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Mittwoch den 21. April 1915 Zweimal raste der Zerstörer, mit 30 Knoten fahrend, an der Steuerbordseite der Lapland vorbei, auf eine Stelle zu, wo ein unheimlicher Fleck öligen Wassers die Gegen- wart eines Unterseebootes vermuten lieh. JedeSmal beim Norbeisahren schrie der Kommandant des Zerstörers durch ein Maegaphon, und fragte den Kapitän, ob er nicht ein Periskop gesichtet hätte. So sehr aber auch alle Offiziere an Bord ihre Augen anstrengten, sie konnten vom Unter seeboot nichts entdecken. Einige Passagiere bestanden daraus, an Bord bleiben zu dürfen, darunter auch Mr. Morgenthau jr.. Sohn des amerikanischen Botschafter» in Konstantinopel. „Es war kurz nach 6 Uhr morgens," so erzählt er, „als ich ungefähr 1000 Meter entfernt ein schmales, graue» Fahrzeug erblickte, da» ich sofort als Kriegsschiff erkannte. Es kam mit größter Schnelligkeit auf un» zu. die mächtig aufschäumen- den Wogen durchschneidend. Etliche hundert Meter entfernt bemerkte ich einen Streifen glatter Wasserfläche, und gleich darauf blitzte eS vom Zerstörer auf. ein Knall ertönte und eine Granate flog in den öligen Fleck hinein, der unmittel bar weitere folgten, einen förmlichen Wirbel hervorrufend. „Unter fortwährendem Feuern kam der Zerstörer zu uns heran, wobei er. au» allen Schornsteinen Rauch speiend, über die glatte Wasserfläche fuhr. Der Befehlshaber hatte eine kurze Unterredung mit unserem Kapitän, der sich auf der Brücke befand, und sein Schiff fegte und raste dann wieder wie besessen um den unheimlich glatten Fleck im Meere herum. Bald begab er sich wieder aus seinen ur- sprünglichen Standort und feuerte auf die verdächtige Stelle, dann jagte er uns wieder in den verrücktesten Drehungen und Wendungen nach, gleich einer Katze, die in allen Ecken nach einer MauS sucht." Der Kapitän der Lapland erzählte: „Der Pilot fragte mich, kurz bevor er das Schiff verließ, ob ich nicht die Anwesenheit von Unterseebooten gemerkt hätte. Ich ver neinte die Frage, worauf er mir erzählte, daß mehrere Zerstörer etwa acht Meilen südlich die ganze Nacht nach den Deutschen gefahndet hätten. Gegen 6 Uhr kam ein Zerstörer auf der Höhe des Bar-LeuchtschiffeS in Sicht, und fragte uns gleichfalls, ob wir nicht einem Unterseeboot begegnet wären. Niemand von uns hatte das geringste bemerkt, der Zerstörer entfernte sich nach dieser Mitteilung und begann wieder zu feuern. Wenn ein Unterseeboot sich an der Stelle befunden hat. über die der Zerstörer hin weggefahren ist, so muß es unbedingt gerammt und ver senkt worden sein." Kirchliche Auskunftsstelle für Vermißte Da die Anfragen über Vermißte bei den kirchlichen Behörden in immer größerer Zahl eingingen, hat der hoch würdigste Bischof von Paderborn. Dr. Karl Joseph Schulte, auf Anregung des heil. Vaters und im Ein verständnis mit den deutschen Bischösen bereits im Januar dieses Jahres eine Auskunstsstelle für ganz Deutschland ins Leben gerufen. Ungefähr 10000 Anfragen sind bereits eingegangen, von denen etwa 1200 in verhältnismäßig kurzer Zeit er- lsdigt werden konnten. Die Auskunstsstelle sammelt die Anfragen über deutsche Vermißte ohne Unterschied der Konfession und und vermittelt sie an die betr. Zentralen im feindlichen Auslands, von wo sie dann in die einzelnen Lager und Lazarette gelangen. Die von dort aus einlaufende Nach richt wird dem Fragesteller dann umgehend zugesandt. Bei den Anfragen wolle man möglichst genaue Angaben machen: Name, Vorname, Rang. Truppenteil, Wohnort, Geburtsdatum, ferner wo (westlicher oder östlicher Kriegsschauplatz) und seit wann der Betreffende vermißt wird und ob schon Nachforschungen angestellt worden sind, eventuell mit welchem Ergebnis. Die Nachforschung und AuSkunstertetlung erfolgt kostenlos. Alle Ansragen sind zu richten an daS Bischöfliche Generalvikariat (Abteilung Auskunft stelle) Paderborn (Wests.). r»i * Der österreichisch-ungarische Tagesbericht Wien. (W. T. B.) Amtlich wird vcrlnutbart den 20. April mittags: Die allgemeine Situation ist voll- kommen unverändert. Entlang der ganzen Front ver einzelte Artillerickämpse. Ter Stellvertreter des Chefs des Generalstabs: v. Höfer, Frldmarschall-Leutuant. Der Abschluß der ersten Phase der Karpathcnschlacht ik r i e g S p r e s s e q n a r t i e r, 20. April. Vereinzelte Gefechte und stehender Geschützkampf kennzeichnen jenen Zustand, den man bisher als Abschluß der ersten großen Phase der Karpntheuschlacht bezeichnet hat. Noch ist es nicht möglich anzugeben, ob es sich auf seiten der Russen nur um eiu mit der Wiederherstellung und Kräftigung der stark be anspruchten Armeebeständc verbundenes Sammeln oder um das He ranziehen neuer Truppen mit erneut offensiven Absichten handelt. In beiden Fällen dürfte eine Neugruppierung der russischen Strcitkräfte, ver schleiert durch untergeordnete Unternehmungen, nicht un- Nnhrscheinlich sei». Sonst wird mitgeteilt: Ruhe herrscht an der Karpathenfront. Die letzten kleinen Kämpfe im Waldgebirge an den Czirokaquellen klingen bereits ab. Nur um den Ausgleich der Stellungen werden hie und da noch Gefechte geringen Umfanges und ohne Bedeutung für die Gesamtlage durchgeführt. Auch auf den übrigen Teilen des Kriegsschauplatzes gab es nur kleinere Plänke leien. (B. L.-A.) Sächsische BolkSzeitung Tarnow von den Russen geräumt Wie die „Deutsche Tageszeitung" meldet, haben nach der Wiener „Zeit" die Russen Tarnow vollständig auf- gegeben. Japanische Räuberbanden gegen China Verschiedene Morgenblätter melden über Kopenhagen: Tie Japaner bewaffnen Räuberbanden gegen China. Tie Weddingen Grdächtnisstiftung Die „Voss. Ztg." meldet: Tie vom Ullstein-Verlag ein geleitete Weddingen-Gedächtnisstiftung erzielte bis jetzt ein Gesamtergebnis von 417 000 Mark. Zum Kolonialkrieg London, 20. April. (Nichtamtlich.) Das Reuter- Bureau meldet amtlich aus Kapstadt: Die Briten haben Keetmanshop besetzt. Cnglische Arbeiterbewegung Kopenhagen, 20. April. Nach einer Meldung der „Natioualtidende" aus London haben die englischen Bergleute heute den Streik beschlossen, wenn ihre Forderung auf eine Vergütung von 20 Prozent nicht erfüllt wird, da die angebotene von 10 Prozent ihnen zu gering ist. Die Bergwerksbesitzer erklären, ein Streik sei unmöglich, da die britische Flotte ohne Wales-Kohlen nicht aktionsfähig sei. Seit Kriegsbeginn habe die Admiralität 16 Millionen Tonnen binnen einem Jahre lieferbar bestellt, statt Is/j. Millionen in gewöhnlichen Zeiten. Es wird mit ernstlichen Verwickelungen gedroht, falls die Eigentümer sich nicht beugten. Ein französischer General verunglückt Paris, 20. April. Nach dem „Newyork Herald" stieß das Automobil des Generals Jacquin mit einem anderen Automobil zusammen. Der General wurde schwer verletzt. Bombenwürfe in Ostpreußen Königsberg, 20. April. (Nichtamtlich.) Vom Oberpräsidenten der Provinz Ostpreußen wird mitgeteilt: Gestern sind durch feindliche Flieger über mehrere Bauten der Provinz Bomben abgcworfen und mehrere Zivilpersonen dadurch getötet und verletzt worden. Es liegt nach den im Westen gemachten Erfahrungen kein Anlaß zu Besorgnissen vor, wenn die Bevölkerung durch zweckmäßiges Verhalten zur Einschränkung der Gefahr beiträgt. In der Mitteilung wird dann eine Reihe von Vorsichtsmaßregeln empfohlen. Russische Einberufungen Petersburg, 20. April. (Nichtamlich.) Wie „Njetsch" mitteilt, ist der ungediente Landsturm der Jahr- gäuge 1000 bis 1018 unter die Fahnen berufen worden. Eine deutschfeindliche Kundgebung der evangelischen Pfarrer Genfs Die „Kompagnie der Genfer Pfarrer" hat an die prote stantischen Kirchen Frankreichs und Belgiens folgende Adresse geschickt: Liebe Brüder in Christo! In schmerz lichen und tragischen Stunden befestigen sich die Bande geist licher Verwandtschaft und Liebe. Die Kompagnie der Genfer Pfarrer fühlt sich gedrungen, euch zu sagen, daß sie mit euch leidet, und daß, mögen wir auch neutral sein in politischer Hinsicht, unsere brennenden Sympathien sich ganz natürlich unseren Schwesterkirchen unter dem Kreuz zuwcnden. Die Kompagnie der Pfarrer leidet mit euch im Gedanken an eure demizierten oder verwüsteten Kirchen, an eure geistlichen Führer, die ihrer Arbeit entrissen sind durch den brutalsten und ungerechtesten Krieg. Wenn, wie es uns die Geschichte sagt, das Blut der Märtyrer der Same der Kirche ist, so glaubt es, Brüder, daß eure Leiden nicht vergeblich sind und daß sie dazu beitragen werden, eine neue Gesellschaft zu gebären, in der das Reich Gottes triumphieren wird. — Die Mitteilungen des Vereins für das Deutschtum im Aus lände schreiben hierzu: Wäre die französische Schweiz ehrlich neutral, so hätten die Genfer Pastoren zum mindesten die gleiche Kundgebung an die deutsch-evangelischen Gemeinden Ostpreußens und Galiziens richten müssen. Oder sind das keine Schwesterkirchen für die Genfer Herren? Sie hätten dort besseren Grund ge habt, von einem „brutalsten und ungerechtesten Kriege" zu sprechen. Tie Kundgebung beweist aufs neue, wie leiden schaftlich alle Kreise der welschen Schweiz für unsere GegnerPnrtci ergreifen. Das deutsche Volk wird sich das merken müssen. Wachsende Unzufriedenheit in England Berlin, 21. April. Das „Verl. Tagebl." meldet aus Amsterdam: Das „Allgemeene Handelblad" kommt auf Grund der in englischen Blättern zutage tretenden großen Unzufriedenheit mit den leitenden Männern und den Zuständen in England und auf dem Kriegsschauplätze zu dem Schluß, daß niemand in England vorhergesehen habe, daß der Krieg so lange dauern werde. Ein Enbe mit Schrecken sei immer noch besser als ein Schrecken ohne Ende. Angriffe feindlicher Flieger auf badische Städte Müllheim (Baden), 21. April. Dienstag vor mittags um 10 Uhr warf über dem garnisonloscn Städtchen Kaudern ein niedrigflicgendcr Flieger fünf Bomben ab. Eine platzte auf dem Felde, vier fielen auf die Schule. Tie meisten Kinder flüchteten in den Keller. Ein Kind wurde getötet, ein zweites schwer verletzt, mehrere ver wundet. Auch über Lörrach warf heute vormittag ein Flie ger sechs Bomben ab, die beim Bahnhofe platzten. Drei Personen wurden teils schwer, teils leicht verletzt. Ein Kind wurde getötet. Einem jungen Manne wurde ein Arm abgerissen. (W. T. V.) Tic Kämpfe in Westgalizicn Wieu, 21. April. Die „Zeit" meldet, daß die Russen in der letzten Woche in Westgalizieu nur selten Angriffe unternahmen und dänn nur auf kleinem Raume mit unbe- Nr. 90 — Seile 2 deutenden Kräften. Tarnow haben die Russen vollständig aufgegeben, auch als Vorratszentxuiu, und zwar aus Furcht vor unserer auf die Stadt eingeschossenen schweren Ar- tillerie. Zwei englische Minenboote gesunken K o n sta n t i n o p e l, 21. April. Das Hauptquartier teilt mit: Nachträglich haben wir Sicherheit darüber, daß unter den sechs feindlichen Torpedobooten, die vorgestern nacht in die Dardanellenstraße einzudringen ver suchten, sich auch vier Minensuchboote befunden haben, und daß zwei von diesen feindlichen Booten, die durch unsere Granaten getroffen worden waren, in der Meerenge ge sunken sind. Von den anderen Kriegsschauplätzen ist nichts von Bedeutung zu melden. (W. T. B.) Die Kämpfe in Südvst-Galizien Wien, 21. April. Die „Reichspost" meldet aus dem Kriegspressequartier die Fortdauer des Vormarsches der österreichisch-ungarischen Truppen in Südost-Galizien und den Beginn einer lebhaften Tätigkeit der deutschen Süd armee in den Karpathen. (Nat.-Ztg.) Deutsches Reich Dresden. den 21. April 1«Id — Eine Kundgebung der Sozialdemokratie. Der Par teivorstand der deutschen Sozialdemokratie veröffentlicht im „Vorivärts" eine Kundgebung, in der es heißt: Die Vertreter der Sozialdemokratie Deutschlands, Oesterreichs und Ungarns haben am 12. und 13. April (in Wien) eine Aussprache gehabt, bei der sich volle Uebereinstimmung in ihrer Auffassung ergab: Trotz der langen Dauer des Krie ges sind die Völker in allen Ländern unbeugsam entschlossen, mit aller Kraft ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu verteidigen. Die sozialdemokratischen Parteien, die von jeher und ihrem Wesen nach für die Verbrüderung der Völker wirken, sind die berufenen Verkünder der Friedens- sehnsucht. Diese entspringt dem Willen und der Kraft der Selbstbehauptung, nicht etwa dem Gefühl der Schwäche. Daraus aber folgt mit Notwendigkeit, daß nur ein Frieden notwendig ist, der kein Volk demütigt, daß nur ein solcher Frieden das deuerndc Zusammenarbeiten aller Kultur völker gewährleisten wird. Die bei der Zusammenkunft ver tretenen Parteien stehen auf dem Boden der Beschlüsse der internationalen Sozialistenkongresse, insbesondere des Kopenhagener Kongresses von 1910 und halten in diesem Sinne beim Friedensschluß folgende Sicherungen für not wendig: Den Ausbau der internationalen Schiedsgerichte zu obligatorischen Einrichtungen zum Zwecke der Schlich tung aller Streitigkeiten zwischen den einzelnen Staaten. Die Unterwerfung aller Staatsverträge und Verein- barungen unter die demokratische Kontrolle der Volksver- trctungen. Die internationale vertragsmäßige Einschrän kung der Rüstungen mit dem Ziele der allgemeinen Ab rüstung. Die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes aller Völker. Weiter erklären die Vertreter der sozialdemo kratischen Parteien Deutschlands, Oesterreichs und Ungarns: Die Tatsache, daß die sozialdemokratischen Parteien der kriegführenden Länder ihr Land und Volk verteidigen, darf kein Hindernis dafür sein, die internationalen Beziehungen aller sozialistischen Parteien zueinander aufrecht zu erhalten, sowie die Tätigkeit ihrer internationalen Einrichtungen fortzuführen. — „Deutschland in Stücken". „Deutschland in Stücken; ein drakonischer Friede", nennt sich eine Schrift von Onäsime RecluS, in der die Friedensbedingungen der Verbündeten auseinandergesetzt werden. Danach bekommt Frankreich außer Elsaß-Lothringen da« ganze Saargebtet und steckt Luxemburg ein. Die Großherzogin erhält dafür irgend ein deutsches Großherzogtum oder Königreich, z. B. Branden burg. Deutschland wird ganz zerstückelt, und Teile davon kommen unter die Schutzherrschaft Frankreichs und Belgiens. Ferner hat eS innerhalb 101 Jahren eine Kriegsentschädi gung von 101 Milliarden zu bezahlen, außerdem die Kriegskosten der Verbündeten und Schadenersatz. Die „Humanilv" vom 16. April bemerkt dazu: Die Verbreitung einer derartigen Schrift bei den Neutralen und in Deutsch- land ist daS Schlimmste, waS den Verbündeten passieren kann. Aus Stadl und Land Den 21. April ISIS Dresden —* Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Johann Georg besuchte vorgestern nachmittag die Verwundeten im Lazarett der Stadt Dresden im Ausstellungspalast und gestern nachmittag die Verwundeten im Garnisonlazarett Dresden. Gestern mittag gegen 12 Uhr besuchte die Frau Prinzessin außerdem die öffentliche Versand- und Ber- packungsstelle der Frau Kommerzienrat Zietz, Stdonien- straße 10. —* (K. M.) Anonyme Zuschriften. Es ist uns mitgeteilt worden, daß häufig anonyme Schreiben an daS stellvertretende Generalkommando und die Bezirkskommandos gelangen, in denen angegeben wird, daß Mannschaften zu unrecht entlassen, zurückgestellt oder nicht eingezogen find. Anonyme Anzeigen jeder Art werden vernichtet und nicht verfolgt, sind daher zwecklos. Den mit Namensnennung und richtigen Adressenangaben eingereichten Schreiben ist durchweg nachgegangen worden, ohne daß auch nur in einem einzigen Falle die R>ckstigk«it der Anschuldigung sich ergeben hätte. Da derartige falsche Anschuldigungen schwere Folgen für die Anzeigenden b «den können, sollten die Ab sender sich erst genau vergewissern, ob ihre Angaben auch wirklich auf Tatsachen beruhen und nicht bloß auf Ver mutungen und Redereien Unbeteiligter. —* Die Beamtinnen der Post-und Telegraphen verwaltung haben bi» Ende Februar insgesamt 268 382 selbstgefertigte Gegenstände als Liebesgaben in» Feld ge sandt und an Lazarette verteilen lassen. Der Dresdner