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Vermischtes. V lieber eine verbotene Prozession in Portugal lesen wir in «katholischen Blättern folgendes: „Das Ministerium batte triftige (stründe, die Prozession zu verbie ten. Tie Teilnehmer waren nämlich aufgefordert worden, mit 5t n ü t t e l n und Revolvern versehen zu erschei nen; ferner hatten einige Tomherren die scheußlichen blut triefenden Mahnen der Inquisition, die in einer Niimpelkainmer der Belemkalhedrale lagern, hervorgesucht und sich mit diesen schwarz roten Bannern an die Spitze der (überhaupt nicht zustande gekommenen> Prozession gestellt. Wer ans dem Wege nicht niederkniete und „Es lebe die unbe fleckte Einpsängiiis!" jubelte, der sollte „gestupst" werden." (Ein äquivalenter Ausdruck findet sich in der Lissabvner Skandalpresse nicht.) So z. B. die „N. Bayer, Landesztg." Nr. 222 vom cki). Sept. - Zu Ehren der Mutter (Lottes, die in Braga besonders verehrt ivird, sollte eine Prozession zur dortigen Marienkirche stattsiiiden. Ter päpstliche Nun tius, der ganze portugiesische Epiitopcit und eine sehr große Menge von Gläubigen sollten sich daran beteilige», libe rale und Sozialisten verbanden sich nun. um die geplante Prozession zu vereiteln. Tie kalboliken batten kurz vorher eine anlikalholische Demonstration in St. Thomas durch un liebsame Entlmllniigeii vereitelt und nun wollten ihre Feinde sich rächen, Zwei sozialistische Blätter der Hcinplstadt, die „Bangnarda" (Avantgarde) und die „Folba do Povo" (Vvlksblatl) erossneten einen Berlenmdnngsfeldztig gegen de» hervorragendsten Teilnehmer an der Prozession, »an» ten diese eine Herausforderung und erklärten, daß man gegen die Prozession, wen» sie zustande käme, m i t (st e w a l t Vor gehen würde. Um Ansichreitnngen des aus äußerste erreg ten und durch die sozialistische Presse verliebten Pöbels vor- znbengen, untersagte der Minister die Prozession zwei Tage vor dem snr die Abhaltung der Feierlichkeit festgesetzten Ter min. Gegen dieses ministerielle Verbot habe» nicht »nr die katholischen Zeitungen, sondern auch liberale Blätter ent- ^ schieden protestiert. Uebrigens batten zahlreiche Männer, ! die als sog. ..liberale Katboliteii" bekannt waren, ihre Teil- : nähme an der Prozession zngesagt. Was von Knütteln, Ne- s volvern und Inanisitionsfabne» berichtet ivird, beruht ans ! einer Eitindimg, die regelmäßig in der kirchenfeindlichen ^ Presse wiederzntehren pflegt, ivenn es sich «««» Prozessionen > in Spaniel« oder Portugal handelt. v U n k ontrolli e r b a r e (st e s chicht e n. T ie „Nene Bayerische Landeszlg." gab kürzlich folgendes znm besten. »Wir zitieren nach dem Temminer Tagebl." Kc'r. 2.st!t ! vom -1. Ott): „(einer meiner koniatres (Kcanien »nd Ttel- i lnng stellen zu Dienste») es handelt sich um ein „Einge- sandt" eines tathvlischen (weißliche» lviirde von „autori tativer Seite" zur Nede gestellt, warum er sich nnfrenndlich über das Zentrum äußere und das Abonnement ans das Zentriimsblatt ansgegeben habe, „Ich babe, erwiderte der Pastor, meine eigne Meinung in politischen Tinge» »nd lese ein so unchristliches Blatt nicht, dessen Hanptlnnst im Schimpfen über alle teilte bestellt, die nicht Zentrum wäh len, ich kann ans diesem Blatt nichts Gutes noch Gescheitstes lernen, also abonniere ich auch nicht." So sprach der (Nüst liehe, und was meinen Sie. sprach die „autoritative Seite"? „Dann ziehen Sie doch lieber gleich Ihren Nock aus!" Tn in vorstehender Notiz von einer „autoritativen Seite" die Nede ist und ausdrücklich erklärt wird, daß Namen und Stel lung des betreffenden Geistlichen zu Diensten stehen, wandte sich ein hoä)gestellter katholischer Geistlicher im Aufträge des Bischofs von Würzburg um Aufschluß an die Nedaktion der „N. Bayer. Landesztg.". Wie zu erwarten war, lautete die Antwort: nur der Nedaktion gegenüber sei Namen und Stand des betr. Geistlichen zu Diensten gestellt worden, anderen Leuten nicht. Auch die tveitere Frage: Wer unter der „autoritativen Seite" gemeint sei, wurde ge antwortet: Es sei damit keine Person in Würzburg ge meint. Tatsächlich ist weder dem hochwürdigen Herrn Bi schof in Würzburg noch dem bischöflichen Ordinariat etwas bekannt von einer Aeußerung, wie sie hier einer „autorita tiven Seite" zugeschrieben wird. Mit solchen unkontrollier- baren Geschichten läßt sich freilich ein bequemer Kampf führen! v Frauen im Dienite der ansivartigen Politik, aber nur in Eyma! Zwei ju «qe Dam n. die M sses ki n. die Töchter des früheren chinesischen Gesandten in Frankreich, King. sind von der .Kaiserin Witwe mit der internationa lenkorcspondenz des auswärtigen Amtes in China betraut worden. Als die in Paris erzogenen jungen Tamen nach Schanghai zurückkehrten, wandte ihnen die Kaiserin-Mutter sogleich ihre Gunst zu und erteilte ihnen oft Audienzen. Bei einer solche» geschah es, daß einige diplomatische Korre spondenzen des Auswärtigen Amtes, die stets in französischer Sprache abgesaßt find, der Kaiserin zugleich mit der chinesi schen tteberselmng gebracht wurden. Tie Kaiserin, die viel leicht schon längst Verdacht geschöpft hatte, befahl den jungen Mädchen, die Briese gleichfalls zu übersehe». Ihre lleber- selmng lautete ganz anders als die offizielle, die nach den Anschannnge der Minister „redigiert" war. Tie Kaiserin ließ sich daraufhin eine große Anzahl letzthin eingegangener Briese und Tepesche» holen und die Uebersetznngen von den Schwestern nachprüfen und überall fand sich, daß die Mini ster ihre eigene politische Meinung unter den Inhalt ge- ichmnggell hatten. Darauf befahl die Kaiserin, daß sämt liche eingehende Briefe »nd Kabeltelegramme zuerst de» bei den Tchweslern .King ausgehändigt werden sollen, die ihr die tteberselznng bringe» müssen, ehe die Minister die Schrift stücke gelesen haben. Natürlich sieht der Minister des Ans wartigen und sein Stab diese neue Frauenarbeit nicht mit Wohlwollen an. Tt)parer r^nd Ntusik. ! Tie Musik ituveßst offiziell iu> König!. Operntinusc bis Tnnntng reu 28. Oktober, au welchem Tage das Hoslbeaier mit „Fldc'lm" ecosfuel weiden dickste. Tie nicht offizielle Musik eröffnet heule Touuerslag den 20. Oktober mit ciueui Konzert der tzc. »hinten Pariser Pianistin Ara» Berthe Marx. « e>!tral lbeater. »Kästspiel Sarah Bernhardt. Vor gestern hm Maie. Sarah Bernhardt ihr Berliner Gastspiel begonnen und als „.u.iineiiendaiiie" wieder einen »enen kiästigen Erfrag da- ^ vongekragen. Berliner Blätter rühmen einstimmig das gnie Aus sehen der Künstlerin, ihre außerordentliche Toiletienknnu und vor ! allem die wunderbare Weichheit und Ingcndlrisctie des erstaunlich ! ausdrucksvolle» Organs. Mine. Bernbardt läßt ans das berliner § soiort das hiesige Gastspiel folgen und ckiii Miliwoch den 2il. d. M. als „Herzog von Reichstädt" in „L'Aiglnn" und Tonncrstag d n 27. d. M. als „a-loria Toska" in „Pa Toska" an>. Der Vorverkauf ist schon sehr stark und findet statt: Wochentags von 10 -2 llhi »nd Sonntags von ll -2 Uhr. s Konzerte im Oktober. Arrangements und Eintritts- s karten: ,r- Ries, Kgl. Hos-Mnsikalien-Handlnag. .Konzert-Agentur ! und Piano-Magazin, Seestraße 2l ».Kaufhaus». B erIhe M a r r - G o l d s ch m i d t lKlavier), populärer Chopin- > Abend Donnerstag den 20. Oktober, abends 7 Uhr. MusenhauS. Sitzplätze L 3. 2 Stehplätze L I Edyth Walker, Lleder-Äbend. Am Klavier: Karl Preysch. Donnerstag den 2<». Oktober, abends 7 Uhr, Vereinshaus. Sitz plätze ä, 4. 8. 2 „2. Stehplätze ä l Robert Schumann sche Singakademie. Konzert, i Leitung: Albert Fuchs. Werte: F Mendelssohn: „Die erste Wal- ! purgisnachl" und k. Gramma»»: „Die Hexe." — Solisten: Luise ! Reuß-Belce (Sopran), Elaire Gersterophe »All). Heinrich Gudehus (Tenor). Emil Pichler (Bariton), Theodor Werner (Baß). Henri Petri (Violine), Richard Burmciiler (Klavier). Orchester: Gewerbe- hauskapellc. Montag den 24. Oktober, abends Ohr. Vereins» Haus. Sitzpläve ü 8, 2, l Stehplätze ü öO l. P h i l h a r m o n > s ch e s K o n ze r t. Sotlsten: Eugöne Usaye tViolinc), Lora Moran-Olden (Gesang). Orchester: Gcwervehaus» Kapelle (Direktion: W Olsen). Am Klavier: Karl Pretzsch. Diens tag den 25. Oktober, abends 7 Uhr, Gewerbebaus. Vom lO bis »in 12. Oktober erfolgt Ausgabe der vorgemerkten Abonncmcnts- karlen- Einzelkarlen für den I. Abend vom >8. Oktober ab. Bestellungen au) Plätze nimmt auch die König!. Sächs. Hof- Musikalien-Handlung von Ad. Brauer (F.Plölner . Neustadt, entgegen. Wissenschaft, Ziunft und Literatur. I Tie Plakette der Großen Kunstausstellung ist dieser Tage den Mitgliedern der Kvi»miinoii. de» Juroren, einzelnen .Künstlern, sowie «>r. ErzeUeiiz dem Staats-Minister v. Metzsch. dem Geheimen Regicruiigstal Tr. Rumpelt als Vertreter der Siaats- regiernng. Herr» Oberbickgermcisler Geheimen Finanzral Beutler als Ehrenvorsitzendci» der Kommission, sowie anderen um die Ausstellung verdiente» Herren übergeben worden. Tie Plakette ist ein kleines Kunstwerk von 5 zn 4 om, das der Dresdner Bild hauer Peter Pöppclmann geschaffen hat. In der Milte des Reliefs erblickt inan die Göuin der Kunst ans einem »iediigen Sockel; rechts und links treten zwei Füiiglingsgcstnlten. Plastik und Malerei, an die Göttin heran. Sie legt ihre rechte Hand ans die Schulter der Planck, während die Malerei ihre linke Hand ergreift. Die Inschrift lautet: „Große kiinslausslellniig Dresden t!>«>4." Die Plalctte ist von vornehmer künstlerischer Wirkung und entspricht den Regeln d> s klassische» Reliesstils. Bnchcrtisch. „Goldkürncr." Bereits m sünfiec Auslage erscheint in dein Verlage der Bo iisaeiil-r-Druckerei. Paderborn, dos Büchlein „Gold- köcner", mit dem Bilde der Gräfin Holnstein, Preis elegant geb. l 40. und rasch wird es sich wiederum neue Fieunde und dank bare Leser erwerben. Das Werk lviirde im Anschlüsse an das französische Original »leider ist nicht gesagt, wes Geistes Kind dasselbe ist« von Giäsill E. Holnstein ocnrbeilel und heransgegebcn. Holnstein nennt es „eine Sammlung kleiner Ratjchiäge -nie Be glückung und Vervollkommnung des Leben:-", ein anspruchsvoller Titel, der aber durch den Inhalt des BuckieS nur bestätigt Ivird. Es hält, was es verivricht. Schvn i» der Vorrede läßt sich leicht erkennen, daß man hier nicht »nr Schätze, die Herz »nd Gemüt bereichern werden, finden kann, auch ei» kritischer veranlagter Geist wird nicht nnchin lönnen. den hohen Wert des BuckieS in literarischer Beziehung anzuerkennen. Der Bearbeiterin gebührt alle Bcwmide- rnng, daß sie es verstanden bat. die tiefe» Wahrbeilen und fein sinnigen Levensregeln. die hier enthüllt weiden, in ein so reiches poesicvvlleS Gewand z, kleiden. Neben Aphorismen und Sinnsprüchen von edler Klarheit und Gedankenschärse finden wir Anekdoten »nd kleine Historie» von bei ühmleii frommen Männern eingeflochtcn. die, ohne den einhei'lichcn EbarakterdesGanzen immindesienzn ueräodern, die Anteilnahme des Lesers in hohem Grade zn stärken geeignet sind und damit eine weitere Empsehlnngswnidigkr't des Büchleins bilden. Das Werk, welches in 5 Abschnitten, Bücher genannt, eingeteilt ist, will vor allen Dingen der Fraileiiivelt ein lieber Begleiter auf trüben nnd frohen Pfaden sein, wozu cs ja schon von Natur aus angchalteu wird. Als besonders eigenartig nnd reizvoll mochte ich eine Art Wochenkalender, eine Neihenfolge kleiner Natschlägc für jeden Tag der Woche, die Kavitel vom Glück nnd die Abhandlung über die Gugel „nd Dämonen der Häuslichkeit hinstellen. Kleben den Hunderten von gewichtigen Neuerscheinungen des Büchermarktes, für das große, sensationslüsterne Publikum wird vorliegendes Werkchen keine Bedeutung haben, aber im stillen Kreis der Familie ist es berufen, Segen zu stifte» und die Absicht, in der cs ge schrieben wurde, vollauf zu erfüllen. Grich Kühn. — (-2 — Das waren Gedanke», die das Herz zerrissen, das Gehirn perwirrten, den Atem stocken machten. Holdswortl, sah ein, daß er ihnen nicht nachhängen durfte, wen» er nickst Gefahr lausen wollte, wahnsinnig z» werden. Er ging deshalb zu dem Kleine» und sagte zu Iolmso», der »och immer treu bor demselben stand: „Es jsl geschehen." Daraus seßte sich die'er ans Steuer nnd nahm mechanisch die Iocksteinen, obwohl die schon seil geraumer 7jeit eingetretene Windstille eine Leitung des Bootes überflüssig machte. Wahrscheinlich durch den sinnende» Blick, den Holdsworth auf ihn ge richtet hielt, erwachte der schlafende Knabe. Er perlangte nach der Mutter und webrte selbst seinen gute» Freund ab. als dieser ihn auf den Schoß zn nehme» versuchte; die Mnltcr sollte »Pst endlich answachen, er wollte zn ihr. Doch Holdsworth ließ ihn nicht los; er zog ihn an sich, drückte den kleinen Kopf fest an sei» Herz, küßte Um ans den Scheitel und sprach: „Deine Mama, mein geliebter Junge, bat der liebe (statt abgeholt und z» deinem Vater geführt." „Aber der liebe (statt ist ja da oben, und der Papa auch," schluchzte der Knabe, nach dem Himmel zeigend, plötzlich leidenschaftlich ans, „dann bin ich ja jetzt ganz allein!" „Nein, mein Herzeiistiiid, das bist du nicht, du gehörst jetzt mir; weine nicht, ich babe dich ja so lieb, sei mein liebes gutes Kind." Seine Worte schnitten ihm ins Herz wie der grausamste Hohn, denn was tonnte er tun, nm dein Kinde seine väterliche Fürsorge zu beweisen? Er setzte das.Kind mit einem Lächeln nieder, welches gewinnend und liebevoll sein sollte, dasjelbe verlieb jedoch seinem abgezehrten Gesicht mir einen schmerz- verzerrten Ausdruck. Als er sich erheben wollte, nm den Horizont zn durch forschen, saut er ans seinen Titz znrück. Ein Dröhnen wie von Glockengeläutc klang ibm in den Obren, die keble war ihm wie znsaniniengeschnürt und rroctene Fieberhitze raubte Um« beinahe die Besinnung. Er fühlte, daß sein Gedächtnis schwach lviirde, denn er versuchte es ver geblich, sich ans den Namen des Knaben zn besinnen. Dies machte ihn jedoch in keiner Weise betrossen, den» sein ganzer Physischer Zustand befand sich in Uebereiiistimmnng mit solchem Versagen des Tenkpermögens. Um mittag forderte Johnson noch etwas Num und Holdsworth maß für alle drei eine kleine Portion davon ab nnd mischte denselben mit einigen Tropfen Seewasser. Ter Knabe rührte sich nicht von der Stelle, aus welche Holdsworth ihn gesetzt hatte; er sah seine Mutter nickst mehr im Boot, doch hegte er offenbar den Argwohn, sie wäre im Wasser, denn er starrte so unverwandt ans das- selbe, als ob er erwartete, sie neben dem Boot austanchcn zu sehen. Sein Weinen hatte anfgchort. denn unter seiner Sckstvnche war der Träncnquell ver- siegt. Sah man das bleickze, schmale Gesickstchen, das Köpfchen, welches krampf hafte Zuckungen erschütterten, nnd die kraftlos herabhängcndcn dünnen Arme, da»» tonnte man nicht anders, als wünschen, daß Gott das arme Kind schnell von seinen Onalcn erlösen möchte, falls cs nicht sein Wille war. die Nettnng bald zn schicken. Der Nachmittag verging, die Sonne tauchte in die ruhige See. Als die letzte Nöte noch den Himmel färbte, kamen Seevögel aus Süden und schwebten einige Zeit hoch über dem Boot, als wären sie unschlüssig, ob sic es verlassen, — (;:r — oder ihren Flug fortsetzten sollten. Mit rauhem, heiserem Geschrei kreisten sie eine Weile, dann flogen sie weiter. So iinbedntend dieses kleine Vorkommnis auch erscheinen mag, ^ übte es doch eine belebende Wirkung ans die beiden Männer. In einer Lage wie die ihrige, einsam, verlassen und lange schon des Anblicks lebender Wesen entwöhnt, gilt jeder noch so geringfügige Vorfall für wichtig und folgenreich. Auch Holdsworth nnd Johnson sahen ihn in dieser Weise an. Sie sprachen darüber, wie sie das Erscheinen dieser Vögel ausznlegen hätten und ergingen sich dabei in den wunderbarsten Mutmaßungen. Nachdem sie so eine für ihren Zustand ungewöhnlich lange Unterhaltung gepflogen und aus dieser neue Hoffnungen geschöpft hatten, begannen sie auch über Hunger zn klagen. Johnson nahm dabei ein Stück von der durchweichten, inzwischen aber ans einer Bant in der Sonne gedörrten Zwiebackmasse und biß hinein. Die selbe schmeckte jedoch so gallenbitter, daß er sie ans der Stelle wieder aus- spnckte, denn noch war der Hunger nicht bis zur Unerträglichkeit gestiegen. Tie Nacht brach an - - mild nnd sternenhell. Keine Wolke zeigte sich an dein glitzernden Hinimelsgewöllie. Tie beiden Männer waren jetzt so gleich- gültig gegen ihr Schicksal, daß sie keine Verabredung mehr über die Nachtwache trafen. Sie verschränkten die Arme über die Brust nnd verfielen in Schlaf, oder vielmehr in einen halb bewußtlosen Zustand, der einem Beobachter den Eindruck gemacht hätte, daß sie ans diesem geradewegs in die Arme des Todes llinüberschlummern würden. Von Zeit zu Zeit entrang sich ihren Lippen ein Scirei, ähnl ch demjenigen, wie man ihn oft auf vögclrcickzcn Klippen hört. Dock' diese Schreie waren vermischt mit Lauten einer Onal, die den freund lichen Glanz der Sterne wie einen Hohn der Hölle erscheinen ließen. Ter Knabe glitt von seinem Sitz herab und blieb mit dem Gesicht auf dcm Boden des Bootes liegen; doch weder Holdsworth noch Johnson be- »mrsteu es. So verging die Nacht. 10. Kapitel. Vom sechsten bis nennten Tag. Mit Anbruch der Morgendämmerung erwachte Johnson. Seine geöff neten Augen hefteten sich fester nnd fester an eine »Stelle der See, welche halb wegs nach dem Horizont lag. Lange Zeit starrte er regungslos darauf hin. Ans einmal verbreitete sich ein wildes Lächeln üben sein Gesicht und verzerrte seine geborstenen Lippen zu einem so scheußlichen, abstoßenden Grinsen, wie man es nur auf häßlichen Papicrlarvcn sieht. Er packte mit seinen knochigen Fingern Holdsworth am Rockkragen, schüttelte ihn und rief, während er mit der rechten Hand auf die Seite deutete: „Wachen Sic ans, Stüermann, wachen Sie aufl Sehen Sie doch, sehen Sie doch, da liegt Land! Da sind Häuser und Bäume! ... O, Jesus! wie grün sie sind! — Zum Henker, so wachen Sie doch auf!" Holdsworth fuhr erschreckt empor und suchte mit aller Gewalt der Be täubung Herr zu werden, welche die Nacht hindurch auf ihm gelastet hatte. Er blickte nach der von Johnson angedeuteten Richtung, rieb sich kopfschüttelnd die Augen und sah wieder hin, konnte aber nichts anderes entdecken, als den