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Sonntag den OS. November ll«, Nr. L48, Seile S Vas Zentrum und das neue Aabinett Generaldirektor Cuno, der neue Reichskanzler, hat mit sei nen Bemühungen um die Kabinettsbildung gezeigt, daß er nicht ein Man» ist, der nach ersten fehlgeschlagenen Versuchen die- Flinte ins Korn wirft. Er hat eine gewisse Ausdauer an den Tag gelegt und sieht nunmehr seine Bemühungen erfolgreich. Dag es ein dauerhafter Erfolg sein wird, das wird allerdings allenthalben sehr bezweifelt. Aber.sein Kabinett ist fertig. Es sollte ein Kabinett der Köpfe, ein Kabst nett der Arbeit werden, womit man auSdrücken wollte, bah weniger das Parlament als die persönliche Tüchtigkeit bei der Kabinetts- bildung zu ihrem Rechte kommen sollten. Doch wenn man daraufhin die neue Ministerliste nachprüft, so bleibt die Enttäu schung nicht aus. Es ist Dr. Cuno so wenig gelungen, wie den vielfachen Bemühungen seines Vorgängers Dr. Wirth, erste Führer der deutschen Wirtschaft unter die Last des Neichsminister- amtcs zu nehmen. Die Herren verlassen nicht so ohne weiteres ihre sichere und nahrhafte Position. An und für sich könnte man ihnen das auch nicht übel nehmen, wenn man nicht das Gefühl hätte, das; das bekannte laute deklamatorische Geschrei nach Fach- ministern ictzten Endes gerade von den Leuten herrührt, die selbst einen Ministerpostcn aus Furcht vor der Verantwortung und aus Mangel an Opfermut trotz wiederholter Angebote immer aus- schlayen. Man durste bisher zu ihrer Entschuldigung annehmen, daß der Umstand, das; der Reichskanzler selbst nicht dem deutschen Wirtschaftsleben entstammte, die hervorragenden Männer unse rer Wirtschaft verhinderte, sich für den Beitritt zum ReichSkab!. nett freiznmachcn. Jetzt aber hat der Generaldirektor der Hapag die gleiche Erfahrung machen müssen. Nach den ersten ähnlichen Erfahrungen bei der Bildung des Kabinetts Fehrenbach dem die Deutsche Volkspartei noch mehr als dem jetzigen Kabinett verpflichtet war, rief seinerzeit die „Kölnische Zeitung" unwillig ans: „Man hure nun aber endlich auf mit dem Geschrei nach Fachminister»l" Heute sind wir der Auf fassung. das; der Ruf nach Fachministern ans dem deutschen Wirt, schaflk-lebc», aus Industrie, Handel und Schiffahrt vor allem jetzt erst recht erhoben werden muh. Heran an die Regierungs- sront mit den allein selig machenden Wirtschaftskoryphäen. Das mühte jetzt der unaufhörliche Ruf des deutschen Volkes werden, . jetzt wo allmählich auch den weitesten Kreisen die Augen darüber anfgehen, von wem sie bislang mit jenem Nus an der Nase her- umgeführt worden sind. Eine lange Amtstätigkeit prophezeit heute niemand dem neuen Kabinett. Es >st zurzeit noch völlig umübersichtlich, wie breit die Front sein wird, welche die Regierungserklärung billi gen wird. Es kommt auf das Geschick Dr. Cunos bei seinen, ersten parlamentarischen Auftreten an und auf die Art und Weise, wie er die Regierungserklärung auf die letzte Note an die Reparativ,wlommission stützt, wie weit es ihm gelingen wird, auch die Sozialdemokratie davon zu überzeugen, dah sie dem neuen Kabinett die Hilfe bei der Geburt nicht verweigern könne. Die Mehrzahl der Mitglieder des Kabinetts sind ausgesprochene Partciaiihängcr. Und doch ist das Kabinett kein Kabinett der Parteien, cs ist auch kein Kabinett der Arbeitsgemeinschaft. Bei der Zentrumsfraktion hat jedenfalls der Kanzler wegen der Zusamincnsetzung des Ministeriums keine Unter- stütz»,ig nnchgcsncht und sie hat ihm auch keines ihrer Mit glieder oder Mitglieder der Zentrumspartei für das Kabinett vorgeschlagen. Es besteht darum ke,»erlei Verpflichtung für das Zentrum der neuen Negierung gegenüber, es besteht aber auch auf seiten der Zentrumspartei kein Vorurteil gegenüber dieser Ncnierung. Im Gegenteil ist die Fraktion der Auffassung, dos; daS Kabinett die ihm auferlegte Arbeit in Anoriff nehmen und durchführen soll, es wird, da sein Programm sich auf die Note an die ReparationSkommiisiön sinken wird, auf die willige Mitarbeit der Fraktion rechnen können. Dieser Zustand muh ganz klar festgestcllt werden. Wen» das Kabinett seine Aufgaben zum Wähle des Volkes und Vaterlandes erfüllt, wird die Zentruinsfraktion das gern anerkennen, wenn es aber der Schwierigkeiten nicht Herr werde» sollte. — über diese Frage gibt es heute noch kein begründete? Urteil —, dann wird sich die ZentrnmSsraktion von solchem Mihcrfolg nicht mit- betrosfeu fühlen. Die Zentrumspartei ist unter dem neuen Kabinett keine Regierungspartei. Für das Mal, der Unterstützung, die das Kabinett seiten? der Zen- Irnmssrastioii finden wird, ist ausschlaggebend. nkie schon gesagt, dah das Kabinett die politischen Pfade weiter wandelt, welche die Fraktion bisher eingeschlagen hat und deren Richtung in der Noie an die Reparationskommission, die von den Parteien von Strese- mann bis Vre'«scheid anerkannt sind, feslgclcgt ist. Tie Person- liclikeiten des Kabinetts kommen dabei erst in zweiter Linie in Frage. Der Kampf um die Schule und der katholische Missionsunterricht / Von Pfarrer Kirschenbauer Hier ruht — Gottl So ist es wahr und gewiß, das un- glärbige Volk hat den Herrn begraben und schwere rote Siegel an seine Gruft gehängt, damit er nie wieder auferstehe. Nach dem das glücklich, bester gejagt unglücklich vollbracht ist, zieht der große Haufe vor die christliche Schute und fordert ihre Uebergabe — im Namen des Gesetzes. Christliche Schul«, was wird aus dir werden? Was aus Festungen wird, die außen bestürmt, innen geöffnet werden. Ungläubige Lehrer — es sind nicht wenige außerhalb der katholischen Kirche — fraternisieren mit dem un. gläubigen Volke. Und die christ-katholische Schule? Wir kämp fen mn sie, so lange wir der kämpfenden, nicht der kapitulieren den Kirche angehören. Dieser Kampf ist zu führen auf der gan zen Linie. Alle katholischen Schulen und Vorschulen, Posten und Vorposten müssen befestigt werden, auch jener, den wir gleichsam ün hohen Norden der Diaspora finden: der katholische Mistions unterricht. Mission ist die Sendung christlicher Lehrer zur Verbreitung des Christentums. Gehen die Boten zu Heiden, sprechen wir von äußerer, gegen sie zu Christen, reden wir don innerer Mis- sion. Heute freilichp wo die Menschen städteweise ins Irdische und Materielle versunken sind, wo Tausenden und Abertausenden die Sonne des Evangeliums untergegangen ist und die Stürme der Revolution nachtkalt daherwehcn, wo innerhalb der christlichen Welt eine antichristliche entstanden und ein Massensterben unter den Seelen eingesetzt hat wie nie zuvor, da ist es, als könme diese Unterscheidung nicht eingehalten werden. Die Grenze zwi schen äußerer und innerer Mission scheint verwischt und der Weg zu denen nicht weit, die in Finsternis und im Schatten des Todes sitzen. Aber die gewohnte Terminologie soll gelten und von der inneren Mission weiter verhandelt werden. Ehre der Mission und ihren Lehrern, den geistlichen wie weltlichen, die, ausgestattet mit der „Missio canonica", im Na men der Kirche und an Stelle des Bischofs jenen katholischen Kindern Religionsunterricht erteilen, die keine katholische Schule besuchen können. Ist mich der oft weite und schlechte Weg zur Missionöstation ein Opfergang, sind Belästigungen durch An dersdenkende, Enttäuschungen durch Glaubensgenossen zu ge wärtigen, — Christus, der erste Missionstehrer, und sein Wort: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch" leuchten voran. Was für eine Wohltat ist ein kirchentreuer, kinderlieber Missionslehrer, zumal wenn er als Laie auch außerhalb der Religionsskinde die entlegene oder zerstreute Gemeinde führt! Er wird aber auch, je mehr das Leben ihn reift, gerade diese Tätigkeit als Krone seines LehrerberufcS ansehen, von der ein Glanz ausgcht, der hineinstrahlt in den Abend und in jene Nacht des Lebens, die alle umfängt. Ob seine Missionskindcr ihm Liebe und Dankbarkeit er weisen? Bisweilen bildet sich zwischen Lehrer und Schüler im Kriegsdienst der Diaspora eine Kameradschaft heraus, ähnlich jener, die in, Felde zwischen Ossizier und Mannschaft — aller dings leider selten — bestanden hat. Indes auch harte Herzen und gefrorenen Boden gibt es, die keine Liebe erweichen kann. Unter allen Umständen wird der Missionslehrcr das Gefühl haben: Diese echten Diasporakinder sollen keine Stiefkinder der Kirche sein. Gerade sie sollen ihre mütterliche Hand fühlen. Er macht Zugeständnisse und stellt nicht zu hohe Anforderungen. Kennt er doch die vergiftete Atmosphäre, in der die Kinder seelisch atmen. Früher hämmerte das Bergwerk des Unglaubens scheu unterirdisch, heute ist der ganze Bau über Tag. Wenn in den leidgcfurchten deutschen Boden die Gottlosigkeit mit vollen Hän den ihren Samen streut, wenn in kleineren Orten kirchenfeind liche Versammlungen mit faustkräftigen Tiskutierredncrn de» Frieden stören und miw wüsten Debatten, welche sich bis aus die Straße, in die Häuser, in dir Familien, die Presse und Schule sortsetzen, die Religion degradieren und die Geistlichen an den Pranger stellen, wenn Freidenker-Konfirmationen, von Lehrern geleitet, Kinder einscgne» zum Ntkeismus, — wie stark muß eine junge Seele sein, um diese Angriffe zn überwinde»! Cs gibt ernstgerichtete Kinder, die — mit GcbetSverboten auf die Finger geschlagen — im stillen um so andächtiger die Hände falten, die, wenn sie vernehmen: Du sollst nicht glauben, du sollst nicht lassen, du sollst nicht Gott anrufen, des Teufel? Sinai klar erkennen. Allein das ist Ausnahme und seht Rücken- decku-ng durch Eltern voraus. Die Jahrgänge der Kinder im Missionsunterricht sind von verschiedener Güte wie der Wein im Weinberge. Steil und steinig ist oft die Arbeit. Aber es bleibt Gottes Weinberg, und Gott selber hat den Missionslehrer in seinen Weinberg berufen. Darum überwindet er die vielen Schwierigkeiten: In wöchentlich zwei — manchmal ungünstig gelegenen — flüchtigen Stunden den umfangreichen Stoff, einschließlich der Vorbereitung auf die erste hl. Beichte und Kommunion, zu verarbeiten, das zeit raubende Fragen nach Kirchen- und Neligionsstundenbesuch, die fehlende Anschauung der Kinder infolge der seltenen, weil wei. ten Kirchgänge, die möglichen und manchmal nötigen Stunden. Versäumnisse, den Mangel an Lehrmitteln und an Schulzwang, da der Unterricht lediglich aus den Willen der Eltern und K »der gestellt ist. In christlickiem Glauben betritt der Missionslehrer die Schule mit dem Apostelgruß: „Pap huic domui!" Ju christ licher Demut vergibt er sieben mal siebzig mal. In christlicher Geduld knüpft er abgerissene Fäden an. In christlicher Liebe weiht er den Missionsunterricht znm Missionsgottesdienst. In christlichem Stolz ist er erlaben über die moderne Schule, die ihren Kindern iin weltlichen Sittennuterricht Scelenspeise nicht zu geben vermag. Ehrfürchtig sollen die Eltern der Mssionskinder zun, Mis- sion-Slehrer aufsehen und ihn nach Kräften »nterstühen, „an,ent- lich dadurch, daß sie mit ihn« und seinem Unterricht in Fühlung bleiben. sich häufig nach dein Fortschritt ihrer Kinder erkundigen und Versäumnisse ordnungsgemäß melden. Möchte ihr Verant- wortiingkgefiihl geschärft werden im Sinne des hl. Chrysostomus: „Wer das Seelenheil seiner Kinder vernachlässigt, ist schlechter als ein Kinds»,örder!" Möchten sie einseheu. was für eine päda- gogisckie Kraft ein Lehrer besitzt, der an die Ewigkeit in sich und in den Kindern glaubt-und mit Christus Hand in Hand geht! Die ungläubigen Lehrer können viel, ja alles studiert haben. Doch was nutzt es, wenn sie Glaube und Gnade nicht studiert und probiert haben? Vielleicht sind sie geschickte Tapezierer, aber unfähige Baumeister, um Fundamente für das Leben der Kinder zu legen, — vortreffliche Hörer, indes blind für das Morgenlicht der christlichen Religion. Wollen die Eltern welt- flüchtig die Dinge laufen lassen? Wollen sie sich zu den Süllen im Lande schlagen oder sich die Bettdecke über den Kopf ziehen, um das Gespenst des Unglaubens nicht zu sehen? — Faule, feige Knechte, würde der göttliche Meister sagen, wißt ihr nicht, daß ihr das Salz der Erde und das Licht der Welt seid? Die katho lische Kirche hat die Weisung in die Welt und in das Leben be komme». Streitend ist sie geboren, streitend muß sie lebe», strei tend wird sie sterben — znr Auferstehung >,-nd z»,m ewigen Leben. Wenn der Kampf zwischen Glaube und Unglaube — nach Goethe — das tiefste Thema der Weltgeschichte ist. wie dring,'ich ist unstre Pflicht, lich gegen die hereinbrechcnde Großmacht des Unglaubens kriegsstark und gottentflammt z» erheben! Allein dieser Kampf darf kein verbissener sei». Wohl möchte man im heiligen Zorne aussabren, wenn ungläubige Lehrer, die eben die Eierschalen des Seminars abgestreist haben, die Reli gion aniswischen wollen wie eine erledigte Kreidezeichnung auf der Schultafel, aber wie soll zugefügtes Leid anders als durch Mitleid vergolten werden. Besonders katholische Pädagogen müssen katholisch und Pädagogen bleiben in allen Lagen. Sind es nicht — die Prämissen einmal zugegeben — herrliche Titel, anf die sick> moderne Lehrer der Reihe nach berufen haben: all gemeines Priestertum, Gewissensfreiheit, Glaubensfreiheit Lehr- freibeit? Waren es nicbt staatlich anerkannte und ausgezeichnete Professoren, welche ihnen die Gottlgsigkeit vordoziert und die Frage nahcgelegt haben: Wenn Professoren keine» Gott brau chen, warum Proletarier? Vertieft mau sich in den Kreislauf der Ereignisse, — mußte dann nicht alles io kommen: natürlich wie ein Gewitter? Der Liberalismus langt so sicher beim Nihi lismus an wie der fallende Stein aus dem Erdboden. Viele, die über „die massive Ortkodoxie" der katholischen Kirche gespottet haben, fcbcn den göttliche» Ban heute mit ande ren Augen an. Alle nicht von Christus gestifteten Religions gemeinschaften werden das Scbict'al ihrer Gründer teilen und — sterben. Ihre überlebenden Mitglieder werden sich reiten in die Arche der Kirche oder aus die Planken der zur Zeit vor handenen Sekten. Die hl. Kirche aber wird ihren königlichen Weg sortsetzen, Ter Unglaube kann persönlich, örtlich, zeitlich siegen. Der Endsieg gcbört der Kirche Jesu Christi. Jeder, auch der gegenwärtige Kulturkampf wird die Kirche kräf tigen. Das Starke wird stärker im Sturm. Früher, war es der Felsen Petri, den unsere Gegner nicht wollten, weil er ihnen zu fest und nicht aus ihrem Gips war. Heute ist es Gott selber... dem sie den Kulturkampf erklären. ES gehl aufs Ganze! DaS muß unseren Blut übermenschlich autreiben, Kirche, Schule, Familie bilde eine Front bis zu dem vorge schobensten Posten der letzten MissionLstation, wo der anrückende Feind Lehrer. Schüler und Eltern wachend, betend und arbei tend finden soll. >' Die Ver^e des Schwarzwaides Roman von Ed. Wagner, (Nachdruck verboten.) (17. Fortsetzung.) Und zniii ersten M-'c i» seinem Leben wie mit offenen Angen träumend, schritt er seinem .Hau e in Parklane zu, während Alice ihrer Wohnung zilfnhr, nicht ahnend, mit wem der Vorsalb dieses Abends sic zu amniengesührt hatte und wie bedeutungsvoll derselbe für ihre ganze Zulunst werden sollte. Als Alice und Grctcben in ihrer behaglich dnrchwärwtcn Wohnung angeloinincn w'.rcn, rückte das junge Mädchen ihr Arbeilsü'chchen an den Kamin und setzte sich nieder, »m eine »ene Arbeit zn beginnen, während Gretchen den Tee bereitete. „Das Ereignis dieses Abends hat Sie sehr angegriffen," wandte sie sich an Alice; „ich sehe es Ihnen wohl an, liebes Kindl" „Gretchen," erwiderte Alice leise und träumerisch, „hast du schon jemals ein so edles erhabenes Antlitz gesehen, wie das dieses alten Lord, — dcS Marquis von St. Leonards?" „Nein, noch niemals!" antwortete Gretcben, in ihrer Ve- schällir.nng sorljrhrend. „Er ist ein Mann, wie auch ich noch keine:', sah, dieser MarguiS!" Alice ni.'lc still voe sich hin. „Sein Dild schwebt mir fortwährend vor!" sprach sie weiter. „Ich wünsche fast, ich halte ihn mich begleiten lassen, Gretchen. Etwas in seinem Wesen drang mir zn Hergen! Ich glaube, wenn er wüßte, das; ich elternlos bin und keinerlei Recht auf den Namen, den ich führe, habe, er würde mich ver achtet. Tie englischen Edellente sind so nn'agbar stolz!" H>ES ist gut, daß der Moronis nicht mehr von Ihnen erfuhr, als was ec weiß," sagte Gretchen. „Es ist das beste für Sie, wenn Ihre Geschichte ihm verschwiegen bleibt!" Siel setzte ihrer jungen Herrin das Nachtessen vor, und diese nghin dasselbe mit sichtlichem Behagen ein. „Wie gemütlich ist es hier doch!" sagte sie. „Wir haben Ursache, der Vorsehung dankbar dafür z» sein!" „Ich hasse und wünsche, das; es immer so bleiben möge," antwortete Gretchen in bedeutungsvollem Tone. Nach deni cinf-chen Male machte Alice sich mit erhöhtem Eifer ^n die neue Zeichnung. „Diewr.Mantel ist für eine sehr reiche Dome bestimmt, Kelche sehr, schwer znsricdc»znstz'lle» ist," botte Madame Linge gesagt. „Ta Sie sich als Künstlerin im Zeichnen bewiesen haben, gebe ich den Mantel in Ihre Hände. Sie dürfen sich Zeit damit lassen, da die Dame bis Bilde dic'es Monats in Schottland bleibt und das Kleidungsstück vor Oktober nicht gekraucht," Dieser Auftrag befriedigte Alice um so mehr, als sie ihr Talent damit ungebunden entwickeln konnte. Nasch hatte sie eine Idee gefaßt und zeichnete dieselbe mit einigen gewandten Bleiftijt- zeichcn anf das Papier. „Tie Grundidee habe ich, Gretchen," sagte sie. „Die Dame ist brünett und der Mantel soll von rosafarbigem Ka'chmir wer den. Ich will ihn in Silbcrsäden mit zierlichen Ranken und Blättern besticken. Sieh, da ist der Anfang!" Gretchen trat herzu, besah den Entwurf und sprach ihre Bewunderung für die Arbeit ihrer jungen Herrin aus. Auch »och der nächste Vormittag verging mit Zeichnen und erst daraus begann die mühsamere Arbeit des StickcnS. Eine Woche lang arbeitete Alice emsig von früh bis spat, und mit jedem Tage wurde der Mantel prachtvoller. Eines Nachmittags saß Alice am Fenster bei ihrer Arbeit. ES begann bereits zn dämmern, und sie lehnte sich müde zurück in ihren Sessel, als die Tür geöffnet wurde und Gretchen hereintrat. „So im Dunkeln, Fräulein Alice?" sagte sie, ,stliid das Feuer ist beinahe ansgegangen! — Ich traf den Vricftrcigcr unten an der Tür; er gab mir eine Zeitung für Sie." Und sie legte die Zeitung in Alices Schoß, zündete die Lampe an und schürte das F-ener auf. DaS junge Mädchen betrachtete die Adresse des Streifbandes nm die Zeitung und den Poststempel mit Interesse. Es war ein Ereinplar des Amtsblatts zn Jnverneß und in diesem Blatte war eine Stelle derart mit einem Rotstift angestrichen, daß des Mädchens Blicke gleich auf dieselbe ge'enkt werden mußten. Die dergestalt bezenhnete Notiz lautete folgendermaßen: „Es steht eine Heirat in der hohen Aristokratie bevor. Dieselbe wird im November stattfindcn zwischen Graf Gordon von Glenham und Lady Edith, Witwe des verstorbenen Sir Albert Trevor und Enkelin des Marguis von St. Leonard?" Alice starrte halb bewußtlos auf die Zeitung; die Buch stabe» tanzten auf dem Papier vor ihren Angen hin und her. Sie hatte sich genügend vorbereitet geglaubt, um die volleudto Tatsache von Lord Glenhams Heirat mit der reichen Lady Trevor ruhig entgegennehmen zn können. Sie hatte sich auch wiederholt cingeredst, daß alle Hoffnungen in ihr tot seien, aber sie erkannte jetzt doch, daß sie sich selbst getäuscht, — daß sie im, stillen doch noch immer gehofft hatte. Mit einem tiefen Seufzer stand sie ans, wankte in ihr Schlafgemach und sank dort, wie gebrochen anf ihr Lager nieder. „Es ist alles vorüber," hauchte sie, „alles vorbei! Aber was mm auch aus mir werden wirk', was ich auch zn dulden haben möge, o, gütige Vorsehung, laß ihn glücklich werden und wache über ihn! Weiter ersiehe ich nichts, nichts von dir als ieiik Glück. — einzig und allein sein Glück!" 12. Kapitel Nach ihrem Besuch zn Glenham-Lodgc in Castle-Clifs wie der angelangt, beschied Lady Trevor sogleich Mr. Pnlsord zn sich. Ungeduldig in ihrem Salon anf- und avjchreitend, er wartete sie ihn in furchtbarer Erregung. Lächelnd wie immer trat Pnlsord ein; kam» aber be merkte er die Aufregung der Lady Trevor, als er hastig midi bestürzt fragte: „WaS ist geschehen?" Er kam nicht weiter, so heftig wandte Lady Trevor sich ihm zu und init einer Stimme, die ihre ganze fieberhafte Aufregung verriet, brachte sie hervor: „Ich habe versprochen, Ihr Weib zu werden, Horaee Pnl sord! Damit sind meine Interesse» auch die Ihrigen! Was sagen Sic also, wenn ich Ihnen erkläre, daß ich von einein Verhängnis bedroht und verloren bin, wenn Sie mich nicht retten?" Sie. war dicht vor ihn hingetreten und ihre Augen blitzte:» in den seinen. Aber er ließ sich so leicht nicht erschüttern. „Was könnte Sie bedrohen?" fragte er kühl. „Reden Sie deutlicher!" „Wohlan denn!" fuhr die Lady fort. „Wissen Sie. wer diese Alice Roinberg ist, welche Lord Glenham liebt und welche er zu heiraten entschlossen ist?" „Wie sollte- ich das wissen? Und wa? geht oas Sie und mich an?" versetzte er scharf. „Das sollen Sie gleich hören!" entgegnet« sie eben'.!, „Diese Alice Rombcrg also ist von englischer Geburt und er leas sie, in Schönau!" Pulford taumelte förmlich zurück. DaS Wort traf auch ihn wie ein Schlag inS Gesicht. „In Schönau?" wiederholte er ungläubig, „In Schönau, ja!" bestätigte Lady Trevor, „Und c-hull Zweifel wissen Sie jetzt, wer sie ist!" Pnlsord stieß eine Verwünschung ans. „Warum," fuhr die Lady fort, „wurde das Mädchen in dein Schönauer Pfarrhanie anserzogen? Der Pfarrer und seine Schwester waren doch ohne Zweifel gebildete Leute, die da« Mädchen in altem unterrichten konnte», so daß sic nun imstande ist, einen Platz in der ersten englischen Gesellschaft ansznsiMeir und Lord Glenhams Wahl Ehre zu machen. Denn er ist ent schlossen, sie zn heiraten. Er wird wieder nach Schönau reijcntz er wird sie nach England bringen, der Marquis von St. Leon ards wird sie sehe» und damit ist mein Verderben bcsieaelt für immer!" Und sie rang verzweifelnd die Hände, während ihr gauzcD Gesicht zuckte tu der Leidenschaft des Hasses. (Fortsetzung folgt.)