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nicht geschehen. Was könnten übrigens die Nationalliberalen noch an Prinzipien opfern, wenn sie auf katholische Stimmen reflektierten? Höchstens noch die Kulturkampfgelüste. Alle anderen freiheitlichen Traditionen haben sie ja so schon über Bord ge worfen. Dazu kommt noch eine gerade lächerliche Feigheit. Mit ihrer unglückseligen Politik haben sie die Wählermasse nach und nach von sich abgedrängt und von ihrem einstmals stattlichen Besitzstand ganze zwei Mandate übrig behalten. Aber auch um diese scheint es ihnen zu bangen. Sie fühlen, daß sie etwas zu verlieren, aber nichts zu gewinnen haben. Daher ihre Rück versicherung mit der konservativen Partei gegen die Sozialdemo kraten. Eine Partei, welche keine Expansionsgelüste fühlt, ist für den Untergang reif. Die Konservativen haben die National liberalen aus ihrem Gebiete verdrängt. Nun gehen sie mit den Siegern Hand in Hand, statt in ehrlichem Kampfe und durch rastlose Arbeit die Verluste wieder wett zu machen. Ein Gesinnungsgenosse aus Sachsen hält der Partei in der „National - Ztg." eine gebührende Strafpredigt. Gerade für die nächsten Neichstagswahlcn — heißt-eS in der Zuschrift — sei ein Kartell für die nationalliberale Partei sehr gefährlich. Man müsse sich doch klar machen, daß wirtschaftliche und be sonders zollpolitische Fragen in den Vordergrund der Agitation treten. Wenn wir den Gegensatz der Anschauungen im liberalen und konservativen Lager diesbezüglich ins Auge fassen, so ergibt sich auf den ersten Blick, daß die liberale Zweimännerpartei ihre Grundanschauungen zum Opfer bringen muß, wenn sie sich mit der erdrückenden konservativen Mehrheit verbindet. Das ist die Rücksicht auf den nationalliberalen Standpunkt, auf dem sich die Partei den Katholiken Sachsens gegenüber berust. Mit der Toga des Eato ist es also nichts. Ter zweite Grund, den die „Sachs, nat. - lib. Korr." nennt, die „viel ge rühmte sächsische Toleranz" ist das „schwerwiegende Hindernis eines Zusammengehens" -- das glauben wir dem Blatte auss Wort. Deshalb verdienen die Katholiken keine Berücksichtigung, sie müssen froh sei», wenn man ihnen die Luft zum Atmen läßt. Als unser Blatt die Erwartung der Kartellparteien, die katholische Wählerschaft Sachsens werde mir nichts dir nichts für ihre Kandidaten eintreten, naiv nannte, gab die „Germania" unserer Stellungnahme die volle Zustimmung, indem sie schrieb: „Und das mit vollem Recht! Leuten, die sonst vor allem Katholischen einen wahre» Horror haben, in deren Augen die Katho liken knapp sächsische Staatsbürger zweiter Klasse sind, seht so ohne Weiteres wertvolle Wahldienstc zu leisten und ihnen zu Sitzen im Parlament z» Helsen, das wäre doch wirklich ein Zeichen schlimmster katholischer Inferiorität, um dieses vielgenannte Wort hier zu ge brauchen." In diesen Worten glauben die „Münch. 9!. N." den Erguß des Ärgers zu erblicke», daß das Zentrum bei den Vorverhand lungen über das Zustandekommen des Kartells nicht beachtet und zugezogen wurde, und fährt fort, man gebe auf Seite des Zentrums in Sachsen die Hoffnung nicht auf, es werde berück sichtigt werden, denn die „Germania" schreibe weiter, man „könne über die Sache immer noch reden, wenn das Kartell seine Stellungnahme gegenüber den Katholiken und ihre Forderungen klargelegt habe". Entgegen den oben nochmals zitierten Auslassungen des „Tr. Anz.", welcher es als „unausbleiblich" hinstellt, daß die nächsten Wahlen das sächsische Kontingent der Sozialdemo kratie im Reichstage abermals vermehren würden, falls von seiten der Zentrums Wähler Zählkandidaten auf gestellt würden, (was wir übrigens unter bestimmten Voraus setzungen als unrichtig bezeichneten,) hält die „Nat.-lib. Korr." dafür, daß die Zentrumsstimmen für das Wahlkartcll in Sachsen überhaupt keine Bedeutung haben. Diese Bagatellisierung des Zentrums von seiten des nationalliberalen Blattes ist offenbar auf Grund unseres Hinweises erfolgt, daß für die national- liberalen Kandidaturen die Zentrumstrauben zu hoch hängen. Daher der ganze Ärger. Die katholische Wählerschaft hat gar keine Veranlassung, sich den Ordnungsparteien, am allerwenigsten den Liberalen anzubiedern. Wenn sie unsere Stimmen brauchen, so mögen sie selbst kommen und durch die Person und das Programm des Kandidaten die Möglichkeit geben, daß die Katholiken für sie stimmen können. Wenn nicht, nun „denn nicht". Die famose Drohung des „Dr. Anz.", daß die Aufstellung von Zentrums kandidaten das Signal zu neuen konfessionellen Kämpfen in Sachsen sein würde, nach deren Wiederholung niemand Ver langen habe", läßt doch klar die Erwartung Durchblicken, daß das Zentrum eventuell selbst durch das Gespenst der Drohung mürbe gemacht werden soll. Der „Leipz. Generalanzeiger" vom 20. d. M. druckt die Mitteilung der „Nat.-lib. Korr." ab und bemerkt dazu: „Wir verstehen unsere sächsischen Katholiken nicht, weshalb sie sich an dem Wahlrummel als selbständige Gruppe beteiligen wollen, wo cs doch gänzlich aussichtslos ist, daß das Zentrum jemals im protestantischen Königreich Sachsen a»ch nur einen einzigen Reichs tagssitz erringt. Dieses S v n d crvorgehcn der sächsischen Ultramon tanen hat also höchstens einigen „statistischen" Wert insofern, als die „Sächs. VolkSztg." in einer sauberen Tabelle den fortschreitenden Stimmenzuwachs ihrer sächsischen Glaubensgenossen einer staunenden Mitwelt z» Gemule führen kann. Weswegen aber eine solche ultra- montane Liebhaberei im Nahmen der sächsische» Parteipolitik rechts wie links ernst genommen wird, verstehe» wir nicht. Dadurch wird ja erst dem „sächsischen Zentrum" — das in Wahrheit kaum existiert — eine Bedeutung cingcräumt, die es tatsächlich nie besaß, nicht besitzt und niemals besitzen wird, zumal die Mehrzahl der sächsischen Katho liken, ruhig dahin lebende, glaubenstrcue Leute, gar keine Lust ver spürt, mit gewissen ullramvnlancii Rcichsgerichtsgrößen an ein und demselben Strang zu ziehen." ES ist uns me eingefallen, im Königreich der „Toleranz" die Hoffnung zu hegen, daß je ein Katholik bei den Reichstags wahlen durchdringe. Aber solche statistische Nachweise sind nicht ledigliche Staffage, sondern haben einen gar nicht zu unter schätzenden moralischen Wert. Bis jetzt wurde bei keiner Neichstagswahl von seiten der Katholiken für die ausgestellten Zählkandidaten eine Agitation entfaltet. Eine Zeitung, welche das besorgte, hatten die Katho liken nicht. DaS Vereinswesen war lückenhaft und schwach entwickelt. Im nächsten Jahre werden die Sachen günstiger stehen. Bis jetzt waren die Zählkandidaturen schüchterne An fänge, die trotzdem nicht unbedeutenden Schrecken in mehreren Wahlkreisen — wir nennen Dresden-Altstadt — hervorriefen. Aber das schüchterne, unvorbereitete Auftreten zeitigte noch keinen Erfolg. Die Ordnungsparteicn müssen einschen lernen, daß man über die katholische Wählerschaft nicht mehr zur Tagesordnung übergehen kann, sondern daß sie eine Berücksichtigung verdient, weil man ihren Dienst braucht. Schon aus diesem Grunde sind solche „saubere Tabellen über den fortschreitenden Stimmenzuwachs" eine ernste Erinnerung, daß die Katholiken auch noch da sind, mit denen man zu rechnen hat. Die Zcntrumswähler können das Zünglein an der Wage nur dann sein, wenn man ihre Dienste durch Entgegenkommen zu würdigen weiß, sonst gehen sie ihre eigenen Wege. Es wird Sache der Parteidisziplin sein, die „Mehrzahl der sächsischen Katholiken, welche ruhig dahinlcbende, glaubcnStrcue Leute sind", zu selbstbewußten Wählern umzugestalte». Sie werden sich dann nicht mehr als Slimmvirh für die Selbstsucht der „Ordnungsparteicn" gebrauchen lassen und auch nicht mehr zur Wahlzeit hinterm Ofen sitzen bleiben. Die Zukunft wird übrigens zeigen, ob die Ordnungsparteien bei ihrem Kampfe gegen die Sozialdemokraten „in ihrer Stimmenzahl eine so große Überlegenheit haben", daß die „Sächs. nat.-lib. Korresp." stolz schreiben kann, „daß auch Zentrum und Sozialdemokratie zu sammen ihnen nicht gefährlich werden können". -r. Volttische Rundschau. Deutschland. — Die Handelskammer in Leipzig ist in einer Kundgebung für die Erbauung des Mittellandkanals einge treten und hat als einen Hauptgrund dafür die Entlastung der sächsischen Eisenbahnen ins Feld geführt. Auf der einen Seite werden die Klagen über den schlechten Geschäfts gang der sächsischen Staatsbahnen immer lauter, auf der andern Seite will man den Verkehr auf derselben noch mehr entlasten. Will man denn diese geringe Rente gewaltsam noch weiter ver ringern? Man schneide sich nicht ins eigene Fleisch! — Von einer wendischen Bewegung scheint ein Beobachter in Prag nach den Ausführungen in Nr. 237 der „Dresdner Nachrichten" zu träumen. Natürlich bemerkt er die antideutschen Erscheinungen nur unter den katholischen Wenden, wo sie von tschechischen Agitatoren veranlaßt sein sollen. Aus den Ausführungen geht hervor, daß dem Katholizismus eines Teiles der Wenden ein Hieb versetzt werden soll. Womit haben die braven und echt patriotischen Wenden, welche mit inniger Liebe an dem sächsischen Königshause hängen und diese Liebe zur Zeit der Not auch bestätigt haben, es denn verdient, daß ihre Vaterlandsliebe in so ungerechtfertigter, um nicht zu sagen verleumderischer Weise verdächtigt werden darf? Daß das katholische Volk ebenso wie das protestantische und mit dem protestantischen gemeinsam die Eigenheiten des Wendenvolkes in Sprache und Sitten zu erhalten sucht, das wird ihm niemand übel nehmen können. Der Beobachter aus Prag macht den katholische Theologie studierenden Wenden den Vorwurf, daß sie in Prag ihrem Studium obliegen, während die protestantischen nur eine deutsche Fakultät aufsuchten. Was soll denn diese Gegenüberstellung bezwecken? Soll damit etwa gesagt werden, daß die katholischen Theologen aus der Wendei dem Vaterlande entfremdet würden, oder soll etwa in den Lesern der Glaube entstehe», daß jene Studenten tschechische Anstalten besuchen? Der Beobachter auS Prag hätte sich leicht nach dem Sachverhalt erkundigen können, und er würde erfahren haben, daß die wendischen Studierenden ein deutsches Gymnasium und die deutsche Universität besuchen. Vielleicht setzt er es durch, daß der Staat für das, was er in den sogenannten Religionsfonds aus wendischen Stiftungen stießen ließ, entsprechend entschädigt; vielleicht auch sorgt er dafür, daß die katholischen Theologen wendischer Abstammung eine katholisch-theologische Fakultät im Königreiche Sachsen besuchen können. Dann werden gewiß auch die Wenden gern auf Prag verzichten. — Die Kaiser Manöver im Jahre 1903 werden im Bereiche des achtzehnten Armeekorps abgehaltcn werden. Die Kommandantur desselben befindet sich bekanntlich in Frankfurt am Main. — Mangel an Einheitlichkeit in der preußischen Regierung. Die Zeitungen haben in diesen Tagen über zwei recht merkwürdige Fälle berichtet. Der Oberstabsarzt vr. Matthäi in Danzig ist dazu genötigt worden, seinen Abschied zu nehmen, weil er planmäßig einen Kampf gegen „das Laster der Trunksucht" führt. Der Eisenbahndirektor de Terra wird strafweise von Guben nach Stolp versetzt, weil er die Eisen bahnbeamten im Interesse der größeren Sicherheit des Dienstes ebenfalls zur Enthaltsamkeit von alkoholischen Getränken auf fordert. Umgekehrt, im schnurgeraden Gegensätze zu diesen Auffassungen, wie sie im Kriegsministerium und im Verkehrs ministerium maßgebend zu sein scheinen, steht ein Erlaß des Kultusministers an die Regierungen, in denen die Bekämpfung der Trunksucht als eine Aufgabe bezeichnet wird, an deren Lösung auch die Schule Mitwirken könne. Infolge dieses Erlasses hat die Regierung zu Breslau folgendes Thema für die Verhand lungen der diesjährigen General-Lehrerkonferenzen bestimmt: „Wie kann sich die Schule an der Bekämpfung des Lasters der Trunksucht beteiligen?" Erkläret mir, Graf Oerindur, diesen Zwiespalt der Natur! — Zum Falle Hildebrandt. Die Veranstalter des Triumpfzuges für den begnadigten Duellanten Oberleutnant Hildebrandt in Gumbinnen sind bestraft worden. Sie sind mit der gesetzlichen Pension zur Disposition gestellt, nicht ver abschiedet, wie es anderwärts hieß, wenigstens der Hauptmann von Frankcnberg und Pro schlitz und der Oberleutnant Rumbauer vom ersten Feldartillerie-Negiment. Der Leut nant George, der die reitende Eskorte des Leutnants Hilde brandt anführte, ist zum zweiten Trainbataillon nach Altdamm versetzt worden. Alle drei Offiziere mußten sofort aus dem Manöver zurückkchren. Damit aber hat man sich nicht begnügt. Auch zwei Vorgesetzte der gemaßregelten Offiziere, der Oberst leutnant und Regimentskommandeur Weiß und Major Diecker- hosf, sind ersucht worden, ihr Abschiedsgesuch einzureichen, und diesem Ersuchen ist natürlich sofort entsprochen worden. Diese Vorgesetzten Offiziere werden als verantwortlich dafür angesehen, daß der Triumpfzug für den Oberleutnant Hildebrandt statt finden konnte. Angeblich wollen sie nichts davon gewußt haben. Zuletzt hat aber auch den Oberleutnant Hildebrandt selbst noch die verdiente Strafe dafür getroffen, daß er sich den Gumbinner Triumpfzug mit fröhlicher Laune gefallen ließ: er hat seinen Abschied erhalten, ist also bei den vorgenommenen Bestrafungen am schlechtesten wcggekommen. Diese Disziplinierungen erfreuen sich ohne Zweifel des allgemeinen Beifalles und werden als sehr wohltätige Ernüchterung und Abkühlung wirken auf alle duellwütigen Mitglieder unseres Offizierkorps. — Arbeitszeit der weiblichen Fabrikarbeiter. Der Reichskanzler hat, wie bekannt, eine Umfrage veranstaltet über die Herabsetzung der täglichen Arbeitszeit der weiblichen Fabrikarbeiter von elf auf zehn Stunden, die Verlängerung ihrer Mittagspause von einer auf ein und eine halbe Stunde und den verfrühten Schluß der Arbeit an den Vorabenden der Sonntage und Feiertage. Bisher liegen, wie berichtet wird, nur Äußerungen auS den westdeutschen Jndustriebezirken vor, und auch nur Äußerungen von verschiedenen Unternehmer-Ver bänden, so beispielsweise vom Verein der Industriellen des Regierungsbezirkes Köln, vom Verbände rheinisch-westfälischer Baumwollspinner i. M.-Gladbach, außerdem von den Handels kammern in Bielefeld, Krefeld, Düsseldorf und M.-Gladbach, die natürlich auch auf dem Unternehmerstandpunkte sich befinden. Die Antworten dieser Körperschaften sind durchweg verneinend ausgefallen: sie wollen nichts wissen von einer gesetzlichen Durchführung solcher Neuerungen. Das ist sehr zu bedauern, und zwar im Interesse dieser Körperschaften und der Be urteilung derselben durch Andere selbst. Es wird nämlich in den meisten Antworten hervorgehobcn, daß in den meisten Be trieben alle diese Einrichtungen schon bestehen, daß man sie aber nicht gesetzlich sestgclegt, sondern „Spielraum" haben wolle. Man sieht nicht ein, zu welchem Zwecke. Wenn diese Ein richtungen auch von den Unternehmern als gut anerkannt werden, dann können sie nicht nur auch gesetzlich festgclegt werden, dann müßte das vielmehr durchaus geschehen, um auch die unvorteil haften Ausnahmen von der Regel unmöglich zu machen, die nach der Auskunft dieser Unternehmer-Verbände selbst noch immer auch in den westlichen Jndustriebezirken bestehen. In anderen Bezirken ist man aber vermutlich noch sehr weit ent fernt von einer allgemeinen Durchführung solcher wohltätiger Maßregeln, so daß deren gesetzliche Vorschrift auch für sie eine Notwendigkeit ist. — Die Polen in Oberschlesien. Die „Schlesische Volksztg." bestätigt die Meldung als richtig, daß in Ober schlesien für die nächsten Neuwahlen „nationaldemokratische Polenkandidaten" für alle Wahlkreise aufgestellt werden sollen, ausgenommen allein in dem Wahlkreise des Abg. Szmula, der Gnade vor der neuen Polenrichtung gefunden hat und auch von dieser beibehalten werden soll. Auch von dem Abgeordneten Strzoda wollen die Herren nichts wissen; es wird also in fast ganz Oberschlcsien ein Kamps von Polen gegen das Zentrum entbrennen, der in vielerlei Hinsicht mehr als interessant sein wird. Erstens wird man dabei beobachten können, welche Gefolgschaft diese „Nationaldemokraten" unter ihren polnischen Stammes genossen bereits erworben haben. Zweitens wird es lehrreich sein, zu beobachten, wie bei etwa eintretenden Stichwahlen zwischen einem Zentrumsmanne und einem polnischen Sonder kandidaten die anderen deutschen Parteien sich verhalten werden. Daß die polnischen Sonderbündler dem Zentrum und seiner Stellung im allgemeinen keinen irgendwie wesentlichen Schaden zufügen werden, versteht sich von selbst. Dagegen werden sie das Polentum selbst durch die in dasselbe hineingetragene Zer splitterung in seinem Einflüsse auch noch weiterhin ganz er heblich schwächen. Österreich-Ungarn. — Die Ugron-Partei in Ungarn besteht nicht mehr. Das interessiert uns in Deutschland deswegen, weil diese kleine Gruppe noch allein in Ungarn dreibundfeindliche Politik be trieb. Ernst zu nehmen waren die Herren längst nicht mehr. Hollands — Das internationale Schiedsgericht in Haag soll nun wirklich einmal in Tätigkeit treten, und zwar an diesem Montag. Es handelt sich dabei um einen Streit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Mexiko. Als Kali fornien noch zu diesem letzteren gehörte, belegte Quesada, der damalige Präsident der mexikanischen Republik, die Kirchengüter in Kalifornien mit Beschlag mit der gleichzeitigen Erklärung, dem Klerus entsprechende Renten zahlen zu wollen. Als dann die Staatenunion Kalifornien übernahm, lehnte die Regierung in Washington es ab, diese Verpflichtung von Mexiko zu über nehmen, so daß der Klerus nun von Mexiko die Fortzahlung der Renten verlangte, von diesen aber wieder zur Befriedigung seiner gerechten Ansprüche nach Washington verwiesen wurde usw. Auf eine Anregung des Präsidenten Roosevelt hin ist diese Streitfrage dem internatinonalen Schiedsgerichte im Haag zur Entscheidung unterbreitet worden. Aber das ist nun wahrhaftig kein Triumpf dieser an sich vortrefflichen, von den Mächten aber so gänzlich vernachlässigten Einrichtung. Über solche untergeordnete Streitfragen hat man schon längst Schiedsgerichte entscheiden lassen und auch nicht daran gedacht, deswegen die Geschütze donnern zu lassen. Soll das Schiedsgericht in der holländischen Residenz zu der Bedeutung gelangen, die ihm nach der Theorie zugedacht war, dann müssen ihm auch solche Streit fragen zur Entscheidung vorgelegt werden, die ohne friedliche Vermittelung unvermeidlich zum Kriege führen. Daran hat aber leider noch niemand gedacht. Vielmehr mußten wir im unmittelbaren und geradezu entsetzlichen Widerspruche dazu den gräßlichen Beutekrieg der Engländer gegen die Buren erleben! Frankreich. — „Halbtiere" nennt die „Sächs. Arb.-Ztg." das katholische „Schiffer- und Bauernvolk" der Vendse und Bretagne, diesen „Hochburgen der klerikalen Reaktion". Das Blatt erzählt, daß diese Landesteile Frankreichs mehr Analphabeten zählen, wie das ganze übrige Frankreich zusammengenommen. Daran sei nur die Herrschaft der Pfaffen schuld, welche dort unumschränkt herrschen. „Deshalb haben auch gewiß die Leute recht" — fährt das Blatt fort — „die in der Zurückdrängung und endlichen Überwindung des Klerikalismus in Frankreich eine Vorbedingung ruhiger Kulturentwicklung sehen." Die Meldung von den vielen An alphabeten können wir nicht auf ihre Wahrheit prüfen. Doch gesetzt den Fall, es stehe in der Tat so traurig mit den Schulen dort, was folgt daraus? Daß die glaubenslose Regierung den Schulzwang für Frankreich nicht durchführt, daß sie für Unter richtsanstalten keine Fürsorge trifft. Und wenn sie nun die Schulen der Kongregationen schließt, welche sich der Erziehung des armen Volkes annehmen, so begeht sie eine Tat des Barbaris mus. Sie nimmt dem Volke die Wohltat, ihre Kinder in die Schule schicken zu können. Die Verteidigung der Schulen kenn zeichnet keine „Halbtiere", eher verdiente jene sozialistische und radikale Kammermehrheit diese Bezeichnung, die ein solches Ver brechen des Vandalismus am Volke begeht, daß 180000 Kinder in Frankreich ohne Unterricht nunmehr dastehen. England. — Die Haltung der Buren generale Botha, Dewet und Delarey gibt den englischen Politikern wieder einmal Ver anlassung zu ernsten Bedenken. Allerdings ist man befriedigt davon, daß sich die Nachricht von dem Rücktritte des vr. Leyds bestätigt, aber man fängt doch nach und noch an, der Forderungen und Wünsche seitens der Burenführer müde zu werden. Die „Daily Mail" zollt den drei Burengenerälen für ihre feste Haltung bei den Konferenzen in Utrecht eine gewisse Anerkennung. Das Blatt fährt fort: „Die Schlacht der Zukunft wird in ganz Südafrika auf kon stitutionellem Wege ausgesochten werden. Nach dem Muster der Homeruler werden die Holländer eine unermüdliche Agitation betreiben, die alle Umsicht und Festigkeit erfordern wird, deren die britischen Staatsmänner fähig sind. Falls die Bedingungen nicht gewährt werden — und es sind, von Besiegten dem Sieger gegenüber gestellt, geradezu enorme — so wird man die Gelegenheit zum Vorwand für eine plötzliche Fernhaltung von der Pazifizierung des Landes und der Beseitigung der Rassengegensätze machen." Das Blatt bemerkt hierzu, das britische Volk habe schon viel für einen Feind getan, dessen mutwilliger (??) Appell an die Entscheidung des Schwertes so viel Elend und Blutver gießen verursacht habe, und es sei deshalb nicht in der Stimmung, geduldig neue Forderungen an seine Generosität anzuhören. Rußland. — Echt Russisch! Die Bauernunruhen im Gubernium Poltawa, welche sehr hartnäckig lange andauerten, sind nun beendet — richtiger würde man wohl sagen: unterdrückt. Die Vorkehrungen der russischen Regierung gegen eine etwa mög liche Wiederholung dieser Unruhen kennzeichnen außerordentlich scharf das russische Negierungssystem: es wurden vierundachtzig neue Posten berittener Polizeiaufseher geschaffen, deren Aufgabe es sein soll, das flache Land zu bereisen, um die Überwachung der ländlichen Bevölkerung zu verschärfen. — DaS wird freilich helfen gegen die wirtschaftliche Not der kleinrussischen Landleute! Amerika. — Die Revolution in Venezuela führte zu einer zweitägigen sinn- und zwecklosen Beschießung der venezuelanischen