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Nr. Ä33 — s. Jahrgang Freitag de« 14. Oktober LVL0 MchslscheUMsMilllg ' . »..r»»»-»» ««««>»»-oder deren Raum mtl Erscheint ISglich nach«, mit «uSnahme der Sonn- und Festtage. AsSaabe t., MU »Die Zeit In Wort und Bild' dtertellLbrit». >1,1» I» Dresden durch Boten 2,4» ganl Deutschland?ret Hau« 2.82 ' Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit " entsprechenden Rabatt. Litte prodieien 5ie oosereo Iioeiileilien ^Zmilieo-^Zffee per pfimej /Viarß 1.35. ^er'Ürig 5 ^oc^tsEOli, D^5deii. klsdsr'lakbli ln süsn Stac^ttsllsn. "lk Ihr Heuchler! Dresden, den 13. Oktober 1910. Wir haben schon darauf gewartet, daß die liberale Ge sellschaft und ihre Austräger die Revolution in Portugal den Katholiken, besonders den Jesuiten in die Schuhe schieben würden. Und richtig! Mit der Regelmäßigkeit eines Automaten stellt sich der dumme Teufel ein, um sein eingetrichtertes Verslein herunterzustottern. „Der klassische Boden des Ultramontanismus ist der klassische Boden der Revolution," so fängt die Leier an. „Das ist derselbe Ultra montanismus, der den germanischen Völkern den Glauben an die Lebensmacht der Reformation rauben möchte," so hört sie auf. Mehr poetisch angelegte Gemüter, wie die „Leipziger Neuest. Nachr.", drücken sich gewählter aus. Sie malen am 8. d. M. auf ihr geduldiges Papier folgende Sprüche: „Sonnige Länder, paradiesische Gärten! Aber auf ihnen lagert der Schatten des römischen Zepters (!), und die letzten Kräfte, dis vielleicht in ihnen noch ruhen, werden, wie in Spanien, so auch im Lande Manuels, von der Zuchtrute des Klerus (!) vernichtet." Zuchtrute des Klerus! Was für Schauergedanken wer den die dunklen Hirne der liberalen Spießer durchzucken! Das ist dieselbe Zuchtrute, die über den katholischen Gegenden Deutschlands und, wer weiß, vielleicht einmal über Sachsen geschwungen wird! . . . Doch nein! Kirchen rat Hoffmann ist auf der Schanze, Kriegsrat Meier auf dem Posten, Graf Hoensbroech zur Stelle. Auf seiner er probten Nosinante sitzend, führt er die Plempe. Einer komme ihm nur zu nahe! Den Römischen die Maske vom Gesichte reißen, dem Klerus die Zuchtrute entwinden und im Triumph ins Museum für Aufkläricht bringen — das wäre das Werk eines Augenblickes. Aber mit Verlaub, ihr Herren! Wenn die Jesuiten in Portugal die Revolution verschuldet haben, warum war es eine der ersten Ruhmestaten der roten Nachtmützen, ihre Lehrmeister zu verjagen? — „Ein jedes Reich, das wider sich selbst uneins ist . . ." Nicht wahr, Sie verstehen! Oder war der Magister zu streng? — Ach ja! „Die Zuchtrute"! — „Immer stärker tritt der wilde Haß eines geistig ge knechteten Volkes gegen seine Zwingherren hervor, ein Haß, wie ihn das hinter den Stäben eines Käfigs gebannte Raubtier gegen seinen Bändiger empfinden mag," schreiben die „Leipz. Neuest. Nachr." in ihrer bekannten Hinter treppenromantik, und da sie jahrelang ihre knallroten Jahr marktsbilder der Inquisition hermngezeigt haben, so wer den ihre einfältigen Zeilen von allen Geistesverwandten voll Andacht und Heißhunger verschlungen werden. Wäre nur ein Eckchen gesunden Menschenverstandes in diesen Studienköpfen, so müßten sie einsehen, daß, wenn es je eine „Zuchtrute des Klerus" gegeben, der gesamte revolutionäre Pöbel von Lissabon mit seinen Häuptlingen an der Spitze damit ebensowenig Bekanntschaft gemacht hat wie mit dem Innern der Kirchen, Klöster und mit ihren Insassen, den „Blutsaugern des portugiesischen Volkes", wie das liberale Blatt zu schmusen sich erkühnt. Im übrigen hat das Blatt natürlich keinWortdes Tadels für die beutegierige Meute der Klosterstürmer. Wozu auch! Im Grunde wollen sie hüben wie drüben das selbe: Die Infame vernichten! Die Kleckser der revolutionären Presse werden das mit ihren abgestandenen Phrasen zwar zu vertuschen suchen, allein sie und ihre deutsche Vetterschaft ist längst erkannt und durchschaut. „Die Lehre aller Katholikentage von dem unzerstör baren letzten Bollwerk, das die katholische Kirche angeblich gegen alle revolutionären Gelüste sein soll, hat in Portugal neues glänzendes Fiasko erlebt," schreibt ein einfältiger Schwätzer. Diese Lehre, freilich etwas älter als die Katho likentage, hat ein preußischer König gelesen und für richtig befunden, ein belgischer bejaht und in die Worte gekleidet: „Katholiken machen keine Revolution!" Allerdings sind die Revolutionäre in Portugal katholisch, aber sie gehören zu jener Kategorie, der selbst der Evangelische Bund die Hand zur Brüderschaft reicht, weil sie nicht zu den ultra montanen Katholiken, d. h. überzeugungstreuen gehören; die dargebotene Hand der glaubenstreuen und königs- treuen Katholiken aber stößt der Evangelische Bund zurück. Wer von der „Zuchtrute des Klerus" in Portugal spricht, ist ein Idiot in der Geschichte. Wenn ein Land nicht klerikal, sondern seit 150 Jahren mit ganz kurzen Unter brechungen von liberalen Parteigängern regiert ward, so ist es Portugal. Ist das Land kulturell zurückgeblieben, so trifft die Schuld ganz allein die Liberalen und ihre Helfershelfer, die Freimaurer, die in Portugal selbst über den Klerus eine Macht ausgeübl baben, wi? nirgends sonst in der Welt. Seit Sebastiao Jos6 de Carvalho e Mello, der als späterer Marquis v. Pombal unter Joseph I. Emmanuel zur Macht kam, also seit dem Jahre 1750 erleidet die Kirche in Portugal fast unausgesetzt Verfolgungen, die teilweise sehr grausamer Narur waren. Der Feldzug begann mit der Lügenschrift Pombals „Nelazao abreviada" gegen die Jesuiten in Paraguay. Daß sie eine solche ist, nämlich, da sie behauptet, die Jesuiten hätten die Indianer gegen die Spanier und Portugiesen in Süd amerika zum Krieg geführt, hat der bekannte protestantische englische Historiker Southcy in seiner History of Brezil (T. III.) auf Grund eines gewaltigen Ouellenmaterials authentisch festgestellt. Und selbst der nichts weniger als jesuitenfreundliche Alfred Zimmermann (Die Kolomai- politik Portugals und Spaniens, S. 883) muß die Väter von diesem Vorwurf freisprechen. 1761 ließ der Diktator, der sogar die Inquisition mit seinen Werkzeugen besetzt hatte, den alten, geistesschwachen (durch lange Kerkerhaft war er es geworden) Jesuiten Malagrida auf dem Scheiter haufen verbrennen: abermals eine echt „liberale" Hand lung, der sich in den letzten Tagen die Verwundung wehr loser Nonnen durch die Leibbanditen Sr. Exzellenz Braga würdig anschließt. Unter Maria Francisca, die nach der 27jährigen Schreckensherrschaft Pombals 1777 an die Negierung kam. schienen sich die Verhältnisse bessern zu wollen, aber die Königin wurde irrsinnig und ihr Sohn Johann konnte die Schäden, die Pombal der Kirche geschlagen hatte, nicht heilen. Pius VII. mußte im Jahre 1805 ernstliche Vorstellungen gegen die kirchenfeindliche Haltung des Regenten und der Regierung erheben. Erst als Napoleon das Land besetzen ließ, traten etwas bessere Verhältnisse ein. die bis 1820, auch unter Johann, fortdauerten: aber in diesem Jahre brach eine Revolution aus, der König ward von Thron und Land gejagt und die oktroyierte Verfassung leistete an Kirchenfeindlichkeit das Menschenmögliche. Johann, um wieder zur Herrschaft zu gelangen, erkannte sie an, und bis zu seinem Tode 1826 triumphierten die „Antirömlinge", es wurde also seit Pombal bis zum Jahre 1826 fast unaus gesetzt im antireligiösen Geiste in Portugal regiert! Die kurze Herrschaft Tom Miguels brachte hierin frei lich eine Aenderung, die Jesuiten konnten zurückkehren: Aber nicht auf lange Zeit, denn sowie Dom Miguel 1831 verjagt wurde, war eine der ersten Handlungen Dom Pedros, den Orden wieder des Landes z» verweisen. Ferner schaffte der neue Herrscher das Tribunal der Nunziatur (für gewisse geistige Angelegenheiten) ab, jagte den Kar dinal-Pronuntius aus Portugal fort, erklärte alle von Nom aus besetzten 7 Bistümer und Prälaturen für erledigt und setzte überall unkanonische Administratoren ein. Und dann ging die große Verfolgung, das große Stehlen los: viele Bischöfe und viele Ordenspriester wurden ins Gefängnis geworfen, und, wie Neher sagt, unmenschlich behandelt. Kein Priester durfte ohne Erlaubnis der Regierung ein Sakrament spenden (wie echt liberal!), „alle geistlichen Patronate wurden aufgehoben, sämtliche Pfründen- vcrleihnng der Regierung reserviert", die sie denn auch mit Priestern nach Möglichkeit besetzte, die zugleich Freimaurer waren (Neher konstatiert, das; von den 36 Stadtpfarrern Lissabons — noch im Jahre 1812 — 31 Maurer waren!). Des weiteren räumte man mit den wenigen Klöstern auf. welche Dom Miguel wieder hatte eröffnen lassen; erst trieb man die Novizen aus den Ordeushäuscrn, dann wurden >836 alle Männerklöster, alle Hospize, alle Kollegienhäuser aufgehoben. Die Regierung benahm sich widerrechtlich und zahlte nicht einmal die zugesagte kärgliche Pension, so daß die Vertriebenen in das äußerste Elend gerieten; abermals eine echt „liberale und humane Handlung"! 1836 hob man die Nonnenklöster auf. Seit jener Zeit sind tatsächlich alle Klöster in Portugal verboten und erst in den letzten 20 Jahren hat man offiziös, nicht offiziell, einige Niederlassungen geduldet. So sieht das von den Klöstern „ausgezogene", von den Mönchen „verdummte", unter der „Zuchtrute des Klerus" seufzende Land in Währ- hcit aus! In Wahrheit haben in ihm fast unumschränkt die Liberalen und Freimaurer regiert, und wenn dos Vo.k zurückgeblieben ist. dann tragen sie und niemand anderer die Schuld daran. Und so ging es die nächsten Jahrzehnte lveiter. Erst in den letzten Jahrzehnten schienen sich dis Verhältnisse etwas sanieren zu wollen — aber von einer „ultramontanen" Herrschaft war niemals die Rede, konnte es in einem Lande, in dem seit weit über 100 Jahren die Kirche die schlimmsten und grausamsten Verfolgungen zu erdulden hatte, gar nicht sein. Ein „ultramontanes" Mini sterium hat niemals regiert, denn auch die Konservativen in Portugal sind im Sinne der Liberalen nicht „ultra- montan" gewesen. Erst jetzt in den letzten beiden Jahren, als der Freimaurerorden ganz offiziell wieder gegen die Katholiken hetzte, fing eine katholisch-soziale Partei sich zu bilden an. Aber diese Bildung ist über die ersten Anfänge noch nicht hinausgediehen. Schutzlose Nonnen läßt man von trunkenen Matrosen beschimpfen, verwunden, ins Militärspital schaffen, aus dem Lande treiben; jeder Priester wird von Pöbelhorden mit dem Tode bedroht. Die Kirchen müssen geschlossen bleiben. die Jesuiten werden gefesselt zur Freude des rohen Mobr, durch die Straßen geführt. Und das in einem Lande, das wahrlich von „klerikaler" Herrschaft, wie wir gesagt haben, nichts zu dulden hatte, desto mehr aber von liberaler Herr schaft; Loge und Janhagel triumphieren und ihre „Kultur" ergeht sich in Brutalitäten sondersgleichen. Der Liberalrs- mus allerorten jubelt ihnen zu. Genügt dieser Beweis nicht? Er sagt unS nur zu deut lich, daß cs liberale Saat ist, welche jetzt in Portugal aufgeht. Ter Liberalismus hat immer nur einreißen können, zum positiven Aufbau reichte cs ihm nie. Das Blut der portugiesischen Revolution muß alle Staatsmänner da vor warnen, den Irrlehren des Liberalismus Gehör zu schenken. Die Jahrhundertfeier der Berliner Universität. Anläßlich des Jubiläums der Friedrich - Wilhelms- Universität fand Dienstag, im Anschluß an den Festakt in der Universität, nachmittags im LandeSauSstellungSpark ein Festmahl statt, an welchem über 800 Personen, aus nah und fern gekommen, teilnahmen; unter den Ehrengästen befanden sich auch Prinz August Wilhelm von Preußen und Prinz Rupprecht von Bayern. Die beiden Prinzen saßen zu seiten des JubiläumSrektorS, Geheimen RateS Erich Schmidt. Die Reihe der Toaste eröffnete der Reichskanzler mit einem begeistert aufgenommenen Hochruf auf den Kaiser. Hieraus ergriff Geh. Rat Kahl das Wort, zunächst der Freude Ausdruck gebend, daß zwei Prinzen dem Festmahle anwohnen, beide voll edler Begeisterung für alles Ideale, für Kunst und Wissenschaft. Sodann überreichte der Rektor der Universität, Geh. Rat Schmidt, dem Prinzen Wilhelm von Preußen den Ehrentrunk, wobei der von der Berliner Kaufmannschaft gestiftete Pokal eingeweiht wurde. In längerer Rede gab der Kultusminister ein übersichtliches Bild der Entwicklung der Universität, an deren Jubelfeste die gesamte wissenschaftliche Welt den lebhaftesten Anteil nimmt und gab dem Wunsche in einem herzlichen Hochruf dahin Ausdruck, daß die Friedrich-WilhelmS-Universität auch im neuen Jahrhundert den alten Glanz bewahren und weiter wirken möge zum Wohle der Wissenschaft, zum Nutzen der gesamten Welt. Lebhaft begrüßt, betrat Geh. Rat Prof. Dr. v. Wilamowitz-Moellendorf daS Redner- pult und prieS in geistvoller Weise, des öfteren von Beifall unterbrochen, die kollegiale Freundschaft und den Glauben an die Wahrheit. Weitere Toaste brachte aus namens der deutschen Professoren der Rektor der Universität Bonn. Geh. Rat Loeschke, und namens der fremden Professoren, Prof. Dr. Masafsy, ferner der Vorsitzende des studentischen Jubiläumsausschusses cand. Phil. Schoepe, der auf das Prosessorenkollegium ein Hoch ausbrachte, worauf Geh. Rat Prof. Harnack mit einem Hoch auf die Studenschaft dankte. Um 8 Uhr war aus Allerhöchsten Befehl anläßlich deS UniversitätsjubiläumS im König!. Schauspielhause als Fest- Vorstellung eine Aufführung von „FigaroS Hochzeit" angesetzt, zu der über die Plätze allerhöchst verfügt war. Im Parkett, dem ersten Rang und den Logen sah man die Professoren der Universität und die gesamten Ehren gäste. in den oberen Rängen die Vertreter der Studenschaft, auch eine Anzahl weiblicher Studierender. Am Mittwochvormittag fand in der neuen Aula der zweite Festakt statt. Die Beteiligung war die gleiche wie am Dienstagvormittag. Den Mittelpunkt bildete die Festrede des Geschichtsforschers Prof. Dr. Lenz. Im Anschluß an die Festrede wurde eine große Zahl von Ehrenpromotionen verkündet. Bei der Bekanntgabe der Ehrenpromotionen, die die Universität Berlin bei dem heutigen Festakt vollzog, erhob sich der Dekan der juristischen Fakultät Prof. Köhler und teilte in einer lateinischen Ansprache mit, daß der Kaiser zum Ehrendoktor beider Rechte ernannt worden fei. Unter den Doktoren der Rechte befinden sich auch Prinz Rupprecht von Bayern, der Unterstaatssekretär im Kultusministerium Schwartzkopsf, der Oberbürger meister von Berlin Kirschner. Justizrat Heinitz, der Nationalökonom Sehring und eine Reihe von hohen Richtern und Beamten der Justizverwaltung. Der Kultus- minister Trott zu Solz und Ministerialdirektor Naumann wurden zu Ehrendoktoren der Theologie ernannt. Der ehemalige Staatssekretär Dernburg wurde zum Ehren- doktor der philosophischen Fakaktät promoviert. Zu Ehren doktoren der Medizin wurden unter anderen ernannt: Professor Hans Thoma in Karlsruhe, Professor Max Reger in Leipzig, Wilhelm Raabe in Braunscheig, Pro fessor der Chemie an der Universität zu Breslau, Eduard Büchner, Professor der Philosophie an der Universität zu Berlin Geheimrat Karl Stumpf, Oberprästdent und Staatsminister v. Rh ein baben, der Vize-Ober-Zermonten- meister Bodo v. d. Knesebeck. Die offiziellen akademischen Veranstaltungen zur Jubel- frier der Universität haben am Mittwoch mit einem glän- -enden Festkommers in den Ausstellungshallen beim Zoolo- gischen Garten ihren Abschluß gesunden. Die Zahl der Teilnehmer betrug etwa 10000. Erschienen waren mit