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Nummer 2K8 — 27. Jahrgang »Mi» wdchenU. mtl den lllnslr. »eatl»beUaaen .D» »eil- und .Für unler« »eine» L«it»'. lowie de» reUbeila«en x,. xenno-Blntl'. .Vnierbaltimg und Wissen'. .Dt« Well der ««»' .AerzUlcher Nalqeder'. Da» «ule Buch' .Filrnrnnd- M»'- MonalUAer B«,u«»vrei» S MI. «Inschl. Bestell««!». kiu,elil>mtmer IN <l Sonnabend- u. Eoiuitaqnummer s-undttibrMIelter! De. (kt. De»e»vk. Dresden. Sonnabend, 24. November 1928 tv»rlaa«or« , Dre-den «n,eiaenvreti»> Die Iqelvallene Bellt»«»« »«» 4 jlamNien- anzeigen n.Stellenaelnibe !INDie Pelltrellame,eile Mmm breit. I Für Nnzel«e» aufierbalb de» BerbrettnnaSgebicte» 40 ^ .die PetitreNametetl« I .!iO-e. Oifertenaeb.»«» 4. Im Jolle bbherer Gewalt erlischt jede Vervsitchiuna aus Ltelernn« lowie Sriiillnna v. Unzel«en>«uitriiaen n. Leislnn« u. Schadenerlatz. BelchliMicher Teil Artur Cent. Dr-ade- tsteschitst-ftelle, Drnlln.Verlag! Germania.«.^», lür Berla« und Dnnkerei, Filiale Dresden, Dre-den.«. l. Polierllratzel?. FernniiLIVIS. Vostlcheiklonto Dresden 77»l Banfsonio «tadtban' Dresden Nr. NI7V Für chrisNiche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen Volks,eit»,,« DreSden-AMtadl l Polierstrahe t7. fernen' Mtl nn»> ,1012. Kirche und Eisennamps Die Bischöfe von Münster und Paderborn zum Arbeitskonflikt in der Eisenindustrie Frankreichs innenpolitische Krise (Von unserem Vertreter.) ?k. Paris, im November. Der „Temps" hat nicht ganz unrecht mit der Be hauptung, daß für die Radikalsozialisten, d. h. die Kongreß-Teilnehmer von Angers, der Ausbruch der Regierungskrise ebenso überraschend gekommen ist wie ihr Lude. Der Verlauf dieser Ereignisse zeigt wieder einmal das paradoxe Bild, daß in einem Lande, in dem Vernunft und Logik zum obersten Sittengesetz erhoben worden sind, irrationale Elemente und unvorhergesehene Ent scheidungen fast zur Regel geworden sind. Durch diesen Hinweis ist die Regierungskrise jedoch keineswegs erklärt. Weder haben die Radikalen das Kabinett stürzen wollen, noch hat es in der Absicht Poincarös jemals gelegen, eine neue Regierung ohne die Radikalsozialisten, d. h. gegen sie. zu bilden. Warum vollzog sie sich so offensichtlich gegen Wille» und Absicht aller Beteiligten? Es verlohnt sich, diesen Ursachen nachzuspüren, denn diese Krise in Frankreich ist überaus aufschlußreich für die weitere Entwicklung des französischen Partei- und Parlamentswesens. Die Regierungskrise spielte sich entgegen allen parla mentarischen Regeln ab. Sie nahm ihren Anfang auf dem Zahreskongreß der Radikalen in Angers. Nach ebenso lebhaften wie interessanten Debatten wurde auf dem Parteitag eine Reihe konkreter, politischer Programm- Punkte aufgestellt mit bindender Wirkung für die in der Negierung sitzenden radikalsozialistischen Minister. Da sich sehr bald ein unlösbarer Widerspruch zwischen der Auffassung Poincarös und den Programmpunkten der Radikalsozialisten herausstellte, reichten die vier radikal sozialistischen Minister ihre Demisson ein, worauf das Kabinett Poincarö in seiner Gesamtheit zurücktrat. Die Negierung Poincars demissionierte somit nicht auf Grund eines Mißtrauensvotums des Parlamentes, sondern auf Grund der Entscheidung einer außerhalb des Parlamentes stehenden Organisation des radikalsozialistischen Partei tages. Hier stoßen zwei ganz verschiedene Auffassungen über Wdsen und Funktion einer parlamentarischen Regie rung aufeinander. Poincarö vertritt den klassischen Bürger-Parlamentarismus, wie er zur Zeit Louis-Philipps zum Ausdruck gekommen ist durch das so genannte Zensus-System, welches das Wahlrecht von einer bestimmten Steuerleistung abhängig machte. Respekt und Achtung vor einer der wesentlichsten Funktionen des par lamentarischen Systems, der Diskussion im Parlament finden nach der PoincarSschen Auffassung ihre Grenzen durch den A u t o r i t ä t s g e d a n k e n, ohne welchen eine Regierung ihre Aufgabe weder ordnungsgemäß noch zur rechten Zeit ausführen kann. Bei den Radikalen dagegen sind auch heute noch die jakobinischen Auffassungen lebendig, die das Parla ment unter der ständigen Kontrolle der außerhalb des Parlamentes befindlichen und im Lande verteilten Lokal komitees halten wollen. Für den Bürger-Parlamentaris mus eines Poincarö ist es unannehmbar, daß die Ab geordneten den Weisungen eines politischen Machtzentrums gehorchen, welches außerhalb des Parlamentes liegt, und fein Entstehen nicht einmal Volkswahlen verdankt. Eine derartige anonyme, vom Volke nicht kontrollierte Macht, der sich die Parlamentarier unterwerfen, ist für die Auf fassung Poincarös undenkbar. Dieser doktrinäre Gegen satz ist in früheren Jahren nicht zu praktischen Auswirkun gen gelangt. Wohl war die Souveränität des Parteitages in Frage der Doktrinen anerkannt, ohne sich jedoch so weit zu erstrecken, den Parteimitgliedern im Parlament ihre Haltung gegenüber der Regierung vorzuschreiben. Es ge langten in der Regel die berühmten Resolutionen ..negi-s klavo" zur Annahme, welche oen radikalsozialisti- schen Abgeordneten und Ministern ausreichend Spielraum für ihre Entscheidungen und Abstimmungen überließen. Auf dem diesmaligen Jahreskongreß war es jedoch einer Reihe energischer Persönlichkeiten wie Dal adier und Montigny gelungen, bestimmt formulierte politische Forderungen mit bindender Wirkung für die radikal- sozialistischen Minister zur Annahme zu bringen. Poincarö beantwortete diesen Versuch einer außerparla- mentarischen Macht, auf die Kabinettsbeschlüsse einzu wirken, mit der Gesamt-Demission seines Kabinettes. Und wenn Poincarö hierauf sein neues Kabinett ohne die Radikalsozialisten bildete, so ist dies nur die logische Konsequenz eines akut gewordenen Kampfes zweier Doktrinen, verbunden mit einer Kampfansage an einen politischen Organismus, nämlich die radikalsozialistischen Parteiinstanzen im Lande, welche sich das Recht anmaßen, die aus direkten Wahlen des Volkes hervorgegangenen Barlanientsnertreter an volitillbe Richtlinien »u binden. Die heutig« Nummer enthält das 2t. Benno-Vlatt. »ae Zonnlagsblat« kür di, Diözese Reiben. Berlin. 23. November. Der Bischof von Münster gibt im „Kirchlichen An zeiger" bekannt, daß am 1. Adventssonntag, am 2. Dezember, in allen Kirchen und Kapellen eine Kollekte für die Ausgesperrten abgehalten wird und bitten alle Diöze- sanen, nach ihrem Vermögen zur Linderung dieser Not beizu tragen. denn es sei heilige Pflicht, nach Kräften diesen Not leidenden zu Hilfe zu kommen. Der Bischos von Paderborn wendet sich in einem besonderen Hirtenbriefe an seine Diözesanen, in dem er aus die große, durch die Aussperrung hervorgerusene Notlage in weiten Teilen der Diözese hinweist und die Gläubigen aussordert, an dem von der Kirche; organisierten Liebeswerk durch Stiftung von Geldbeträgen sich rege zu beteiligen, nament lich aber auch durch die Gabe des Gebetes mit dazu beizutragen, daß diese Not recht bald ein Ende nehme und großes Unheil verhütet werde. Tariskiindigung in -er mittel-eulschen MelaUindustrie Magdeburg, 23. November. Der Arbeitgeberverband mitteldeutscher Metallindustrieller hat den am 31. Dezember ablaufendcn Tarifvertrag mit dem Metallarbeiterverband gekündigt. Zur Begründung weisen die Arbeitgeber darauf hin. daß die Rentabilität der hier in Frage kommenden mitteldeutschen Betriebe schon im Vorjahr sehr schlecht gewesen sei. Sie sind bereit, den soeben gekündigten Tarifvertrag zu erneuern und auch über den 31. Dezember Zum erstenmal seit fast 30 Jahren ist das für die Wahlen und Parteiorganisationen so wichtige Innen ministerium nicht in den Händen eines Radikalsozialisten oder einer Persönlich, i. die mit den Radikalen sympa thisiert. Poincarö hat das Innenministerium Tardieu anvertrant, von dem der frühere radikalsozialistische Minister Francois Albert behauptet, daß er zu den aus gesprochenen Gegnern der Radikalsozialiften gehöre. Den letzten Versuch, ohne die Radikalen zu regieren, hatte Mellin in den Jahren 1895-97 gemacht. (Der heute er nannte Handelsminister Bonnefou hat sich in, dem da maligen Ministerium Mellin die ersten Svoren verdient.) Durch diese jahrzehntelange Besetzung des Innen ministeriums ist es den Radikalen gelungen, fast die ge samte M'rwaltung mit Persönlichkeiten zu besetzen, die ihrer Einstellung nach den Radikalsozialisten angehörten oder ihnen nahestanden. Es gibt heute kaum einen Prä fekten, der nicht den Linksparteien angehört. Hieraus mag man ermessen, mit welcher Heftigkeit bald die Alarmrufe der Radikalsozialiften ins Land hinausgehen werden. Der Frontangriff Poincarös gegen die Nadikal- sozialisten trifft heute zusammen mit einer in den letzten Jahren stärker hervorgstretenen Bewegung, die Partei sowohl in organisatorischer wie programmatischer Hinsicht neu aufzuziehen, und die im Kampfe gegen die Kirche ver brauchten und heute überlebten Parteiideale durch energi sches Einsetzen für die Lösung wirtschaftlicher und sozialer Zeitprobleme neu zu beleben. Ob es der radikalsozialistischen Partei gelingen wird, dies Ziel zu erreichen, oder ob die jungen, kräftigen und drängenden Elemente innerhalb der Partei nur den bestehenden Spalt noch erweitern werden, ist eine Frage, deren Beantwortung der Zukunft überlassen bleiben muß. Die radikalsozialistische Partei st ehtheuteaneinenr kritischen Wendepunkt, und ihre weitere Entwicklung dürfte davon abhängen, wie weit es ihr gelingt, ihre» Kampf gegen die Kirche, in welchem ihr geistiges Niveau zu verdorren drobt, langsam anfzugeben und die freigewordenen Energien der Lösung moderner sozialer und internationaler Probleme zuzu wenden. Der intelligente Nachwuchs, über den die Radikal sozialisten heute verfügen, berechtigt zu gewissen Hoff nungen, daß diese größte Partei Frankreichs den zweiten Weg gehen wird. Zur Zeit kann ihr nichts gefährlicher werden, als wenn das heutige Kabinett Poincarö auf innen- und außenpolitischem Gebiete sich zu einem Pro gramm neuzeitlicher Reformen bekennen würde. In der Regierungserklärung ist allerdings nicht viel davon zu lesen, und man muß immer bedenken, daß in dem neuen Kabinett Männer wie der frühere Kriegsminister Maginot und Bonnefou sitzen, die sich in ihrer geistigen Einstellung bestimmt nicht geändert haben. hinaus in Geltung zu lassen, sofern der Vertrag für eine längere Zeit abgeschlossen werden sollte. Sollten die Metallarbeiter auch im übrigen mitteldeutschen Gebiet Forderungen auf Lohn erhöhung erheben, so würden die Metallindnstriellea ihrerseits die Forderung aus Lohnherabsetzung stellen. Wiederaufnahme der Voleuverhandluugen? Die Erwägungen des Rcichskabinetts über die deutsch- polnischen Verhandlungen, die bekanntlich unterbrochen wurden, sind, wie wir hören, »unmehr abgcschlossL.: worden. Der Führer der deutschen Delegation, Reichsminister a. D. Dr. Hermes, wird Anfang oder Mitte nächster Woche mit dem Führer der polnischen Delegation, von Twardowski, eine Besprechung haben. Von dieser wird es abhängen, wann die Verhandlungen wieder ausgenommen werde». Um den denksch-rumiinischen Handelsvertrag Bukarest, 22. November. Die Berliner Erklärung, wonach an der Rechtsgültigkeit des deutsch-rumänischen Vertrages kein Zweifel bestehe, findet hier insosern starke Beachtung, als gleichzeitig erklärt wurde, daß von einem Schritt des hiesigen deutschen Gesandten bet der rumänischen Regierung an zuständiger Berliner Stelle nichts bekannt sei. Diese Erklärung dürfte formal richtig sein. Dennoch wäre es falsch, der Öffentlichkeit vorzuenthalten, daß die näheren Umstände der Unterzeichnung des deutsch-rumänischen Vertrages in Bukarest eine Verstimmung hinterlassen haben, die auch in der Bukarester Presse deutlich zum Ausdruck gekommen ist. Hoovers Vropagandareise Die panamerikanische Konferenz von Havanna, die Im Januar dieses Jahres in der kubanischen Hauptstadt zusam- mcngetreten war und von Präsident Coolidge persönlich er öffnet wurde, ließ deutlich die wachsenden Gegensätze zwischen den Nord- und den Lateinameri kanern erkennen. Man erwartete die Sensation eines ossenen Zusammenstoßes, und in der Tat gab der argentinische Vertreter Puiflcerredon Erklärungen ab, die geeignet waren, die Konserenz zu sprengen, aber dank der vorsichtigen Eröffnungsrede von Coolidge gelang es, Verwicklungen zu ver meiden und die Konferenz von Havanna ging in Frieden aus einander. In den mittel- und südamerikanischen Staaten schwand aber deshalb nicht das Bedürfnis, sich von der oft aufdring lichen Bevormundung des großen nordamerikanischen Bruders zu befreien. Die südamerikanischen Zeitungen Argen tiniens und Chiles äußern häufig genug ihre Empörung über die nordamerikanische Einmischung in lateinamerikanische An gelegenheiten und namentlich über die Auslegung der Monroedoktrin, wie man es in Washington zu tun pslegt. Der Vorstoß Costaricas gegen die Monroedoktrin vor dem Völkerbund wurde in ganz Lateinamerika mit größter Ge nugtuung ausgenommen; Costarica hatte sich zum Wortführer aller gemacht. Wenn auch der Völkerbund sich der heiklen Aus gabe, eine Klärung der Doktrin herbeizusühren, zu entwinden verstand, so empfand man in den Vereinigten Staaten nur zu deutlich die Anstrengungen, die man in Lateinamerika machte, um sich von den Fesseln Washingtons zu be freien. Da man aber aus den politischen und wirtschaftlichen Gründen in den Vereinigten Staaten nicht daran denkt, das Primat über den ganzen Kontinent fahren zu lassen, und Lateinamerika keine Extratouren erlauben will, so läßt man es sich angelegen sein, um Lateinamerika zu werben. In diesem Sinn muß auch die angekündigte Reise des Präsi denten Hoover nach Südamerika gewertet werden. Es ist, was die Beziehungen Lateinamerikas zu Nord amerika anbetrifst, besonders beachtenswert, daß die An leihen. die die südamerikanischen Länder im laufenden Jahre in Wallstreet ausgenommen haben, ganz besonders hoch bemessen sind. Schon im ersten Viertel dieses Jahres waren sie größer als alle Anleihen vom Jahr, 1927 -usam- mengenommen. Sie betrugen in den ersten drei Monaten l9L8 71 997 000 Dollar. Di« hauptsächlichsten Geldnehmer in