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Beilage ^er „Sä si sSe, i l k->ze ltrr ng'' Aus Tta^t und Lau». —* Der Stadtverordnetenvorsteher Dr. Stoeckel hat in seiner Gedächtnisrede auf weiland König Georg hervorgehoben, daß es diesem Monar chen gelungen sei, den konfessionellen Frieden in seinem Lande aufrecht zu erhalten. Diese Annahme entspricht, wenn man der Wahrheit die Ehre geben will, nicht den Tat- sachen. Weiland König Georg hat nicht vermocht, das wüste Treiben des evangelischen Bundes, den sein erlauchter Bruder in berechnender Voraussicht einen Hetzbund nannte, von den Grenzen seines Landes fernzuhalten. Gerade unter seiner Regierung hat der Bund in Sachsen einen für jeden Freund des konfessionellen Friedens Besorgnis erregenden Umfang genommen: ja nach dem Verhalten des sächsischen Kultusministers dem Bunde gegenüber zu urteilen, ist selbst dieser hohe Beamte, der auch katholische Interessen zu vertreten hat, mit den Zielen dieses Bundes, die ans Ent- fachung eines Kulturkampfes hinauslanfen, einverstanden. Mit Betrübnis mußte der edle Monarch sehen, wie in seiner Haupt- und Residenzstadt in allen Versammlungen des Ev. Bundes die heilige katholische Kirche, als deren treuer Sohu er sich bis zu seinem letzten Atemzug bewährt hat, uud ihr erhabenes Oberhaupt in den Staub gezerrt und verun glimpft wurden. Noch vor seinem letzten Krankenlager mußte er es erleben, daß in den „Dresdner Nachrichten", dem tonangebenden Organ des Ev. Bundes in Dresden, die harmlose Festfreude des katholischen Gesellenvereins, dem der König sein herzliches Wohlwollen zu erkennen ge geben hatte, als arge Herausforderung der Protestanten denunziert und seines hohen Sohnes. Prinz Mar, wahr haft priesterliches Wirken einer unwürdigen Kritik unter worfen wurde. Und ein anderes Organ des Ev. Bundes, die „Deutsche Wacht", konnte sich in dem Bundesstaate Sach sen ungestraft erfrechen, dem deutschen Kaiser Mangel an Takt vorzuwerfen, bloß weil er dem Ev. Bunde — er wird schon gewußt haben, warum — nicht sein huldvollstes Wohl wollen ausgesprochen hat. Alles dieses spricht nicht für Wahrung des konfessionellen Friedens. Wenn der edle, nunmehr entschlafene Dulder auf dem Throne zu den Stö rungen des Friedens von protestantischer Seite geschwiegen hat, so hat er dies nur getan, weil ein echter katholischer Christ, der er war, die erlittenen Unbilden dem aufopfert, der durch den Mund des Propheten verkündet hat: Mein ist die Rache, Ich werde vergelten! —* Die Protest an tische „Sächsische Schul- zeituug" scheint einen ganz interessante» Mitarbeiter für ihre „literarische Beilage" zu haben. Welcher Tertianer kennt nicht den Namen des schweizerischen Volk-.'>schrini'rellers „Jeremias Gotthelk", der am 22. Oktober 137,4. also vor 50 Jahren, in Lützelsflüh lKanton Bern) gestorben ist. Der gelehrte Rezensent des „Sachs. Schulztg." hat diese Kenntnis natürlich nicht. Bei einer Besprechung der soeben erschienenen Volksausgabe von GottheUs Werk .. llli der Knecht" schreibt der Herr: Diejenigen, die das Wort^.modern L Wut i'iixb'-auf ihre Fahne geschrieben haben, seien mn diesen Zeilen des Nachdruck tichäen auf die Erzählung »Uli der Knecht" hingeivn s-. »: der Ver fasser. ei» gewisser (!) Feremias Gotthelf. der aber eigentlich P'stins heißen und ein Schmelzer Pastor sei» soll (!j. stehl sicher im Banne des Frcnsscnschen »Jörn Uhl." Wenn man ihm auch ein Plagiat nicht nachzuweisen vermag, so zeigen doch beide Er zählungen so viel Verwandtes, daß mindestens eine starke Be einflussung auf Seiten des Verfassers Ulis angenommen werden muß. Gewiß hat ihn der Ruhm des holsteinischen Dichters nicht schlafen lassen, aber als eine echte Schweizer Unverschämt heit müssen wir e« fessnageln, daß er seine Erzählung auch noch in Hamburg, also in unmittelbarer Nähe des alten Elbherzogtums und zu einem Preise hcrausgibl, der jeder anständige» .Konkurrenz spottet. Also ,'eremias Gelthelf soll Plagiator >'ein und zwar soll er von einem gewissen Frensseu abgeguckl haben! Dos in eine eigentümliche Geschichte! Frensseu erfreut uw des Hessen Wohlbefindens und steht in einem Alter, welches daitut, daß er das ABC noch nicht kannte, als Pi irrer Gatthelf bereits 24 Bände zusammengeschrieben hatte. Da wird wohl de» Holsteiner Frensseu der ..Ruhm des Schweizer Gotthel'" nicht schlafen gelassen haben! Man soll aber nichts rezensieren, wenn mau in der Literatur so schwache Kenntnisse hat. Wenn so ein Reinfall einmal einer koth. Lehrerzeiiung passieren würde! —* Von den sächsischen Handclskam- m e r u wurde au König Friedrich August ein Telegramm abgesaudt, das unter anderem folgenden Passus enthielt: „Das Sachseuvolk verliert in seinem König Georg den rubmgekrönteu Feldberru, der letzten einen aus großer Zeit, den gerechten uud weisen Herrscher, der mit bewun- deruugswerter Selbstaufopferung und Pflichttreue seines hoben Amtes bis zum letzten Tage seines Lebens waltete: wir betrauern insbesondere den Verlust des Erhabenen Schützers uud Förderers von Handel, Industrie und Ge werbe." Riesa. Das hiesige Technikum wurde mit einer Besu cherzahl von 69 Herren eröffnet. Leipzig. Zur Beisetzung Sr. Maj. des verstorbenen Königs Georg sind als Vertreter folgende Herreit in Dres den gewesen: Oberbürgermeister Justizrat Dr. Tröudlin, Bürgermeister Dr. Dittrich uud Stadtrat Meißner als Ver treter des Rates, Stadtverordueteuvorsteber Rechtsanwalt Dr. Jnnck und die beiden Vizevorsteber Enke und Nebwoldt. als Vertreter der Stadtverordneten. Leipzig. Die Sektion Sachsen des Verbandes der Aerzte Deutschlands zur Wahrung ihrer wirtsckzaftlichen In teressen, die am Montag im hiesigen Küustlerbausc versam melt war, erklärte in Uebereinstiiuiuung mit einem Vor trage des Herrn Dr. med. Deppe aus Dresden über: „Das Distriktsarztsystem in Dresden", daß sie nach wie vor die freie Arztwahl für das einzig richtige System der ärztlichen Versorgung bei Krankenkassen hält. Es sei das System, welches allein dem wahren Sinne des Krankenversichernngs- gesetzes entspricht uud allen Beteiligten, sowohl den Kassen selbst, als auch den Aerzten in erster Linie, jedoch de» In teressen der erkrankten Kassenmitglieder gerecht wird. Zwickau. Ten großen Preis ans der Weltausstellung in St. Louis erhielt die weitbekannte Firnia für Fabrika tion von Grnbensicl>erbeitslampen Friemann n. Wolf. Zwickau. Ein unseliger Unglücksfall ereignete sich am Montag. Durch unvorsichtiges Abspringen von einen, in Fahrt befindlichen Straßenbahnwagen stürzte ein Arbeiter und schlug mit dem Kopf auf den Fußsteig. Als der Be wußtlose zu sich kam, batte er die Sprache verloren. Zwickau. Ein Unfall ereignete sich bei einer Jage auf Stützengrüner Revier dadurch, daß der Revierförster K. zu Falle tam. wodurch sich sein Gewehr entlud und die Ladung einen Treiber so an den Beinen verletzte, daß er ins Kgl. Krankenstist gebracht werden wußte. Lugau. Beim Einsabren in den Bahnhof Lngan ent gleiste morgens in der 3. Stunde die Lokomotive des von Chemnitz nach Oelsnitz i. E. verkehrenden Güterznges. Ver letzt wurde niemand. Der Personenverkehr in der Rich tung Wüstenbrand wurde mittels Umsteigens ansrecht er halten. während der Güterverkehr über St. Egidien geleitet wurde. Mittags konnte der Verkehr ungestört fortgesetzt werden. Näheres über den Unfall ist noch nicht bekannt. Hartha. Das Anwesen des Gutsbesitzers Kirchhübel ist vollständig niedergebraiint. Plauen i. V. Bei der Tranersitzung für den verstorbe nen König hielt Herr Oberbürgermeister Schund, der sich übrigens als Kaimnermitglied zur Beisetzung nach Dresden begibt, eine ergreifende Trauerrede. Von sonstigen Herren reisen Stadtrat Kommerzienrat Mntzner, Stadtverordneten vorsteher Jnstizrat Dr. Moeller und Stadtverordneter Wil helm Anrich nach der Residenz. Plauen i. V. Ihre Majestät die Königin-Witwe hat die beabsichtigte Reise nach Planen zum Feste des Albert- zweigvereins wegen Ablebens Sr. Majestät des Königs Georg anfgegeben. Nensalzn. Der schon lange steckbrieflich verfolgte Flei schergeselle Arno Henke aus Horka entsprang ans dein Wege von Schwarzenberg nach Cbersbach seinem Transporteur. Ter Entsprungene ist 22 Jahre alt, untersetzt und blond. Seine Kleidung besteht ans einen, dunklen Jackettanzng und Hellen Strohhnt. Lübau. Bis ans den Grund wurde das Wohnhaus des Herrn Gartenbesitzers Wehncr durch Fenersbrnnst einge äschert. Glücklicherweise befand sich niemand i», Gebäude. Tie Cntstebniigsnrsache ist unbekannt. Liibnu. Der nach Alt-Löban zuständige 33 Jahre alte Maurerpolier Adolf Krohe ist seinen Verletzungen nunmehr erlegen. Krobe verunglückte durch einen Fall, sodaß ihm eine Rippe in die Lunge drang. Er hinterläßt eine Witwe und mehrere Kinder. Reichenau. Infolge des Ablebens des Königs kann die Einweihung des katholischen Kinderheims erst Donnerstag, den 27. d. M. stattfiiiden. Das Programm bleibt voll kommen dasselbe. — 64 — unbegrenzten Ozean, der sich unter den, zunehmenden Licht in, Osten blau färbte. „Vorwärts, vorwärts, die Nieinen heraus! Wohin sind wir denn eigent lich getrieben? Großer Gott, diese Bäume! Diese Pracht! Da muß es Wasser genug geben! Na, ich will es schlürfen, das soll mir schmecken! — Wird inan uns nicht bald sehen? Hallo! Schwenkt doch den Hut, Stüermann!" Er riß den scinigen herunter und fuchtelte damit wie besessen durch die Luft. Auf einmal aber ließ er den Arm sinken, — er streckte den Kopf vor und seine verglasten Angen schienen ans ihren Höhlen zu treten. Pfeifend drang sein Atem ans den, offenen Mund und er keuchte: „Es ist fort! es ist fort!" Dann brach er stöhnend zusammen und fiel, als ob ein Keulcnschlag ihn getroffen hätte, wie ein Klotz zu Boden. Der Anfall krampfhaften Zitterns, welcher Holdsworth während dieser Szene ergriffen hatte, ging vorüber. Er sah jetzt den Knaben liegen, hob ihn auf und legte ihn behutsam auf die Bank. Als er ihm dabei in das Gcsicht- chen blickte, erfaßte ihn tiefe Wehmut, denn unverkennbar trug dasselbe die Anzeichen des herannahenden Todes. Die schönen Augen, welche ihm immer die süßesten Erinnerungen an sein junges Weib erweckt und ihm deshalb dieses Kind so ganz besonders teuer gemacht hatten, waren schon halb er loschen. Welche Freude hatte er empfunden, wenn der Kleine ihm ans den, „Meteor" so vergnügt entgegensprang, um mit ihn, zu spielen, oder sich Ge schichtchen erzählen zu lassen; wie rührend nxrr es ihn, gewesen, die zärtliche Liebe des Kindes zur Mutter zu beobachten! Und jetzt, nur noch auf seine Liebe angewiesen, lag cs sterbend vor ihm, und nichts, gar nichts konnte er tun, das junge Leben zu erhalten. Elend ging cs zugrunde, verschmachtet, verhungert,-verzehrt von dem Kummer um den Tod der Mutter, deren Liebe ihm noch die letzten Augenblicke erleichtert, und seine unschuldige Seele ans Flügeln des Gebets zum Himmel getragen haben würde. Tiefer Schmerz zerriß Holdsworth das Herz, als er über den .iknaben gebeugt mit erstickter Stimme sagte: «Mein lieber, lieber Junge — sieb mich doch an — sage nur, wo tnt's denn Weh? — Im Halse? — O, mein armer, armer, kleiner Liebling!" Von Tränen geblendet nahm er sein Taschentuch, tauchte es in die See und legte es den, Kinde auf den Hals. Der Kleine schien seine Liebe noch zu fühlen, denn er machte eine Be wegung, als wollte er sich an ihn schmiegen und lächelte matt, konnte aber nicht sprechen. Aufstöhnend sandte Holdsworth einen verzweiflnngsvollcn Blick rings um den Horizont, als ob von dieser oder von jener Seite, oder von irgendwo das gottgesandte Schiff erscheinen müßte, um im letzten Augenblick doch noch dem Kinde Rettung zu bringen. Eine lange Stunde schlich hin, während welcher sich der Zustand des Kindes nicht wesentlich änderte. Wohl gaben sich Symptome kund, daß der Tod immer näher rückte, und das Gesichtchen wurde immer kleiner, trotzdem aber behielt es seinen kindlichen Reiz und Ausdruck. Verglich man sein Aus sehen mit dem der beiden Männer, so hätte man glauben können, daß diese viel eher am Sterben seien. Beide waren nur noch Haut und Knochen, asch fahl und geradezu abschreckend mit ihrem ergrauten, verwilderten Haupt- und Barthaar, den weißen, dick aufgeschwollenen und geborstenen Lippen und den schwarzen Ringen unter den fieberhaft brennenden Augen. — 61 „Wasser, mein armer Junge, haben wir nicht, aber ich will dir zu essen geben." Damit trug er ilm zum Vorratskasten, setzte ihn dort nieder und öffnete den Teckel. Der Anblick, der sich ihm bot. lies; ilm zurücktaiiiiieln. Das See wasser war i» den Kasten gedrungen, batte den Inhalt durchweicht, die Riiin- flaschen gegeneinander geworfen »nd bis ans eine zerbrochen. „Großer Gott, auch dies noch!" rang cs sich von de» Lippen Holds- Worths, während er mit zitternden Händen nach dem Segel griff, mn nicht uinzusinkeii. „Herr, Herr! Tn läßt deine Hand schwer auf »ns lasten. — Johnson, setzt haben nur nichts mebr, unser Leben zu fristen!" „Ja, ja, mit uns ist's aus," nickte dieser beistimmend, ohne seine Stel lung zu verändern: „bald wird es ans sein — war es erst vorüber!" „So dürfen wir noch nicht sprechen, alter Gefährte," begann Holds- wortb nun wieder zu trösten, wenn ilnn auch ganz anders nms Herz war, „wir beide wissen aus Erfahrung, daß, wo noch Leben ist, auch noch Hoffnung ist. Komm, trink mal wieder einen Tropfen." Darauf ergriff er die noch vor handene Flasche Ruin, gab dein Knaben etwas davon, reichte dann Johnson den Becher und iialn» selbst auch eine» Schluck. Es war dies wenigstens eine momentane Stärkung. Ganz ausfallend äußerte sich dieselbe sogleich an Johnson, Dieser dehnte und streckte sich und blickte wieder lebhafter nin sich. „Ab." holte er tief Atem, „das tat gut, mir ist ans einmal besser. — Doch was hilst's?" fügte er gleich wieder, niedergeschlagen ins Blaue stierend, hinzu, „daran glauben müssen wir doch alle, keiner von uns wird jemals von dieser Zeit erzählen." Ten Knaben schläferte der Trunk ein. Dieser Umstand schien Holdsworth der günstige Augenblick, die Leiche über Bord zu schassen. „Johnson," flüsterte er, „stelle dich so vor den armen Jungen, das; er mich nicht sehen kann, wenn er etwa die Augen ausschlagen sollte: ich will die Mutter begraben." Ter Mann tat wie ibm gesagt. Zu größerer Sicherheit zog Holds- wortb das Segel noch etwas vor, dann nabm er die Tote, so schnell eS seine geschwächten Kräfte erlaubten, ans und ließ sie unter einem schlichten Gebet sanft ins Meer gleiten. Uebermannt von dein traurigen Geschäft n^mdte er darauf dein Wasser den Rücken, und in tränenloses Schluchzen ansbrcchend, barg er sein Gesicht in den Händen. Nach Verlauf einiger Minuten warf er einen scheuen Blick rückwärts; der Leichnam war verschwunden. „Das vierte Opfer," murmelte er düster, „noch sind wir zu dritt! O Gott, o Gott, bab' Erbarmen!" Seine Gedanken wanderten zu seiner jungen Frau. Das Herz wollte ihm brechen. Was sollte ans ihr werden, wenn er nnikam! Tag und Nacht dachte sie an ihn, begleitete Um mit ihren Gebeten, lab sic sehnend der Zeit entgegen, wo die Blumen wieder blühen, die Vögel ihre Nester bauen würden, und der Sommer sic hoffnnngsfrob jeden Morgen mit dem Gedanken würde erwachen lassen: „Heut kann er kommen, beut kann er kommen!" Wie würde ihr liebendes Herz den Schlag ertragen, wenn die Nachricht vom Untergang des „Meteor" zu ihr gelangte! — Und doch war es immer noch besser, sie er fuhr bald davon, und batte Gewißheit, als daß sie noch Monate in Ungewiß heit schwebte, sich in Warten verzehrte und ihr Leben in Zweifel und hoff nungslosem Sehnen hinbrachte. U)