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ncnd, daß nur drei Staaten ein solche» Ausnahmegesetz schüfen, nämlich Thüringen, Braun schweig und jetzt Sachsen. Selten hätte sich eine Regierung die Begründung eines Gesetze« so leich* gemacht wie die sächsische Regierung bei diesem Be- amtynknebclungSaesetz, wobei der Redner ausführlich die ekla tanten Widerspruche und Verstöße gegen Reichsgesetz und Reichs» Verfassung erörterte. Mit großem Ernst wandte sich der Redn?r gegen die sozialistische Propaganda in den Aemtcrn und gegen das Verhalten deö Ministerpräsidenten und Justizministers Dr. Zeigner. der in öffentlichen Versammlungen mit aller Schärfe zum Ausdruck bringe, daß die gesamte Beamtenschaft slyialistiich werden müsse. Das ganze Gesetz bedeute weiter nichts, als d'e gesamte höhere Beamtenschaft zu amerikanisieren, d. h. ihr mit dem Wechsel der Regierung eine andere Gesinnung aufzuzwin gen. EigenS dazu wäre der Begriff deö politischen Beamten tums geschaffen worden, womit alle Beamte der zwölften Ge haltsgruppe und darüber hinaus, gemeint wären, ob sie etwas mit Politik zu tu» hätten oder nicht. Mit aller Schärfe wandie er sich dagegen, die Universitätslehrer, diesem unglaub lichen Gesetze zu unterstellen. Auch wäre eS unerhört, die Zu- sammensctzung der DiSziplinarkammer von den Wün schen der Negierenden abhängig zu mache». Vom Beamten for- dert er ehrlichen Dienst auf Grund der beschiyorenen Verfassung und von der Regierung G e s i n n u n gS fr e iheit für die auf rechte Beamtenschaft. Die gesamte Regierung, einschließlich Ministerpräsident und Innenminister, die das Gesetz doch sozusagen etwas angeht, zogen eö vor, — welch modern? Hochachtung vor Demokratie und Par lament! — einfach den Sitzungssaal zu verlassen, wogegen der BolkSparteiler Dr. Fritz Kaiser aufs schärfste mit der richtigen Bemerkung protestierte, daß ja die Sozialdemokraten sich selbst am meisten über ein solches Verhalten einer Negierung aufgeregt hätten, — allerdings früher. Der Deutschnationale Dr. Gündel konnte die Ausführungen Bürgers nur unterstreichen, während der Kommunist Schneller, einst königlich sächsischer Oberleutnant der Reserve und jetzt noch L?hrer des- „Freistaates" Sachsen, den Hinauswnrf aller nichtsozialistischer Beamten verlangte. Und dann der Demokrat Dr. Dehne: Einerseits führendes Mitglied des republikanischen Beamtenbundes und andererseits ein tadel loser Beamter, auch des alten Staates. „Zwei S?elen, ach . . ." Aber immerhin, er zog sich sehr geschickt au? der heikle» Affäre und red?te ganz im Sinne der beiden anderen bürgerlichen Sprecher. Zum Schluß gab es noch das übliche parlam?ntarische Zwi schenspiel. Herr Schiffmann von der Deutschen Volkspartei sprach überraschenderweise ton den Befördernngsmethode» und der Bcamtenpolitik dieser sächsische» Negierung: Wie Herr Lohe, mehrmals dvrchgefallener Schreiber, zum Iustizamtmann und jetzt sogar zum Regierungsrat befördert worden wäre. Und jetzt bestände di? hervorragendste Tätigkeit dieses Herrn RegiecuugS- rates Lohe darin, Parteiabzeichen in dem Vorzimmer deS Herrn Justizministers Dr. Zeigner zu v?rkaufen. Wie Herr Menke einst nach der Ermordung NeuringS in Löbtau geäußert hatte. eS könnte leicht möglich sein, daß „Herr Kirchhof gekirchhoft und Herr NoSke ebenso genosket würde, wie Neuring geneuringt wäre", und von dem sein G?nosse Lorenz ein so eindeutiges Charakterbild entworfen hätte, jetzt sogar Polizeipräsident von Dresd?n geworden wäre. Von Herrn Dr. Ulich und seiner re- gierimgSratlichen Fra» nsw. stellte er unter schallender Heiter keit fest, daß jeder halbwegs befähigte sozialistische Parteisekretär sogar imstande zu sein glaube, eine Blinddarmoperation amsführen zu können. Herr Menke machte wie immer sein? qualifizierten Zwischenrufe, wofür er zweimal zur Ordnung gerufen werden mußte. Wahrscheinlich wollte der neue Herr Polizeipräsident mir darauf besonders aufmerksam machen, daß er jetzt in Dres den — der Mann der Ordnung war?. DaS Gesetz zum Schuhe der Republik ,daS haben die Herren Sozialisten mehr als einmal betont, ist nur einseitig nach rechts geschissen worden. Und jetzt, da der Pfeil zurückprallt, heulen sie m allen Tonarten wie gepeinigt auf und wünschen nichts sehn- sicher, als daß dieses unbequeme Gesetz verschwinde. Und, m?ine Herren, wie wird eS mit dem Beamtenmaulkorbgeseh sein, wenn einst mich dieser Pfeil znrückprallt, und die schönen roten Tage vorüber sind? O. W. Wkitm KMbalte» i« strichst»- NeichSwirtschaftSministerium und Rcichsarb?itSministerium. — Die Interpellation der Deutschvölkischen vertagt. Berlin, 8. Mai. Auf der Tagesordnung steht eine Interpellation der Deutsch- nationalen Volkspartei, betreffend das Verbot der DeutschvSM- schen Freiheitspartei durch die preußische Regierung. Präsident Löb? teilt zunächst mit. daß Abg. Most (D. Pp.) im besetzten blebiet zurückgehalten sei. (Pfuirufe.) Abg. Eckardt (Komm.) führt schriftlich Beschwerde üb?r eine von der Braun- lchweiger Polizei bei ihm vorgenommene Haussuchung, in der er eine Verletzung seiner Immunität erblickt. Abg. Koch (Dem.) beantragt zugleich im Namen des Zentrums und der Deutschen Volkspartei di? Absetzung der In- terpellation über die Dcntschvölsische Freiheitspartei von der Tag?Sordnung. Reichsinnenminister Dr. Oeser erklärt, er wäre heute auch mir Beantwortung der Interpellation nicht in der Lage, weil das Aktenmaterial vom StaatSgerichlShof noch nicht ein gegangen sei. Abg. v. Gra?se (Dvöl.) widerspricht einer Absetzung von der Tagesordnung. Abg. Schultz (Dn. Vp.) ist für die Ab setzung von der Tagesordnung. Da nach der Erklärung des Ministers Oeser eine Antwort nicht mög'ich sei, würden die Deutschiiationalcn für den Antrag Dr. Koch stimmen. Abg. M ü l l e r - Franken (Soz.) erklärt, für den Antrag Koch stimmen zu wollen. Abg. v. Graefe (Dvölk.^ stellt fest, daß die Absetzung der Interpellation durch die Erklärung der D?utschnaliona° len verschuldet ist. Wenn man in der Art deö Abg. Schultz die Omnipotenz der Regierung des Herr» Oeser verkündet, dann könnten wir lieber nach Hause fahren und dem Volke die Diä ten sparen. (Heiterkeit.) Der Antrag Dr. Koch wird angenommen und die Inter pellation v?rtagt. Auf Antrag Müller-Franken (Sitz.) wird auch der Gesetzentwurf auf verstärkten Versämm- lungsschutz von der Tagesordnung abgesetzt. Eine Novelle zum Reichssiedlungsgesetz geht an den Sied- lungSauSschuß, die Vorlage über die Neuregelung der gesetz liche» Feiertage an den NechtSauSschuß. Hierauf folgt die Weiterberatung des Etats d?s ReichSwirtschaflSministeriumS. Abg. Simon (Soz.) weiidet sich gegen eine Herabsetzung der Allsfuhrabgabe und gegen ein Handelsverbot mit Frankreich und Belgi?». Von einem wirklichen Preisabbau sei k?ine Rede. Staatssekretär Trendrlenburg weist auf dir Sch wie. rigkeiten einer Abdrosselung unerwünschter Einfuhr hin. Nack, dem Versailler-Vertrag sei eine Einfuhrsperre ge- gen Liköre auS Elsas, Lothringen nicht möglich. Zu einer vollständigen Beseitigung der Außenhandelskontrolle und der A n S f u h r a b g a b e n t?i die Zeit noch nicht ge kommen. Die Frage eines Handelsverbots mit Frank reich und Belgi?» werde seht vom Auswärtigen Ausschuß be handelt. Der Etat wird bewilligt, ebenso der Etat de? NeichS- wirtschaftSratcs und des Rechnungshofes. Es folgt die Beratung über den Etat d?§ NeichSarbeitsministeriumS. Vom Ausschuß wurden zahlreiche Entschließungen vorgelegt. U. a. wird die Reichsreaierung ersucht, den infolge des Ruhr- ?iubruchS entlassenen Arbeitern und Angestellten bei Wiedsrein stellung neuer Arbeitskräfte gesetzlich ein Vorzugsrecht auf Anstellung zu gewähren. Abg. Dr. Fick (Dem.) ersucht den Minister, bei der Vor bereitung von Gesetzen nicht nur die Spitzenverbänd?, sondern auch die Arbeitgeber zu hören. Abg. Lambach (Dn.) begrüßt die geforderte Herausgabe einer Denkschrift über die Beteiligung von Arbeitern und Angestellten durch Kleinaktien an den B?trieben. Altz. Aushäuser /Soz.): Angesichts der drohenden Ar beitslosigkeit sollte ein Schlüssel für die automatische Anpassung der Erwerbslosenunterstützungssätze an die Geld- entwcrtnng gefunden werden. Weiterberatung am Freitag 8 Uhr. Außerdem Entwurf über verschärft?» Versammlungsschutz. Die Zuführung von Devisen an die Neichsbank Berlin, 4. Mai. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß des vorläufigen Neichswirtschaftsrates beschäftigte sich mit den von Arbeitsausschuß zur Beratung der Ausfuhr-Freiliste vo» geschlagenen Bestimmungen. Die Vertreter der ReichSregierimg erklärten dazu, die Dcvisensicherung sei der Kernpunkt der ganzen Frage Die Zuführung von Devisen an die Reichsbank solle daher durch noch schärfere Maßnahmen als bisher gesichert werden. Es seien darum dreierlei Bedingungen vorgesehen: Fakturierung in auslävdischer Währung, Abgabe von dreißig Prozent des Gegenwertes an die Reichsbank, Vorlegung einer Devisenablieferungsver- pfli'chtung bei der Grcnzabfertigung Keine Kohlcnpreiserhöhung Berlin. 4. Mai. Nachdem der Bergbau im Interesse der energischen Durchführung des Abwehrkampfes an der Ruhr und unter Berücksichtigung der verteuerten Lebenshaltung eine Er höhung der Bergarbeiterlöhne um 10 bis 1k Prozent trotz der ent- gegenstehenden Bedenken zugestimmt hat, beschäftigten sich die Organisationen der Kohlenwirtschaft am Donnerstag mit der Erörterung der Kohlenpreisfrage. Anträge auf Preiserhöhungen waren indessen gemäß einer vorher getroffenen Vereinbarung mit dem Neichsschatzmiuisterium nicht gestellt. Vielniehr wurde auf Antrag der Geschäftsführung beschlossen, die Entwicklung der allgemeinen Preisvcrhältnisse zunächst abniwarten und die Lohn erhöhungen für das erste ohne Preiserhöhungen vor- zimehmeii. Die Vertreter des Bergbaues betonten, daß sie mit Rücksicht auf die politische und wirtschaftspolttische Lage und um Preiserhöhungen in der kohlenverarbeitendeu Industrie nach Möglichkeit hintan zu halten, Opfer zu bringen bereit seien. Msar. Testas Bericht Rom. 4. Mai. Msgr. Testa hat dem Papst seinen Bericht über das Ruhr gebiet abgestattet. Darin schilderte er das Ruhrelend und wies vor allem auf die Zerrüttung der ,izialen Verhältnisse hin. Testa erklärte, daß die französische Nuhrpolitik die Schuld an dieser traurigen Lage trage. Marschall Fach an Pole« Czenstochan, 4. Mai. Auf seiner Reise nach Warschau empfing Marschall Foch in seinem Salonwagen Vertreter oder Warschauer Presse, zu denen er sich über Polen und seine Armee u a. äußerte: „Ich bin glücklich, mich auf dem Boden eines freien, ausgedehn ten und konsolidierten Volkes zu befinden, das alles besitzt, um als eigene schöne Nation mit einer starken Armee zu leben, die notwendig ist, um so mehr als wir mißgünstige und neidische Nachbarn haben, die nur darauf warten, um über uns herzufalle». Es ist notwendig, daß wir zur Abwehr gerüstet sind. Wir müssen alle eifrig arbeiten und niemals glauben, daß die erreichten Resultate bereits die letzten sind. Ein Attentat ans Sir John Rocksfeller London, 4. Mai. Daily Mail berichtet auS Neuyork, daß auf Sir John Rockefeller gestern ein Attentat verübt wurde. Ein Syrier (?) stürzte sich mit einem Ruschmesser bewaffnet auf den amerikanischen Milliardär, doch wurde er rechtzeitig von feinigeu herbeieilenden Dienern entwaffnet und un,chädlich ge macht" Ein Notruf des Berliner Magistrats Berlin, 4. Mai. Oberbürgermeister Böß hat tm Namen des Magistrates Berlins an den ReichSslnanzminister, den Reichs- inneiimiilister und den preußischen Innenminister ein Telegramm gerichtet, in dem es heißt: „Starke Preissteigerungen veruriachen Beunruhigung der Bevölkerung und in einzelnen Betrieben wilde Streiks. Wir er>uchen dringend, beim Reichsfinanzministerium dahin zu wirken, Loh»- und Gehaltsverhandlungen mit Spitzen organisationen zur schleunigen positiven Abhilfe aufzunehmen." Den Anlaß zu diesem Notruf des Magistrates bot eine am Donnerstag nachmittag Plötzlich erfolgende Stillegung der Cleltrizt- tätswerke Berlins. Die Arbeiter forderten die ,oforti„c Aus zahlung der Mai-, ja der Juni-Löhne. Die Gewerkschaften setz ten sich sofort für eine Wiederaufnahme der Arbeit ei», die dann auch in der sechsten Nachmittagsstunde erfolgt. Technische und landwirtschaftlich« Messe in Breslau Breslau, 4. Mat. Die Breslauer Technische Messe und der 51. landwirtschaftsiche Maschineiimarkt wurden gestern in An wesenheit des Handelsministers und der Vertreter des ReichSwirt- schaftsministeriiims, des LandwirtschaftSministeriumS und das Messcfachausschusses beim Handelsministerium feierlich eröffnet. Beschickung und Besuch sind hervorragend Nomreise Lord Curzons? Rom, 4. Mai. Außer dem Pariser Botschafter Baron Avez- zano, der seit mehreren Tagen hier weilt und mit Mussolini län gere Unterredungen hatte, wird auch der Londoner Botschafter della Teretta hier erwartet. Mit ihm treffen In Rom auch Bonar Law und Lord Curzon ein Eine Bestätigung der Mitteilung, daß Lord Curzon sich nach Rom begeben werde, muß allerdings noch abgewartet werden. Wetterbericht der Dresdner Wetterwarte Unter dem Einstuß des bohen Drucke« über Mitteleurova herrscht auch In unserem Gebiet trockene und ziemlich warme Witterung. Di« bereits gestern erwäbnte tiefe Devrestion bei Island macht ikren Ein fluß bei un« zunächst mir durch Znnabme der höheren Wolken be» merlbar. Der hohe Druck über dem Festlande läßt eine durchgreifend« Wetterverschlechterung nicht erwarten, doch können flache Teilbildunaen am Südrande der Depression gewitterartige Störungen Hervorrufen Berliner Devisenkurse vom 4. Mai (Amtlich) Holland 14 870 London 176000 Neuuork 38000 Schweiz 6850 Prag 1130 Brrliner Börse Aktienkurse in Viooa Mark. Berliner Anfangskurse 5vroz. Relchsaiilelhe Schantima-Bahn . . kanada-Pacific . .. Hamburg. Paketsatz» Nord». Motzt, . . . . Verein. Cibelchlffatzrt Tom.» ». Privatbank Darmstädter Bank . Deutsche Bank.... Diskonto Kommandtt Dresdner Baut . . . Leivz ger Kredttanst. Ocsterr. Kredit . . . Bochumer Gnfistatzl. Drusch-Luxemburger Eieisenkirchen Bergw. Harpener Bergwerk. Hohenlohe Laurahütte Mamiesmami-Rühr. Obfcht. «isendahnbdf. , Stsenindnfirie 4. 5. «SF ISS.» so zz.rs NF io NF ?«x> 17, 775 74» »s sr 70» ss.s r»s so 45.75 50 i» rr.» rr r,.; 70.75 io.» si Iss.« 17» roo »,o MF 77 10» 7, I, Phönix........ 5. ISS z. 5. IZO Rombachcr ..... Chemische Hetzben. . 48 51 Dhimmit Nobel . . . 45F »5 Tb. c«o>dschm!bi. . . Höchster Farbwerte. 38.5 se.s Obcrschl. Kokswerte. 17« 14 Slllg.SIeNr..Geiellsch. 39 44.2 Berammm Cieklr. . . 70 MF Pöae Eieitr ISF 20 Sachsenwerl .... Görlitzer Waggon. . 44 N Linke-Hoffman». . . 83 82 Agsb.-Nilrnb. Match 52 55 Berliu-Antzatt.Masch. SOF ,4.5 Berliner Maschinen. ro M Daimler-Motoren . IS IS.S Hartman» Match.. . NF Orensietn ». Koppct. »7 Üimmcrmmmwerte . 7S Bwa-Werke 7<r 26 Harkeitzal 21 Hirsch-Knpter.... 90 Hugo Schneider. . . 67 Norddenlsche Wolle. )S8 155 Stötzr Kammgarn. . 775 Zellstoff-Waldhoff . . 4L Otavi Z50 ,75 Berliner Börfenstimmungsbild vom 4. Mai (Drahtbericht) Ruhiger und überwiegend ichwacher bei Kursermäßigungen von durchschnittlich V00ü°/,. Dagegen zogen manche Werte an. Valuta papiere bi» 80000»/, niedriger. Devisen bci kleinem Geschäft zur Schwäche neigend. Zwischen Himmel und Erde Bon Otto Ludwig (86. Fortsetzung.) . Der Valentin blieb länger auS, als er selbst gedacht hatte. Als er wieder hcremkam, war er nicht mehr der, der vorhin hinauSgegangen. Er war verwirrt und verlegen, ab?r gang an- derS verwirrt als vorhin. Er stand immer im Begriff, etwa« »u tun, od?r zu sagen, worüber er erschrak und etwas anderes tat oder sagte und wiedermm ungewiß schien, ob er nicht auch darüber erschrecken sollte. Immer, und wenn ?r gar nichts ge sagt hatte, meinte er, er habe zuviel gesagt. Manchmal war's, als ob er lachte; dann sah er wieder desto trauriger aus. lind das paßte nicht zu dem, waS er sprach; denn er redete vom Wetter. Dazwischen machte er sich viel an der Tür zu schaffen, die er imm?r wied?r einmal öffnete; zuletzt blieb er im Hausflur stehen, wo er den Gang nach dem Schuppen hin übersehen konnte; sind eS waren die wunderlichsten Vorwände, durch die er all diese Tätigkeiten rechtfertigte. Die junge Fraiu bemerkt? erst die Ver- Änderung nicht, dann beobachtete sie ihn verwundert und immer sihmmgSvollec Zuletzt hatte er sie angesteckt mit seinem Wesen. Wenn er unwillkürlich lachte, glühte sie in Hoffnung auf, wenn er dann s?in trauriges Ggsicbt machte, drückte sie die Hände zu sammen und wurde wieder bleich. Sie folgte seinen Augen, ihm ßlbst nach der Tür und erschrak, so oft er sie öffnete. Dabei s> rachen sie immer vom Wetter; wären sie ruhig gewesen, sie k.äüe.n über ihre eigenen Reden lachen müssen; ab?r man sah er fürchtete sich, etwas zu sagen, sie fürchtete sich, nach dem Etwas zu fragen. Zul?tzt preßte sie beide Hände bald gegen das Herz, baß das Mieder durchschlagen wollte, bald gegen oie brennenden, hämmernden Schläfen. Der Alte meinte sie endlich vorbereitet Peinig, das Wetter fahren zu lassen. „Ja," sagte er, ,.eS ist ein Tcht, wo die Toten aufftehen möchten, und wer weiß — aber tun Ei? mir noch doS zulisb und erschrecken Sie nicht." Sie er schrak dennoch. Sie sagte zu sich: „Aber es ist sa nicht möglich!" tknd sie erschrak doch eben, weil ?S mehr als möglich, weil eS. ge- wiß war. «Da sehen Sie einmal dahinter," schluchzte der Alte, der nur lachen wollte. Sie sah den Gang hin; sie hätt' eS getan, Hih' der Alt» sie dazu «ufforderte. Der alte Valentin eilte aus der Vordertür. dem alt?n Herrn die Freudenpost zu bringen; selig und stolz auf sein klug durchgeführtes Werk. Die junge Frau hielt sich fest an dem Türpfosten, als sie den Schritt hörte durch den Schuppen. Aber auch der Türpfosten stand nicht mehr fest, sie selbst nicht mehr auf dem fest?» Boden; sie schwindelte zwischen'Simmel und Erde. Und als sie ihn kommen sah, war nichts m?hr auf der Welt für sie, als der Mann, um den sie wochenlang mehr als Todesangst geduldet; alles ging um sie im Wirbel, erst die Wände, der Boden, die Deck?, dann Bäume, Himmel und grüne Erde: ihr war, als ginge die Welt unter und sie würde erdrückt im Wirbel, hielte sie sich nicht fest an ihm. Sic fühlte, wie sie hinsank, dann nichts mehr. ApolloniuS hatte sie aufgefangen. Sie war bleich u. schien toi. Er trug sie nicht in die Stube, er ließ sie nicht herabgleiten aut die Erde, er tat nichts, sie zu beloben. Er stand verwirrt; ?r wußte nicht, wie ihm geschehen war, er mußte sich besinnen. Der alte Val?ntin batte ihn noch nicht gesprochen; er hatte nur durch den Gesellen, der vom Blechschmied nach Sankt Georg eilte, er. fahren, ApolloniuS folgte ihm und werde bald hier sein. Apol- lonius war vom Nagelschmied am Tor aufgehalten worden. Dann hatte er geeilt, dem Befehle des Vaterö nachzukommen. Daß ihn der Vater rufen ließ, hatt? ihn befremdet; er konnte sich nicht Lenken, warum. Von dem Sturze eines Schieferdeckers in Tam bach halt? er gehört, aber er wußte nicht, daß daS Gerücht die Ortsnamen verwechselt hatte, und daß jemand glauben könnte, ihn habe daS Unglück getroffen. So gänzlich unvorbereitet ans das, was ihm der nächste Augenblick bringe» sollte, war er durch den Schuppen gekommen. Er wollte sogleich zu dem Vater aus dessen Stübchen, da hatte er die junge Frau den Gang herstürzcn und mit dein Umsinken kämpfen sehe» und War ihr entgegen- geeilt. Und nun hielt er sie in den Armen. ES überflog ?in Schein das weiße Antlitz bis in die Haare, die über die Schläfe hinabrollten. Die tiefen blau?n Augen öffneten sich. Und nun saih sie ihn an und erkannte ihn. Sie wußte nicht, wie sie hierher gekommen, sie wußte nicht, daß sie in sein?» Armen lag; sie wußte nichts, als daß er lebte. Sie sah sich wild um. „Er will dich töten. Er wird nicht eher ruhen/ Sie umfaßte ihn. als wollte sie ihn mit ihrem Leibe deck?» gegen einen Feind; dann v?rgaß sie die Angst Mer die Gewißheit, daß er noch lebte, und lachte wieder und weinte zu» gleich und sraate ihn wieder, ob er auch »och lebe, ob er'S auch sei. Aber sie mußte ihn ia warnen. Sie mußte ihm alles sagen, WaS jener ihm getan, und waS er ihm noch zu tun gedroht. Sie mutzte eS schnell; jeden Augenblick könnt? jener kommen. „Er hat mir gesagt, du verhöhntest mich und hättest meine Blume vor den Gesell?» ausg?ootcn. Auch du weißt'S ja noch, beim Pftngstschießen die Blume, daS kleine Glöckchen, daö ich liegen ließ. Und du Haft s ihm geschickt. Ich Habs gesehen. Ich Wußte nicht, warum. Du hast mich gedauert. Daß du so still warst und trüb und so allein, du hast mir weh getan. Da hat er mir beim Tanz gesagt, du hättest deinen Spott Mer mich. Da gingst du in die Fremde, und er hat mir gesagt, wi? du in d?i»en Briefen über mich spottest; daö tat mir weh. Du glaubst nicht, wie weh mir das tat. wenn ich schon nicht gewußt Hab. warum. Der Vater wollte, ich sollte ihn freien. Und wie du kamst, Hab ich mich vor dir gefürchtet; du hast mich immer noch gedauert und ich Hab dich immer noch geliebt und wußt eS nur nicht. Er selbst hat mir's erst gesagt. Da bin ich dir ausgewichen. Ich wollte nicht schlecht werden und w'll'S auch nicht. Gewiß nicht. Dann hat er mich gezwungen, zu lügen. Dann hat er mir ge droht, waS er dir tun wollte. Er wollte machen, daß dn stürzen müßtest. Es wäre nur Scherz; aber, sagt ich'S dir, dann wollte er'S ini Ernste tun. Seitdem Hab ich keine Nacht geschlafen; die ganzen Nächte Hab ich aufgesessen im Bett und bin voll TodcS- angst gewesen. Ich Hab dich in Gefahr gesehen und dürft eS dir nicht sagen und durste dich nicht retten. Und er hat die Seil? zerschnitten mit der Axt in der Nacht, eh' du nach Brambach gingst. D?r Valentin hat mir'S gesagt, der Nachbar hat ihn in den Schuppen schleichen sehen. Ich Hab dich tot gemeint und wollte auch sterben. Denn ich wär schuld gewesen an deinem Tod und stürbe tausendmal um dich. Und nun lebst du noch und ich kann'S nicht begreifen. Und eS ist alles noch, wie eS war; die Bäume da, der Schuppen, der Himmel, und du bist doch nicht tot. Und ich wollte auch sterben, weil du tot warst. Und nun lebst du noch, und ich weiß nicht, tst'S wahr oder träume ich'» mir. Jst'S denn wahr? Sag dn mir's doch: ist« wahr? Dir glaub ich alle«, was du sagst. Und sagst du, ich soll sterben, so will ich'S, wenn du's nur weißt. Aber er kann kommen. Viel« leicht hat er gelauscht, daß ich dir'S sagte, WaS er will. Schick den Valentin in die Gerichte, dah sie ihn fortführen und er dir nicht» mehr tun kann!" (Fortsetzung folgt.)