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Nationen ungefähr um die Jahre 1913 -und 1914 herum an den archäologischen Arbeiten im Pharaonenlande beteiligt waren. Wollten wir sie nach dem Umfange ihrer Forschungen hier aus.'ähle», so wären an erster Stelle die Amerikaner zu nennen, die, ausgestattet mit reichlichen Geldmitteln, eine Aus dauer schon seit langer -seit bewiesen habe», der es au schönen Erfolgen nicht fehlte. Die Expedition, welche im Aufträge der Havard-Universität unter Leitung des Professors Reiß »er zuletzt an den Pyramiden von Gizeh Grabungen vor- aenoiiimcn I>at, legte den größten Teil eines ägyptischen Toten selbes frei, das a-uS den Zeiten der 4. und 5. Dyna- stie, also zwischen 2900 und 2625 vor Christi Geburt, stammte. Zwischendurch wurde auch im südlichen Sudan gegraben. Das Metropolitan Museum in Neuyork hatte ein Paar Jahre vor dem großen Kriege Mr. Lythgoe nach Theben entsandt zum Zwecke neuer Forschungen an den berühmten Fundstätten und zur zeichnerischen Aufnahme schon bekannter Baudenkmäler. In mehrjähriger Arbeit gelaiig ihm die Auf deckung gewaltiger Tempelbauten auS der Zeit Amenophis 3. (1411—1375) vor Christi. Der opferwilligen Initiative reicher amerikanischer Privatleute sind außerdem viele wertvolle Funde zu verdanken. So hat ein Mr. Theo* Davis an verschiedenen Königsgräbern bedeutende Resultate erzielt. Nach een Amerikanern gebührt den Engländern die erste Stelle unter den wetteifernden Nationen. Der Egypt Exploration Fund besaß 1S14 in dem Schweizer Nä vi lle einen tüchtigten Leiter, der bei AbydoS, das schon in der 1. Dynastie — etwa 340V bis 2980 vor Christi — als Ruhe stätte der Könige und Großen des Landes genannt wird, sehr vom Glück begünstigt war. In der Nähe des majestätischen SeihoStcmpels hat er ein ganz eigenartiges, unterirdisches Ge bäude frcigelegt, in dem er daS Grab des Osiris entdeckt zu ha ben glaubt. Wenn diese Annahme auch sehr der Nachprüfung bedarf, so kann seine interessante Entdeckung doch nicht hoch ge nug bewertet werden. Auch bei Schrch Abade hat der Explora tion Fund mit Erfolg gegraben und besonders nach PaPyriS su chen lassen. Ocstlich dieses Dorfes liegen die Trümmer der Antinone statt, die an der Stelle erbaut wurde, wo sich der junge Römer im Nil ertränkt haben soll, um großes Unheil von seinem kaiserlichen Freunde Hadrian abzuwendcn. Im Aufträge der EngliSh School of Archaeologie in Egypt hatte ferner Professor Flinders Petrie bedeutende Grabungen am Grabmal Sesostris 2. in, Fayum borgenommen und war dort auf einen sehr kostbaren Fund von goldenen Schmuck- sachcn gestoßen. Eine Expedition der Universität Liverpool un ter den Professoren Garstang und Sahce hat im Sudan die be reits 1909 begonnenen Ausgrabungen der Ruinen von Heror, der einstigen Hauptstadt des AethioPierreicheS, bis zum Hetzbst 1914 fortgesetzt. Als private Unternehmungen verdienen die Ar beiten H r. Fonds und Lord Carnarvons rühmende Er wähnung. Der erste hat thebanische Gräber systematisch öffnen und instandsehen lassen; Carnarvon, der die vorerwähnte große Entdeckung kürzlich machte, legte einen weiteren Teil der Hekro- polis von Theben frei. Nu» zu Deutschlands Arbeitl In Teil cl-Amarna, wohin Amenophis 4. (1373—1335 vor Christi), der Anbeter des Sonnengestirns, seine Residenz verlegt hatte, setzte die Deutsche Orientgcsellschaft unter Professor Dr. Borchacdt ihre so erfolgreichen Grabungen fort. Von den durch sie ai^ Tageslicht geförderten Schätzen sei nur die Werk statt de-s Bildhauers ThutmeS genannt, die sich im Berliner Mu seum befindet. Die Ernst von Sieglin-Expedition, mit Professor Dr. Steindorff an der Spitze, hatte bei Kom-Eschkaz Gräber aus der Zeit des mittleren Reiches (2000—1980) untersucht und bei dem punische» Dorfe Anibe auf dem westlichen Ufer des NilS die früher d-ort schon begonnenen Grabungen wieder aufgenom- men. Als 3, deutsche Expedition — ebenfalls unter Professor Borchardt. — ist die Badische Expedition zu erwähne», die zwischen Bcnisuef und Minje einen koptischen Friedhof an? der Zeit etwa vom 3. bi? 7. Jahrhundert nach Christi Geburt und ferner bei cl-Gibe, einem kleinen Dorf in der Nähe der Kreisstadt Fesch», Ruinen eines Ortes aus der 21. Dynastie (1090-t>15> freigclcgt hatte. Ackit Kilometer nördlich von den Gize-Pyramiden, auf steilem Felsen, von dem nian einen wundervollen Blick in die Schluchten der Libyschen Wüste und daS grüne Stiltal hat, steht das fast verfallene Grabmal des Tetf-Le aus der 4. Dynastie >2900—2700), die Pyramide von Abu Roseh. Dort hatte vor dem Kriege das Institut Francais d'Aichevlogie Orientale unter La- cau in einem Totcnfelde künstlerisch hervorragende Funde ge macht. vor allem ein Brettspiel mit prächtigen, auS Elfenbein geschnitzten Löwenfiguren. Professor Jouguet von demselben Institut fand bei Edfu einen wichtigen PapuruS und Professor Moret machte allerhand Aufnahmen des Amonteinpels bei Lutsoc. Weniger als die vorgenannten Stationen find die Oester - reicher und schließlich me Italiener an der archäologische» Durchforschung Aegyptens beteiligt gewesen. Für die Wiener Akademie der Wissenschaften grub Professor Dr. Junker nach Art der Amerikaner auf dein Totenfeld an der Großen Gizeh- Pyramide und Professor Schiaparelli, der Direktor des Turiner Museums, auf der Gräberstätte bei Assum — oeide ebenfalls mit beachtenswerten Erfolgen. Koreanische Hochzeit Im allgemeinen ist tn Korea der Bräutigam eine Zahl von Jahreii jünger als die Braut. In den allermeisten Fällen wird das Mädchen von 18 bis 19 Jahren an einen Knabe» von 12 bis 13 Jabren verheiratet. — Die Zeit bis zur Hochzeit ist ins besondere im Hause der Braut mit fieberhafter Tätigkeit aus- gefüllt. Endlich kommt der Hochzeitstag. Ec wird durch einen Festzug eingeleitet, in welchem der Bräutigam zum Hauie der Braut zieht. Zwei Diener eröffnen den Zug; sie tragen auf Stangen große Laternen aus blauem und rotem Papier. Der Bräutigam jitzt auf reichgeschmücktein Pferde, in das Gewand der Mandarine gekleidet. Es folgen die Freunde der Familie. Heute ist der Bräutigam Herr des Weges; seinem Zuge muß alles austveiche». Nähert sich der Zug dem Hause der Braut, so kommmt einer von'ihren Verwandten der Braut entgegen, und Bräutigam und Gäste werden tn dem Sah-rang (Gastzimmer) geführt und dort bewirtet. Während sie sich gütlich tun, wird im inneren Hofe vor dein Zimmer der Braut ein Tischchen her gerichtet. Ein paar Flaschen Wein nebst Tassen werden auf gestellt usw. Dies ist bald geschehe», und schon kommt ein Diener des Bräutigams, von diesem geschickt — sehr oft der Bräutigam selbst — mit einer wilden Ga»S unter dem Arm, welche er für die Braut übergibt. Die GanS ist ihnen das Symbol der Treue; ist keine lebendige zu erhalten, dann wird eine hölzerne benützt. Nun gilt es, Bräutigam ooer Braut zum Lache» zu bringen, während diese sich möglichst ernst zu halten suchen. Allerlei Späße werden erzählt. Lacht der Bräutigam zuerst, so wird das erste Kind der Ehe ein Mädchen sein, lacht die Braut, dann ist's ein Knäblein. Selbst noch beim Einzug i» den Hof sucht man durch irgendeine Verwirrung das Lachen zu erzwingen. Man hält dem Bräutigam eine Stange zwischen die Füße, daß er stolpert oder stürzt. Glücklich gelangt der Bräutigam vor de» Tisch, hinter welchem die Braut zwischen zwei Assistentinnen sich ausgestellt hat. Mit den Aermeln ihres laugen, faltigen Mantels verhüllt sie sich die Augezi, so daß sie auch jetzt noch nicht de» Bräutigam sieht, den sie wohl in ihrem ganzen Lebe» überhauvt »och nicht zu Gesicht bekommen hat. Die Hände vor das Gesicht gepreßt und von den beiden Assisten tinnen unterstützt, inacht sie drei tiefe Verneigungen. Dann bleibt die Braut ausrecht stellen und die Reihe kommt an den Bräutigam. Dieser macht nur zweieinhalb Verbeugungen, zwei große und eine kleine, zum Zeichen, daß er der Herr über das Weib ist... Nach der Begrüßung lassen sich Bräutigam und Braut, getrennt durch baS Tischchen, auf den Boden nieder. Die Assistentin zur Li»ken der Braut gießt eine Tasse Wein ein und reicht sie dem Bräutigam, welcher ein wenig trinkt und sie nach links — ja nicht nach rechts! — weitergibt. Auch die Braut nippt daran. Nochmals und noch ein drittes Mal macht die Tasse die Runde. Zugleich mit dein Meinbecher haben die Frauen einen doppelte» Faden von zwei verschiedenen Farben — einen für den Mann, einen für die snnge Frau — herauSgezogen und so Braut und Bräutigam ilnischlungen unb sie durch das Band der Ehe miteinander verbunden. Damit ist bei den Heiden die Ehe schließung vollzogen. Das Hockfteitsmahl beginnt... Eine Schluß- zeremonte beendigt den Tag. Sie zeigt der jungen Frau, daß sie fortan die Magd ihres Gebieters ist. Dieser seht sich in ftiw Zimmer auf den Boden, und die Frau har ihm die Strümpfe ausznziehen. Der Ueberschutz der Frauen Infolge des- Krieges ist der Frauenüberschuß Europas von 9.5 auf 25 Millionen gestiegen. Nach einer Berechnung des Sta tistischer, Reichsamtes in Berlin betrug vor dem Weltkriege bei rund 460 Millionen Bewohner der gesamte Frauenüberschuß ungefähr 9,5 Millionen. Inzwischen ist die Bevölkerung auf 475 und der Fraunüberschnß auf 25 Millionen gestiegen. Aut 1090 Männer kamen vor dem Kriege 1038 Frauen, jetzt 1111 Dabei bestand früher der Ueberschuß zum erheblichen Teil auS älteren Frauen, besonders Witwen, jetzt zum größten Teil aus Frauen im heiratsfähigen Alter. Am größten ist die Verschie bung in Rußland wo auf 1000 Männer vor dem Kriege 1042 Frauen kamen, jetzt 1229. In Deutschland stieg die Zahl von 1026 auf iloo. in Oesterreich von 1027 auf 1069. Gefallen ist daS Verhältnis der Frauen in den Niederlanden von 1020 auf 1010, gestiegen aber auch i» der Schweiz von 1033 auf 1073. Der amerikanische Markenkönig Der Eigentümer der seltensten Briefmarken der Welt ist wie das „Philatelie Magazine" berichtet, der Amerikaner Artnr Hind. Er ist seit 30 Jahren Käufer aller Raritäten und besitzt eine der besten Sammlungen der ganzen Welt. Hind hat auch einen wesentlichen Teil der Seltenheiten aus der weltberühmt-:» Ferrari-Sammlung an sich gebracht; für ein Stück bezahlte er 7600 Pfund Sterling. Für ein Paar der 1. und 2. P. „Post Offico-MauritiuS", das sich auf einem Umschlag befand und der Argentrere-Scunmlung angehörte, gab Hind 11000 Pfund Ster ling. ,« Der Mensch als Telegraph Schon im Jahre 1912 gelangte Professor Tonimarina, Genf, auf experimentellem Wege zu dem Ergebnis, daß der mensch liche Körper als Empfangsapparat für Fnnktelegraphie Verwen dung finden könnte. Der französische Ingenieur Guaiine und der Amerikaner Collins bestätigten dann in neuester Zeit mit thron Versuchen wiederholt diese Erfahrung. Es gelang deZ öf teren bei genügender Isolierung deS Körpers, mit dem erhobenen Arme, der als Telephonmast (Anntenne) diente, auf beträchtliche Entfernungen drahtlos zu telegraphieren. Gehirn- und Nerv-n- system des Experimentierenden vertraten dabei den Empfangs bezw. Gebcapparat (Kohärer) und die elektrische Batterie. , ^ Ameisen, die kochen können Von der außerordentlichen Intelligenz der Ameisen und ihrer Vorsorglichkeit hat die Wissenschaft schon zahlreiche Einzel heiten feststellen können. So gibt eö zum Beispiel einige Ar ten, die nicht nur Körner und Samen einernten und aufspetchern, sondern die ihrem jährlichen Bedarf an Kornfrnchtcn sogar selbst pflanzen und kultivieren. Fast noch wunderbarer klingt eS. daß eS Ameisen geben sott, die koche» und backen können. ES han delt sich »in eine Ninelsenart, die i» Dalmatien häufig vor- ko»i»it. Die winzigen Tierchen sammeln einen Vorrat an Kör nern und Samen, uni sich daraus selber eine Art Brot zu backen. Zunächst bringen die Ameisen ihre» Kornervorrat in ihre dunk len unterirdischen Gänge und Kammern, wo er so lange bleibt, bis die Samenkörner zu keimen beginnen. Dann schleppen die Ameisen sie wieder a»S Tageslicht, und zwar an Stelle», die von der Sonne besonders- heiß beschienen weiden. Dort lassen sie sie trocken. Sie schleppen sie darauf wieder in ihre unter irdische Vorratskammer zurück »nd verarbeiten sie dort mit ihrem Speichel zu einer Act Teig. Dieser wird dan» >» kleine Kuchen umgeforint und wieder in die Sonnenhitze gebracht. Un ter den glühenden Strahlen erhitzt sich der winzige Teig durch und durch, bis er gebacken ist, worauf das emsige Volk der Amei sen sich wieder einstellt, um das nun fertige Gebäck sorgfältig in die Vorratskammer zu transportieren und dort für den zu künftigen Bedarf aufzuspeichern. Die Ameise kennt also die Kraft der Sonnenstrahlen, und sie beherrscht auch die Kunst, darin zu backen, die ja ursprünglich '.zweifellos auch der Anfang aller menschlichen Kochkunst gewesen ist. Ist doch auch die Hitze, die unser Brennmaterial erzeugt, schließlich nichts anderes als aufgespeicherte und in iieue Energie umgesehte Sonnenhitze. Auch kulturhistorisch läßt sich Nachweisen, daß die Menschen ihre Kochkunst zuerst in der Sonne betätigt haben. Noch heute spre chen Araber und Mexikaner von reifen Früchten als von sol chen, die an der Sonne gekocht sind, und manche Ncgerstämmr in Afrika sowohl, wie gewisse Australneger kochen einen Teil ihrer Speisen nixh heute nicht ander? als- die ebenso winzigen wie wunderbar klugen Ameisen. * Bo» der internationalen Weinernte 1922 finden sich in der Zeitschrift „Weinbau und Kellerwirtschaft" belangreiche An gaben. In Bayern betrug die Weimnosternte 1922 1 001 298 Hek- -toliter (gegenüber 489125 Hektoliter 1921) und zwar 853 617 Hektoliter Weißwein und 147 679 Hektoliter Rotwein. Tie im Ertrag stehende Rebfläche in Baden betrug 13 033 Hektar mi die Weinmosternte 800 600 Hektoliter oder 61,9 Hektoliter vom Hektar. Seit dem Jahre 1900 war die Weinernte in Bade» nicht mehr so reichlich. Sie betrug im Jahre I92t nur 288 830 Hek toliter öder 21,8 Hektoliter vom Hektar. In Portugal betrug die Weinernte 1922 5 956 000 Hektoliter, gegen 4 807 530 Hekto liter im Jahre 1921. Ausgeführt werden jährlich ra. 1 509000 Hektoliter. In Griechenland, in seiner heutigen Ausdehnung, beträgt die Rebfläche etwa 200 000 Hektar und der jährliche Er trag ca. 3 600 999 Hektoliter. In Elsaß-Lothringen betrug die Rebfläche 1922 15 266 Hektar. Geerntet wurden 956 825 Hekto liter. Demnach wurden 62,4 Hektoliter zum Hektar geherbst-st. Algier hatte 1922 eine Rebfläche von 172 710 Hektar und ern tete davon 7 473 001 Hektoliter, also 43,2 Hektoliter vom Hektar. Zwischen Himmel und Erde Von Otto Ludwig (14. Fortsetzung.) ES wurde Apollonius anfangs schwer, den Bruder z» über zeugen. eS sei ihm ernst mit der Rückkehr nach Köln. Fritz hielt es für einen listigen Vorwand, ihn sicher zu mache». Der Mensch gibt ebenso schwer eine Furcht auf, als eine Hoffnung. Und er hätte sich eingestehen müssen, er habe den zwei Menschen un recht getan, die des Unrechtes an ihm anzuklagcn ihm eine Ge wohnheit geworden war, an der er eine Art Behagen fand. Er hätte dem Bruder ein zweites Unrecht verzeihen müssen, daS dieser von ihm gelitten. Er fand sich erst darein, als eS ihm ge lungen war, in dem Bruder wieder den alten Träumer zu sehen, und in dessen Vorhaben eine Albernheit; als er ein unwillkür liches Eingeständnis darin sah, der Bruder begreife in ihm den -überlegenen Gegner und gehe auö Verzweiflung am Gelingen seines schlimmen Planes. In dein Augenblicke cnvachte die ganze alte joviale Herablassung wie auS einem Winterschlaf. Seine Stiefel knarrten wieder: da ist er ja! und: nun wird eS amoS! läuteten seine Petschafte den alten Triumph. Die Stie- el übcrtönten, was ihm sein Verstand von den notwendigen Fol gen seiner Verschwendung, von seinem Rückgänge in der allge meinen Achtung vorhiclt. ES war ihm, als sei alles wieder so gut, als je, war nur der Bruder fort. Er glaubte sogar vor greifend an seine außerordentliche Großmut, dem Bruder zu ver zeihen, daß er dagewesen. Er richtete sich vor dem Bruder schon in der ganzen alten Größe wieder auf, in der er als alleiniger Chef des Geschäfts- dem Ankömmling gegenüber gestanden; er winkte ibm mit seinem herablassendsten Lachen zu, daß er eS schon bei dem im blauen Rock durchsetzen wolle; der selber müsse ApolloniuS fortschicken. Apollonius batte auch dem Bauherrn vo» seinem Entschlüsse gesagt. Es befremdete ihn, daß der brave Mann die Mitteilung mit fremder, wie verwundert einsilbiger Kälte cmfnahm. Er drang in ih», ibm den Grund dieser Veränderung zu sagen. Die braven Männer verständigten sich leicht. Der Bauherr sagte ihm, nachdem er sich gewundert, AvolloniuS damit unbekannt zu fin den. was er von deS BruderS Lebensweise wußte, und war der Meinung. Geschäft und HanS seines Vaters könne ohne Apol- loiiins-' Hilfe nicht bestehen. Er versprach, sich weiter nach der Ca,be zu erkundigen und war bald imstande, Apollonius nähere Aufklärungen zu geben. Hier und da in der Stadt war der Bonder nicht unbedeutende Summen schuldig, das Schicferge- sclmit war. besonders in der letzten Zeit, so sdnmselig und un gewissenhaft betrieben worden, daß manche bieliäkriqe Kunden bereits abasprnngcn waren und andere im Begriff standen, eS zu tun. AvollouiiiS erschrak. Er dachte an den Vater, an die Schwägerin und an ihre Kinder. Er dachte auch an sich, aber eben da? eigene starke Ehrgefühl stellte ihm znierst vor, was der alte, stolze, rechtliche, blinde Mann leiden müßte bei der Schande eines- möglichen Konkurses. Er fand sein Brot; aber des Bru ders- WrN nnd Kinder? Und sie waren deS Darben? nickt ge«. wohnt. Er hatte gehört, daS Erke der Frau von ihren Elter» war ein ansehnliches gewesen. Cr schöpfte Hoffnung, eS könnte noch zu helfen sein. Und er wollte Kelsen. Kein Opfer von Zeit und Kraft und Vermögen sollte ihm zu schwer werden. Konnte er den Verfall nicht aufhalten, darben sollten die Seini- gen nicht. Der wackere Bauherr freute sich über seines Lieblings Denk art, auf die er gerechnet; es- hatte ihn befremdet, daß sie sich nicht schon früher gezeigt. Er bot ApolloninS seine Hilfe an; er habe weder Frau noch Kinder, -nnd Gott habe ihn etwas er werbe» lasse», um einen, Freunde damit zu helfen. Noch nahm Apollonius kein Anerbieten an. Er wollte erst sehen, wie eS stand, und sich Gewißheit zu verschaffen, ob er ein ehrlicher Mann bleiben tonnte, wenn er den freundlichen Erbieter beim Worte nahm. Es kamen schwere Tage für Apollonius. Der alte Herr durfte noch nichts wissen und, wenn seine Ehre aufrecht zu er halten war. noch nicht erfahren, daß sie gewankt. Apollonius bedurfte dem Bnuder gegeniiber seine ganze Festigkeit und seine ganze Milde. Er mußte ihm täglich imponieren und stündlich verzeihen. Schon das war nicht leicht, den Stand seines Ver- »lözfcns-, seine Gläubiger und den Betrag der Schulden von ihm zu erfahren. Als Apollonius die Gläubiger und die Beträge wußte, un tersuchte er den Stand deS GeselsiisteS und fand ihn verwirrter, als er gefürchtet. Die Bücher waren in Unordnung; in der letz ten Zeit wor gar nichts mehr eingetragen worden DaS Ver mögen der Fram war zum größten Teil vertan; Apollonius mußte den Bruder zwingen, die Reste davon herauSzugoben. Ec mußte mit de» Gerichten drohen. Nach unendlichen Mühen ge lang Apollonius eine Uebersicht deS Auslandes. ES ergab sich: wenn die Gläubiger Geduld zeigten und man die Kunden wieder zu gewinnen vermochte, so war mit strenger Sparsamkeit, mit Fleiß und Gewissenhaftigkeit die Ehre des Hauses zu retten, und ermüdete man nickt, konnten die Kinder deS Bruders ein wenigstens schuldenfreies Geschäft einst als Erbe übernehmen. Apollonius schrieb sogleich an die Kunden,, dann ging er zu den Gläubigern des Bruders. Die ersten wollten eS noch einmal mit dem .Hause versuchen; man sah, sie gingen sicher; ihre neuen Bestellungen waren wenig mehr als Proben. Bei den Gläubi gern hatte er die Fraude zu sehen, welches Vertrauen er bereits in seiner Vaterstadt gewonnen. Wenn er die Bürgschaft über nahm, blieben die schuldigen Summen als Kapitale gegen bil lige Zinsen zur allmählichen Tilgung stehe». Manche wollten ihm noch bares Geld dazu anvertrmien. Nun stellte er dem Bru der anspruchslos und mit Milde dar, waS er getan und noch tun wolle. Vorwürfe konnten nichts helfen und Ermahnungen hielt er für unnütz, wo die Notwendigkeit so vernehmlich sprach. AvolloniuS entwarf seinen Plan für das erste Jahr und setzte ein Gewisses- fest, das der Bruder zur Führung seines .Hausstandes allwöchentlich vo» ihm in Empfang zu nehmen hatte. Er entließ von den Leuten, wer nur irgend zu entbehren war. Den ehrlichen Valentin machte er zum Aufseher für die Zeit, wo er selbst in Geschäften auswärts sein mußte. Es lag gegründeter Verdacht vor daß der ungemütliche Geselle sich man cher Veruntreuung schuldig gemacht. Fritz Neiteninair, der an dem Wächter seiner Ehre wie an ihrem letzten Bollwerk scsthielt, tat alles, ihn zu rechtfertigen und dadurch „n Hause zu erhalten. Der Geselle hatte zu allem, was inau ihm vorwarf, ausdrück lichen Befehl von ihm gehabt. Apollonius hätte de» Geselle» gern gerichtlich belangt; er mußte sich genügen lassen, ihn abzu- lohnen „nd ihm daS HauS zu verbieten. Apollonias war uner bittlich, so mild er seine Gründe de», Bruder vortrng. Von nun an wechselte der Seclenzustand Fritz Nettem- airS zwischen verzweifelter Ergebung in daS, waS nicht mehr zu ver hindern, jal was wohl schon geschehen war, und zwischen firbr- rischer Anstrcgung, cS dennoch zu verhindern. Danach gestaltete sich sein Benehmen gegen Apollonius- als unverhehltcr Trotz oder als kriechend lauernde Verstellung. Zn seinem Unglück batte der Geselle im nahen Schieferbruche Arbeit gefunden und war ganze Nächte lang sein Gefährte. Er folgte ihm an die Oerter, wo dieser heimisch war Nun ertönten die Branntwemkneipen von seinen Späßen und diese nahmen immer mehr vo» der Na tur der Umgebung an. ES kam die Zeit, wo er sich nicht mehr schämte, der Kamerad der Gemeinheit zu sein. 10. Dächer, die mit Metall oder Ziegeln eingedcckt sind, machen, in der Regel erst nach einer Reihe von Jahren eine Reparatax. nötig; bet Schieferdächern ist cS ander?. Durch die Rüstungen nnd daS Besteigen der Dachfläche während des EindeckenS ent stehen unvermeidlich allerlei Beschädigungen der Schieferplatten, die sich nickt immer sogleich zeigen. Die ersten drei Jahre nach beendeter Ein- oder Umdeckung verlangen oft bedeutendere Nach besserungen, als die fünfzig nächstfolgenden. Zu dieser alten Erfahrung gab auch das Kirchendach von Sankt Georg seinen Be leg. Die Schieferdecke des Turmes dagegen, die Apollonius al lein besorgt, legte genügendes Zeugnis- ab von ihres Schöps:rs- eigensinniger Gewissenhaftigkeit. Die Dohlen, die sie bewohnt-», hatten noch lange Zeit Ruhe gehabt vor seinem Fahrwug, hätte nicht ein alter Klein pnewneister seinen kirchlichen Sinn durch Stiftung einer blechernen Zierat an den Tag legen wollen. Er war ein Blumenkranz, den Apollonius dem Tnrnidach umlegen sollte, mm desscntwillen er diesmal seine Leiter an der Helm stange anknüpste. Vor etwas mehr als einem halben Jahre hatte er sie abgenommen. UnterdeS war sein angestrengtes Bestrebe» nicht ohne Er- folg geblieben. Die alten Kunden batte er festgchalten »iid »ene dazu gewonnen. Die Gläubiger hatten ihre. Zinsen nnd eine kleine Abschlagszahlung für das erste Jahr; das Vertrauen und die Achtung vor Apollonius wuchs- mit jedem Tage: mit ihnen seine Hoffnung und seine Kraft, die er mit verdoppelter Anstren gung bezahlte. Eines Abends kam er an der Türe seiner Schwägerin vor- über. Cr erschrak, als er darin das Poltern und den Jammer- anshnich seines Bruders hörte. Kurz entschlossen trat er ein. (Fortsetzung folgt.f