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2. Beilage zu Nr. 287 der „Sächsischen Bolkszeitung" vom 18. Dezember ir»1»4 A»S TtGdt »«L L*itd. —* Zu Gunsten der Agitation des Evan- ««lischen Bundes unter den Leipziger Studenten hvden die Universitätsprofessoren Binding (jur.), Köster spstil.) und Lainprecht (hist.) Vorträge in Aussicht gestellt. An, 8. Dezember hielt Graf Paul v. Hoensbroech den Stu denten einen Vortrag, den, etwa 1200 Studierende bei- wohnten. Zirka 400 Studenten sollen dem Evangelischen Bunde beigetreten sein. Während des Vortrages kursierte »tue Sammelliste, auf welche die Studenten neben einigen spärlichen Beiträgen allerlei bissige Randbemerkungen muchten. —* Die Direktion der Dresdner Straßcn- dohngesellschaft hat, wie uns aus dem Kreise der Zeitfahrkarteninbaber milgeteilt wird, in ihrer Geschäfts- stolle am Georg-Platz Listen für diejenigen Damen und .Herren ausgelegt, die für die Angestellten der Gesamtstrccken »der von Einzelstrecken Weihnachtsgaben spenden wollen. —* Sächsische Volks Wörter. Für die Ge schichte unserer Schriftsprache ist es auch wichtig, daß fest- Gestellt wird, welche ihrer Wörter in den Mundarten, in der Sprackre des Volkes nicht Vorkommen. So ist z. B. »m Obersächsischen das so bekannte schriftdeutsche Zeitwort zeigen ganz ungebräuchlich, dafür heißt es immer wei- s»n, z. B.: ich will dir die Wege weisen (vergl. den Weg weiser). Wer ettvas gezeigt haben will, gebraucht die Bitte: „Weis mrsch emal." Schiller läßt seinen Musikus Miller echt volksmäßig sagen: „Ich will dem Major wei sen, wo Meister Zimmermann das Loch gemacht hat", und den Wacirtmeister: „Sein Geist sich nicht auf der Wacht - povade weist." Von diesem weisen lautet die Mittelform Genuesen, in älterer Sprache, z. B. bei Luther gcweiset. — Ein anderes Wort, das im Munde des Volkes nicht lebt, ist Sclrornsteinfeger, kaum der Essenkehrer (im Vogtland). Dieser, heißt entweder der Schwarze (Oscbatz) oder der Feierriebel, im Zwönitztal Foiarüppel, worunter man den Feuerwehrmann versteht — der „Rüpel" soll zwar in die sem Falle keine Beschimpfung einschließen, daß dies Wort «der die Verkleinerung von Ruprecht ist, kommt den Dres denern und Leipzigern ebenso wenig in den Sinn wie die Bedeutung dieses Namens: der Ruhmglänzende, Ruhm- strahlende! —* Sozialdemokraten als Arbeitgeber. Daß dort, wo sozialdemokratische Betriebe als Arbeitgeber »uftreten, sie an rücksichtsloser Behandlung und ungenügen der Bezahlung ihrer Angestellten manchen „kapitalistischen Ausbeutern" nicht viel nachgeben, ist bereits des öfteren bewiesen worden. Neuerdings schreibt wieder der „Kour.". dos Organ des sozialdemokratischen Verbandes der Han dels-, Transport- und Verkehrsarbciter, über den größten sozialdemokratischen Konsumverein, den zu Lcipzig-Plag- witz, folgendes: „Der Konsumverein Leipzig-Plagwitz ge hörte einstens, lang, lang ist's her, zu jenen leider schon so selten gewordenen Arbeitergenossenschaften, die cs mit den sozialen Pflichten den eigenen Angestellten gegenüber ernst nehmen. Das ist anders geworden, seit Genosse Fell dort Gegangen, seit dieser Zeit begann der sozialdemokratische Krebsgang und jetzt geht es dort auf der abschüssigen Bahn abwärts, anscheinend unaufhaltsam abwärts. Ist es doch schon so weit gekommen, daß der Kassierer dieses Konsum- Vereins es als ein Verbrechen ansieht, wenn ein Konsum- Verein an einem anderen Orte seinen Arbeitern anständige Arbeitsbedingungen gewährt und nicht dank dieser, wohl : aber der mörderischer! Konkurrenz schließlich Anschluß an ein kapitalkräftigeres Unternehmen ebenso wie jetzt Conne witz suchen muß. Nur hat Connewitz jenes „Verbrechen", seinen Arbeitern übermäßig günstige Arbeitsbedingungen gewährt zu haben, nicht begangen, es ist in „genossenschaft licher Solidarität", durch Preisunterbietung und Dividen- denhinaufschraubung seitens des Mustervercins Plagwitz rücksichtslos, als wäre es ein kapitalistischer Heringsbändi ger. niederkonkurriert worden. Die Plagwitzer bewährten „genosftnschaftlickren Grundsätze" beginnen nachgerade der Schrecken aller Konsumvereine des Leipziger Bezirks zu werden. Nur in eins übt der Plagwitzer Koloß noch Soli- i darität mit den anderen Konsumvereinen: gegen die berech tigten Forderungen der Konsumvereinsangestellten. Plag- ! witz gibt 10 Prozent Einkaufs-, nicht etwa Kapitalsdivi- dende, kann aber seinen Angestellten eine tarifliche Rege lung der Arbeitsverhältnisse nicht gewähren! Es könnte schon, aber es will nicht und dadurch zeigt es sich schon auf der Höhe kapitalistischer Ansbeutnngsknnst. Wir kondolic- ! ren!" Ob die sozialdemokratische Presse, die sonst von Kla- gen über „kapitalistische Ausbeutung" widerhallt, auch diese ^ „Höhe kapitalistischer Ausbeutungskunst" ihrer Oienossen ! ihren Lesern mitteilen wird'? Rähnitz. Im hiesigen Eiswerke fand Mittwoch eine ; Azetplcngaserplosion statt, bei welcher der Besitzer. Herr ^ lllbrich, schwer verletzt wurde. Eriininitschlni. Ter Rat bat seine Zustimmung dazu er ^ teilt, daß alle Feldzngsteilnelmier, welche ein Einkommen bis zu 1000 Mart haben, von der Stadtanlage befreit sind. Diese Begünstigung wird 75 Veteranen zu teil. Chemnitz. Die letzte Stadtverordneten-Sitzung be schäftigte sich mit den Verhältnissen im Chemnitzer Stadt- ^ krankenhans, gegen welches verschiedene Beschwerden wegen ! schlechter Kost und ungenügender Schulung des Wärter personals laut geworden waren. Herr Stadtrat Otto wider legte diese Vorwürfe, und bat, man möge derlei Beschwerden stets an seine Person gelangen lassen. Herr Stadtverord neter Kluge zog nun seine Beschuldigungen zurück, und Herr Oberbürgermeister Dr. Beck bedauert den ganzen ! Vorfall, der dazu angetan ist, das Vertrauen in das Stadt- ^ krankenhans bei den Patienten ungünstig zu beeinflussen. ! Mhlau. Tie Leiche des seit Dienstag vermißten ! Kassierers des hiesigen Sparvereins, des Fabrikarbeiters ! Winkler ist ans Obermplauer Flur ausgesunden worden. Winkler batte zirka 200 Mark unterschlagen und sich dann erhängt. Planen i. V. Tie Preise für Weihnachtsbäume sind in diesem Jahre sehr hoch. Tie Landwirte wollen den durch die schlechten Ernteverhältnisse erlittenen Sachden auf diesem Wege wieder wett machen. Plauen i. V. Der in Mainz gegründete gemeinnützige Nabattverein hat bis jetzt schon einen Umsatz von 112 000 Mark. Das entspricht einem Warenumsätze von 2 040 000 Mark. Germisllrtes. V Wie man in Südafrika Weihnachten feiert, wie verschieden von uns, können wir in der De- zembcrnummer der „Kleinen Asrika-Bibliotlrek" lesen. Eine Missionssclrwester aus Mariannhill schildert daselbst in einem interessanten Artikel den entgegengesetzten Reiz des liebliä-en Festes. In herrlichster Weise prangt die ganze Natur und erwartet die Ankunft des göttlichen Kin des, nicht im schneeigweißen Brautgenxmde wie bei uns. sondern blütenduftend und früchtespendend. Leider aber zerstörte, wie der nämliche Bericht sagt, ein furchtbarer Hagel am Weihnachtsabend die ganze Hoffnung der jungen Christengemeinde. „Am heiligen Abend", so fährt die Missionsschwester in ihrem Berichte fort, „mußten wir lei- der früh zu Bett gehen. So gern die Kinder noch länger unter dein Weihnachtsbaum gesessen hätten - es ging nicht, wir hatten kein Petroleum." —Arme Missions schwester, arme Negerlein! Während hier eilt oft übertriebe ner Luxus an Licht und Kerzenschein entfaltet wird, große Summen für nichtige Sachen verschwendet werden, die nie manden Freude bereiten, hat sie am Weihnachtsfeste keine Lampe zur Verfügung. Wie reich muß aber das Jesuskind ihr diesen Opfersinn lohnen, ihr, die jeder irdischen Freude entsagte, um den Aermsten der Armen, den Sklavenkindern, eine Mutter sein zu dürfen. Aber auch alle diejenigen neh men an diesem Lohne teil, welche durch ihre Gaben beitra gen, daß es immer mehr Licht werde im dunklen Afrika und daß kann man am wirksamsten durch Abonnieren der beiden Monatsschriften, die die St. Petrus Claver-Sodali- tät herausgibt, des obengenannten „Echo aus Afrika" und der „Kleinen Afrika-Bibliothek". (Zu beziehen von den Filialen der St. Petrus-Clavcr-Sodalität i» Breslau, Hirschstraße 08, und München, Türkenstraße 15, 2. Et., zum jährlichen Preise von !»> Pfennig. Probenummeru gratis und franko.) v Iüdi s ch e Stati st i k. Im „Berliner Jüdischen Verlag" ist der Versuch einer jüdischen Bevölkerungs statistik, unternommen von Tr. Alfred Nossig, erschienen. Es leben danach in Europa 8 518 280 Juden, und zwar in Rußland 5 002 242, in Oesterreich-Ungarn l 001 278. in Deutschland 500 000, in Frankreich 80 000, in England 170 000, in den Niederlanden 102 088, in Rumänien 200 015, in der Türkei 82 277, in Italien 47 000, in Bul garien 28 207, in der Schweiz 12 551, in Belgien 12 000. in anderen kleinen Staaten seien die Ziffern unbedeutend. In Asien betrage die Summe 524 082, in Afrika 207 432. in Amerika 1 100 881, in Australien 10 075. Als Ge samtsumme ergäbe sich danach eine Anzahl von 10 507 250 ! Juden auf der Welt. - Die Ziffern erscheinen nicht verläß lich. So werden für die Türkei 82 277 Juden angeführt, während Salonichi allein derer über siebigtausend bat; zu diesen körne noch das große Ghetto von Stambul und die zahlreichen Niederlassungen in anderen türkischen Städten, so daß die Ziffer gewiß doppelt so hoch als angegeben ange ! setzt werden müßte. — 50 — am Morgen seines Lebens, indem er das Mädchen heiratete, das er liebt — ein solcher Mann sollte nichts von Nerven wissen." Ein leiser Seufzer entringt sich Marias Brust. „Sie haben recht. Frau Doktor. Aber mein Mann kann sich nicht über den Tod seines kleinen Vetters beruhigen." „Nh —I" „Er macht sich eigentümliche Gedanken über den Plötzlich erfolgten Tod." „Wieso?" „Er — er —," Maria zögert — „ich möchte aus Ihrem eigenen Munde erfahren — bitte, sehen Sie mich an! — ich möchte wissen, woran Virgilio Tosti gestorben ist." „An Herzlähmung." „Wirklich? Ihr Wort darauf. Es ist nichts versehen worden, nichts passiert?" „Mein Wort darauf. Cs ist nichts versehen worden, nichts passiert. Ich war seine Pflegerin von Anfang an und müßte cs wissen. Auch sind die Re zepte noch in meinem Besitz, nach welchen die Arzeneicn für den kleinen Kranken angcfertigt wurden — Aeter, Digitalis »sw., lauter herzstärkende Mittel. Die Rezepte stehen auf Wunsch zu Ihrer Verfügung." Erleiclrtert atmet Maria auf. „Ich danke Ihnen von ganzem Herzen. Frau Doktor. Ich wünschte, mein Mann könnte Sie so sprechen hören. Ich für meinen Teil bin voll kommen überzeugt, lind ich hoffe dasselbe auch für ilm. Leben Sie wohl, Frau Doktor I" Einige Augenblicke berühren sich beider Hände, tauchen beider Blicke ineinander, und ein eigenes Gefühl beschleicht alle beide — Assunta das Ge fühl brennender Eifersucht, vermischt mit Bewunderung der reinen .Hcrzens- güte dieser edlen Frau; Maria das Gefühl des Unbehagens, der unbestimmten Furcht vor einem noch in weiter Ferne schwebenden Ungemach . . . So rasch rvie möglich verabschiedet sic sich und fährt zurück nach dem Palazzo Tosti. IX. Graf Alessandro Tosti, der Manu niit dein „Gemüt eines Kindes", bat seit einiger Zeit die Empfindung, als grüße man ilm in den Klubs nicht mehr so freundsclxrftlich, als vermeide man, so weit es angcbt. seine Gesellschaft. Oder erscheint cs ihm nur so in seiner nervösen Depression? Der Gedanke, daß sein kleiner Vetter keines natürlichen Todes gestorben ist. setzt sich bei ihm immer fester. Vergebens alle Bemühungen seiner Frau: vergebens auch die Vorwürfe, die er sich selbst macht, daß er einen solch un- gebcucrliclxm Verdacht olmc Beweise zu hegen vermag. Der Verdacht ist nun einmal da und läßt sich nicht mehr bannen. Der junge, frische Mann fängt an. in sich gekehrt und menschenscheu zu werden. Er meidet seine Freunde: er meidet Konzerte uud Tbeater: er meidet die sonst zu seinen Lieblingsvergnügungen gehörenden Korsofabrten auf dem Monte Pincio. wo bei den Klängen einer gutgeschulten Kapelle, unter strablendstem Sonnenschein, inmitten Palmen und Pinien und Orchideen und Tuberosen „ganz Rom" sich amüsiert und kokettiert und lacht und scherzt und schwatzt und jubelt. — 52 — „Es ist kein Gerücbl, sondern Wahrheit," murmelt er. „Ich unter schrieb wirklich einen solchen Schuldschein. Der Advokat kann einen leisen Ausruf der Verwunderung nicht unter orückeu. „Wirklich? Dann mackvi. Sie so schnell wie möglich, daß Sie nach Rom kommen! Breckze» Sie allen Vermutungen durch Ihr Erscheinen dir Spitze ab! Aber schnell! Schnell! Wenn möglich, morgen schon!" Herzlich drückt er Aleüandro die Hand. Dann wendet er sich und tritt zurück ins Hotel. Aleüandro bleibt allein aus der menschenleeren Terrasse. Wie geisles abwesend starrt er hinauf nach dem gestirnten Firmament . . . Sein Gesicht ist totenbleich. -r * Ein paar Tage später . Der neue Besitzer des Palazzo Tosti ans dem Eorso Umberto. Graf Alessandro. ist mit seinem jungen Weibe nach Rom znrückgekebrt. Trotz Marias Beinübungen, ilm von seinem unerhörten Verdacht abzu bringen, hat derselbe sich tiefer denn je bei ihm eingenistet so lies, daß er kaum wagt, der Mutter des verstorbenen Graft» Virgilio frei in die Angen zu sehen. Gräfin Edith Tosti hat sich körperlich wieder ganz erholt von dcmi Krankenlager, aus welches sie der Tod ihres Sohnes geworfen, und auch der rasende Schmerz ist nach und nach zu sanfter Trauer abgeklärt. Von Tag zu Tag ern>artet sie nunmehr den Besuch des Grasen Aleüan dro. Doch merkwürdigerweise unterbleibt derselbe. Sic spricht ihre Verwunderung und ihr Bedauern darüber offen zu Maria aus und ladet die beiden gleichzeitig für den nächsten Tag zum Mittag essen ein. Zuerst will Alessandro absolut nichts davon wissen. Bald jedoch läßt er sich von Maria überreden. „Hast recht, mein Herz!" Einmal muß es ja doch geschehen. Also je eher, desto besser!" Als das junge Paar die kleine, rosenumrankte Villa draußen vor der Porta Pia betritt, welche die Gräfin Edith seit dem Tode ihres Salmes be wohnt, kommt die in tiefstes Scbtvar; gekleidete Hobe Gestalt ibm sckron auf der Treppe entgegen. ..Willkommen! Willkommen, meine Lieben! Also endlich!" Sic küßt Maria innig ans den Mund und streckt Alessandro bcnde Hände entgegen. Dabei füllen sich ihre guten blanen Augen mit Tränen. Alessandro beugt sich über die seine, blaugcädertc Hand der Amerikanerin und küßt sic ehrfurchtsvoll, während Maria mit Besorgnis seine ausfallende Blässe bemerkt. „Ich habe jetzt nichts mehr aus der Welt, als euch beide," schluchzt die arme Mutter, „und ich sebnte mich darnach, euch zu umarmen euch beiden lieben Menschen, die ihr meinen armen kleinen Virgilio bis zu seinem Tode beigestanden." Alessandro schweigt eine Weile, bevor er mit Anstrengung erwidert: „Ich fürchtete, mein Anblick würde Sie auftegen, Gräfin Edith: deshalb kam ich nicht eher."