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SLchstsche volk»teitu«> Donnerstag den.M Dezember 1921 Wieder Schlüsse auf „angebliche ernsthaste monarchistische und nationalistische Bewegungen bei uns zieht, die irgend eine Be deutung haben", was ja in Wirklichkeit aber gar nicht der Fall ist, wie noch kürzlich der Abgeordnete Stegerwald dargelegt hat. Eines ist sicher: der frühere Kaiser kehrt nie wieder als Herr scher zurück, und was sich in Jahrzehnten ereignet, können wir ruhig der Zukunft überlassen. Alle solche Veröffentlichungen stören nur die verständige Politik des Reichskanzlers Dr. Wirth, die er auf dem Berliner Presseinpsang mit ausgezeichneter Klar heit vertreten hat: „Wir wollen sammeln, nicht zerstreuen; wir wollen das Trennende beiseite lassen und an die großen Notwendigkeiten denken, die für das Lebe» des deutschen Volkes unerläßlich erscheinen; Ruhe ini Innern und nach außen, Abwehr der maßlosen Forderungen der Gegner unter Anerkennung unserer Pflicht, Reparationen zu leisten, soweit eS mit dem Eigenleben des deutschen Volkes verträgliich ist." Ter Streit um die Staatsform muß aufhören; wir müssen diesem Staatswesen mit derselben Hingabe dienen — und zwar alle Stände — mit der die Monarchie die Dienste des gesamten Volkes empfangen hat. Nur dann haben wir die Hoffnung, das Volk wieder aus dem Elende heranszusnhren- in dem es sich befindet. Dr. Pfeiffer Gesandter in Wien Berlin, L7. Dezember. Der ZcntrumSabgeordnrtc Dr. Pfeiffer ist nnnmchr offiziell zum deutschen Gesandten in Wien ernannt worden. Bei den Mahlen zum Reichstage vom Juni 1920 wurde Tr. Pfeiffer in Berlin gewählt. An sich verl'erl nach der neuen Verfassung ein Abgeordneter nicht mehr fiaduch sein Mandat, daß er in eine amtliche Stellung eintritt oder von eine: amt liche» Stellung in eine andere befördert wird. Dr Pfeiffer kann deshalb sein Reichstagsmandak ans formellen Gründer schon beibehalten. Nr handelt damit lediglich so, wie se,nerzei» der frühere Reichsjuslizminister Landsberg, der als m.hrheilS- sozialdcmokratischer Abgeordneter deutscher Gesandter in Brüs sel wurde. Der deutsche Botschafter in Paris, Dr. Mauer, ist ebenfalls Mitglied des Reichstages geblieben. Er gehört der bayerischen Voikspartei an. Tie Zentrumsfraktion steht auf dem Standpunkte, datz auch im Falle des Abgeordneten Dr. Pfeiffer kein Grund vorliegt, auf die Ausübung des Mandats zu verzichten. Die Groß-Verliner Wählerschaft wird eS begrü ßen, daß der verdiente Abgeordnete mit se ner Fraktion in die ser Frage ebenfalls einig geht; es bleibt so für Berlin e,n tüch- tiger Abgeordneter gesichert. Beisetzung des Generasoberst Beseler Berlin, 25. Dezember. Der Eroberer von Antwerpen und frühere Gcneralgouverneur von Polen, Generaloberst von Beseler, wurde am gestrige» Dienstag zur letzten Ruhe getragen. Unter de» zahlreichen Leidtragenden, die die kleine Kirche des Jnva- lidenhauses kaum fassen konnte, sah man den Prinzen August Wilhelm von Preußen, der den Kranz des Kaisers überbrachte, die Generalobersten von Plessen und von Lyncker, die Generäle von Hutier, Scheuch, von Lochow und von Schuber t. Oberhofprediger Dr. von Dry an der. ein Freund des Verstorbene», hielt die Trauerrede, in der er den Dahingegange ilen als einen Mann schilderte, der im Weltkriege sowohl auf militärischem wie auf politischem Gebiet eine Führerrolle spie len durste und der schließlich mit dem Zusammenbruch des Vaterlandes selbst seelisch und körperlich zilsammenbrach. Chor gesang beschloß die Feier. Pionierunterossizrcrc trugen dann den Sarg zum Leichenwagen, während die vor der Kirche aufge stellte Tranerparade, die aus einem Bataillon Reichswehr be stand, unter Trommelwirbel das Gewehr präsentierte. Darauf erfolgte auf dem nahe gelegenen Juvalidcnfriedhofc die Bei setzung an der Seite des im Sommer dieses Jahres verstorbe nen Generalfeldmarschalls von Bülvw. Ehreribergs Abschiedsavdreriz (Eigener Drahtbericht der „Sachs. V o l k s z e i t g/') Nom, 28. Dezember. Ter bisherige Botschafter von Ehrcn- berg batte eine einst indige Abichiedstonserenz beim König, der sein ausrichtm-s Bedauern darüber auesvrach, daß der Botschafter, den er a»s:ichtiq schätzen oelcrnt habe, Rom tobald verlasse. Der König untei hielt sich mit Ehrenbeig eingehend über die deutschen Dinge. Beamtenpfltchte« — Parteiamgehörighrit (Eigener Drahtbericht der „Sachs. Lolkszettg.") Berlin, 28. Dezember. Wie die »Deutsche SirafrechtSzei» tung" mitteiU, bat das Lberverwa!tungsgericht dahin enffchieden. daß das bloße Bekenntnis zu einer Partei, auch zu der 'oinmn- nistischen, die eingestandenermaßen den gewaltsamen Umsturz der bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung anstredt und außerdem Weisungen einer auswärtigen StaatSgervalt Gehor sam leistet, für sich allein noch keine Verletzung der dem Be amten durch sei» Amt auferlegten Pflichten und ebenso wenig ein »nwürdigeö Verhalten in oder außer dem Amte darstellr. Ein Dienstvergehen, das zur Dienstentlassung führen könne, würde erst dann vorliegen, wenn der Beamte die E i'.chung des auf gewaltsamen Umsturz der bestehenden Staa'c-ord'nurz gerichteten Ziele der Partei, zu der er sich bekennt, durch positive Handlungen zu fördern versucht. Eine nationale ägyptische Demonstration vor der enr loschen Votschafk Berlin» 28. Dezember. Am 27. Dezember, mittags nach 2 Uhr, demonstrierte die ägyptische Kolonie Dcui>chloiidS »nt zirka 80 gemieteten Pserdedroschte i vor der englischer Botschaft Wilhelmstraße 7b. Die Insassen riefen: »Nieder m.t England, Aegypten soll frei bleiben." Nach zirka fünf Monuten fuhren sie in der Richtung Leipziger Slrage weiter. D'r Lemonsiran- tcn trugen die türkische Nationalflagge mit Halbmond und ver teilten Zette: mit der Aufschrift: »Aegyptens Ausruf kür seine Bcsreiung vor, englischen Joch." Gegen 2.40 Uyr m-wegt« nch ein zweiter Zug mit zirka 25 Droschken Unter d-n Linden nach der Richtung Fr:e> richslraße unter Hochrufen aus Acgopten. Dr. Schober über die Lage Oesterreichs Wien, 27. Dezember. Der Wiener Vertreter der Inns brucker Nachrichten hatte eine Urnerredung mit dem BandeS» kanzler Dr. Schober über die innen- und außcnpolitrsche Lage Oesterreichs. Dr. Schober bemerkte u. a., die Tätigkeit Ser Re. gierung auf innerpolitischem Gebiete habe das Ziel, durch Selbsthilfe den Wiederaufbau nicht nur vorzubereiten, län dern auch durchzuführcn. Als ihre nächste Aufgabe betrachtet ine Regierung, die Einnahmen und Ausgaben in ein besseres Ver hältnis zu bringen; wenn auch eine völlige Valanzierung des Etats im gegenwärtigen Augenblick-' noch nicht erreicht werden, könne. Die Regierung habe die Hoffnung auf die Gewährung von Krediten noch nicht aufgegeben. D>e Verzögerung der Kredit aktion habe vielfach dazu beigctragcn, daß die Krone einen 'o rapiden Absturz durchwachte. Er persönlich sei der Auffassung, daß man Oesterreich, das so ungeheure Anstrengungen der Selbsthilfe mache, in kurzer Fr:st und mit den entsprechenden Mittel» beispringen werde. Bezüglich der außenpolitischen Lage beschränkte sich der Bundeskanzler auf einige Aenßerun- aen zur westiingarffck>en Frage' und zu dem Verhält».« zur Tschechoslowakei. Er hoffe, daß die ungarische Frage durh den Protest den die österreichische Regierung wegen der Unregel mäßigkeiten und Mißbräuche bei der Vorbereitung und Durchfüh rung des Plebiszits an die Boischafterkonferenz und an die Mächte gerichtet habe, doch noch eine Lösung finden werde die dem Nechtsstandpunkt Oesterreichs Gerechtigkeit widerfahren laste. Als Ergebnis seiner Prager Reise stellte Dr. Schober fest, daß insofern ein Fortschritt in den Beziehungen zwischen der Tschechoslowakei und Oesterreich zu verzeichnen se>, als ein Schiedsgcrichtsvertrag zustande gekommen sei, der in dem b'ö- herigen Abkommen zwischen beiden Staaten nicht vorgesehen war. Die Wirtsclfaftsverträge, die zwischen den beiden vertraqkchl-e- henden Parteien abgeschlossen seien, kämen insofern Oesterreich besonders zugute, als in ihnen die seit Jahr und Tag gepredigt e Idee der Annäherung zwischen den Nachfolgestaaten zuni erst:,: Male praktisch zur Durchführung gelangt sei. Dr. Schaber gab dann noch der Hoffnung Ausdruck, daß das Jahr 1022 den Auf stieg zur endgültigen wirtschaftlichen Konsolidierung Oester, reichs bringen werde. Ein finanziechnischer Erfolg Oesterreichs in London Wien, 28. Dezember. Ter fachliche Berater des österrei chischen Finanzministers, der Gencralrat der Länderbunk De Rosen derg, hat bei seinen Verhandlungen n London len Erfolg erzielt, daß die Pariser Reparationskommission die Go belins ans den kaiserlichen Sammlungen für eine etwaige An leihe sreigcgeben hat. Es wurde euch die Ausscheidung anderer Aktiven zur Fundierung eines Jnterimskredits in der Höh: oon drei Millionen Pfund Sterling in Aussicht gestellt. Die Ver- Handlungen über den Kredit sollen zu Anfang d:s nächsten Jah res beginnen. Allerdings ist zur Verpfändung der Gobelins an ' Nr. SM, «eite » tzMMIW Mm »kl KMINW»lMWl> BkkkllllWg dkl MlIMlMtel IklllMM Aa die Ortsgruppen und au die Gerrlnttdepertreter! In einer Entschließung vom 31. Oktober 1921, die ein stimmig gefaßt wurde, hat der L a n d e s v o r st a » d der S äch- fischen Zentrumspartei alle Stadträte, Stadt verordnete und Gemelndevertreter Sachsens, die auf dem Boden der Ze »t r u m s p a r t e i (C h r i st l ich e V o l k s- partei) stehen, aufgrsordert, sich zusammen zu schließe» und sich als Landesverband Sachsen der kommun alpo- litischen Vereinigung der Zentrum spartet Deutschlands anzugliedern. Die Stadtverordneten- und Gcmeindewahlen in Sachsens haben erfreulicherweise in einer großen Anzahl von Gemeinden! auch die Wahlen von Vertretern gezeitigt, die auf dem Boden der Zeittrumspartei stehen. Es ist daher unbedingt notwendig, daß unverzüglich in Verfolg des Beschlusses des Landesvorstandes der Sächsischen Zentrumspartei die Griindungde 8 Landes verbandes Sachsen der kommnnalpolitischeu Bereinigung der Zentrumspartei Deutschlands in die Wege geleitet wird. Mit der Mitgliedschaft der kommu- nalpolitischen Vereinigung der Zentrnmspartci ist der Bezug der „Ko m m u n a l p o li ti s ch en Blätter", der außerordentlich wertvollen Zeitschrift für die Gemeindcvertrcter der Zentrums- partei verbunden. Alle auf dem Boden der Zentrinnspartek stehenden Gemeindevcrtrcter d. h. auch die, auf nichtpolitischeil Listen (z. B. Wirtschaftslisten und dergleichen) gewählten Ver treter werden hierdurch aufgefordert, sich dem Landesverbands anzuschließen. Die Ortsgruppen der Zentrum spar tet werden gebeten, möglichst umgehend dem Parteisekre tär tat, DreSden-A. 16, Holbeinstraße 46, die genauen. Adressen der in Frage kommenden Gemeindevertreter mitzuteilen. Sollten Gemeindevertretcr, die aus dem Boden der Zentrumspartei stehen, in Orten gewählt sein, wo noch keino Ortsgruppen vorhanden sind, so werden sie ersucht, direkt ihre Adresse an das Parteisckretariak zu gebe». In diesem Zu sammenhänge wird weiter noch einmal daran erinnert, daß der Landesvorstand der Sächsischen Zentrumspartei am 31. Oktober einstimmig folgenden Beschluß gefaßt hat: „Der Landesvorstand beschließt, daß die Stadtverordneten und Gemeindevertreter, die von der Zentrumspariei in die Stadtverordnetenkollegien und Gemeindevertretungen entsandt sind, sich da, wo es möglich ist, zu Fraktionen zusammen- schließen, sonst aber selbständig Vorgehen, keinesfalls aber sich einer anderen politischen Partei anschließen. Sollten aber in irgend einem Falle besondere Verhältnisse vorliegen, und ein Hospitantenverhältnis wirklich angebracht erscheine», so kann das nur nach Verständigung mit dem g e- j ch ä f ts f ü h r e nd e n Ausschuß der Sächsischen Zentrumspartei nach Prüfung der Sachlage ge schehen". Wir ersuchen noch einmal die Ortsgruppen wie auch die G e m e i n d e v e r t r e t e r, die Einsendung der Adressen im Interesse einer raschen Erledigung der Vorbereitungen anfS schnellste besorgen zu wollen. Dresden, den 28. Dezember 1921. Sekretariat der Sächsischen Zentrnmspi.rtki. die Morgan-Gruppc noch die Zustimmung AinerftaS ansständig. Jedenfalls werden die Gäbe ins ocer die an ly.cr Stelle zur Verpfändung gelangende» Kunslgcgenstäiide in Wien o.rrleu'en. Dr. Rosenberg hat darüber hinaus mit dem Chef d> c Firma Armstrong und Whitcad Kreditperl-andlungen grlsloo,'.i. Die Bedingungen, die sich auf die Verwendung der Kredite beziehen, sollen die neue österreichische Währung wertbeständig machen. Die Kredite sollen als Goldreserven für das neue Neirninstiüit dienen. Die Golddeckung müßte in London öle lc». Sächsische Volkszeitnng — Nr. 800 — 29. Dezember 1921 Das Rosenhaus Originalroman von Felix Nabor (8. Fortsetzung.) Da ihr Vater noch schlief, nahm sie das Frühstück allein ein und machte dann einen Spaziergang in die frische Lust. Als sie an der Dorflirche vorbcikam, schlüpfte sie rasch hinein, > in wenig- stens ihre: Christenpflicht zu genügen, soweit eS noch möglich war. Aber mit ihrem Beten war es nicht weit her; ihre Ge danken gingen andere Wege, die mit Frömmigkeit nichts zu tun halten. Sie war ein oberflächliches Geschöpf geworden, weil ihr die strenge Zucht fehlte. Ihr kranker Vater kümmerte sich nicht um sie und ließ ihr freien Lauf. Daher bewegte sich ihr ganzes Leben nur in Aeußerlichkeiten, hatte weder Inhalt noch Tiefe, war eine beständige Jagd nach Vergnügungen und Abenteuern. Wohl war sie im Herzen noch völlig rein und unberührt, aber sie lief Gefahr, den Dust der Mädchcnseele zu verlieren, der deren schönster Schmuck ist. Es fehlten der jungen Mädchcnknospe die milden, gütigen Mutterhände, welche sie behüte», kein Mutter- ange wachte über das zarte Reis, kein Mutterherz nahm den Wildling an die treue Brust. Jmmas Mutter war lange tot, und sie blieb sich selbst über lassen; in ihrem ungezügelte» Frcihkeitsdrange verwarf sie .ede Autorität, lebte nur ihrem eigenen Ich. Das Bewnßtse'n ikres RcickilumS verstärkte »och ihren angeborenen Dünkel und stem pelte sic schon in jungen Jahren z» einem jener exzentrischen weiblicben Wesen, welche der Schrecken ihrer zukünftigen Männer, sich selbst ein Ekel n»d allen Gutgesinnte» ein Stein des Anstoßes sind. Ans dieser Eigenliebe, Selbstüberschätzung und Eiieffeft her aus wuchs auch der Haß gegen alle, die ihr und ihrem Vater untergeben waren, sowie eenen iene, die sie cm Wissen und P:l- dimg überragten, und da sie es nie gelernt hafte, sich zu be zähmen, sondern ihren Gefühlen stets unverblümten AuSdrn-l verlieh, mackste sic sich eine Menge Feinde. Im Dorke war sie ebenso verhaßt wie ihr Vater, weil alle wiißen, daß sie ans der Seite des Direktors Büchting stand, der die Arbeiter mit m er hörter Harte behandelte. Nicht mit Unrecht vermutete die Arbei terschaft. daß Büchftai Absichten ans Jmmas Hand habe, sa daß bei einer Heirat statt des einen Tyrannen sie zwei erwarteten. Diese Furcht schürte immer wieder den Haß gegen die Tochier des Fabrikberr»; so oft sic im Dorfe erschien, glühte er aufs neue auf und äußerte sich in feindseligen Blicken, Verwünschungen und Drohungen. Jiuina kü>nmertc sich nicht darum. Sic dünkte sich über die Arbeiter sa hoch erhaben wie ein König über seine Kärrner, di« flr ihn scharwerken müssen, nm ihr karges Brot zu verdienen und ganz von seiner Gnade und einem Lächeln seiner Laune abhängen. So war eS auch diese» Sonntag. Stolzer als je trug sie den Kopf und schaute voll Verachtung auf die Dorflenie herab, die ihr scheu aus dem Wege ginge». Da sie nichts Besseres zu tun wußte, ging sie hinab an den Rhein, bnminelte an keinem Ufer und trat mißmutig und übellaunig den Heimweg r.n. Im Dorfe war es seltsam still; erst als sie in die s-ähe der Kirche kam, vermochte sie sich diese Grabesruhe zu erklären: ein Leichenzug kam ihr entgegen, und fast das ganze Darf nahm an ihm teil. Da Jmma von allen gesehen worden war, konnte sie istcht mehr zurück. Sie wolfte cs auch nicht, weil ihr dies a.s Feig heit ausgelegt worden wäre — und feige lvar Jmma Whiebil: nicht. So blieb sie denn. Der Trotz regle sich in ihr. S'e wollte den Leuten zeigen, daß sie sich nichts aus ihnen mache. Sie ver ächtlich anblickend, den Kaps stolz in ^en Nacken geworfen, ging sie ihres Weges und blickte über die Menge hinweg, a's ob sie Luft wäre. Dieser Hochmut Halle etwas Beleidigendes und wirkte wie eine Herausforderung. Ueverdics verstieß Jmmas hochf.-hreiideS Benehmen gegen die ehrwürdige Sitte des DorfcS. die '-erlangte, daß man einem Toten, mochte er auch noch so arm sein, die letzte Ehre erwies. Zornige Blicke trafen sic, in das laute Gebet mischten sich leise Drohungen nnd manche Faust ballte sich gegen bas stolze Herrenkind. Erschrocken blieb sic stehen. Der Leichen:'»- wa«- -»'»z nabe. Voraus ging ein M:ß- knabe mit einem hohen silbernen Kreuz, dann folgte die Schul jugend in zwei Reihen, darüber wehte eine große schwarze Fahne, die klatschend gegen die Stange schlug. Othmar Olten g ng in mitten der Kindcrschar; er sah ans, als würde er im nächsten Augenblick selber ins Grab steigen, und blickte völlig geistesab wesend drein Seine Stimme, welche den Gesang d-r Kinder führte, klang hohl und rauh, wie wesenlos, und die Wirte, d e er sang, schienen seinem Geiste fremd zu sein. „Ihr Trauernden trocknet die Tränen," sangen die Kind;r mit ein wenig plärrenden Stimmen, in schleppenden Rhythmus. Jmma sah verwundert den jungen Lehrer an, der s'e gar nicht zu bemerken schien. „Was hat er nur?" dachte sie „Ist er krank? Er sieht ans wie ein Tolcr." Die Schar zog vorüber, die Fahne rauschte wie rft» gr.ßer schwarzer Vogel in der Luft. Dann schwankte der von vier Männern getragene Sarg ein- her. ... Er war ärmlich und dürftig, aber die Liebe hatte ihn mit einer solchen Menge von Blumen geschmückt, daß d>e *"ahre nnd die Träger darunter beinahe verschwanden. Das ganze Torf hatte der Toten den letzten Tribut gezollt und die Armut, die hier zu Grabe getragen wurde, mit dem blühenden Gewände des Lebens, den bitteren Tod mit dem Königsmantel des Blumen reichs umkleidet. Mit einem Male wußte Jmma, wer die Tote war. di. da starr und stumm in dem schlichten Sarge lag: Frau K- ller die arme Arbeiterfrau, deren Sterben sic gesehen halte, '.ne mm Hungertyphus hinweggrafft worden war. Ein jäher Schrecken fuhr ihr wie ein glü.wnder Pfeil ins Herz. Ihr Stolz und ihr wilder Trotz brach beim A ab.ick leS Sarges zusammen. Einffchrecklichcr Gedanke zuckle grell wie ein Blitz durch ihre Seele: »Während ou in letzter Nacht tanzt, st und lachtest, ging der Tod durck's Torf und hungernde Kinder wen:» ten an der Bahre ihrer Mutter . . ." Schuldbewußt senkte sie daS Haupt »nd ihr Blick traf ü'-n greisen Priester im Ornat, dessen Augen mit mildem Borwurs auf sie gerichtet zu sein schienen. Langsam schritt er vorüber, von weißen Weihrauchwölkchen umwirbclt, die aus dem Rauch faß des Chorknaben emporstiegen. Hinter ihm ging der Gatte der Verstorbene» mit finsterem Gesicht, leise weinend drängten sich seine Kinder an ihn. Dieser Anblick schnitt Jmma wie ein scharfes Messer n die Brust nnd sie wich unwillkürlich zurück, als wollte sie entflieben. Aber nun war es zu spät; sie war schon von den finster blickenden Arbeiters umringt und wurde wie von einer Lawine mit sortgerisstn . . . Langsam bewegte sich der Zug durch das offene Tor zum Friedhof. Ein dichter, schwarzer Ring von Menschen legte sich um das Grab. Zwei Glocken klangen. Ernst nnd feierlich ichwrn- gen sich die hallenden Klänge über den Friedhof hi», wählend d-.r Sarg polternd in die Tiefe glitt. Die Kinder schrien laut a»s, als ihr Liebstes hinatgesenkt wurde in die finstere Gruft. Vor wurfsvoll und haßerfüllt richteten sich alle Blicke aus Jmma, als trüge sie die Schuld an dem Tode der armen Frau. Sie kum sich vor wie eine arme Sünderin, die an den Pranger gestellt wird . . . Schlicht und ergreifend klang daS Grablied über den stillen Friedhof: „Mag auch die Liebe weinen, ES kommt — es kommt ein Tag des Herrn, Es muß ein Morgenstern Nach dunkler Nacht erscheinen . . . (Fortsetzung folgt.) Kskkse 6noknöskere> Kaktee-, Tee- unck Kakao-ttancklung /Mrsü Xtsmm, llsüMWrlMMMll. leleplion 22424 418 empllelilt kelnate Mlsckningen Kalleo - IBeckerlgj;«, ckurck lftskslv lcemilllcd.