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Erscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Sou«, u. Festtage. Bezugspreis r Vierteljahr!. 1 Mk. 8« Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 0858. Bei autzerdeutschen Postanstalten laut Zeitungs-Preisliste. Einzelnummer 10 Pfennige. Mszeitung Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. vucbilruclrerel. beaalrtlon uns LercbättrrteNer Dresden, Pillnitzer Straße 43. Inserate werden die 6 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Nhr. Fernsprecher: Amt l. Nr. 15 00. Nr. 177. «er», «hrlfll, Donnerstag, den 0. August 1908. Pro»e»«n,-„: rix,»-. 2. Jahrgang. Wir haben einen Papst — Pins X! So jubelt es heute durch die katholische Welt, die mit Spannung, aber mich mit felsenfestem Gottvertrauen in den Tagen des Konklave ihren Blick nach der Sixtinischen Kapelle in Rom gerichtet hielt, unbekümmert und unbeirrt durch das Gerede liberaler Reporter, die von dem „Kampf der Parteien" Rampolla, Nammtelli nnd Oreglia und schließlich sogar Kopp, nicht genug zu erzählen wußten. Nun ist keiner von diesen meistgenannten Namen, deren Träger sicherlich auch des höchsten Amtes nicht unwürdig gewesen wären, aus der Urne hervorgegangen, sondern einer derjenigen Kardinale, die nur wenig und eigentlich nur so nebenher genannt wurden: Kardinal Josef Sarto, Patriarch von Venedig. Und Gottes Weisheit hat sicherlich den rechten Mann an die Spitze seiner heiligen Kirche gestellt. In pietätvoller Erinnerung an den großen Pins hat er sich Pius X. genannt; möge es ihm, wie dem neunten Pius, stets vergönnt sein, die Sprache zu reden, die das Herz des katholischen Volkes entflammt zn großer Tat wie zu opferfreudigem Dulden und möge dabei die Weisheit und Milde seines unmittelbaren Vorgängers ebenso fortlebeu in ihm, der Kirche zum Heile und den Völkern zum Segen! Josef Sarto wurde am 2. Juni 1835 zn Niese bei Treviso geboren; er entstammt einer armen Banern- familie. Seine Mutter und zwei Schwestern sind noch am ^eben, sie tragen alle Bauerntracht. Sein Vater war ein Landwirt in beschränkten Verhältnissen. Sein Bruder ist ein kleiner Weinwirt in Mantua, sein Schwager hat eine Tabaktrafik in Riese, ein anderer Schwager ist Organist der Pfarrkirche von Salzano. Nachdem Josef Sarto die Schulen seiner Heimat und von Castelfrauco besucht, erhielt er seine theologische Ausbildung im Seminar zu Padua, wo er auch zum Priester geweiht wurde. Im Jahre 1807 erhielt er die Pfarrei Salzauo. Der Bischof von Treviso, der seine Begabung erkannte, erhob ihn zum Kanonikus der Kathedrale und später zu seinem Geueralvikar. Am 10. November 1884 wurde er znm Bischof von Mantua präkonisiert, am 12. Juni 1898 von Leo XIII. zum Kar dinal und drei Tage darauf zum Patriarchen von Venedig ernannt. Obwohl gegen den anfänglichen Widerstand der italienischen Regierung, die vergeblich ein Nepräsentatious- recht in Anspruch nahm, zu diesem hohen Amte berufen, stand er später doch bei dieser Regierung in hohem Ansehen. Als Patriarch von Venedig hat sich Sarto au dem öffentlichen Leben Venedigs und der ganzen Provinz rege beteiligt. Auf seine Anregung bildete sich dort eine Liga, welche in der gemäßigten Partei in Stadt und Provinz und in der „klerikalen" Partei Anhänger hatte. Diese Liga gewann schließlich die Oberhand und den maßgebenden Einfluß im Stadrat nnd Provinzialrat. Die Liga war auch im letzten Jahre siegreich nnd ihre Anhänger bereiteten Sarto bei seiner Abreise vor dem Patriarchat eine Huldigung und unmittelbar vor der Abfahrt nach Rom. Er sagte indessen, er rechne nicht darauf, zum Papst gewählt zu werden; er hübe deshalb ein Netonrbillet nach Rom genommen. Der neue Papst besuchte vor einigen Jahren bei dem Auf enthalte des Königs Humbert und der Königin Margherita das Köuigspaar in feierlicher Weise; im vergangenen Jahre stattete er dem jetzigen Königspaare einen Besuch ab. Der bisherige Kardinal Sarto hat die Gewohnheit, ein in Venedig unter dem Namen Tresette bekanntes Spiel zn spielen. Da zn diesem Spiel vier Teilnehmer gehören, zog der Kardinal stets einige von den italienischen Orts behörden zn diesem Spiele zn. Mit Vorliebe spricht der neue Papst das venetianische Platt, er spricht es lieber als die italienische Sprache. Bei der Feier der Grundstein legnng des neuen Glockentnrmes von San Marco traf Kardinal Sarto auch mit dem Grafen von Turin zu sammen. In Venedig war der neue Papst allseitig beliebt. Bei der Abreise znm Konklave kamen Tausende znm Bahn hof, um dem .Kardinal Lebewohl zn sagen. Von den ver schiedensten Seiten wird er als eine überaus smnpathische Persönlichkeit geschildert, klug, einfach, bescheiden und voll inniger Frömmigkeit. Möge auch Pius X. lange Jahre die Kirche Gottes in Segen regieren! Das walte Gott! Sozialdemokratische (tzeschichtsschreibunq. Zn diesem Kapitel liefert einen höchst lehrreichen Bei trag ein Feuilleton-Artikel des „Vorwärts" <Nr. 170 jBeil.j vom 80. Juli 1908) unter der Ueberschrift „Päpstlicher Umsturz". Der „Vorwärts" sucht Mitschuldige an der anti monarchischen Tendenz der Sozialdemokratie und findet solche im — Papsttum. Antimonarchische Umstnrztaten der Päpste sieht er in der Antwort des Papstes Zacharias in Sachen des Staatsstreichs Pipins, der Errichtung des Kirchen staates, den Kämpfen zwischen Papsttum und Kaisertum im Mittelalter. I i der Darstellung von Pippins Vorgehen gegen den letzten Merowingersproß Ehilderich übersieht jedoch der Artikelschreiber eine höchst bedeutsame „Kleinigkeit": den Charakter des fränkischen Königtums als eines Wahl- königtnms nnd zweitens, daß nach ausdrücklichen Mitteilungen der Quellen Pipin mit dem ganzen Volke offen verhandelte, weil von diesem seine Erhebung ansgehe» sollte. Für den Papst handelte es sich im lebten Grunde um Anerkennung der Wahl der Franken. Es ist das Verdienst Hancks lKirchengeschichte Deutschlands II Leipzig 1900, S. l2fs.), die Bedeutung der Wahl Pippins durch das Volk hervor gehoben zn haben. Somit bedeutet die Antwort des Papstes nichts als die Anerkemnmg eines last a<-<'o„i>,Ii. Auch die gefälschte „Konstantinische Schenkung" muß »nieder einmal herhalten zn einem Angriff ans das Papsttum. Wie oft muß denn noch darauf hingewiesen werden, daß die Fälschung im Frankenreiche entstanden ist «St. Dem»s bei Paris) und für fränkische Zwecke. Für die Stellung des Papsttums ist aber eine in hohem Maße bezeichnende Tatsache besonders hervorznheben, daß die Päpste bis znm l8. Jahrhundert dieses Schriftstück, welches doch, wie man immer glauben machen null, zur Förderung ihrer Interessen in die Welt gesetzt wurde, nur selten erwähnen, im Jn- vestitnrstreit gar nie! llleber die Polemik Jnnocens III. gegen Friedrich II. vgl. Michael, Geschichte des deutschen Volkes III S. 268fs. >; der „niederschmetternde" Eindruck, welchen die Entdeckung der Unechtheit der Urkunde auf die „katholische Kirche" gemacht haben soll, existiert daher nur in der Phantasie des „Vorwärts". Mit dem Wort „Jnvestitnrstreit" kommen »vir ans die gewaltigen Kämpfe zwischen Papsttum nnd Kaisertum im Mittelalter. Ist es aber dem Artikelschreiber wirklich unbekannt, daß es sich hier nicht gehandelt hat um eine Bekämpfung des KönigStnms als solches, sondern um Ab wehr von Uebergrissen der weltlichen Macht, welcher als Ideal der Cäsaropapismus und Absolutismus vorschivebte. Gerade die Staufer, welche der „Vorwärts" ja nennt, hatten, um das dnrchznführcn, die Lust nnd die Macht. Barbarossa, den die Bologneser Juristen für das römische Recht begeistert hatten, hatte dessen Bedeutung für seine absolutistischen Zwecke wohl erkannt. In jenen gewaltigen Kämpfen hat es sich im lebten Grunde mit der Freiheit der Kirche auch um die Freiheit der Völker gegenüber dem Absolutismus gehandelt. Wenn der „Vorwärts" mit seinem Artikel glaubt das antimonarchische Ziel der Sozialdemokratie rechtfertigen zn können, so ist er sehr ans dem Holzweg. Tenn ein anderes ist die Bekämpfung des Königtnms als solches, anderes die Abwehr von Uebergrifsen desselben ans Gebiete, welche ihrer Natur nach ihm nicht unterstehen. Ist aber dieses Suchen nach Mitschuldigen an „Königsmorden" nicht ein Eingeständnis, daß der Sozialdemokratie ihre Verherrlichung der Revolution unbequem wird? Wer nach Mitschuldigen sucht, gibt damit zn. daß ihm sein eigenes Verhalten nicht ganz einwandfrei ist. Darum sticht dieses Vorgehen des „Vorwärts" seltsam ab von der einst in der Sozialdemo kratie üblichen blutdürstigen Verherrlichung der französischen Revolution und der „Heldentaten" der Kommune von I>l7I! lleber Nosegger! Der 90. Geburtstag des steirischen Dichters Rosegger- Hat vielen Tagesblättern zn Lobesartikeln Anlaß gegeben, von denen die meisten an starken Ilebertreibnngen leiden. Es fällt uns nicht bei, den dichterischen Ruhm Roseggers zn schmälern! Sonach würden »vir von diesen llebertreib- nngen in keiner Weise Notiz nehmen, »venu nicht deren Ur sachen zumal hierzulande in der höchst eigenartigen Stellung Roseggers znm Katholizismus zn suchen wären. — Nach geschiedener Ehe. Ein Sittenbild aus dein heutigen Frankreich. Von Comtesse de Beaurepaire. — Deutsch von Helene Kremvs (41. Fortsetzung) (Nachdruck verboten.) Sie enthielt sich aus Achtung vor dem Schmerz der Teuren jeder Bemerkung, aber als sie am anderen Tage In der Frühe einen Spaziergang durch den Park machte, verstand sie die Ursache dieser Niedergeschlagenheit. Zwar konnte sie nicht ein gleiches Bedauern wie Frau Bertinet über das Verschwinden von Dingen empfinden, die für sie nicht dieselbe Bedeutung hatten, aber Wehmut und Trauer stiegen doch in ihrem Herzen auf. Wie! ihr Vater hatte keinerlei Achtung gehabt, für alles, was die treue Gefährtin langer glücklicher Jahre ge- liebt nnd gepflegt? Zu der Bitterkeit, die schon in ihrer Seele angekäuft war, gesellte sich noch der Groll gegen den Urheber dieser Zerstörung. Das Leben in la Borderie nahm bald seinen gewöhn lichen nnd ruhigen Verlauf. In dieser stillen weiten Natur schien der Schmerz gelinder zn werden, und eine sanfte Beschwichtigung kehrte in die Seelen ein. Rolande hatte auf dem etwas vernachlässigten Gute alles wieder in Ordnung gebracht und Reginens Spuren nach Möglichkeit verwischt. Die Nachbarn, vor allem die Armen, hatten den Weg zum Schlosse wiedergefnnden. Hier wartete ihrer stets ein teilnehmendes Wort nnd aus giebige Hilfe. Auch die Besucher wurden freundlich wie immer von Aolande anfgenommen. Dieses verhältnismäßig friedliche Leben störten nur des Ocftcren die Berichte über Bertincts Tun nnd Treiben, wovon selbst die Provinz-Blätter angefüllt waren. Seine Bemühungen zugunsten des Hafenplanes hatte der Erfolg gekrönt; freilich erst nach harten Kämpfen. Eine heftige Zeitnngsfehde war dieserhalb entbrannt, und die Kammer- sitznngen rechneten zn den stürmischsten des ganzen Winters. Zur Schande Bertinets muß es gesagt werden, daß er jede sich entstellende Schwierigkeit benutzt hatte, um von der in Frage kommenden Gesellschaft immer größere Summen zu erpresset!. Die Furcht vor dem Rückgang, die Regina ge flissentlich in ihm unterhielt, der Wunsch, seine Gegner zn erdrücken nnd für ihre Geringschätzung sich zn rächen, hatten ihn zn den schmählichsten Vereinbarungen bestimmt. Die Einzelheiten derselben waren noch nicht bekannt, aber man munkelte verschiedenes. Der auffallende Luxus des jungen Paares, der mit jedem Tage zimahm, mußte auch die einsichtsvollsten Leute auf sonderbare Mutmaßungen bringen. Jedermann wußte, daß Bertinet vor kurzem in arger Verlegenheit gewesen. Der plötzliche Umschwung in seinen Vermögensverhältnissen, welcher mit seiner unvorhergesehenen Meinnngsändernng in der afrikanischen Hafenangelegenheit znsammentraf. bot Veranlasstmg zn mancherlei Schlüsse». Wenn man auch nichts Sicheres wußte, so ahnte man doch, daß nicht alles in Ordnung sei. Tie Tagesblätter, von denen die meisten zn Marzels Feinden gehörten, brachten spaltenlange boshafte Artikel. Rolande las diese Angriffe mit blutendem Herzen. Jede neue Erniedrigung ihres Gatten verschärfte ihren Reueschmerz nnd erfüllte sie mit böser Vorahnung. Immer wieder kam ihr der Gewissensvorwnrf, daß sie mitschuldig sei an dieser Schmach und Schande. Sie hätte die Kotten, die sie drückten, nicht abstreifen dürfen; vielleicht wäre es ihr doch noch gelungen, Marzel ans der Gewalt Reginens zn befreien! vielleicht wäre cs an dem einen Aergernis genug gewesen, nnd hätte er wenigstens die allereinfachste Redlichkeit, die des Geldes, bewahrt. Jetzt wurde sein Name doppelt und dreifach befleckt. Für sie gab es keinen Zweifel, die jüngst erfolgte Vermögensanfbessernng Ber- tinets stammte sicher nnd gewiß ans trüber Quelle. Bei jeder neuen Qual glaubte die unglückliche Frau, sie nicht überstehen zn können, und dennoch lebte sie weiter. Ach. das Maß war noch lange nicht voll. Was sie bis jetzt ge litten, war wenig im Vergleiche zn dem noch Konnnenden. ES war mittlerweile Oktober geworden: die welken Blätter fielen von den Zweigen nnd raschelten durch die Lanbgänge des Parkes. Hier nnd da hob noch eine ver einzelte Rose ihr mattes Köpfchen zur scheidenden Sonne - - -'M- empor. Der Herbstnebel gewann allmälig die Herrschaft, nnd wehmütige Trauer beschlich auch die Herzen der Menschen. Eines Abends saß Rolande in ihrem traulichen Wohn- zimmer nnd arbeitete beim Scheine der Lampe. Hermine nnd Margnerite waren ebenso wie die Mutter beschäftigt, warme Jäckchen für die armen Kinder des Dorfes zn stricken. Johann spielte mit seinen Bleisoldaten nnd ließ sie gegen einander anfmarschiere». Es war ein hübsches Bild. Frau Bertinet, die in ihrem einfachen und langen schwarzen Kleide, mit dem ernsten nnd bleichen Gesichte einer trauernden Witwe glich, unterhielt sich mit den Kindern; sie ließ keine Gelegenheit Vorbeigehen, sie zn belehren nnd zu ermahnen. Selbst die Spiele boten Veranlassung zn scharfsinnigen Erörterungen. Hermine, die sich ausfällig entwickelt hatte, horchte ge spannt den Worten der Mutter. In ihren ausdrucksvollen Angen lag ein feines Verständnis, nnd die frischen roten Lippen machten manche zutreffende Bemerkung. Ihr zur Seite saß Margnerite. die aber im äußeren das vollständige Gegenstück ihrer Schwester bildete. Wohl war auch sie hübsch, aber ihre Schönheit trug den Stempel des Siechtums. Sie mar hochaufgeschossen nnd mager; die großen Angen umzog ein breiter Schatten, der das Gesichtchen noch blasser und die Lippen noch farbloser er scheinen ließ. Zn verschiedenen Malen schon hatte Frau Bertinet ihretwegen die Kunst der besten Aerzte in Anspruch genommen; alle behaupteten, das junge Mädchen habe kein ausgesprochenes Leiden, es sei nur von sehr zarter Narnraiilage nnd äußerst nervös. Man solle es gut Pflegen und möglichst vor Aerger und Aufregung schützen. Eine sorgfältige Pflege brauchte Rolande nicht empfohlen zn werden, denn eine gewissenhaftere nnd aufmerksamere Mutter gab es wohl nicht, auch war es nicht nötig, dem Kind entgegenzntrete», da es gehorsam und fleißig war. Was mm gewisse Anfregnngen anbelraf, so schützte man sie davor am besten durch beständigen Aufenthalt in la Borderie. (Fortsetzung folgt.»