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lS für Leipzig und Bororte: In der Haipt- Ezpebilion oder deren Ausgabestellen ad- geholt monatlich: Ausgabe (1 mal täglich) 70 Pf, Ausgabe tt l2 mal täglich) 80 Pf., bei Zunelluug ins Hau- Ausgabe X 80 Pf., Ausgabe 8 1 Mark. Durch unsere aus wärtigen Ausgabestellen und durch die Post bezogen ll malläglichttunerbalbDeulschlands monatlich 1 Mark, für Oesterreich-Ungarn 5 L 45 k vierteljährlich, die übrigen Länder laut ZeitungSpreisliste. Liese Nummer lostet aut 4 tt 2 alle» Bahnhöfen und der I II kffstl den ZeitungS-Verkäufern Redattion u»o Erpesttton: JohannlSgasse 8. Telephon Nr. 153. Str. 222, Nr. 1173. Berliner RedattionS-Bureau: Berlin d<W. 7, Prinz LouiS Ferdinand- Straße 1. Telephon I. Str. 9275. Abend-Ausgabe 8. MpMLrTagMall Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeiqen-PreiS di« Sgefpallene Petitzeite tür Geschifft-» Inserate ans Leipzig und Umgebung 25 Pf, Fauülien^ Wohanugs- u. Stelleu-Anzeiaeu, sowir An« und Verkäufe 20 Pf^ fuuuizielle Anzeigen 30 Ps^ für Inserate von auswärts 30 Pf. Reklamen 75 Pf, auswärts 1 Mark. Beilage gebühr 4 Mark v. Lausend exkl. Postgebühr. Geschäftsanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarn. FürAnserate vom Ausland« besonderer Tarif. Anztigen-Aunadme. Aug»ftuSplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annonceu- Sxpeditionen des In- und Auslandes. Für da- Lrscheinen an deilimmten Tagen u. Plätzen wird leine Garantie übernommen. vaupt-Filiale Berlin: LarlDnu cle r, Herzgl-Bayräi-osbuchhaudlg, Lützownraßr 10 «Telephon Vl, Str. 4603). Klltal-<-rpei»Uto«:DreSsen,MarieLstr^. Montag 21. Januar 1907. Nr. 2t. 10t. Jahrgang. Vas Neueste vom Lage. (Me noch Schluß der Redaktion eingegangene» Depeschen stehen aus der 3. Seite des Hauvtblatte-J Die Zahl der Wahlberechtigten. Im 12. sächsischen Reichstaaswahlkreise Leipzig - Stadt beträgt d,e Zahl der Wahlberechtigten nach end gültiger Feststellung 42 938, das sind 108 mehr als nach der Aufstellung der Wahllisten am 28. Dezember. Für die an - geschlossenen Vororte, die zum 13. sächsischen Reichstagswahlkreise Leipzig-Land gehören, beziffert sich die Zahl der Wahlberechtigten auf 73 071, das sind 99 weniger als am 28. Dezember. In ganz Leipzig sind also 116 009 Wahlberechtigte vorhanden. Dieses ganz geringe Mohr von 9 Wahlberechtigten lbei 116 000!) legt Zeugnis von der Genauigkeit ab, nut der unser städtisches Wahlamt. trotz der ihm zur Verfügung stehenden knappen Zeit, ge arbeitet hat. Aus dem Wahlkreise Aunabcrg. Wie schon berichtet, hat die Mittelstandsvereinigung die Kandidatur Seijett»Leipzig zurückgezogen. Ausschlag gebend war der Gedanke, daß diese dritte bürgerliche Kan didatur gegen die Sozialdemokratie keinen Erfolg erzielen Werve, der den Nachteil ter Zeripilterung auswiegen könne. Da überdies Dr. Slresemann sich über eine ganze Reibe von Forderungen in einer der Mittelstandsvereinigung durchaus zusagenden Weise äußerte, so entfiel jeder Grund, an der Kandidatur festzuhalten. Die von den Ver trauensmännern am Sonnabend in Ännaberg beich'ossene Erklärung bebt diese verschiedenen Gründe ausdrücklich hervor. In einer am gleichen Tage in Buchholz abgebaltenen Versammlung nationaler Wähler, zu der Generalsekretär Dr. Wettenberger aus Leipzig als Redner erschien, wurde der Entschluß der Mittelstandsvereinigung lebhast begrüßt. Dr. Westenberger sprach am Sonntag in drei Weiteren Wäblerversammiungen, deren Verlauf die Hoffnung auf einen Erfolg der Kandidatur Slresemann steigerte. Herr Opitz und die Wahlrechisändcrung in Lachsen. Das „B. T." bat erfahren, Hojrat Opitz habe fick über die angekünvigte WablrecktSänberung für die zweite sächsische Kammer dahin geäußert, die Regierung w'rde diese Wahl reform nur dann durchführen, wenn die R.ichstagswablcn in Sachsen ein „befriedigendes* Resultat bringen würden. — Das ist nicht glaublich, denn Herr Opitz würde sich damit in direkten Widerspruch zu den Aeußerungen des Ministers des Innern gesetzt haben, der schon als bald nach seiner Ernennung die Wahlrechtsreform als eine wichtige Aufgabe bezeichnete. Außerdem hat die Regierung selbst zugestanden, daß das Wahlrecht wegen seiner großen Mängel reformiert werden müsse und diese Mängel werden dock nickt dadurch geringer oder größer, daß die Reichstagswahlen so oder so ausfallenü Wäre die Aeuße- ruug des Herrn Opitz aber wirklich gefallen, wie sie das „B. T-* berichtet, >o würde sie nur aus das schärfste zu ver urteilen sein. Denn bei der Wahlrechtsänderung in Sachsen handelt eS sich eben um eine in cer Sache begründete berech tigte Forderung des sächsischen Volkes, nicht aber um eine Prämie für das „Wohlverhalten der Untertanen". Beginn der Tuma-Wahlcn. Gestern fanden in der Arbeiterschaft der Petersburger Fabriken die Wahlen ersten Graves für die Reichsduma statt. Zn 27 Fabriken wurde nicht gewählt, weil die Polizei den Termin zn spät bekanntgegeben hatte. Nach dem Ergebnis, das aus 49 Betrieben vorliegt, sind 53 Wahlmänuer ersten Grades gewählt, darunter ein revolutionärer Sozialist, 21 Sozialdemokraten, 19 Anhänger der Linken, 2 Kadetien, 9 Gemäßigte und 1 Anhänger der Rechten. In 128 weiteren Betrieben finden die Wahlen am 27. Januar statt. Unruhen in Tpfia. Die Volksbewegung in Sofia scheint eine bedenkliche Spannung zu erreichen. Nach einer Plvlestoersammlung gegen die Schließung der Universität zogen die Studenten zumUncversilätSgebäude, um dort Kundgebungen zuoeranstalteu. Als sie bei dem Palais des Fürsten von der Polizei aufgebaltcu wurden, demonstrierten die Studenten, denen sich inzwischen eine große Volksmenge angeichlosfen hatte, durch Pfiffe und Zohlen gegen den Fürsten, welcher auf rem bei Sofia gelegene» Schlosse weilt. Der herbeigerusenen Kavallerie, die durch das Leid» garderegim-nt Verstärkung erhielt, gelang eS, die Menge nach längerem Widerstande mit Säbelhieben auseinander zu treiben. Mehrere Perfonen wurden verletzt. Die Regierung bat umfassende Maßnahmen getroffen zur Absperrung der in der Umgebung des PaiaiS und der Universität gelegenen Straßen. Die Palastwache ist verstärkt worden. Wegen der letzten Kundgebungen bei der Eröffnung des Nationallheaters wurde der Palast ommandanl Oberstleutnant Marcholow entlassen. — Bemerkenswert ist der antimonarchische Ebarakler der Bewegung. Fürst Ferdinands Thron beginnt zu wanken. Der Zwischenfall von Jamaika. Die Reibung zwischen dem Gouverneur Swettenham und dem amerikanischen Kon- treadmiral Davis scheint unmittelbar nach der An kunft des Geschwaders begonnen zu haben. Swettenham bat den Admiral, keinen Ehrensalut zu feuern, damit die Ein wohner diesen nicht irrtümlich für ein neues Erdbeben hiel ten, und teilte ihm mit, daß seine Unterstützung nicht erbeten wurde. Davis feuerte trotzdem Salut und landete Matrosen und Secsoldaten, die die Straßen abpatrvuiäicricn, Trümmer wegräunnen uno den Verum.,- beten halfen. Später schrieb Davis an Swettenham einen Brief, in dem er das Salutschicßcn einem Mißverständnis zuschrieb und sein Bedauern darüber aussprach. Der Brief schilderte weiter das von den Landungsobtcilnngen während des Tages verrichtete Werk, das außer der geleisteten Unter stützung die Wiedergewinnung gestohlener Juwelen im Werte von 5000 Dollars umfaßte, wozu nach feiner jDavis) Meinung die Stadtpolizei gar nicht imstande gewesen wäre. Zum Schluffe schlug er vor, am nächsten Tage wieder Mann schaften zu landen, wenn nicht Swettenham sich ausdrück lich widersetzen würde, da er glaube, die Mannschaften könn ten Privatleuten viel helfen. Ohne den Behörden zuvor kommen zu wollen, würde er auch alle entbehrlichen Schiffs ärzte senden, denn er vertraue, daß Swettenham die von Menschlichkeit diktierten Handlungen billigen werde. Zum Schutze des Konsulates würde er sechs Mann zurucklaflen. Swettenham erwiderte, er danke Davis für die freundliche Unterstützung und seine Anerbietungen; er Habe nichts da gegen einzuwendcn, daß eine Abteilung das Konsulat be wache, vorausgesetzt, daß sic nur mit Knüppeln bewaffnet sei. Er müße aber Davis ersuchen, die Arbeitscibteilungen zurückzuziehcn, desgleichen auch die anderen Abteilungen, welche an das Land zu schicken er so freundlich gewesen sm. Er habe in Erfahrung gebracht, daß die Arbeitsabteilungen Prioatcigentümern behilflich seien, von ihren Grundstücken Trümmer wegzuräumcn. Wenn dadurch auch jenen Kosten erspart würden, so handle es sich doch nicht um eine Frage der Menschlichkeit; er gebe gerne zu, daß die in Rede stehen den Juwelen gestohlen waren, halte aber eine polizeiliche Überwachung für ausreichend. Wenn in New Pork Diebe während der sommerlichen Abwesenheit eines Millionärs in dessen Wohnung eindrängen und sie ausplünderten, so würde das den britischen Admiral nicht berechtigen, mit ge landeten Truppen die New Yorker Polizei zu unterstützen. Davis machte am Morgen in der Wohnung des Gmwer» neurs seinen Abschiedsbesuch. Nachdem er eine viertel Stunde gewartet hatte, beauftragte er seinen Adjutanten, dem Gou verneur mitzuteilen, daß er angesichts des Verhaltens des letzteren gegenüber der amerikanischen Hilfeleistung eine Schiffsladung mit Ocksenslcisch, welche die Washingtoner Regierung zu senden beabsichtigte, abbestellt habe. Davis war eben im Begriff zu gehen, als der Gouverneur erschien. Es wurden Begrüßungen ausgetauscht, und Davis sprach sein Bedauern aus, daß es ihm nicht möglich gewesen sm, mehr für Kingston zu tun. Der Gouverneur erwiderte, dieses Gefühl ehre den Admiral, und begleitete dielen dann zu seinem Wagen. Das amerikanische Geschwader ist gestern nachmittag abgefahren. — Ein Telegramm des Admirals Davis meldet: Der Gouverneur habe das An erbieten abaelehnt, Arbeitsabteilunaen z>u landen, welche in Krankenhäusern mithelfen, die Straßenpolizei ausüben und Trümmer wegräumen sollten. Er (Davis) habe nach her doch Truppen gelandet auf das Ersuchen bin. die bei der Strasabteilunq des westindischen Kolomal- Regimentes im Gefängnis ausaebrochenc Meuterer zu unterdrücken, da die Polizei mit der Bewachung der Stadt in Anspruch genommen war. Dieses Ersuchen war von dem Stellvertreter des Gouverneurs ausge- svrochen. Der Gouverneur mißbilligtedas Vorgehen seines Stellvert reters und de- strasie jeden der Rädelsführer mit zehn Peitschenhieben. Der Gouverneur begründete seine Ditte an den amerikanischen Admiral, seine Mannschaften zurückzuziehen, mit dem Ver- h Tc n de: n m e > i k a n i s ch e n Regie'-nug rach dem E rd beben vrm San Francisco. Die New Vorkm Sammlung zur Unterstützung der Notleidenden auf Jamaika ist plötzlich infolge des Zwischenfalles Swettenham abgebrochen worden. poMisches. * Zur Erzbischosswahl in Posen-Gnesen verlautet jetzt, daß die Regierung eventuell doch ganz von den ihr vorge- scklagencn Kandidaten abschcn und den Domherrn Joies Klinke in Posen bevorzugen werde, der als ausgesprochener Gegner des Nationalpolcntums gilt. Andererseits hält man Klinke, der erst im 37. Lebensjahr steht und erst seit 2 Jah ren Domherr ist, für zu jung für diesen Posten. * Kolouialdirektor Deruburg traf gestern in München ein und hat im „Bayrischen Hof Wohnung genommen. Er machte im prinzlichen Palais seine Auswartung und Besuche bei den Ministern. Nachmittags fand zu seinen Ehren beim preußischen Gesandten Grafen Pourtales ein Essen statt. In Vertretung des noch in Berchtesgaden weilenden Prinz regenten empfing Prinz Ludwig Deruburg iu Audienz uno zum Vortrag. * Zweiter iuternationaler Saugretz für Lchulhygieuc. Zm August d. Z. findet in London unter dem Protektorat des ei'glischen Königs der II. Internationale Kongreß für Schul hygiene statt. Der I. derartige Kongreß tagte vor zwei Jahren iu Nürnberg und erbrachte den glänzenden Beweis, daß die Schulgesundheitspflege sich in Deutschland der besonderen Aufmerksamkeit und des Wohlwollens der Stadtverwaltungen erfreut. Auch zahl reiche deutsche Städte hatten zu dem Kongreß Ver treter entsandt. Das deutsche Hauptkomitee, welches unter dem Vorsitz des Proseffors Dr. mrv. er phil. Griesbach in Mühlhausen iunerbalb Deutschlands die Vorbereitung für den II. Kongreß trifft, hat sich vor einiger Zeit an die deutschen Stadtverwaltungen mit der Bitte gewandt, die vielfache» und weitverzweigten Vorarbeiten durch einen ein maligen Beitrag zu unterstützen, damit die deutsche Schul hygiene entsprechend ihrer hervorragenden Bedeutung in würdiger Weise auf diesem internationalen Kongresse zur Geltuua gelange. Die Mehrzahl der deutschen Städte wird diesem Gesuch entsprechen. * Eine Klage im Wahlkamps. Der Kandidat der ver einigten Liberalen im Wahlkreise Darmstadt-Großgerau, Pfarrer Korell, hat seinen Anwalt beauftragt- die Er hebung der öffentlichen Anklage gegen den „Darmstädter Tägl. Anz." wegen verleumderischer Beleidigung zu be- autragcn. Der Antrag stützt sich auf die Tenunziatione» kamvagne, die dieses Blatt neuerdings gegen Korell eröffnet hatte. * Richtigstellung. In der Sonntagnummer wurde das Urteil eines angeblich katboliscken Missionars über die Ver hältnisse in Togo abgedruckt und den Urteilen Roerens aegcn- übergcstellt. Diese von uns unter Angabe der Quelle srilo. — Nationalliberale Korresp.j übernommene Notiz be ruht, wie man uns aus Leipziger Pastoren- und Missions kreisen mitteiltr auf einem Irrtum. Es handelt sich um einen evangelischen Geistlichen. Damit wird zwar der Widerspruch zwischen einem angeblich katholischen Urteil und dem Roerens ausgehoben, aber das Urteil über die Ver- hältnifle in Togo, das hier von Kennern dieser Verhält nisse gefällt wi cd, behält natürlich als solche? seinen Wert. cck Zu« ArbettSkampf in den Färbereien meldet uns auS Crefelv ein Privattelegramm: Sämtliche B-lrrrcke der Färbereien von Creseld und Umgebung sind heute früh geschlossen worden. Die Streikenden verhalten sich ruhig. Eine gestern abgehaltene Arbeitervertreterversanim- lung beschloß zum Solidaritätskampf gegen die Unternehmer die Arbeiter der übrigen Fabriken des Rheinlandes aufzu fordern. * * Root in Kanada. Staatssekretär Root ist in Ottawa eingctrosfcn und im Regierungsgebäudc als Gast des Vize- königs zu einem fünftägigen Aufenthalt abgesticgen. In einem Interview erklärte Root über den Zweck seines Äc- Feuilleton. blur ru, verspottet nur ttie Riten! vsxselbe ist Luch aufdehullen, lllenn Uure eigne sugenct schwunck. Wolter v. ö. vogelcoeiöe. Vax RIter rieht noch mehr kanreln in unserem llerstanct stx in unserem Rntlitz. MoMsigne. läott vvirck mich bewahren vor cter schwäche ocker ctem 8tolre vieler Ulten, clie jecten für einen Ujel halten, cter nicht grau ist. weder Memokritos). Ux kann ein unglücklichex unck ein freuckenlosex Alter geben, wie eine solche sugenct. Rber clie Lchick- jale gleichgestellt, fincle ich clax Rlter, selbst mit allen schwächen, clie ex mir bringt, nicht arm an kreuclen, clie karben uncl clie (Quellen clleser ksteucken sincl nur anclerx. wild, von stumdolclt. verlin in, Jahre lyso. Unter dem Titel „Berlin — Bagdad, Tas deutsche Weltteich im Zeitalter der Luitschiffahrt 1910—1931" ist soeben von der Deutschen Verlagsanstalt ein neues Buck des bekannten Verfassers des Werkes über die Zukunst Rußlands, Rudolf Martin, ausgegrben woroen. Martin schildert darin mit kühner Phantasie gewaltige Umwälzungen, die er als Folgen der raichrn Entwicklung der Lust- sckifsahrt annimmt. Nack Maitins Phantasiegemälde bewilligt der deutsche Reichstag im Zabre I9l0 eine Milliarde Mark für die deutsche Luftflotte; drei Jahre später beginnt mit einem neuen java- nijch.ruifiichen Kriege die Umgestaltung der politischen Welt. Das Zarentum bricht zusammen, die russische Republik wird proklamiert. Zm April l919kommt es zu einer Kriegserklärung Deutschlands an diese Re publik. Schon nach wenigen Wochen wird zugunsten der siegreichen Deutschen der Friede zu Warschau geschlossen: Die russische Republik wählt einen österreichiicken Erzherzog die polnische den Fürsten von Hobenzollern. die letti'che mit dec Hauptstadt St. Petersburg einen preußischen Prinzen zum König, und diese drei neuen Königreiche treten ebenso wie Oesterreich, Ungarn, Rumänien mit dem Deutschen Reich zu dem großen deutsch-österreichischen Bundesstaat zusammen, dessen weitherziger, toleranter, demokratischer Geist jedem Volkstum gerecht wird, während die Türkei und die übrigen Balkanstaaten sich in dem Io eren Verhältnis de- Staatenbundes anschließeo. Der König von Preußen ist nach wie vor Deutscher Kaiser, und r- tut seiner Stellung keinen Abbruch, daß neben idm der Kaiser von Oesterreich Sitz und Stimm« im BundeSrat hat. Der Slaatrndurid bildet zugleich einen seldilLadigeu Zollverdaud, den größten und mächtigste« tu der Welt. Kapitel 21 schildert diesen Etaaienbund, wie er vierzehn ' Jahre nach feiner Gründung, allo 1930, aussieht. Er zählt 215 Millionen Seelen; feine Kriegsmacht besteht aus 17 Millionen Soldaten zu Lande, zu Wasser und in der Luit, darunter vier Millionen gelernter Lustschisser. Tie Kirchen sind vom Staate los gelöst, finanziell in liberaler Welle selbständig gemacht. Tas wirt- jchaitliche Leben siebt in ichönster Blüte. Mit dem britischen Welt reich besteht gute Freundschaft. Das russiscbe Reich ist untcr einem neuen, 1917 in Moskau gekrönten Zaren Michael Suworow teil weise wieder krästig emvorgeiommen. Die Schweiz, Marokko und Persien werden dem deutschen Staatenbunde angegliedert. Tas 26. Kavilel gibt eine ausführliche Schilderung Berlins im Jahre 1930. Wir beben aus diesem besonders interessanten Ab schnitt folgende Stellen hervor: Berlin hatte sich «ehr schnell in di« Rolle der Hauplliadt eines Weltreiches hineingesunden. Es zählte 6 Millionen Einwohner. Allerdings einschließlich der Vororte, die längst einverleibt waren. Aber trotz dieser furchtbaren Menscheinahl war der Verkehr auf der Leipsigerstraße nicht ärger als 25 Fahre zuvor. Berlin hatte nach allen Richtungen enorme Dimensionen angenommen. Das Luft schiff und die Flugmaichine hatten die Reich chauptst'dt auseinander- gezogen. Immer mehr hatte sich die Sitte eingebürgert, ganz weit draußen, möglichst im Freien zu wohnen. Zm Znnern der Stadt aber waren gewaltige Plätze errichtet mit großen Hallen für die Ankunft und Abfabrt der Flugmajchinen und auch der Luftschiffe. Da man dem vernünftigen Grundsätze nachging, daß bei einer so wichtigen Stadt der Name und die Sache fick decken müsse, so hatte man längst Königswusterbausen, Bernau und Potsdam einverleibt. Wer eine Flugmafchine oder ein Luftschiff öffentlich führen wollte mu te ein Examen abgelegt baden. Zehntausende batten sich dieser Prüfung unterzogen. Es gab im Jadre 1930 im Weich bild von Berlin mehr Flugmaschinen und Luftschiffe als im Jabre 1907 Automobile. Auf den Straßen sah man nicht mehr Automo bile als 25 Jahre zuvor. Zn dem inneren geschloffenen Bezirk der Stabt war es streng verboten, mit Flugmaschinen über die Häuser zu fahren, das war nur Luftschiffen erlaubt. Und diese mußten sich in einer Höqe von mehr als 250 Metern kalten. Wer eine Bestimmung dieser Art verletzte, wurde sosort notiert. Die Notierung der fliegenden Polizei wurde durch Aufnahme einer Pbotographie unterstützt. die die Nummer eine- fliegenden Luit- schiffe- auch auf eine Entfernung seststellte, wo dies mit unbewaff netem Auge unmöglich war. Aber immeihin gab eS bt- tief in das alte Berlin und vor allem in seine ehemaligen Vororte Cbar- loltenburg «nd Rixdorf hinein breite häuserfreie Bahnen, über denen daS Fahren mit Flugmaickinen erlaubt war. Tausende von Per sonen, die in Berlin beichäftigt waren, wohnten weit außerhalb de§ Weichbildes von Groß-Berlin, in Neuruppin, in Küstri«, in Bitter feld oder gar in Mecklenburg oder Thüringen. Wer vom Kreuzberg« oder der Siegessäule aus Berlin über blickte, dem mochte am meisten ein Luftschiff ausfallen, da- in einer Höhe von etwa 1000 m sich über der Mitte der Stadt hin und her bewegte. ES war ein Schlachtschiff mit militäri'chea und poli zeilichen Znfaffen. 2000 m höher kreuzte das obere Wacktichiff. Danebr» fielen dem Beobachter in der Ferne in allen vier Himmels richtungen je ein großer Turm, höher noch al« der Eiffelturm in Pari- aus. Der Turm im Osten von Berlin stand in der märkischen I Schweiz bei Buckow. Dies« Türme dienten al« Funkenstationen als I meteorologisch« Stationen, al- polizeiliche, sowie militäriiche Beod- l achtuug-posten, «ad endlich «acht- al- Leuchttürme. A«f alle« vier Türinen wurde fortgesetzt und ohne Unterbrechung der gesamte Himmel photograpbiert. Die militärischen wie polizeilichen Behörden waren bei Tag wie bei Nackt darüber unterrichtet, ob und welche Luftschiffe sich iu Ver Nähe von Berlin befanden. Seit dem Bombardement von Berlin wurde die Haupt- und Residenzstadt mit ganz besonderer Sorgfalt bewacht. Vor ein bi- zwei Jahrhunderten waren iu allen Städten die seit der Städtegründung eingebürgerten Wachen auf den Türmen und Toren abgeschafft worden. Mit dem Aufkommen des lenkbaren Luftschiffes, besonders aber feit den Er- fahrungen des Jahres 1916, sübrte man sic i« Deutschland wie anderwärts wieder ein. Und in der Tat. selbst in den Vereinigten Staaten von Amerika batte sich die Notwendigkeit städtischer Luft- wachtschiffe herausgestellt. Wiederholt waren amerikanische Städte von einzelnen Luftpiraten bombardiert und gebraadsckatzl worden. Auch Anarchisten und sonstige staatsfeindliche Elemente haben sich in Amerika wiederholt dieses Mittels bedient, um ihrer Abneigung gegen die bestehende Ordnung einen Ausdruck zn geben. In Berlin gab es schon seit mehr als einer» Jahrzehnt ver schiedene FlugmaschinenIlubS neben einigen LustfchtffklubS. Die vornehmste Sportvereinigung war Ver Kaiserliche Lnftichiffklub. Neben ihm war der Kaiserliche Automobilklub und sogar der Kaiierliche Jachtklub in Kiel ziemlich verblaßt . . . Der Besitz eine« gut eingerichteten Luftschiffs kostete ein schönes Stück Geld. Die meisten Mitglieder des Kaiserlichen Lu'tschiffklub- waren Eigen tümer von großen starren Aluminiumschiffen, die nach de« Zeppe- linichen Snstein erbaut waren. Nnr da- starre System hatte die Tragfähigkeit für fliegende Paläste. Auch die nichtsta, re» Luftschiff» wurden in großen Dimensionen gebaut und batten 2 bi- 3 Zimmer in der Gondel an'znweiien. Lauen von 100 bi- 1000 Personen kann aber nur Vas narre Aluminiumivst-m trage«. Di« Alominium- dülle lann in den größten Dimensionen gebaut «erden und die Zahl der in ihr befindlichen Ballons kann dementsprechend beliebig vermehrt werden. Die billigsten Luftschiffe, auf Grund deren Besitz inan Mitglied des Kaiserlichen LustscbiNklubs werden konnte, kamen auf eine halbe Million Mark zu liehen. Einzelne Prachtschiffe kosteten logar 10 bis 15 Millionen Mark. Die Zahl der reichen Leute in Berlin aber hatte sich in den letzten 20 Jahren verzehnfacht. Zm Jahre 1910 betrug da- größt» Vermögen in Berlin 70 Millionen Mark. Derjenige, der auf der Stufe der Vermögen an zwanzigster Stelle stand, hatte ein Ver mögen von 35 Millionen Mark. 20 Jahre später aber, im Jahre 1930, betrug daS größte Vermögen in Berlin 300 Millionen Mark, und terienige, der an zwanzigster stelle stand, hatte ein Vermögen von 175 Millionen Mark. Die Bildung der großen Vermögen beruhte auf sehr verschiedenen Ursachen. Meist waren die Ursachen die gleichen, die heute in Amerika die großen Ver mögen l^rbeigesührt haben. ES würde verkehrt sein, zu glauben, daß die Verfertigung von Automobilen durch die Luftfahrzeuge -nrückgedrängt worden tväre, im Gegenteil, der eine Verkehrszweig bat den andern Verkehrszweig gefördert. Im Jahre 1887 hatte Gottlieb Wilhelm Daimler der am 6. März 1900 in Cannstatt starb, der Lustjchifferadtetlunq Ver deutschen Armee den von ihm ersunvenen leichte« Motor ,«r Ver wertung für ein Luftschiff angeboten. Man lehnte die« «nerkieten ab. Hierauf hat Daimler das Patent seine- leichte« Benzin motor- nach dem Auslande verkauft. Nnü erst begann in Frankreich auf Grna» diese- leichten Benzinmotor» die groß artige Entwicklung de« AutomobtliSmuS. Die Vervollkomm nung de- Lutomobilmotor« hat den Motor der leskbare» Flug maschine und des lenkbaren Luftschiffe- kervorgebracht. Seitdem hat sich der AntomobiliSmus auf dem Lande und in der Luft gegenseitig gefördert Die Produktion der Automobile betrug wcih- rend des JadreS 1905 im Deutschen Reich 4000 Stück, von welchen 22>t0 ansgesührt wurden. Im Jahre 1930 wurden im deutschen Staatenbund 30000 Automobile hergestellt. Hiervon entfielen 20 000 Automobile ans die Produktion innerhalb der Länder des srüberen Deutschen Reiches. Mit diesen Zahlen vergleiche man Vie Produktion der Luftfahrzeuge. Allein an Flugmasckinen wurde im Jahre 1930 im deui'chen Etaaienbund eine Million bergcstellt, von denen die Hälfte auf militärischen Bedarf entfiel. Daneben wurden in dem deutschen Stoatenbunde im Jahre 1930 10 000 Lnsockiffc kergestellt, von denen 30)0 militärischen und 2000 postalischen und andern öffentlichen Zwecken dienten. Noch im Jahre 1907 starrte Berlin von Drähten für die Tele- graphie, obgleich man schon mit Energie die Trlephondrähte unter die Erbe verlegt hatte. Im Jahre 1930 war nirgendwo mehr ein langer forttan>ender Draht zn bemerken. Die Eisenbahnlinien waren endlich von den lästigen Drahtzünnen, die dem Reisenden so oft den Ausblick verleideten, befreit. Aber jedes Hau? in Berlin und jede« bessere Haut ans dem Lande hatte zwei kurze Draht- stan-en als Geber und Nehmer für die drahtlvse Telephonie. Endlich brauchte man beim Telephonieren nicht mehr zu warten, bi« dir Leitung frei war. Die Reparatur an einem Dra^c kon«te nicht mehr da« Telephongeivrich nach ganzen Städten und Dörfern umnögttch machen. Die VefSrderung durck die Post war eine viel schnellere geworden. Alle eiligen Briese und eiligen Pakete gingen kür einen geringe« Zuschlag mit dem Lustjchiff oder ter Flugmafchine. Ein Eitbrstf von BerNn nach Esin ging mit dem Verlrbrstustschiff in 2 Sttwden, aks Sowrftache mit dem Schnellsahrer m 1'/« Stund«. Die Loudvner Morgenblätter wurden mit der rweite« Morgenpost, bst Wiener Morgenbtätter wurden mit der ersten Morgenpost I« Berit» ausgettagen. Eine weieittliche Veränderung zeigte fick in den Sommer monaten. Obgleich selbst d«m wenig« I>emitt«Itrn Berliner Ge- legeubest geboten war, «och st, d«, AbendSnnden durch eine Hoch, tour im Luftschiff stch z« erhole«, war Berlin in den Sommer- nwnateu um Viole- lonor al- S5 Jahr« zuvor. Selbst die Mittelklassen wohnten durchweg vom Mai bi» in den Oktober zum große« Teil an der See oder in den mitteldeutschen Gebirge». L«r überwiegend« Lest der Bsrsenbesuch« kam von Heringsdorf, Norderney oh« de« Ri^engebir,e am Mo»,«» im Luft- schiff »ach Berlin, um am spät»»«« Nachmittag zurück- zulehreu. Da die Abonncm«uts!«ten der Berlehrsluttschisfe nur ein Drittel p«, dem kosteten, nm- früh« Hst kisttebalm verlangte, wohnte «tu griPer Toil der E-kretäoe der Behörde« ««d der ««gestellten d« Bmtt»« »Lhrmrd de- Sommer- in Thüringen und im Har». Son«t»As«»fUtg< nach Dirol und in die Schweiz wurden im Sommor »»« Tausenden unternommen. Man konnte bequem in drei Stunden am Tonmibrud abend direkt von Berlin bi- Sntden am Ortler oh« bis «f die Spitze dec Juogfrcm gelangen und am Montag früh wird« z neu «Kehren. . . . Fatz jeden Eonutaa fand »ine Finnmaschinenwett'aßrt oder «st, Lvstschtffrennen von Strausberg oder Fürstenwalde nach Petersburg, Warichau oder Wien statt. . . ." I« 36 Kapiteln breitet Martin seine grotesken Pbanlofiebilder aus: bis in alle Einzelheiten sind dir angenommenen Umwälzungen beschrieben und zwar in lebendigem, fesselndem Stile. Das um mäßige« Preis (2'/, geh., S geb.) erhältliche Buch trägt ms