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Nr. S22, Seite 2 > ^ Sonntag den 3. Oktober 1922 ,teln, die ihnen zur Verfügung stehen. TaS hat die Vergangen, heit zur Genüge gelehrt! In religiösen Tingen ist eine Majori, sierung auf dem Wege des Zwanges unmöglich und kann nie. mals zum Frieden führen. Tenn hier handelt es sich um Welt» anschainingkkänipfe. Diese müssen und werden auSgefochten wer den. und zwar um so besser, das heißt weniger gehässig, wenn keinerlei staatliche ZwangScingrisfe in diese Kämpfe statifinden. Das ist der Grundgedanke, auf dem dieses Kompromiß beruht: Freiheit der Entwicklung durch rein geistigen Kampf! Niemand darf hinfort gezwungen werden, der Staat leiht seine Autoritnt irgend einem Zwange auf diesem Gebiete in Zukunft nicht mehr auö!" Ist denn dies alles schon wieder vergesse»? Oder hat inan in dem zuständigen Ministerium keine Zeit, sich wieder einmal in diese Verhandlungen von Weimar zu vertiefen, wenn man schon nicht mehr ganz Bescheid weiß, worüber man sich dort geeinigt hat? Ruft man in Kreisen der sächsischen Sozialdemokratie heute auch noch wie in Weimar „Sehr richtig!" zu diesen NuSsührun. gen des Parteigenossen? Handelt man in Sachsen seht wirklich in diesen« Weimarer Geiste, den Tr. David dahingehend zr-sain- mcnfaßte: Der Grundsatz, ans den sich diese Anträge Kellen, ist: Freiheit im Denken, Freiheit in der Welt anschauung, keinerlei Vergewaltigung der EI. ter», der Erziehungsberechtigten durch einen Mehrheitsbeschluß. Eine Beseitigung des Schulkampfes werden sie nur erreichen, wenn sie allen Weltanschauun. gen freie Bahn geben. Das einzige Prinzip, das die Frage löst vom Standpunkte der Freiheit und Gerechtigkeit nach allen Seiten, besteht darin, daß man die Entscheidung den Schul gemeinden, den Erziehungsberechtigte», den Eltern überläßt. Da mit kommt jede Auffassung ziu ihrem Recht." Ist das noch nicht deutlich genug, wenn dieser selbige Dr. David weiter sagt: Dir Entscheidung haben die ErzichungSbe- rcchtigtcn, hat der freie, ungebundene Wille des Volkes zu geben! Wo bleibt bei der Fleiß«,erschcn Ncgierungsknnst der freit, un gebundene Wille des Volkes? Und nun wagt man cs noch, seine Auffassung als die der NeichSvcrfassung auszuaebcn? Was nützt uns eine Versassrng. wenn sie in dieser Weise auSgclegt wird. Dann ist sie wirklich nicht viel mehr als ein Fetzen Papier. ES ist dasselbe Aed, wie in jener Famili», die einen schön einge- rahniten Wahlspruch in ihrem Heim aufgchängt hat: Wo Glaube, da Liebe, wo Liebe, da Friede, wo Friede, da Gott, wo Gott, keine Not. Tie Wirklichkeit freilich sieht etwas anders aus: Da hört der Zank und Streit die ganze Zeit nicht auf und zerstört den Familiensinn und den Familiensriedenl Was wird mau zu dem schönen Wahlspruch sagen? Wozu hängt dieses schöne und ge duldige Papier dann an der Wand? Ist es dann nicht ganz ge nau so mit »usercr schönen Mcichsverfassuug, die mit dem wun» dervollen Satze beginnt: Das deutsche Volk, einig i» seinen Stammen »sw. Wo soll dann die Einigkeit bleiben, wenn man dem Rechte i.iid der Gerechtigkeit offen ins Gesicht schlägt? Wir haben ja in den letzten zwei Fahren manche unverständliche Logik kennen lerne» müsse. Diese letzte Verdrehung der Ncichs- vcrsassung durch einen unserer Minister aber setzt allen bisherigen Erfahrungen die Krone ans. lind wenn Herr Flcißncr daraus noch den Schluß zieht, er werde durch seine Verordnung der so zialistischen Wahlmachc nützen, so wird hoffentlich gerade in die» ser Schlußfolgerung seine sonderbare Logik versagen! Die Ab» rechnung muß am 5. Ncwember kommen. Das sächsische Volk wird an diesem Tage jedenfalls die Nei chsverfas. sung anders auvlrgen als der Herr Kultusminister Fleißnerl Aus dem Ausland Territoriale Kompensationen für die Griechen? Parts. 6. Oktober. Es heißt, das, den Griechen für die Räumung Thraziens seitens England besondere Kompensationen rerritorialer Art «»geboten seien und zwar spricht man von den Inseln Cypern und Rhodos. Als weitere Grundlagen, die in der heutigen Konferenz von Mndania erörtert werden sollen, bezeichnet der „Matin" völlige Räumung der asiatischen neu trale» Zone durch Engänder und Türken und Räumung Thraziens durch die Griechen innerhalb zehn Tagen. Rücktritt der Konstantinopeler Regierung „Paris, 6. Oktober. Nach einer Havasmeldung aus Kon- stautinopel verlautet-in Kreisen der Pforte, daß der Großwesir Tewfik-Pascha dem Vorsitzenden der großen Nationalversammlung in Angora mitgeleilt habe, er sei bereit, sich der Entscheidung der Nationalversammung und dem Willen des Volkes zu unter werfen. Rach dem Wunsche der Regierung von Angora werde sich die Konstantinopeler Negierung znrückziehen und die Ver waltung der Stadt einem Beauftragten des GeneralgonverneurS überlassen, der von Angora nach Konstantinopcl geschickt werde. In nationalistischen Kreisen Konstantinopels nehme man an, daß init diesem Posten eins der ehemaligen Mitglieder der Regierung von Konstantinopel betraut werde. Eine Fasziftenbande ist nach der Eiidtiroler Hauptstadt Bozen gekommen, um in italienisch-nationalistischem Sinne eine Gewaltherrschaft auszurich- ten. Tie Faszisten habe» das Rathaus und die größte Schule der Stadt besetzt. Sie plakatierten die Mobilisation des Faszis mus in ganz Oberitalien und sagten die Selbstregelung der Prv- vinzsrage an. Ihr Preßorgan droht mit einer Straferepedition nach Nordtirol. ES wäre aber möglich, daß die Tiroler ihnen dort mit ungebrannter Asche answartcn würden. Zerfall des italienischen Sozialist««» Da der in Rom tagende Sozialistenkvngreß mit etiva 3000 Stimmen in der Mehrheit den Ausschluß der Rechtsstehenden beschloß, entstehen zwei neue Parteien, deren eine ungesähr der der deutschen, sozicildcmolratijchen Partei entspricht und achtzig Abgeordnete, darunter alle bekannten Führer, sowie alle O» ganijativnsleiter, F?.hlt, während die andere nach Moskau ge richtete, an bereit Spitze der „Avanti"-Direltor Serrat steht, nur etwa 42 Abgeordnete umsaßt, obwohl sie auf dein Kongreß die Mehrheit hatte. Viel bemerkt wird, daß die Gesamtpartei nuc noch 73 OM Organisierte umsaßt. Deutsches Reich Der R ichstag Nach den bisherigen Beschlüssen soll der Reichstag am 17. Oktober wieder zusaminentreten. Es ist am Mittwoch die An sicht vcrneten worden, daß Geneigtheit bestände, erst im Novem ber den Reichstag sich wieder versammeln zu lassen. Es ist rich tig, daß die politischen Anssprachen verschoben werden können. Es ist aber noch nicht ausgemacht, ob nicht etiva die Erörterung über den neu festgesetzten Getrcidetzrcis doch einen Zusammen- tritt des Parlaments nötig macht. Sobald allerdings die neue sozialistische Einheitspartei sich hinter die sozialdemokratischen Minister im Kabinett stellt, ist diese Frage eigentlich schon er ledigt. Denn die sozialdemokratischen Minister haben sich für die Erhöhung der Gctrcidcprcisc ausgesprochen. Die neuen Kohlenpreise Die Organe der Kohlenwirtschaft hatten sich im An'chlnß an die bekannten Lohnschiedssprüche »nd die allgemeine Preis entwicklung für Hoz, Frachten, Materialien usw. am Donners tag wieder mit neuen Kohlenpreisfestsetzungen zu beschäftigen- ES wurde, nach eingehender Erörterung mit allen gegen zwei Stimme» folgende Preiserhöhung gutgcheißen: Ruhrsettsörderkohle um 639 M., niederschlesische Steinkohle durchschnittlich um 867 M., sächsische Steinkohle um 996 M., Aachen-Eschweilec um 850 M., Aachen-Nordstern um 954 M. Sämtliche Erhöhungen verstehen sich rein netto, also einschließ lich der Steuerzuschläge. Sie treten rückwirkend mit dem 1. 10. in Kraft. Die Nachgeordneten Organe der Kohlenwirtschast sollen ersucht werde», die durch Rückwirkung der Erhöhung dem Kohlen handel entstehenden Verluste einigermaßen auSznglcichen. Im Brannkohlenbergban treten, und zwar hier init Wir kung erst vom 6. 10. folgende Erhöhungen ein: Nheinland-Noh- braunlohle um 92 M., Briketts uni 331 M., Mitteldeutschland und Ostelbien (unter Ablehnung namhaft wcitergehcndcr An sprüche der Interessenten) um 127 M. bezw. 321 M. netto. Auch hier treten die Steuern hinzu. Tie Versammlung wies eingehend ans die Beunruhigung! hl», die über dc:n Bergbau dadurch schwebt, daß die Reichsbank nicht in der Lage war, an Lohntagen die angesorderten Gelder zur Verfügung zu stelle». An die Behörden und die Reichsbank würde ein Appell gerichtet, hier Abhilfe zn schaffen. Die Zentrumspartei für die Kleinrentner Tie Zentrumspartei hat im Reichstag folgenden Antrag eingcbracht: „Der Reichstag wolle beschließen, die Reichsregic- rung zu ersuchen, 1. In Anbetracht der stetig steigenden Teue rung und der Notwendigkeit, Vorräte für den kommendeil Win ter zu beschaffen, sofort eine Summe von 1 Milliarde Mark für die Klcinrentnersürsorge zur Verfügung zu stellen; 2. die vom Haushaltsausschuß bereits angevrdnele Vorbereitung gesetzlicher Maßnahmen zur Versorgung von Kleinrentnern schleunigst weüer- zufnhren und dem Reichstag gleich nach seinein Zusammentritt darüber Bericht zn erstatten." Die Besoldnnosverhandlunaen Tie Verhandlungen mit den Spitzenorganisationen über die Neugestaltung der Beamtenbesoldung sind vorläufig abgcbrvchui. Während die Organisationen eine für alle Besoldungsgruppe» gleiche Franenznlage forderten, sprach sich die Regierung in Uebereinstimmung mit dein NeichSbund der höheren Beamten für eine, je nach der Besoldungsgruppe verschiedene prozentuale Gestaltung der Frauenzulage aus. Das Neichsfinanzministcriiim hat seine Bereitwilligkeit erklärt, die Verhandlungen wieder ans- zunchmen, wenn die Organisationen in der Frage der Frauen- zulagc einlenken wollten. Ueber den imposanten Verlauf LeMMeiMMkliiW berichten ausführlich die Nummern 220. 221 und 222 der Sächsischen Volkszeilnim, welche zusammen mit der Festnummcr zum Preise von 30 Mk. einschließlich Zustellungsgebührcn zn beziehen sind. Wir bitten sofort zu bestellen! Verlag der Sächsischen Volfszeitnng, Dresden-A.» Holbeinstraste 4«. Die grobe Hoffnung Originalroman von Erich Ebcnstein ! > cht durch Greiner u. Comp., Berlin W. 30 (37. Fortsetzung.) 23. Kapitel. F> n »'erodorftr legte die Feder weg und sah dc» Notar an. „Kann ich nun geben?" Ihre Stimme zitier": leise, wie die Hand, welche den Hand schuh über die Rechte zog. „Gewiß, Fron Geredar'er, die Vcrkaufsurkunde wurde ja durch Ihre Nutcrschrl: jetzt rechtskräftig." Er verbeugte ft h Karl Heschl, der stumm daneben stand, trug Fra» Gersdorser seine Begleitung an. Sie tat ihm leid. Ec fühlte ihr nach, was sie empfinden mußte in dieser Stunde. Und sie sah so entsetzlich elend ans, förmlich verfallen wie eine Greisin. Aber Frau Gersdorser lehnte die Begleitung mit kühlem Dank ab. Sie neigte grüßend den Kops und schritt stumm hinaus. „Arme Frau!" sagte Karl Hcichl, der noch ans eine Abschrift des .Knu'vertrages warftle, nachdem sich die Tür hinter Frau Gcrsdor'er geschlossen hatte. „Es muß bitter sein, das Werk, an dem man ei» Mcißchenalter hindurch init Leib und Seele ge arbeitet hat, nn» vlötzlich in fremde Hände übergeben zu sehen!" „Bah, sic hat cS ja sehr gut getroffen," meinte Notar . Ebelcder gleichgültig. „Niemand sonst hätte ihr Hans und Ge schäft so glänzend bezahlt wie Sie." -Heschl schwieg. Er war inimec ei» sehr feinfühliger Men'ch gevesen, im Gegensatz zu seinem Vater und Eälia. Cr suhlte auch jetzt, drß c» Tinge gab, die Geld nicht answieg:» konnte. „Eines begreife ich nicht," sagte der Notar, „warum sic r§ l icht niinehmen wollte, die Wohnung im Hause beiznbehalten, wie Cie ihr großmütig aniruge»? Es heißt, mit ihren Kin dern jei sie zerfallen. Wohin also will sie dann?" „Ich begreift es nicht. Aber ich begreife es, daß sie ab- klhnte. Fremde Leute im Geschäft unten wirtschaften zn sehen, ging oftcnbar über ihre Kraft." „Na ja...., obwohl ich solche Sentinientalität i» ihrer Lage recht unangebracht finde." „Wie steht es denn mit der Gerichtsangelrgenheit, Herr Notar?" fragte Heschl nach einer kleinen Panse. „Ist eS wahr, daß man eine Evur des Täters gesunden hat?"' Ter Notar sah ihn mit eigentümlichem Lächeln an, wäh rt nd er trocken antwortete: „Ich weiß es nicht. Der ttntersnchnngsrichlcr ist darüber begreiflicherweise sehr zugeknöpst. Aber unter uns gesagt, lie ber Freund wir beide zweifeln ja doch wohl nicht daran, daß es hier keine» »»bekannten Täter, sonder» nur eine — Täterin gibt!" Karl Heschl runzelte die Stirn. Sie glauben also auch cm Iran Gcrödorfcrs Schuld?" fraate er halb erstaunt, halb ärgerlich. „Nun — Sie etwa nicht?" „Rein! Ich bin überzeugt von Fra» GersdorfcrS Un schuld! Einer solchen Tat ist sic nicht sähig!" „Lieber Herr Heschl — was heißt „fähig"? Jedermann weiß heule, daß der alte GerSdorfcr zur rechten Zeit gestorben ist, wie auch Hobinger und Merz, und daß Frau Gersdorser, ßie die Seele des Geschäftes. war, und ihren Mann ganz be herrschte, sehr gut um seine Rebengeschäste gewußt haben muß, wenn man ihr das jetzt nachträglich auch nicht beweisen kan». Wer dazu sähig war. »st es wohl auch zu anderem!" , Karl Heschl errötete. Er dachte an seinen Vater, der die selbe PrariS geübt hatte, und dadurch rasch reich geworden war. wenn er es auch geschickter anstcllte, so daß nichts davon in die Oessentlichkeit drang. - „Das ist doch etwas anderes." jagte er langsam. „GcrS- dorser war ein schwacher Chargkter, der einfach einer locken den Versuchung nicht widerstehen konnte, und seine Frau wußte oft nicht ei» noch auS vor Sorgen, die ihr die Schulden des ältesten Sohnes machten. Es bestand damals eben eine Clique in der Ctadtverwaltnng, die manchen Leuten durch ihr Beispiel ver hängnisvoll wurde. Aber von leichtsinnigem Ausnützen einer Gelegenheit bis zum wirklichen Verbrechen ist dennoch ei» lan ger Weg! Ich hoffe bestimmt, daß der wahre Schuldige ge sunden und wenigstens dieser Kummer von Frau GcrSdvrsers Schul tern genommen wird!" „Nun, wir werden ja sehen. Ich glaube es nicht." Inzwischen verfolgte Frau Gersdorser langsam »nd müde ihren Weg nach Hanse. Bittere Gedanken durchzogen ihren Kopf, wenn sie a» die Zukunft dachte. Nun war sic heimatlos. Durch einen Federzng hatte sie alles von sich getan, was bisher ihr Leben anssüllte. Gewiß — Ferdinand hatte ja recht — es ging nicht anders. Wollte sie nicht Bankrott mache» und völlig zur Bettlerin werben, hatte sie diesen einzigen und unerwartet günstigen Ausweg annehincn müssen. Aber wohin nun? In Schlohstädt zn bleibe», dünkte ihr schrecklich. Abgesehen davon, daß sich ja hier kcinerci ErwerbS- müglichkeit bot, ans die sie doch angcwiescn war. Denn da die Versicherungssumme natürlich unler den obwaltenden Umstän den nicht ausbezahlt wurde, konnte sic nach Abzahlung der Cchnldcn von dem Rest der Vcrkanfssummc nicht leben. Und doch — vorläufig durfte sie ja nicht einmal fort. Müßig in ihrem Zimmer hernmsitzen mußte sie, denn jedes Außerhausgehen war c«in Spießrutenlaufen. Ob ihre Kinder ahnten, was sie jetzt litt? Wie wahn sinnig sic sich nach ihnen sehnte, wie verlassen sie sich fühlte? Annchen schrieb, als wüßte sie von nichts. Trude ebenfalls. Freilich — sie hatte ihnen ja auch nichts initgeteilt und ant wortete seit jeher nur durch kurze Karten ans beider Briese. Dadurch war der Bund noch loser geworden. Manchmal packte sie bittere Selbsterkenntnis. Dann sagte sie: Recht geschieht dir! Du erntest jetzt nur, waS du gesät. Du wolltest ja nichts mehr wissen von deinen Kindern. Nichts von Otto, der immer brav und redlich, nichts von Annchen, die stets so zärtlich war »nd bitter litt unter deiner Kälte, nichts von dem einen, an dem dein Herz am meisten hing. Auch das andere ist nur Gerechtigkeit. Du halft! jahrelang bei einer Unredlichkeit, nun wundere dich nicht, daß dir die Leute auch Schlimmeres zntrauen! — Sie hatte ihr Hans erreicht. Verwundert bcinerktc sie, daß in der Straße viele Leute angesammelt waren, die auf geregt durcheinander sprachen, und »engierig nach dem Heschlscben Laden hinstarrte,,. Tort waren die Rolladen zur Hälfte hinabge- grlassen und am Eingang stand ein Wachmann, der jedem den Eintritt verwehrte. War etlvas geschehen? Ein Unglück? TaS hätte ihr leid getan Karl Heschls Wege», dem sie Sichtung und Sympathie nicht versagen könnte, seit sic ihn »nn näher kennen gelernt hatte. Fragen aber mochte sie nicht. Die Leute starrten sic ja wieder an wie ein ibildes Tier . . . Sie beeilte sich also, möglichst rasch zwischen ihnen durch und in den HauSslnr zu kommen. Ihr eigenes bisheriges Ge schäft war seit hr»te gesperrt. Heschl wollte erst einige Reparaturen Herstellen laßen, ehe es unter seiner Firma von »rnem eröffnet wurde. Oben im Wohnzimmer erwartete sie Ferdinand. „Haben Sie die Leute unter vor HcjchlS Lade» gesehen, Frau Gersdorser?" „Ja. Was ist denn geschehen? Ich mochte nicht fragen." „Den Ignatz Nuck verhaften sie und HanSsuchnng wird ln seiner Kammer gehalten. Ehe das nicht vorüber ist, darf nie mand in den Laden. Nuck soll gestohlen haben. Fra» Heschl hegte schon lange Verdacht gegen ihn und heute ertappte fie ihn dabei, wie er heimlich Geld aus der Kasse nehmen wollte. Da schickte sie gleich zur Polizei." „Gott sei Dank, daß eS nicht? Schlimmeres ist! Der Bursche hat niir nie gefallen." „Mir noch weniger! Dem traue ich überhaupt alles Mög liche zu und wer weis; ..." Er brach ab und sah verwirrt zu Vo^e». Frau Gersdorser tat keine weitere Frage. Sic hatte das Interesse an dem Ge genstand schon wieder verloren. Eine Weile schwiegen beide. Dann begann Ferdinand ver legen: „Frau Gersdorser, ich möchte Sie in einer sehr wich tigen Sache um Rat fragen. ES... . handelt sich um meine Zu kunft! Da das Geschäft nun. doch verkauft ist und . . . ich mich um eine and": Stelle uiuschrn muß . . . so . . . aber ich würde natürlich i.Ac annchmen. wenn es Ihre Gefühle nicht verletzen würde. Eie müssen mir das ganz oftcn sagen." „Lieber Ferdinand," unterbrach sie ihn mit einein bit teren Lächeln um die Lippen, „meine Ge-nh'.e sind so oft ver letzt worden in der letzten Zeit, daß ans sie wirklich keine Rück sicht mehr genommen zu werden braucht. Worum handelt cS sich?' Hast du Aussicht auf eine Stellung?" „Ja. Herr Heschl machte mir den Antrag, als Ge'chäfts- leitcr bei ihm cinzutretcn. Ich soll unser altes Geschäft selb ständig ans seine Rechnung führen. Löeil er selbst doch drü ben nicht abkounnen kann. Und weil ich hier schon eilige- arbeitet sei »nd er wisse, daß ich ihn nicht betrügen würde, wie vielleicht rin Fremder. Es wäre eine Stellung ans Lebenszeit, sagt er." „Aber dann greif doch z» mit beiden Händen, Ferdinand! Etlvas Besseres kannst dn ja gar nicht finden!" „Das schon. Ich dachte nur, weil Cie doch inimcr so zusagen in Feindschaft mit Heschls standen." „Nicht mehr, Ferdinand. Karl Heschl hat sich sehr an ständig gegen mich benommen. Ich glaube sogar, er gehört zu den Wenigen, die mir . . .'kein Verbrechen zutrauen. Das werde ich ihm nie vergessen. Dn bekommst in ihm einen braven Ehef und ich kann dir nur gratulieren zn diesem Glückssall." „Tann ist alles gut!" sagte Ferdinand strahlend. „Und nun hören Sie weiter zu, waS ich mir ausgedacht Hube, Iran Gers- dorser. -Heschl zahlt mir so viel, wie ich nie gehofft hätte. Viel mehr, als ich für mich lßi meinen Bedürfnissen verbrauchen, könnte. Etwas Erspartes habe ich auch. Damit nahmen wir eine nette kleine Wohnung, wo cs Ihnen gefällt. Sic ziehen zu mir nnd kochen für mich — so gut wie Sie kocht ja doch in Schlohstädt niemand mehr, nnd ich würde mich nur schwer all andere Kost gewöhnt haben — und im übrigen richten Sie sich das Leben recht nach Ihren Wünschen und so bequem wie möglich ein. Arbeiten dürfe» Sie gar nicht nielir, für das nehmen wir eine Magd, und sorgen brauche» Sie auch um nichts, Nenn was ich verdiene, reicht sehr gut für »n? beide. Sehen Sie, ich wäre dann der glücklichste Mensch der Welt, denn dann könnte ich Ihnen doch ein lvenig vergelten, waS Sie für mich getan haben von klcinaus. Ihre Kinder sind alle ver heiratet — aber ich — werde ja nie heirgten, und wenn Sie »mir erlauben» für Sie zn sorgen wie ein Sohn, könnte ich inir nichts Schöneres denken!" Fortsetzung folgt.