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Zweites Blatt Sächsische Volkszeitung vom 28. Juni 1K11 Nr. 145 Antimodernisteneid und Freiheit der Wissenschaft. „Klarheit und Wahrheit über den Antimodernisteneid" hat der Bcnediktinerpater B. Banr (Beuron) sein sehr gut unterrichtendes Büchlein über den Inhalt der Eidesformel des Antimodernisteneides betitelt. (Freiburg 1911, Her der.) Satz um Satz der Eidesformel wird erklärt und ge zeigt, datz sein Inhalt mit »ichten etwas Neues enthält, scndern nur alte katholische Wahrheiten darin ausgesprochen werden. Ist das der Fall, dann, so führt der zweite Teil „die Tragweite des Antimodernisteneides" aus. kann auch nicht von „gebrochenen Gewissen" derer die Rede sein, welche den Eid geleistet haben, wie modernistische Sprüchlein fabn- lreren, und noch viel weniger von einem Attentat auf die Freiheit der Wissenschaft, wie gleicherweise nicht wenige in die Welt hineingeschrieu haben. Was versteht man denn eigentlich letzten Endes unter der Redensart „Freiheit der Wissenschaft"? Man sei doch ehrlich und gestehe ein, daß man darunter lediglich die Freiheit vom Uebernatürlichen versteht. Vaur erinnert an das diesbezügliche Bekenntnis des verstorbenen Berliner Professors Paulsen: „Mit dem 17. Jahrhundert beginnt die Neugestaltung der Weltauschruung durch die Wissenschaft. Ihre allge meine Tendenz kann man mit der Formel bezeichnen: Aus schaltung des Uebernatürlichen aus der natürlichen und ge schichtlichen Welt. Tie Folge ist: kein Wunder in der Ge schichte, keine übernatürliche Geburt, keine Auferstehung, keine Offenbarung, überhaupt kein Einbruch des Ewigen in die Abfolge des Zeitlichen." (S. 116.) Wer erkennt in dieser Zeichnung nicht die Leitgedanken des Modernisinus? Freilich mit einer solchen Grnndan- schauung ist die katholische Lehre unvereinbar. Aber ist das noch voraussetzungslose Wissenschaft oder steckt diese Wissen schaft nicht bis über die Ohren in den nllerärgsten Voraus setzungen? Von einer Bevormundung der Wissenschaft durch die Kirche könnte man dann reden, wenn die Kirche der Wissenschaft Vorschriften machen wollte, was sie jeweils auf ihrem betreffenden Gebiete als Ergebnis zu entdecken habe. Aber wo sind denn solche Vorschriften der Kirche über das. was die Ausgrabungen im Orient zu finden haben? was die Naturwissenschaften jeweils auf ihrem Spezialge biete entdecken dürfen? Kann man offener jeder Wissen schaft auf ihrem Gebiete Freiheit zusprechen, als cs von seiten des Vatikanischen Konzils geschehen ist, das jeder wissenschaftlichen Disziplin ihre eigene Methode zuerkannte? „Glaube und Kirche," sagt Vaur in diesem Zusammen hänge, „weisen der Forschungsarbeit den Weg nicht in dem Sinne, daß sie ihr sagen, was sie auf dem Gebiete der Pro- fcu,Wissenschaften behaupten soll-, das wäre eine Bindung der Wissenschaft, die ihre Freiheit aushöbc. Dogma und Kircl>e sind vielmehr nur wegweisend, insofern sie dem For scher auf einem bestimmten Gebiete zeigen, was unzweifel haft falsch ist, nicht bloß als Endresultat, sondern als Mittel glied der Forschung selbst... die Offenbarung ist nicht -Quelle, »och Beweisgrund, auch nicht positive Norm für die natürlichen Wissenschaften, sie ist lediglich eine negative Norm, die dem Forscher nur sagen kann, was er nicht auf stellen soll. . (S. 164.) Nenne man das, wenn man vill, Gebundenheit, es ist im Grunde nur ein „Gebundensein im Interesse der Wissen schaft, eine Schranke gegen den Irrtum, eine Schranke zum Schutze der wahren Wissenschaft. Die Wissenstest behält toll und ganz die ihr eigene ForschungSmcthode, sie nimmt auf ihrem Gebiete keinen Satz als ihr eigenes Resultat an, den sie nicht auf Grund ihrer eigenen Grundsätze und mit ihren eigenen Mitteln festzustellen vermag." (S. 166.) Mit gutem Humor erinnert der Verfasser zur Er klärung des wilden Lärmes über die Eidesformel an Fichtes Bericht über des alten Nikolai wunderliche Wahrnehmung auf einer Reise durch katholische Gegenden: „I. G. Fichte leistete sich das Vergnügen, F. Nikolais Leben und sonderbare Meinungen der Nachwelt zu über liefern. Er schreibt: Jetzt trat unser Held seine Reise an. Sein Weg führte den Berliner, der bisher zwischen dem protestantischen Berlin Und dem protestantischen Leipzig und seiner Buchhändlermesse sein Wesen getrieben hatte, durch katholische Provinzen. Da sehe er Kruzifixe an den Straßen, Heiligenbilder, Amulette (!), Vot'vtafeln; hörte, daß gewisse Heilige Schutzpatrone gegen gewisse Landplagen oder Krankheiten wären . . . Dergleichen hatte er in Ber lin und Leipzig nicht gesehen, hätte er je von anderen, die es gesehen hatten, etwas derart erzählen gehört, so hätte er es für Aufschneiderei und für schlechten Spaß gehalten; denn wie könnte doch irgendwo etwas anders sein als zu Berlin oder zu Leipzig; wie in aller Welt könnte man doch ein katholischer Katholik sein? Jetzt sah er es mit Augen und rief atemlos durch das heilige römische Reich: Hört's Dentsche, hört's das Unglück — die Entdeckung meines Scharfsinnes: es gibt, o es gibt Katholiken, die katho lisch sind." Ja, daß es Katholiken gibt, die katholisch sind, daß die katholische Kirche noch eine lebendige Macht, diese manchen Leuten neue Entdeckung hat diese anläßlich der Eidesvor schrift in eine so gewaltige Aufregung versetzt, und doch täten all diese Leute sehr einfach, wenn sic die Katholiken ihre eigenen katholischen Angelegenheiten ordnen und be sorgen ließen und sich nicht kümmerten um Dinge, die sie erstens nichts angehen und von denen sie zweitens auch nichts verstehen, wie liberale Parteiführer im Reichstage durch fürchterliche Blamagen gezeigt haben. Gemeinde- und Veceinsuachrichten. * Werdau. Vom herrlichsten Wetter begünstigt, ver anstaltete die hiesige kath. Gemeinde verflossenen Sonntag ihr 2. Sommerfest in Dänkritz. Groß war der Zuspruch von nah und sein, selbst Planitz und Zwickau waren ver treten. Bei fröhlichem Spiel vertrieben sich die Kleinen die Zeit. Die Erwachsenen ergötzten sich au Becherklang und Tanz. Für musikalische Vorträze sorgte der Cäcilien- verein Werdau. Um 9 Uhr wurde zum Ausbruch geblasen. Unter lustigen Weisen im Fackelschein gings heimwärts. In der 12. Stunde traf man in Werdau ein. -tw.- * Zeitz, 26. Juni. Man schreibt unS: In dem Fest- bericht über das Verbandsfest in Zeitz ist zu unserm Be dauern leider versehentlich ausgelassen, daß unter den erschienenen Vereinen auch der kath. Arbeiterverein und Jünglingsverein Rositz k. S «A . sich befand. Wir nehmen um so lieber Veranlassung das Versehen hiermit zu be richtig-n, als ei» Jünglingsverein gerade in unserer Zeit ein besonders willkommener Gast kircvlickvr Veranstaltungen ist. Der kath. A> beiterverein Rositz ab.r hatte sich zur Festfeier mit Fahne eingeiunden unc> den Viuderverein in Zeitz noch besondcrs durch ein Ehrengeschenk ausgezeichnet. 8 Königöhaiu. Zu der bevorstehenden Feier des 26jälmgen Bestehens des hiesigen katholischen Kasino« haben mehrere Brudervereins des Beziikcs ihr Elscheinen zugesagt. Diesen sei hierdurch mitgeleilt, daß ihnen von der Königlichen Amtshauptmannschast der Durchzug mit Fahnen und Musik durch die Ortschaften gcstatte» Et. 8 Zwickau. (Vereinigung kathol. Lehrer.) Nachdem Herr Tr. Otto am 29. Mai seinen Dortrag: „Weiche Wünsche haben wir betreffs des neuen Volksschul» gesetzes" beendet hatte (1. Teil des Vortrages war am 16. Mai), erfreute er die Versammlung am 20. Juni wiederum durch einen Vortrag, und zwar über den be kannten Spruch des Ablaßpredigers Joh. Tetzcl: Sobald das Geld im Kasten klingt usw. Seinen interessanten Ausführungen folgte die Versammlung mit ungeteilter Aufmerksamkeit. An den Vortrag schloß sich eine lebhafte Wechselrede, besonders über die Frage, wie dieses Thema im Geschichtsunterrichte zu behandeln sei. — Nächste Ver sammlung am 16. September. Kirche und Unterricht. Ic Tie Universität Breslau feiert am 2. und 3. August dieses Jahres ihr tOOjähriges Jubiläum. Gegründet in fast derselben Zeit wie die Universität Berlin, feiert sie nur wenige Monate später ihr Erinnernngsfest, z» dem sie alle ihre früheren Studierenden willkommen heißen wird. Am Abend des 1. August findet ein Empfang im Stadttheater und ei» Fackelzng der Studierenden statt. Ten 2. August eröffnet ein Gottesdienst, der in der Matthiaskirche für die Katholiken und in der Elisabethkirche für die Evangelischen stattfindet. Ihm folgt der erste Festakt in der räumlich sehr beschränkten Aula mit einer Ansprache des Rektors und Empfangnahme der Glückwünsche, nachmittags ein Fest essen und abends ein von der Stadt in dem schönen SUd- park gegebenes Gartenfest. Am 3. August findet ein großer Festakt in einem dazu ans dem Palaisplatz errichteten Fest zelt statt: dort wird die Jiiliänmsrede gehalten und wer den die Ehrenpromotionen kundgegeben. Die Professoren Tr. Tohrn und Tr. Kinkeldey werden die Musikstücke leiten, die die einzelnen Akte bei der Feier umrahmen. Für den Nachmittag deS 3. August bereitet die akademisckw Jugend sehr umfangreiche Veranstaltungen für die Abhaltung eines akademischen Olympia vor, das zum ersten Male unter den Auspizien einer Universität gehalten wird, und ihm folgt abends ein großer Kommers im Festzelt. Für den 4. August sind verschiedene Ausflüge vorgesehen. Ic Selbstmord eines achtjährigen Schulknabcn. In Gegenwart des Lehrers und der Mitschüler hat sich am 1. Juni vormittags in der städtischen Schule in der — 100 — äußern den Sie in jener Kabine dort drüben gefunden haben. Nicht wahr, Reynell hat ihn Ihnen wieder abgenomw.cn?" „Was ficht Sie das an?" fragte Leonard müde. Es ärgerte Judith, daß man in ihren Worten nur die Kundgebung ge wöhnlicher weiblicher Neugierde erblicken wollte, und scharf kam die Erwide rung über ihre roten Lippen: „Es ficht mich ganz bedeutend an, denn Neynell ist boshaft und tückisch wie eine Viper, und wird gewiß hierher zurückkehren." „Schwerlich," meinte der Patient mit einem bitteren Auflacheu. „An genommen, aber auch nur angenommen, daß er sich im Besitze des vielgc- suchtcn Dokumentes befindet, weshalb sollte er hierher zurückkehrcn." „Machen Sic sich darüber keine Gedanken," sagte Judith mit jener Ueoerlegenheit, die eine sorgsame Wärterin einem widerspenstigen Patienten gegenüber bekundet. „Doch wenn er Ihnen das Papier abgenommen hat, so wird er auch hierher zurückkehren, und dann wird er wirklich zu fürchten sein, das sage ich Ihnen. Wäre mein Vater au Bord, wenn er kommt, so Hütten wir vielleicht nichts zu befürchten; aber er ist leider gerade heute den ganzen Tag abwesend. Und ich bin schließlich nur ein schwaches Mädchen, das keinen Widerstand leisten kann." „Aber er hat ja gar keinen Grund, um zurückzukehreu," suchte Leonard ihre Befürchtungen zu zerstreuen. „Gegenwärtig dürfte er sich bereits auf dem Wege nach Indien befinden, und mit Ihnen wird er wohl in keinem Falle einen Streit herbeiführcu wollen." „Das kann ich besser beurteilen wie Sie," erklärte Judith fest. „Wollen Sie mir sagen, ob er das Papier, das Sie einfältigerweise nicht lesen wollten, an sich genommen hat oder nicht? Ist cs der Fall, so will ich mich nach Kräf ten aus seinen Empfang vorbereiteu. Ich bin nicht verrückt, Herr Wynter, und cucy nicht feige. Aber von Nutzen kann ich nur sein, wenn ich klar sehe, und nicht im Finstern herumtasten muß." Tic Schroffheit ihrer Worte wurde einigermaßen durch den sausten Druck ihrer festen, verläßlichen Hand gemildert, die die feurige erfaßte. Leo nard klickte sie an und lächelte, indem er sagte: „Ja. Neyncll ist im Besitze des versiegelten Umschlages, dessen Inhal: ihn hossentlich an das andere Ende der Welt senden wird." Judith schüttelte den Kopf. „Das wird schwerlich der Fall sein," lautete ihre rätselhafte Erwiderung. „Im übrigen bin ich Ihnen für Ihre Mittei lung dankbar, und ich werde trachten, auf »reiner Hut zn sein." Nachdem sie ein Glas Wasser neben sein Lager gestellt hatte das er be- ar.cm erreichen konnte, kehrte sie auf das Teck zurück, wo sie sich hinter dem zertrümmerten Radkasten niederließ, um von da den Strand mit den nächst gelegenen Dünen zu überwachen. Ihr Blick glitt von Zeit zu Zeit auch in die cntg>.gei'gesetzte Richtung, denn cs war nicht ausgeschlossen, daß man sich von der Leeseite her dem Schiffe zu nähern suchte. „Vielleicht kommt er nicht eher wieder, als bis er einen Gesinnungs- genosie», der gleich ihm nach Blut dürstet, mit sich bringen kann," sagte sie sich, als nach etwa einstündiger Wacht die Einsamkeit der melancholischen Land schaft nicht gestört wurde. „Nach der Behandlung, die ihm mein Vater ange deihen ließ, wird er sich wohl nicht allein hierher wagen, und um sich einen Kameraden aus London zu verschreiben, hatte er noch keine Zeit." — 97 — „Wann soll sich der schwarze Dick wieder bei Ihnen einfinden, um Ihren Vorrat zu ergänzen?" fragte er. „Am Donnerstagabend," erwiderte Sturmann und fügte hinzu, daß Holt sich aller Wahrscheinlichkeit nach in Begleitung des holländischen Steuer manns einfindcn werde, denn Voordam wäre in letzter Zeit immer in seiner Gesellschaft erschienen. „Welchen Weg nehmen die beiden gewöhnlich?" „Tick arbeitet immer zuerst in Kilmingham und kommt dann über Gnnbnry und Merrylands hierher. Auf dem Wege zwischen Aulton und Kilmingham können sie ihn ganz bestimmt abfassen: aber nur möglichst weit von hier, daß ich nicht ins Unglück gestürzt werde." „Und die Zeit?" „Tie kann ich auf die Minute nicht bcstimnren. Aber er sagte, er »volle gegen neun Uhr hier sein." .Dann ist alles in Ordnung," sprach Rcynell. „Und daß Sie reinen Mund halten, hören Sie? Denn wenn wir Donnerstag nachts den schwarzen Dick incht abfassen, so kommen Sie heran. Wir können gehen, Wisemann." Erst als man den „Laufenden Hirsch" schon weit hinter sich hatte und Wynter Grangc ganz nahe war, fragte der „bengalische Tiger" ohne jede Einleitung: „Was habe ich in diesen Knlissenscherzen eigentlich zu tun? Ich soll wohl am Tonnerstagabeicd den Schmugglern anflauern und ihnen die Knochen im Leibe zerschlagen, damit wir am nächsten Tage das Schiff in Besitz neh men können?" Ncznell schien über diese Vermutung höchst belustigt zu sein. „Sie blutdürstiger, alter Wüterich," sprach er gemütlich, „das wäre so eine Geschichte nach Ihrem Geschmacks, was? Allein die Sache wäre ebenso schwi-ria wie überflüssig. Ich gedenke mich hingegen der Behörde selber zu bedienen, damit sie für uns arbeitet, denn das wäre unvergleichlich besser und sicherer. Ein anonymer Brief an den Steuereinnehmer in Aarmonth des In haltes, daß man zu der uns angegebene» Stunde den schwarzen Dick mit ge schmuggeltem Tabak schwer beladen auf der Landstraße antreffen konnte, wird tür unsere Zwecke vollkommen genüge». Dann bekommen wir freie Hand über das Schiff, wo wir nur Miß Judith und den verwundeten Wynter an treffen würden. Und die könnten uns doch keine ernstlicl>en Schwierigkeiten bereiten." „Da haben Sie vollkommen recht." meinte der Tiger kurz. 24. Nach den stürmisclxm Ereignissen, deren Schauplatz die Totenbucht ge wesen, als inan Leonard Wynter verwundet an Bord des Schiffes gebracht, schien cs, als wäre für die Bewohner des absonderlichen Heims ein Tag der Ruhe angebrochen. Sowohl der Schmuggler als auch seine Tochter behandel ten den unfreiwilligen Gast sehr zuvortommeird. Sie hatten keinerlei Kennt nis von dem wahren Kummer, der ihn bedrückte und schrieben seine tiefe Niedergeschlagenheit einzig und allein nur dem törperlickien Schmerze zu, den ihm sein verletztes Knie verursachte. Nur mit Mühe konnte man sie zu- „Jhrc Schuld." ' ^ -