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Wen» Sie hier keine entsprechende Formulierung vornehmen, wird eine schwere Krisis über das Land kommen (Zustimmung)." (Sten. Bericht S. 217.) Da somit Naumanns Antrag «eine in direkte Gewähr" für die kirchliche Leitung des Religionsunter richts bot, stimmte das Zentrum nach erfolgter Ablehnung seines Antrages diesem Antrag Naumann zu und glaubte damit die Er teilung des konfessionellen Religionsunterrichtes gesichert. «Da mit sollte die Fühlung zwischen Religionsunterricht der Jugend und dem religiösen Leben der Kirche und des Hauses in einer elastischen Form ausgedrückt werden." (Mausbach. Sie». Bericht S. 632.) In der Zeit zwischen der ersten und zweiten Lesung war in der sächsischen Lehrerschaft heftiger Widerstand gegen die Nau- mannsche Fassung laut geworden, weil man darin eine geistliche Ortsschulaufsicht versteckt hielt, und der Abg. Dr. Seysert bean tragte Streichung dieses Satzes. Er stützte seinen Antrag durch Hinweis auf eine Protokollkorrektur des Abg. Dr. Mausbach und erhob gegen das Aufsichtsrecht Widerspruch. In diesem Zusam menhang erklärte der Abg. Tr. Mansbach (persönlich): „Ich habe niemals gesagt, das; der Antrag die Aufsicht, sondern daß er die Leitung des Religionsunterrichtes seitens der Kirche fest stellen soll: das ist zweierlei." (Sten. Bericht S. 634.) Kann jemand außer Herrn Dr. Seysert aus dieser persönlichen Bemer kung des Zeiuruiusabgeorducten einen Verzicht des Zentrums auf das Aufsichtsrecht der Kirche über den Religionsunterricht her- auslcsen? Es war lediglich ein Hinweis auf den Unterschied zwischen „Aufsicht", die. wie gesagt, nicht beantragt, und «Lei tung", die vom Zentrum beantragt worden war. In dein Redekampfe, der sich entspann, als Abg. Tr. Sey- fert die Streichung des von seinem Fraktionsgenossen Naumann in erster Lesung beantragten und angenommenen Satzes: „Der Religionsunterricht wird in Nebereinstimmung mit den Lehren und Satzungen der betreffenden Religionsgemeinschaft erteilt", erklärte der Abg. Koch (Cassel): „Diese Fassung aber würde unter Umständen dazu führen können, daß ein Aufsichtsrecht der Kirche konstruiert würde." (Sten. Bericht S. 683.) Daraufhin habe ich mich zum Wort gemeldet und unter Hinweis auf Harnacks Ausführungen, das; der Religionsunterricht ein konfessioneller, also kirchlicher sein müsse, erklärt, daß derinRedestehende Satz nicht ein Aufsichtsrecht bedingen, sondern den kirchlichen Charakter des Religionsunterrichtes festlegen solle. Wörtlich sagt der Bericht auf S. 633: Abg. Rheinländer: Die Bestimmung über das Verhältnis zwischen Lehrer und Religionsgemeinschaft ist hauptsächlich auf den Einflns; des Herrn von Harnack znrückzuführen, der gesagt hat: eS kann nur ein Religionsunterricht erteilt werden, der den Inhalt hcriiimmt von der Kirche und auch in Uebcreinstimmung bleibt mit den, Geiste der Kirche, weil sie die allein Sachverstän dige ist. Das must ich aber besonders betonen für die katholische Kirche. (Hier steht im Bericht als Druckfehler ein Doppelpunkt statt eines Punktes. D. V.) Der Satz soll durchaus nicht ein Ansfichtsrecht bedingen, sondern er bedeutet, dast die missio canonica von der Kirche er teilt werden- muh, dah die Kirche Einfluh haben mutz auf den Lehrplan, die Lehrbücher und die religiösen Uebungen. Das sind Rechte, auf die die Kirche nicht verzichten kann, wenn sie den Religionsunterricht als ihren Religionsunterricht anerkennen soll. Also Sicherung des kirchlichen Neligionöuntcrrichls an erkannte ich als Zweck des umstrittenen Satzes und nicht Ent scheidung über die Aufsichtsfrage. Diese mutz au anderer Stelle geordnet werden. Auch der Fraktionssührcr Gröber war der selben An-'cht, indem er erklärte, es handle «sich hier um den Inhalt der Lehre der betr. Kirche". Ich muh hier nochmals die Frage stellen: Wer außer dem Abg. Dr. Seysert kann ans diesem Zitat eines Abgeordneten die Behauptung folgern, das Zentrum babe in Weimar für die katholische Kirche auf das Aufsichtsrecht über den Religionsunter- rich: in der Schule verzichtet? Aus dieser Erklärung, das Aufsichtsrecht stehe hier nicht zur grundsätzlichen Entscheidung, sondern die Kirchlichkeit des Religionsunterrichts? Weder das Zentrum als Frak tion. noch das Zentrum im VersasjungSausschutz, noch die beiden als Kronzeugen zitierten Abgg. Dr. Mausbach und Rheinländer haben in Weimar für die katholische Kirche auf das AufstchtS- recht über den Religionsunterricht in der Schule verzichten kön- nen und verzichten wollen und haben auch nicht verzichtet. Da« ist festzuhalten. Aber sie haben doch dem von Dr. Seysert selbst eingebrach- ten Antrag zugestimmt, dem strittigen Satze anzusügen: „un beschadet des Aufsichtsrechts des Staates"? Haben sie nicht dadurch auf das Aufsichtsrecht der Kirche über den Religionsunterricht verzichtet? Durchaus nicht. Der Aus- druck: «unbeschadet des Aufsichtsrechtes des Staates" ist im Lause der Debatte wiederholt gebraucht worden mit den Attributen «technische und didaktische", so von Prof, von Harnack (S. 217), vom Abg. Tranb, auch vom Abg. Weist. Dieser, Fraktionskollege von Dr. Seysert, der zugleich den Antrag mit eingebracht hat, gibt (Sten. Bericht S. 226) deu allgemein dem Ausdruck: „un beschadet usw." beigelegten Sinn wieder, wenn er spricht von der staatlichen Aufsicht „über die äußeren Verhält nisse, unter denen der Retigionsi'iiterrichi stattfindet". Diese Aufsicht über die äußeren Verhältnisse, unter denen der Religionsunterricht stattfindet, hat das Zentrum dem Staate nicht bestreiten wollen und darum dem Anträge zugestimmt. In keinem anderen Sinne. Den Sinn, de» Herr Dr. Seysert seinem Antrag (nach Sten. Bericht S. 2627) untergclegt hat, scheint auch der Vorsitzende des 8. Ausschusses, der Abg. Haußmanu, nicht darin gefunden zu habe». Er spricht (Ber. S. 634) von der Bedeutung des Satzes: «Der Religionsunterricht ist in Uebcreinstimmung mit deu Lehren und Satzungen der Kirche zu erteilen" und führt auS: .... «und außerdem ist im Art. 81b angenommen: daL ge samte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. Also ist das Recht, des Staates in der Verfassung bereits fcftgelegt, daß er auch hier (bei der kirchlichen Feststellung der Neberein stimmung. D. V.) gegen eine zu enge und bedrückende Handhabung eintreten kann." »Wird in diesen Worten nicht der kirchliche Einfluh neben und unbeschadet der staatlichep Auf sicht ohne weiteres vorausgesetzt? Auf eine Einwendung des Abg. Dr. Seysert erklärte Vorsitzender Hautzmann: „Es ist der Widerspruch gegen die missio canonica überhaupt. Vor diesem Punkte sind wir im erste» Augenblick gestanden und werden im letzten Augenblick auch davor stehen." Hier ist das klare Zeugnis für das Festhalten des Zentrums an seinem Standpunkte. Es herrschte also weder Klarheit noch Nebereinstim mung über Antrag und protokollarische Erklä rung des Abg. Dr. Seysert, und der Antrag ist jedenfalls vom Zentrum, und nicht von ihm allein, nicht unter „gqzianer Einhaltung des Sinnes", den Dr. Seysert wünschte, angenommen worden. Vielmehr sollte der Staat die äußere Aufsicht wahr nehme», die Kirche aber in ihrem Recht nicht geschmälert werden. Der Versuch, nachträglich eine andere Deutung, in Ver fassungstexte zu legen, wie Dr. Seysert auch durch eine — Kopf schütteln auslösende — Erklärung der missio canonica vornimmt, und dann denen, die solche Dinge nicht mitmachen können, eine „Versündigung am Geiste der Verfassung" ins Gesicht zu schleu dern, ist jedenfalls ein starkes Stück. „Auf den Schützen springt der Pfeil zurück!" — Das Zentrum hat in Weimar kein Aufsichtsrecht der Kirche über den Religionsunterricht beantragt und hat nicht darauf verzichtet. Es hat aber den konfessionellen Religionsunter richt sichern wollen und das ist ihm gelungen. Daß dieser kirch liche Religionsunterricht in seinem Wesen selbst den kirchlichen Einfluß verlangt, ist selbstverständlich. Daraus folgt ohne wei teres. daß der Bischof als oberster Religionslehrer des Bistums das Recht hat, sich in den Schulen durch Neligionsprüfungen zu vergewissern, ob der Religionsunterricht in Uebercinstimmung mit den Grundsätzen der Kirche erteilt wird. Mit Recht hat da her Abg. Hcßlcin seine Anfrage auf Art. 149 Abs. 1 der Reichs- Verfassung gestützt; mit Unrecht aber hat der Abg. Dr. Seysert das „ A u f s i ch t s r e ch t" zur Bekämpfung des Zentrums an den Haaren herbeigezogen, und zwar unter redne rischen Darlegungen, denen im Interesse der Wahrheit und Klarheit entschieden entgegengetreten werden muß. —— Zur Erfassung der Sachwerte, Berlin, 11. Januar. Der „Vorwärts" veröffentlicht fol gende Mitteilung in Fettdruck: Die Durchführung des-Steuer» und NeparationSproblems scheint immer mehr auf ein totes Gleis zu geraten. Die Verwirklichung der Vermögenssteuer und des Neichsnotopfers lässt nach wie vor auf sich warten. Von der Kreditakticn der Industrie und der Heranziehung der Landwirt schaft'spürt man seit den Beschlüssen des vorläufigen Reichs, wirtschaftsratcö auch gar nichts mehr und die Erfassung der Sachwerte die den Ausgangspunkt für die gesamte Finanzresorm bilden sollte, scheint gleichfalls verweigert werden zu wollen. Rur die Vercinnahmung der Lohn- und Gehaltsabzüge geht prompt vcn statten, so datz schließlich die Arbeitnehmer allein die Lasten tragen, die das Reich fordert. Die Gewerkschaften sind aber nicht willens, sich mit diesem Zustande abzufmden und sic haben des- halb gemeinschaftlich mit den Vorständen der beiden sozialistischen Parteien beschlösse», in der Steuer- und Neparationsfrage mit stärkeren, Nachdruck vorzugehen. Sie hat ferner zur besonderen Verarbeitung der Frage der Erfassung der Sachwerte eine ge meinsame Kcmmission eingesetzt, der folgende Genossen ange hören: ADKB. Wyssell, Tarnow und Albrecht, Asa- bund Au'ffhäuser, Brban, SPD. Bernstein. Kah- mann, NSPD. Hilferd: ng, Dr. H er tz. Die Kommission wird ihre Arbeiten unmittelbar nach dem Parteitag der Unab hängigen aufnehmen. » Ministerbegeqrnrng in München München, 10. Janugr. Wie die Telegraphennnion erfährt, erfolgte die Ankunft des württenibergischen und des badikckien Ministerpräsidenten in München bereits heute abend 11 Uhr. Wie wir höre», ist kein bestimmtes politisches Programm für die Ministerbegegnung aufgestellt worden. Man erwartet aber, daß eine Reihe politischer und wirtschaftlicher Fragen zur Bespre chung kommen wird. Wie groß der Fragenkomplex sein wird, der zum Gegenstand der Unterhaltung gemacht wird, steht aber noch nicht fest. Z» der Begegnung schreibt heute abend die offiziöse „Bayerische Staatsieitung": In ganz Bauern wird die ser Besuch aufrichtig begrüßt als ein Beweis des Vertrauens, Verhältnisses, in dem die süddeutschen Regierungen zu einander stehen. Diese guten Beziehungen »werden ihre wohltätigen Wir kungen nicht nur auf die Länder, sondern auch auf daS Reich äußern. Vorgesehen ist während des zweitägigen A»sentha"es der beiden Regierungschefs die Besichtigung des Deutschen Mu seums sowie einiger Aochschnlinstitute, die für die Gäste von besonderem Interesse sind. Auch ein Besuch iin RathanS der bäuerischen Landesbanvtstadt ist aepkant. Ferner werden einige gesellige Veranstaltungen ftäkkfinden. die die Herren mit maß gebende» Münchener Persönlichkeiten in Berührung bringen werden. Das Abkommen Oackk-rr-aichi? mit det Tscheche- Slowakei Praa, 16. Januar- Der Anstenouskchnst de« Abaeardn-'k-n« bailies kuckt ackern eine Sitzung ab, in der Mlii'st-rpräsikcnt Dr, Bencsch eine Erk'äning über bas Abkommen mit Österreich abo-rb und onSGbrke, dast der zwischen ibm und dem ehewal-gen Kain'cr Renner vereinbarte Vertrag o„s imrüchaktttchen Voranssetzunae» basierte m>k eine erbebliche Hilfe für Oesterreich bedeute« Der Mtnisie,p'äsident stellte fest, dast eS in diesem Abkommen keinerlei militärische Verpflichtungen gebe. Es wurde lediglich verelnbaK. dast beide Staaten eine woh'wollende Neutralität beachteten» falls einer von ihnen angegriffen werden sollte. « Schwiridelabslimmuttg in Milna Warschau, 16. Januar. Von der Volksabstimmung in Willig über die Zugehörigkeit dieser Stadt zu Bolen oder Litauen müssen seihst die Polen melden, dast die Waklbeteilignng noch nicht 66 Pro;, betrug. Das sei d e Folge der rücksichtslose» uoln scheu Wobl- organisation. Von den achtzehn Mandaten tu dieser Stadt sind aus diele Weise sechs-ehn au Polen gefallen, und das i» einer Stadt, in der 76 Proz. der Bevölkerung nicht Polin',h sind Soeben wi d amtlich gemeldet, datz die Mitglieder der Konirollkommisston des; Völkerbundes einen tebr »neifrenlichen Bericht über den Wahlvor- gang noch Gens berichtet haben. Serbisch-rumänische Verlobung Belgrad. 16 Januar. Die in S naya ans An'ast de» griechisck-ouciitKüchen Weibuachtssesics erfolgte Verlobung König Alexanders I. von Jugoslawien rillt der zweiten Tochter des Königs Ferdinand von Rumänien, MarKlla. ist von erh bl'chcr pol-tücher Bedeutung- Dadurch, dast jetzt Rumänien, Südslawicn unk Griechin land einander nähcrgerückt sin", scheint es wahrscheinlich, daß der Kie nen Enlenle sehr bald ein weiteres Mitglied: Griechenland bei- trete» wird. Sächsische Volkszeitung — Nr. 9 — 12. Januar 1922 Das Rosenhaus Originalroiiian von Felix Nabor (19. Fortsetzung.) Aber sie hörten nicht mehr auf ihn, und der Wir:, der ihm mit finsterem Gesichte zugehört hatte, schrie ihn an: „Was fällt denn Ihnen ein? . . . Sie wollen mir meine Gäste ver treiben? . . . Gehe» Tie selbst, niemand Hot Sie gerufen . . ." Die junge» Arbeiter stimmten ihn: bei, trommelte» mit den Gläsern und riefen: „Hinausl Wir brauchen leinen Apostel!" Ein milder Lärm erhob sich. Bierfilze und Aschenbecher wurden nach dem Friedensapostel geschleudert, und ohne datz jemand mustle, woher das Geschoß kam, flog ihm ein GlaS an den Kopf und zersplitterte an seiner Stirne. Ein roter Btut- guell sprang aus und ergoß sich wie ein purpurnes Büchlein über sei» blasses Gesicht. Die Zunächststchenden sprangen zurück, und der Wirt, der Nnaiinebinlickikeitcii sürchtete, rief ihm zu: „Fort, an den Brunne», Sic Unglücksmensch!" Da sich aber Olten nicht von der Stelle rührte, packic ihn Pöllmann und suchte ihn zur Türe hinauSziistoste». In dem selben Augenblick aber stürzte seine Tochter herein und rief beim Anblick des blutüberströmten Lehrers: „Ihr Mörder, was habt ihr ihm getan? . . I» der große» Stube wurde es totenstille; alle bückten auf Else, die mit ihrem weißen Tüchlein das Blut von OltenS Ge sicht wischte und ihn ängstlich fragte, ob er große Schmerzen habe. „Ach. es hat nichts z» sagen," erwiderte Olten, der unter ihrer sanften, liebevollen Berührung erschauerte, „es ist nur eine kleine Schramme . . . Sie blickte ihn voll Liebe an und flüsterte ihm zu: „Komm weg von diesen rohen Menschen! ... Ich will die Wunde a»S. waschen »nd verbinden . . ." Sie zog ihn mit sich hinaus, ob- wohl ihr Vater schimpfte und wetterte; als aber Olten die Gast- stnbe verlassen hatte, war er doch froh, daß die Sache nicht schlimmer ausgefallen war. und sagte zu den Arbeitern: „Laßt euch nicht stören, es ist nur eine Schramme. Trinkt lustig weiter, ich will ein frisches Faß anzckpfcn." Der Schlegel hämmeric. die Gläser wurden frisch gefüllt, nnd cs gab eine stürmische Nacht. — Draußen in dem kleinen Clarken unterm Birnbaum, wo der Brunnen rauschte, saßen Else und Olten auf der Bank und hicl- ten sich bei den Händen. Der Mond tvar ihr Wächter, die Sterne warfen ihnen ihr Goldgefünkel in den Schoß. Eine breite Binde schlang sich um Oltens Stirne, und ElSlein strich ihm zärtlich übers Haar. „Du armer, armer Mensch," sagte sie, „weißt du nicht, daß die Apostel Märtyrer sind. . . Sie werden von dem Volke ans Kreuz geschlagen wie der Heiland, dessen Evangelium sie verkünden." „Tut nichts, ElSlein," erwiderte er sanft, „wenn nur die Liebe siegt, wenn nur der Friede kommt." Ta küßte sie ihn leise aus die wunde Stirne: „Du guter, edler Mensch," flüsterte sic ihm zu, „von dieser Stunde an bist du mir noch tausendmal lieber als zuvor." Sic saßen noch eine Weile beisammen, dann sagte Olten: „Mir summt der Kopf wie eine große Glocke, ich will »ach Haus« gehen. ElSlein gab ihm noch eine Strecke das Geleite und mahnte ikn, den Arzt zu fragen. Sie trennten sich mit einem Kusse, und Olten ging schwankenden Ganges der Schule zu, während ElSlein in? Vaterhaus zurnckkehrte, das ihr plötzlich verhaßt war, weil es soviel Schmutz und Gemeinheit in seinen Mauern barg. 7. Kapitel. Hella Hellmers saß am Fenster ihres TurmgcmacheS, daS von der Sonne umspickt war, und las ein vergilbtes Blatt, das sie in einer Lade des Schreibtisches, zwischen zwei Fugen ein geklemmt, gefunden batte. Es war ganz stille um sie; nur der Wind spielte in den Wipfeln der alten Bäume, nnd ein leises Flüstern »nd Wispern, ein geheimnisvolles Rannen ging durch das grüne Gezweig. Von feiner Franenhand stand da geschrieben: Eine alte, wundersame Tage rankt sich um das RosenhanS. Vor vielen, vielen Jahren ward an der Stelle, wo der Nosenstock wächst, ein Ritter ans Haß nnd Eifersucht erschlagen, und sein Blut netzte die Erde. Da färbten sich die weißen Rosen rot und verloren ihren Glanz und ihren süßen Duft .... Menschenalter hindurch blieben sic in ihrem trauernden Zustand, bis eine Jung frau aus eben demselben Gcschlechte ihr reines Herz dem Him mel zum Opfer brachte und den Schleier nahm, um dem Herrn in keinem Rosengarten zu dienen und die alte Schuld zu sühnen ...» An diesem Tage ward der Fluch von den Rosen genommen; sie blühten wieder in alter Pracht »nd erfüllten die Luft mit ihrem köstlichen Wablgernch. So oft ein Unrecht in dieser Burg begangen wird, welken die Rosen, verlieren Glanz und Duft und müffc» dahinstcrben, bis sie eine reine Jniigfrn» durch die Kraft ihrer Liebe erlöst und zu neuem Leben weckt . . . Dann vollzieht sich immer wie der das Rosenwnnder am alten Burghaus und an den Menschen, die es bewohnen . . . Hella ließ das Blatt sinken und blickte sinnend in daS Ge äst der Bäume, in dem leise ein Vogel zirpte; es klang traurig wie ei» Stercbelied. Ein eisiger Sckmuer ran» durch ihren Leib» und sie fragte sich: „Birgt das Nos«>hauS wirklich solch düstere Geheimnisse? . . . Und wer war es, der sie erforschte und diese Legende von den sterbenden Rosen niedcrschricb? . . . War es eine Frau, die hier einsam lebte wie ich? Ein Weib, dem Un recht zugefügt wurde, das im Herzen litt wie die Rosen? . . . Und wo ist die Jungfrau, die den Fluch zu lösen vermag? . . ." Hella schüttelte zweifelnd den Kopf. „Ist es denn wirklich ein Fluch?" dachte sie — und rasch entschlossen beugte sie sich aus dem Fenster, brach eine der roten Rosen, betrachtete sie und roch daran . . . Sie erschrak bis ins Herz hinein . . . Wahrhaftig, die Rosen des Burghanses hatten weder Glanz noch Duft . . . Sic waren tot. . . Ein dumpfer Modergeruch ging von ihnen ans wie von einer Gruft. . „DaS ist der Fluch" dachte sie- „Aber vielleicht kann ich ihn lösen . . ." Sie barg oas geheimnisvolle Blatt ans ihrer Brust, stieg hinab in den Garten, hotte sich einen Spaten »nd begann die Erde, in welcher der Nosenstock wurzelte, ninzugraben. ..Viel leicht fehlt es den: Gewächs an Nahrung und Feuchtigkeit," dachte sie. Wohl eine Stunde lang grub sie, nnd abermals erschrak sie: auS der aufgewühlten Erde stieg es wie Verwesungsgeruch empor, als ob eine Leiche hier eingescharrt worden wäre . . . Mit einem leisen Angstgefühl in der Brust verließ sie den Rosen- stock und sagte sich: „Nun möchte ich doch wissen, ob das Rosen wnnder geschieht . . Sie stieg wieder ins Turmgemach hinauf, setzte sich a»S Fenster und nahm ein Buch zur Hand; aber sie kam nicht zum Lesen. Laute Stimmen aus dem Garten schreckten sie auö ihren stillen Träumen auf. Es waren Jmma »nd Büchting, die sich in ihrer lanten, ungenierten Weise unterhielten, ohne zu ahnen, daß ihr Zusammensein einen Zeugen hatte. „Tag, bemoostes .Haupt," sagte Jmma in ihrer burschikosen Art. „Brnmmschädcl, was?" „Es geht. Ist der Alte aufn Damm? . . . Muß mit ihm reden. Verteufelte Geschichte. Wenn ich sie hinter mir habe, will ich gottfroh sein. Dann flitzen wir mal wieder nach dem lustigen Bonn, was? . . . Schwingen'k Tanzbein und schwingen der Humpen I Nicht, kleine Krappe?" (Fortsetzung folgt.)