetzt, wo Frankreich seine Frontstellung nothgedrungcn bat verändern müssen und in England seinen gefährlichsten Feind erkannt hat, erheblich in den Hintergrund, ganz ab gesehen davon, daß die italienisch-französischen Differenzen wegen Tunis und Tripolis sich eher verschärft als vermindert haben und die französische Unterstützung Mcnelik's während des abessinischen Krieges in Rom noch nicht vergessen ist. Außerdem ist in Italien keine Stimmung dafür vorhanden, den dem Dreibund parallel laufenden Sondervertrag mit England Frankreich zu Liebe aufzugeben, und auch die franco- phile Agitation gegen den Dreibund ist erlahmt. Wir können also im Hinblick aus das BundeSverhältniß, in welchem Italien zu uns steht, sehr beruhigt sein, ja wir dürfen uns des neuen Handelsabkommens insofern freuen, als es die wirtschaftliche Lage Italiens bedeutend beben und das Land so in den Stand setzen wird, die Militairlast, die ihm seine Bundespflicht auf erlegt hat, leichter als bisher zu tragen oder, wenn es nöthig sein sollte, zu erhöhen. In nächster Zeit soll der Pupst in Angelegenheit des sogenannten „Amerikanismus in der Kirche" eine Kund gebung erlaßen, die unzweifelhaft von großer Tragweite sein wird. Die DiScussion über die Principien des Amerikanismus bat sich infolge einer vor einigen Monaten erschienenen Schrift besonders lebhaft gestaltet. Diese Publikation war eine Art Pamphlet gegen die hervorragendsten Führer der katholischen Kirche in den Vereinigten Staaten, den Cardinal Gibbons, Msgr. Keane und insbesondere gegen den vor mehreren Jahren verstorbenen Gründer des Paulisten-OrdenS, k. Hecker, der als einer der Haupturbeber der amerikanistischen Bewegung anzu sehen ist. Die Schrift verfolgte hauptsächlich den Zweck, nach zuweisen, daß k. Hecker und seine Anhänger sich in vielen Punkten zu bedenklichen und selbst zu heterodoxen Ansichten bekannten. Die Anti-Amerikanisten wußten daS Imprimatur des Vatikans für dieses Pamphlet zu erlangen und wollten eS überdies durchsetzen, daß eine Biographie des k. Hecker, die in den katholischen Kreisen vieler Länder großen Beifall ge funden hatte, auf den Index verbotener Bucker gesetzt werde. Die Anti-Amerikanisten erwarteten mit Zuversicht einen Er folg ihrer Bemühungen, da es bekannt war, daß die Dis positionen, die in der Index-Congregation überwogen, dem Amerikanismus entschieden feindlich gegenüberstanden. Nun ist aber mit einem Schlage eine Aenderung der Situation eingetreten. Der Papst hat nämlich verfügt, daß die Unter suchung der Frage deS Amerikanismus der Index-Eongregalion abgenommen und einer all bc>c eingesetzten Cardinalscommission zugewiesen werde. Dieselbe ist beauftragt, einen Bericht über diese Angelegenheit auszuarbeiten, nach dessen Kenntniß- nahme der Papst seine Entscheidungen treffen wird. Diese Wendung bedeutet schon an und für sich eine Niederlage der Anti-Amerikanisten, denn es konnte als unzweifelhaft gelten, daß die Index - Congregation über die Biographie des k. Hecker ein Bcrdammungsurtheil ausgesprochen haben würde. Man nimmt in kirchlichen Kreisen an, daß das er wartete päpstliche Schriftstück der Campagne, welche gewiße intolerante fanatische Katholiken gegen die liberalen und maß vollen Bestrebungen des amerikanischen KatholiciSmus führen, ein Ende setzen werde. Bekanntlich haben mehrere katholische Schriftsteller in Deutschland, insbesondere Professor Schell in seiner Schrift: „Der KatholiciSmus als Princip des Fortschrittes" und vr. Müller in seiner Schrift über den „ReformkatholicismuS" mehr oder minder offen für die amerikanischen Ideen Partei genommen, aus welchem Grunde sie von einem Theile der katholischen Preße aufs Heftigste angegriffen worden sind. „Die Kundgebung deS Papstes in dieser Frage, die demnächst erfolgen soll, wird, so bemerkt die „Pol. Corr.", nach Allem, was man bisher darüber erfahren kann, in Deutschland gewiß einen sehr günstigen Eindruck Hervorrufen." Wir warten es ab. Der provisorische Vertrag zwischen dem Präsidenten Zelaya und den Vertretern des neuen amerikanischen Syndicates über den Nicaraguacanal ist nach viertägiger Debatte vom nicaraguanischen Congreße einstimmig genehmigt und damit das Syndicat ermächtigt worden, daö nicht zu Ende geführte Unternehmen der alten Gesellschaft, deren Concession am 9. October 1899 abläuft, zu übernehmen. Die Lettelmaid. Il^j Roman von Fitzgerald Molloy. Nachdruck verboten. „Was kümmert das mich?" „Mein Gott, bist Du denn so unpraktisch? — Du sollst sie verhindern, Schund zu kaufen." „Wie kann ich das?" „Indem Du ihr einige Deiner Bilder anhängst, Z. B. die Moorlandschaft, den Herkules und dergleichen mehr. Sie wird Dir dieselben bester bezahlen als Deine schachernden, hart herzigen Händler. Und Du dienst damit Dir und ihr gleich zeitig." Ein Schatten glitt über sein Gesicht, er blickte von ihr fort und antwortete nicht gleich. „Woran denkst Du jetzt, Marc?" fragte sie nach einer Pause. „Soll ich Dir's sagen?" „Natürlich, Du mußt, denn jetzt hast Du meine Neugierde rrregt." „Ich bedauerte, daß Du solchen Werth auf das Geld legst." Capri blickte gedankenvoll zu Boden. „Willst Du mir nicht auch sagen, was jetzt Dein Hirn kreuzt?" fuhr der Maler fort. „Ich dachte daran, wie bedauerlich es sei, daß wir gezwungen sind, dem Gelde Werth beizumesten. — Komm, laß uns jetzt noch einen Rundgang machen." Achtes Tapitek. An dem verabredeten Tage begab sich Capri in das kleine Haus in Mayfair. Sie trug wieder das einfache graue Kleid, das der prüdesten englischen Matrone einfach genug erscheinen mußte. Und doch lächelte Capri ihrem Ich in dem kleinen Spiegel ihres Schlafzimmers befriedigt zu, als sie ihre Toilette beendet und ein dunkelrothes Sammetband um den Hals ge schlungen hatte, um einen künstlerischen Gegensatz hervorzurufen. Nicht die Farbe oder der Schnitt des Kleides, sondern einzig unv allein die ungesuchte Anmuth, mit der sie sich bewegte, ließ sie so bestrickend erscheinen. Sie hatte ihrem Baker von der Begegnung mit der reichen Amerikanerin und deren Einladung erzählt, und dieser hielt eS für selbstverständlich, daß sie di« Verabredung pünktlich ein halten müsse, denn er zog in Betracht, daß eine nähere Be kanntschaft mit der Dame Ihm oder Capri früher oder später von Nutzen sein könnte. Der Hauptmann erwartete stets von der Zukunft «ine Besserung seiner pccuniären Lage und zog kraft seines spekulativen Geistes allerlei Zufälligkeiten in Be tracht. Wenn er eines Morgens ein Telegramm erhalten hätte mit <der Nachricht, daß er Erbe eines großen Landsitzes und Vermögens geworden, und zwar durch sechzehn plötzliche Todes fälle in seiner Familie, — er würde nicht einen Augenblick ver wundert gewesen sein und es selbstverständlich gefunden haben, daß die Vorsehung sechzehn Menschen sterben ließ, um ihm zur Hebung seiner Lage zu verhelfen. Er wartete schon lange auf Fortunas Gunst, aber die wetterwendische Dame schien es nicht zu merken, und so lernte der Hauptmann Geduld. Mrs. W. Achilles Lordson war Amerikanerin, reich, und hatte seine Tochter gebeten, sie zu besuchen. Was konnte die Zukunft nicht Alles bringen? Er stopfte seine Pfeife — Cigarren rauchte er nur, wenn er sie geschenkt bekam — und dachte, während er, behaglich im Lehnstuhl sitzend, dampfte, darüber nach, wie Capri sich bei dem ersten Besuche benehmen werde. Die Uhren der benachbarten Kirchen schlugen in den ver schiedenartigsten Tonarten die Mittagsstunde, als Capri den großen Klopfer an der kleinen Thür in Mayfair in Bewegung setzte. Um dieses zu können, mußte man zwei riesige Zähne eines in der Naturgeschichte unbekannten ThiereS gegen dessen Kinn drücken; der Rachen bildete dm Einwurf für Briefe. Die Besucherin brauchte nicht lange zu warten. Schon nach dem ersten Schlag öffnete «in in eine funkelnagelneue LivrSe gekleideter Diener. Sein Haar war hell und glatt gebürstet, sein Gesicht rosig und glänzend, seine Haltung steif wie ein Haubenstock, er macht« in d«r glänzenden Livrße den Eindruck eines Automaten, der eben aus der Fabrik gekommen. „Mrs. Lordson zu Hause?" fragte Capri, durch den Anblick dieses seltsamen Musterbildes der Menschheit etwas ein geschüchtert. „Ihr Name?" „Miß DankerS." „Spazieren Sie nur gefälligst hinauf in den Salon", sagte er in einem Tone, als ob er eine Schulaufgabe wiederholte, und betrachtete da» Mädchen von Kopf bis Fuß. Er begleitete sie hinauf, riß die Flügelthüren auf und meldete: „Miß DankerS." Capri sah sich plötzlich der imposanten Erscheinung der Haus frau gegenüber. Diese saß auf einem niedrigen Lehnstuhl, den sie vollständig ausfüllte, in einem geblümten mattgelben Damast schlafrock, den viele olivfarbige Atlasschleifen zierten, ein Spitzen häubchen bedeckte ihr Haar, eine dicke goldene Kette mit großem Medaillon umschloß ihren wirklich schönen Hals und eine Anzahl kostbarer Ringe ihre Finger. Durch das geöffnete Fenster drang frisch«, würzige Luft in d«n Salon. Der kleine Balcon draußen, den ein kunstvolles Metallgitter einfaßte, war mit duftenden blühenden Blumen überfüllt und mit einer rothweiß gestreiften Marquise überdeckt, die einen rosa Schatten ins Zimmer warf. Nach der drückenden Hitze auf der Straße that Caprt die Kühle, die hier herrschte, sehr wohl; die Farbenpracht und die werth vollen Gegenstände verwirrten sie jedoch. Die mit kostbarem, gelbabgetöntem Brocat überzogenen Stühle, Divans und Seffelchen hatten geschnitzte Ebenholzgestelle. Die Vorhänge und PortiSrcn fielen in künstlerischen Falten zur Erde und wurden durch die echten Spitzengardinen im Tone etwas gedämpft, ein dicker, ebenfalls gelblicher Teppich bedeckte den ganzen Boden. Ein kleiner, mit Gold eingelegter Ebenholzflügel stand in einer Ecke, eine ungeheure chinesische Va e in der anderen, zwischen den Fenstern ein Piedestal, auf we chem eine Gruppe, Herkules und Omphale darstellend, thronte, für welch« die Amerikanerin eine ungeheure Summe bezahlt hatte. Sie glaubte dadurch als Kunstliebhaberin zu gelten. Alte Porzellane hatten ihren Platz auf allerlei kleinen Brettchen. Und doch konnte der Gesammt- eindruck des Salons bei zartbesaiteten Naturen rin der See krankheit ähnliches Gefühl Hervorrufen, aber auf Capri wirkte nur der Reiz der Neuheit, und sie wagte kaum ordentlich zu athmen. „Ich freue mich, daß Sie Wort gehalten . . . Wie geht es Ihnen, liebes Kind?" begrüßte sie MrS. Lordson in ihrer gut- müthigen Weise, ohne sich jedoch von ihrem Sitze zu erheben, denn daS wäre eine Anstrengung für sie gewesen, d«r sie sich so früh Morgens nicht g«rne unterzog. „Ich danke, gut", entgegnete die Besucherin schüchtern. „Nehmen Sie Platz, bitte, mir gegenüber, damit ich Ihr hübsches Gesichtchen besser sehen kann." „Wie angenehm kühl Sie es haben", bemerkte Capri, sich auf die äußerste Kante des niedrigen Stuhles setzend. „Sind Sie erhitzt?" „Ein wenig." „So legen Sie doch Hut und Jacke ab, ich hoffe. Sie wenigstens mehrere Stunden bei mir behalten ru können", sagte die liebenswürdige Hausfrau. Capri that, wie ihr geheißen, und stellte sich ihr ganz zur Verfügung. „Aber Kind, ohne Hut sind Sie ja noch viel reizender!" ries Mrs. Lordson und starrte das Mädchen an, als ob «S ein Bild oder eine Statue wäre. Ein rosiger Hauch huschte über deren dunkle Wangen und ein seltsames Licht blitzte in ihren Augen auf, das sic gar nicht zu verbergen suchte, denn sie wußte wohl, daß dies ihre Reize noch erhöhte. Durch dieses Compliment hatte sich die Amerikanerin ihr Herz erobert. Oft kann ein einziges Wort, gedankenlos hingeworfen, uns Menschen zu Freunven oder Feinden machen. Es ist nur schade, daß wir nicht stets über legen, ehe wir sprechen, wir könnten uns das Leben dadurch viel angenehmer gestalten. „Rücken Sie näher zu mir, bitte." DaS Mädchen erhob sich, schob einen Schemel zu Füßen der Dame, kauerte sich in einer graziösen Stellung darauf nieder und blickte mit einem gewinnenden Lächeln in das gutmüthige Antlitz derselben. „So ist's recht, ich habe mir vorgenommen, daß wir gute Freund« werden sollen, ich werd« Sie künftig bei Ihrem Tauf namen nennen, „Fräulein DankerS" klingt so fremd." „Ach ja, nennen Sie mich Capri, wie es alle meine guten Bekannten thun." „Capri?" „Ja, ich heiße nach der Insel, auf der ich geboren." „Das hab« ich noch nie gehört . . . Wo liegt diese Insel?" „In der Nähe Neapels", entgegnete daS junge Mädchen lächelnd. „Sie sind also eine Ausländerin und deshalb so brünett", bemerkte sie mit liebenswürdiger Offenheit. „Mein Vater hat während eines Aufenthaltes in Neapel meine Mutter dort geheirathet." „Und Ihr Vater?" „Ist ein Brite. Ich kam einige Jahre nach dem Tode meiner Mutter nach England, als mein Papa sich zur Ruhe setzte." „Von was?" „Er war Offlcier in der englischen Armee", Capri blickte zu ihr auf, um den Erfolg ihrer Worte zu beobachten. „Ist er Oberst?" In den Vereinigten Staaten giebt es nämlich so diele Oberst« wie Brombeeren. Die freie Tochter der Republik verachtet« diese Sorte von Menschen daheim, aber während ihres Aufenthalts in Europa fing sie an, den Unterschied zwischen den sogenannten Obersten der neuen Welt und denjenigen der alten zu begreifen und eine Vorliebe für daS Militalr zu bekommen. Sie war ein wenig enttäuscht, als sie hörte, daß Capri'» Vater nur Haupt mann außer Dienst sei, er konnte übrigens als solcher doch auch in der Gesellschaft eine Rolle spi«len.
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