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-rr. L84 — s. Jahrg««g L»rmer-tag de« LS. Dezember LVLV MWschkNolksmIilm scheint «Sglt» >«»«. mit «»»nähme der Sonn, und Festtage. >»«»ab» t., Mit .Die Zeit in Wert und Bild' vtertellLhrN» 2,1« ^Jn Dresden durch Boten ».4« In gan, Deutschland stet Hau» » 8S ^ für Wahrheit, Recht und Freiheit Unabhängiges Tageblatt Inserat» werden dle «gespalten» Petttzrtle oder deren Saum «tt >8 4. «ellamen mit 8« 1 die Zeile berechnet, bet Wiederholungen entsprl — - cchenden Rabatt Vachdruckerei, Redaktion nnd Geschäftsstelle, Drekdea, Ptllaitzer «traft« 48. — Fernsprecher 488« gLr Rückgabe uadrrlaaat. «chrtftftücke kein« Verbindlichkeit Redaktion»-Sprechstunde: 1118 Uhr. I, sttr a«a ^V«tki»k»el»4»ti»el» ü InWN7 LLren«r«i»-^. U. VIlL!, 8e1»8886r8a886 4 f>s s«»t SeOnlnih düs»! «ei» 8lll»ll. S«rI»I>n, Voi'rügÜclies dlilisDaum-kvniekl V<un4 von SV ?t. »n. l.ebkuc!ien, Di-esdne!- uncj llümdei'gei' K»u1«n 51« In b«I«snntrn guten ÜunlltK«, dnl MrSeelsgrn In »II«n 5ts<ttt«II«n. Große Zentrumsversammlung in Dresden. Den Besucher der großen öffentlichen Männerversamm lung, die der Zentrumswahlverein für das Königreich Sachsen am vorigen Sonntag veranstaltete, umfing ein stolzes Gefühl, wenn er die stattliche Zahl der Anhänger des Zentrums betrachtete, die aus allen Ständen herbei- geeilt waren und aufmerksam den Ausführungen des Redners lauschten. Man hätte vermuten sollen, daß die Nähe des Weihnachtsfestes einen nachteiligen Einfluß auf die Beteiligung an der Versammlung hätte ansiiber können. § Trotzdem war der große Saal des Gesellenhanses bis auf den letzten Platz gefüllt und sogar die Domen waren so zck'l- ? reich erschienen, daß die Galerie, die für dieselben rc . r- ! viert war, nicht ausreichte. Es war indes nicht zu ver wundern, daß die Versammlung einen so starken Besuch aufwies, da als Redner der gefeierte Reichstagsabgeord nete Herr Oberlandesgerichtsrat Dr. Marx aus Düssel dorf angekündigt war, der schon als Präsident des Katho likentages in Augsburg durch die Macht seiner Beredsam keit die Begeisterung seiner Zuhörer entflammt hatte. Der Vorsitzende des Zentrumswahlvereins, Herr Ha- n i s ch, eröffnete und begrüßte die Versammlung, besonders den Herrn Reichstagsabgeordneten. Sodann brachte er ein Entschuldignngstelegramm des Herrn Freiherrn v. Schön- bcrg-Thammenheim und das Schreiben des Herrn Oberst z. D. v. Pereira zur Kenntnis. Der Ehrenvorsitzende Se. Erlaucht Graf Schönburg-Glauchau hatte sich bei dem Vorsitzenden persönlich entschuldigt, da er an diesem Tage in Bayern weilte. Darauf gab der Vorsitzende einen kurzen Ueberblick über die Ziele der Zentrumsfraktion und wies i den von liberaler Seite gemachten Vorwurf, das Zentrum I sei eine antinationale und antimonarchische Partei, energisch zurück. Nach einem von der Versammlung begeistert auf genommenen Hoch auf Kaiser und König erteilte der Vor sitzende dem Reichstagsabgeordneten Herrn Dr. Marx das Wort zu seinem Vortrage. Der hochgeschätzte Redner gab seiner Freude Ausdruck, in Sachsens schöner Hauptstadt vor einer so zahlreichen Zen trumsversammlung sprechen zu können. Eine merkwürdige Eigenschaft wohne dem Charakter des Zentrums inne. Mag man vor einem Großstadtpublikum oder vor Landwirten, in einer an Arbeitern reichen Jndustriegegend oder in einer Handelsempore sprechen, man braucht die Reden nicht zu korrigieren und zu färben. Ueberall vertritt die Partei dieselben Lehren und Grundsätze, vielleicht nur eine andere wirtschaftliche Nuance auf dem Lande, eine andere in Industriestädten stärker betonend, und zwar nicht allein zum Wohle des kathol. Volksteiles, sondern zum Wohle dcS ganzen deutschen Vaterlandes und jedes einzelnen Bundes staates. Unsere Grundsätze sind so hoch, daß wir sagen können, wenn nach unseren Grundsätzen die Weltpolitik und jene Deutschlands gestaltet würde, so würde es um diese gut stehen. Der Grund ist darin zu suchen, weil unsere Partei auf den Prinzipien des Christentums anfgebaut ist: diese aber geben jedem, was ihm gebührt, und geben kei nem Rechte auf Kosten eines anderen. Dem Landwirt, der Industrie, dem Großhandel, auch dem Arbeiter geben wir das, was die Gerechtigkeit, gepaart mit Liebe, verlangt und zuläßt. Wir treiben nicht die Politik aus Selbstsucht, son dern um eines höheren Zieles willen, zur Wohlfahrt der Gesellschaft, weil das Zentrum auf religiösen Grundsätzen aufgebaut ist. Wir verkünden das Christentum, wenn wir unsere Politik verkünden. Mit herrlichen Worten gedenkt Redner der großen Erinnerungen aus dem Kulturkämpfe, der Gefangen nahme des Kardinals Melchers zu Köln, der als Sträfling sich mit Strohflechten beschäftigen mußte, an die Begeiste rung der Katholiken, die ohne Volksversammlungen auf- flammte und auch die größte Schlafmütze aufrüttelte. Solche Tatsachen waren die glänzendsten Prediger. Jetzt ist die Zeit anders geworden. Scheinbar stehen Wirtschaft- liche Fragen in dem Vordergrund. Daß sie dennoch vom Standpunkte der Weltanschauung aus gelöst werden, beweist, daß man es offen im Stadtverordnetenkollegium zu Düssel dorf anSsprach, es handle sich um die Weltansck-auung, als man katholische Schwestern in den Krankenhäusern als Pflegerinnen ablehnte, und lieber zirka 160 000 bis 200 000 Mark mehr auö dem Stadtsäckel für weltliche Kranken pflegerinnen opferte. Hie Christentum, hie Antichristentum ist jetzt die Parole, wie Caprivi es einst prophezeite. Es ist ein Glück, daß unsere liberalen Gegner noch immer als Christen sich fühlen, wenngleich ihre liberalen Grundsätze christentumsfeindlich sind. Ein Sozialdemokrat sein, heißt Gegner des Christentums sein. Wer das Gegenteil be hauptet, ist ein Tor oder er belügt sich selbst, denn nach dem Ansspruche Bebels stehen Sozialdemokratie nnd Christentum sich gegenüber wie Feuer und Wasser. — Daß jetzt so viel vom schwarz-blauen Blocke gesprochen wird, ist eine Folge des ungeheuren Matzes der Poreingenommenhcit gegen das Zentrum und des Kampfes gegen das Christentum. Die Gegner desselben treiben die christlichen Männer mit Gewalt zusammen. Es wird die Zeit kommen, wo Evan gelische nnd Katholiken zusaminenstehen werden, weil das Christentum in seinen Grundfesten ini politischen und bür gerlichen Leben bedroht wird. Man bereitet einen Kampf gegen den sogenannten schwarz-blanen Block vor. Die näch sten Reichstagswahlen werden der Sozialdemokratie einen bedeutenden Aufschwung bringen. Ob die Herren nicht selbst mit geheimem Angstgefühle daran denken? Ich freue mich mit Wonne, die Genossen an der Arbeit zu sehen. Denn dann heißt es, positive Erfolge erzielen, nicht bloß jede sozi ale Arbeit als Bleigewicht bei der Gesetzgebung zugunsten der arbeitenden Stände zu erschweren. Ich glaube nicht, daß ein Arbeiter durch die Anträge der Sozialdemokratie um ein halbes Brötchen satter geworden ist. Anträge stellen ist sehr leicht. Wenn es nur darauf ankäme, so würde ich, wie ich in einer Versammlung erklärt habe, beantragen, daß jedem meiner lieben Wähler zum FrühstMe vom Postboten ein Hundertmarksck)ein gezahlt würde. Ein sozialdemokro- tisckxw Führer meinte: „Die Hauptsache ist Anträge stellen: ob sie verwirklicht werden, ist Sache der anderen Parteien. Wir legen los!" Nachdem der geschätzte Redner dieses wahrheitsgetreue Bild von der Sozialdemokratie gegeben, nahm er den Libe ralismus unter die Lupe. Mit beißendem Spott zeigte er die Ueberhebnng dieser Partei, die sich als die allein natio nale bezeichnet und jede anderen Partei bereits des Ver rates an der Nation geziehen hat. Den Liberalen wohnt der Eigendünkel inne, daß ohne sie Deutschland nicht be stehen könne. Wenn wir die liberalen Zeitungen der letzten zehn Jahre Nachlesen, so snidcn wir, sobald es nicht »ach dem liberalen Konzepte gebt, daß Deutschland erregt und aufgeregt geschildert wird: Die Aufgeregten sind aber nur die Nationalliberalen. Die „Köln. Zcitg." schilderte in den höchsten Tönen die Cteuerfreudigkeit des deutschen Volkes. Als aber der Block seinen Willen nicht durchsetzte, war die Steuerfreudigkeit dahin und Deutschland ruiniert. Nur eine Partei ist national gesinnt, es sind die National- liberalen. Alle anderen waren schon staatsfeindlich, wenn sie es wagten, anders z» ducken als die Nationalliberalen. Solange diese die Neichsfinanzreform nach ihren Wünschen zu gestalten hofften, schluckten sie die indirekte Steuervor lage willig, als aber der Finanznot des Reiches gegen den Block abgeholfen werden sollte, schimpften sie über alles. Der deutsche Staatsbürger muß über die Neichsfinanz reform aufgeklärt sein. Wir wollen kurz darauf cingehen. Die nächsten Reichstagswahlen werden noch teilweise unter dem Einflüsse der Finanzreform gemacht werden. Der Zankapfel war die Erbschaftssteuer. Was hier, besonders von der Sozialdemokratie, schamlos zusammengelogen wird, ist unglaublich. Auf einem Flugblatte ist ein Ver gleich zwischen den europäischen Ländern bezüglich der Erb schaftssteuer gezogen und dabei Deutschlands Ergebnis mit Null bezeichnet worden. Dennoch wurde bereits ini Jahre 1006 die progressive Neichserbsclwftssteuer eingeführt. Die preußische Erbschaftssteuer wurde bereits in den 70er Jah ren eingeführt. Ebenso besteht eine solche in de» übrigen Bundesstaaten. Wir behaupten nicht, daß die Erbsckxrfts- steuer nicht weiter ausgestaltet werden könnte. Wenn jetzt der Neffe von einem Onkel eine Million erbt, so hat der Erbe 260 000 (26 Proz.) an das Reich an Steuern zu zahlen. Aber die Sozialdemokraten rechnen damit, daß der Leser nicht weiß, was in den Gesetzen enthalten ist. Das Zen trum hat nur die Erweiterung der Erbschaftssteuer auf Ehegatten und auf Kinder abgelehnt. Sie wurde mit 56 Millionen in die Vorlage eingestellt. Die Finanzreform zer fiel in zwei Gruppen, in jene der Konsum- und jene der Be sitzsteuern. Liberale Abgeordnete haben das Schlagwort ge prägt: 400 Millionen Mark indirekte Steuern und 100 Millionen Mark Besitzsteuern. Damit gingen sie über die Forderungen der Regierung hinaus, die nur 376 Millionen Mark indirekte Steuern verlangte. Die Besitzsteuern soll ten bestehen aus 76 Millionen durch Erbschaftssteuern, wo von 65 Millionen dem Reiche zufallen, und 26 Millionen durch Beiträge der Bundesstaaten. Der sogenannte schwarz- blaue Block dagegen bewilligte nur 310 Millionen indirekte Steuern, dagegen 110 Millionen durch Steuern auf den Besitz (außer 25 Millionen Mark Matrikularbeiträgen). Wenn das Volk also 90 Millionen weniger Steuern auf den Massenkonsum erhalten hat, so dankt es dies dem Zentrum. Die Ablehnung der Erbschaftssteuer erfolgte aus wohler wogenen Gründen. Unter der Erbschaftssteuer, hätte be sonders der Erbe von Grundbesitz schwer gelitten, wäh rend das mobile Kapital sich derselben hätte leicht entziehen können. Ter Leitsatz des Zentrums: Ohne Heranziehung der Leistungsfähigen, insbesondere auch des Großkapitals, gibt es keine Finanzreform — führte zur Erhöhung der Börsensteuer, zu einem Stenipel auf Talons, Bankschecks und Nachsteuer auf langfristige Wechsel. Von seiten der liberalen und sozialdemokratischen Gegner wird die Sache nun so dargestellt, als ob die Belastung des Volkes durch die Ablehnung der Erbschaftssteuer erfolgt sei. Selbst große Organe haben diese falsche Behauptung aufgestellt. So ist es gekommen, daß das Volk gegen den schwarz-blauen Block aufgereizt wurde. Tie Liberalen haben damit sich selbst keinen Dienst erwiesen, sondern nur den Sozial demokraten Vorschub geleistet: ihre Kandidaten werden vielmehr bei den nächsten Wahlen im „roten" Meere unter tauchen. Das deutsche Volk hat in seiner Gesamtheit den Nachteil, wein: nicht dieser Verhetzung ein Ziel gesetzt wird. Es muß wieder ein Zusammenschluß der bürgerlichen Par teien gegen die Umsturzparteien stattfinden: cs ist eine nationale Notwendigkeit. Ein schwarz-blauer Block existiert nur in der Phantasie der Gegner. Wer die Arbeiten der Reichstages studiert, findet, daß das Zentrum und die Kon servativen bei manchen wichtigen Vorlagen andere Wege gehen, also nicht Verbündete sind. Sodann kommt Redner auf das Arbeitskammergesetz zu sprechen und erörtert die beiden schwierigen Punkte, welche die Regierung als nicht annehmbar bezeichnet hatte. Wenn die Unterstellung der Eisenbahnarbeiter unter das Gesetz als unannehmbar bezeichnet wurde, so haben wir hierfür Verständnis und billigen es, denn auch wir wün schen nicht, daß diese Arbeiterklassen in die großen sozialen Streitfragen eingezogcn werden. Warum sollen aber die Arbeitersekretäre nicht den Kammern angehören können? Der Arbeiterstand legt deshalb den größten Wert darauf, die Arbeitersekretäre als Vertreter wählen zu dürfen, weil er dann auf gute Arbeitskammern hofft. Das gesamte Zentrum ist geschlossen für diese Bestimmung eingetreten und wird lieber das ganze Gesetz aufgeben als diese schei tern lassen. Redner kommt sodann auf die Auflösung des Reichs tages im Jahre 1006 zu sprechen, motiviert sie durch den Haß gegen das Zentrum und wendet sich dann der Schulden last des Deutschen Reiches in Höhe von 4 Milliarden Mark zu. Der deutsche Wähler selbst hat die Parteien in den Reichstag geschickt, die alle Forderungen bewilligten. Nur dadurch konnten die Schulden eine so hohe Summe errei-. chcn. Redner warnt, sich von nationalliberalen Phrasen einlullen zu lassen. Man soll selbst erwägen und das Wohl der Gesamtheit mit dem Wohle des einzelnen im Einklang bringen. Jeder Tag der Verzögerung bei dem Zustande kommen der Reichsfincmzreform kostete dem Reiche Mil lionen Mark. Redner kommt sodann auf die Hindernisse zu sprechen, die einem größeren Verständnis der einzelnen Parteien entgegenstehen und betont besonders, daß die Vorurteils gegen das Zentrum verschwinden müßten. Unseren evangel. Mitbürgern müssen wir darin auf das äußerste entgegen- kommen, da sie die Vorurteile gegen das Zentrum von Ju gend an in sich ausgenommen haben. Es müsse nach und noch der Vorwurf verschwinden, daß das Zentrum eine anti- nationale Partei sei. Die ganze Reichsgesetzgebung beweist, wie ungerechtfertigt dieser Vorwurf sei: das Zentrum Habs an der sozialen Gesetzgebung, an der Schlagfertigkeit von Heer und Marine, am Zolltarif die Hauptarbeit mitge leistet. Dem gemeinsamen Feinde wollen wir beide Kon fessionen Schulter an Schulter entgegentreten. Aber auch unsere Ansprüche müssen berücksichtigt werden. Ich er innere bloß an die Vorgänge in Wechselburg, wo anläßlich der Fronleichnamsprozession Gendarme verhindern muß ten. daß ja kein fremder Arbeiter dem Gottesdienste bei wohne. Diese und andere Fälle warfen bei der Beratung des Toleranzantrages ein schlechtes Licht ans die Intoleranz der Gesetzgebung in manchen Bundesstaaten. Auch selbst! der Mann, der unserer Partei nicht angehört, muß zugeben, daß die Verletzung der heiligsten Empfindungen im Herzen nicht der rechte Weg ist, um gute Bürger zu erziehen. Hier werden Werte zerstört, die der Staat einmal bitter nötig haben wird angesichts der Vorgänge in Moabit. Es gibt so vieles, was uns das Dasein ini Vaterlande erschwert. Wir sind oft schlecht behandelt worden von der Regierung. Wenn wir trotzdem treue Staatsbürger sind, so sind wir es wegen unseres Gewissens ans Pflichtgefühl. Wer getreten wird, für den ist es aber oft schwer, seine Pflicht zu tun. Auch hier in Sachsen hat das Zentrum feste Wurzel gefaßt. Ihre Treue wird belohnt werden. Es sollte keinen Zentrumsmann geben, der nicht a»ch dem Zentrumswahl- verein angehört. Wir müssen auch nach außen hin eins geschlossene Macht darstellen, die einst das Zünglein an der Wage sein kann. Unsere katholische Presse, die „Sächsische Volkdzcitnng", soll sich im Besitze eines jeden ZentrumS- manneS finden. Redner wendet sich sodann an die anwesen den Frauen mit der Aufforderung, im Kampfe gegen die