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MchslscheNolksmümg BezugSpret», r-> Unabhängiges Tageblatt Eür Wahrheit, Recht und Freiheit Oesterreich 4.VV L — SinM-Nummer »v I , mit Unterhaltungsbeilage Vie illustrierte Zeit und Sonntagsbeilage Feierabend Wochentag» »rschetnt die Leitung reget,nkbtg tn den ersten I NachuitttagSsiunden; dt« Sonnabendnummer erscheint später. Annahme d»n ScschLstSanze^gcn dt» 1« Uhr, von FLmIItea-1 anzetgen dt» l 1 Uhr. »ret» sltr dte Petit-Spaltzeite !ro tm RellametetI 00 ck.I Für mideuUtch geschrtebene, sowie durch Fernsprecher au«. I gegebene »„zeigen tonne» wtr dte Verantwortlichkeit für die I > Rtchltgkett de» rept-S utcht übernehmen. , Redaktions-Sprechstunde: I« bi» »1 Uhr dormtttag». Für Rückgabe etngesandter Schrtststücke macht sich dte Redaktion t nicht verbindlich: Rücksendung ersolgt, wen» Rückporto bet-I gefügt ist. Brtesltchen «nsragen ist «ntwort»porto betzusügen.1 Nr. 41 Geschäftsstelle und Redaktion Dresden»A. 16, Holbeinstrahe 46 Donnerstag den 18. Februar 1814 Fernsprecher 21366 13. Jahrg Kirchenzucht In der von Pastor v. Will). Philipps-Berlin heraus- gegebenen positiv - gläubigen Wochenschrift „Die Refor- mation" (Nr. 6) macht Erich Kürschner Vorschläge zur Kon- firmationsreform. Das bislang bei der Konfirmation ab- gelegte Glaubensbekenntnis und -geliibde müsse ein völlig bewußter und freiwilliger Akt werden, der frühestens nach Beendigung des 17.-18. Lebensjahres zu vollziehen sei, und die Aufnahme in die Abendmahlsgeineinde zur Folge habe. Dem Bekenner sei ein Kirchenpak auszustellen, der alljäbr- lich erneuert werden müsse. Geschehe das nicht, und hätten die Inhaber des Passes sich iin vergangenen Kirchenjabre nicht an Gottesdienst und heiligem Abendmahl beteiligt, so seien die Namen aus der Liste der vollberechtigten Ge- meindemitglieder zu streichen. Kürschner hält diese Kirchenzncht, verbunden mit Ex- kommunikation, für notwendig, um ein einigermaßen klares Bild über den Erfolg oder Mißerfolg der kirchlichen Arbeit zu haben und uni zu verhindern, daß durch das Kirchenwahlrccht nnkirchliche Massen die Herrschaft in der Kirche bekämen. Der Artikel der „Reformation" schließt: „Die vorgeschlagene Reform ist übrigens nicht bloße Theorie, sondern seit langer Zeit in schottischeil und eng- lischen Kirchen mit gutem Erfolg dnrchgeführt; selbst in der englischen Staatskirche ist die Konfirmation ein frei williges Bekenntnis, an keine Altersstufe gebunden. — Die Getauften, die das Bekenntnis nicht abgelegt haben, würden ans Wunsch kirchlich getraut und beerdigt werden können, den Exkommunizierten dagegen wären auch diese Handlungen zu versagen. So wäre Kirchen zucht möglich." Was werden die kirchlichen oder imkirchlichen Liberalen dazu sagen? Uns interessiert die Tatsache, daß Positive unter den Protestanten die Einsicht gewonnen haben: Keine Kirche ohne Kirchenzncht. Das alte System: in „evange lischer Freiheit" zu walten und zu schalten, ist der Ruin der Kirche, das Manschestertmn im religiösen Leben. Die katho- lische hat mit ihrem klaren Blick, ihrer Weltkenntnis mid dem feinen Verständnis der Menschenseele die alte Kirchen zucht wohl hie und da gemildert, aber nie anfgegeben. Frei lich regnete es aus protestantischem Lager Angriffe und An klagen auf die „intolerante" katholische Kirche, besonders bei Verweigerungen kirchlicher Begräbnisse. Doch wie man sieht, kehrt man auf positiv-gläubiger Seite wieder zu der geschmähten Disziplin der katholischen Kirche zurück. Be merkenswert sind die Worte des Geh. Oberkirchenrates v. Ernst Haack-Schwerin: Der Kirchenbesuch geht zurück, die Abendmahlsziffcr sinkt, die Verschinähnng der Taufe und Trauung steigt, „und wenn man Konfirmation und kirchliche Beerdigung noch möglichst allgemein begehrt, so handelt die Kirche bei der letzteren am wenigsten ge rade als Kirche, als Heilsanstalt und G n a d e n in i t t e l g e m e i n s ch a f t. Ihre Mitwir kung wird hier auch wesentlich nur dekorativ als Er höhung der Feierlichkeit gewürdigt, indem man ihre Wortveikündigmig mit in Kauf nimmt und über sich er gehen läßt . . ." (Sperrung von uns.) Der aufmerksame Beobachter des kirchlichen Lebens nimmt soviel Wandlungen wahr, hört so oft den halb- untcrdrückten Ruf: „Zurück zur heiligen Kirche ", zurück in Lehre und Disziplin, daß er als Katholik seiner Kirche nicht genug danken kann für die wunderbare Füh rung durch die Jrrgänge der modernen Zeiten. Di« Politik der Dündler Ob der Bund der Landwirte, trotz der vielen anderen Bünde der Bund schlechthin genannt, zuvörderst eine wirt schaftliche oder eine politische Organisation sein soll, läßt sich auf den Generalversammlungen des Bundes schwerlich entscheiden. Dort ist jedenfalls der politische Einschlag weit sichtbarer, als die wirtscbaftliche Kette, und auf der letzten großen Generalversammlung am Montag wurde vollends nur von Politik gesprochen, wie denn auch die Resolution, die zur einmütigen Annahme gelangte, rein politische Färbung trägt. Wenn die großen und kleinen Landwirte alljährlich zur großen landwirtschaftlichen Woche in die Ncichshauptstadt kommen, bietet ihnen die große Berliner Presse alles andere als einen frohen Willkommengruß, und doch muß einen der Gedanke erfreuen, daß Tausende treu monarchisch gesinnter Männer, die ihr Vaterland schon darum lieben, weil sie an seiner Scholle haften, in der Stadt des Freisinns und der Sozialdemokratie ein Bekennt nis ihrer Vaterlandsliebe und monarchischen Gesinnung nb- legen. Darum braucht man noch lange nicht alles zu unter schreiben, was in den Bündlerversammlimgen gesprochen und beschlossen wird. Zumal ans dieser letzten 21. General versammlung des Bundes der Landwirte ist gar manches geäußert worden, was recht weltfremd und durch ein Jahr hundert überholt klang und zu einem nachsichtigen Kopf- schüttcln geradezu heransforderte. Daß der Bund der Landwirte mit dem jetzigen Reichstag und der Neichsleitnng nicht zufrieden ist, konnte nicht überraschen, denn im Vor jahre wurde schon dasselbe Lied gehört; der massive Un mut des Herrn v. Olderchnrg-Jannschan mit dem Reichs tag und dem Kanzler gab der bündlerischen Unzufrieden heit allerdings eine neue Note, die in ihrer Disharmonie mit der Zeit, in der wir nun einmal leben, unerträglich wurde, als der gefeierte Jannschaner durch das Hervorholen einer Kabinettsorder des Soldatenkönigs Friedrich Wil helms I. — die übrigens gar keine war — ein leicht ver ständliches Bekenntnis znm Absolutismus ablegte. Ver söhnlich kann dabei allerdings wirken, woran Herr v. Oldenburg jedenfalls nicht gedacht hat, daß die Nänd- bemerkung des Königs: Was da, nichts da! sich gegen die Ansprüche der Junker und Stände richtete. Die derbe Sprech- und Kampfweise des Herrn v. Oldenburg ist aber hinlänglich bekannt, so daß man seine Schlager und agi tatorischen Witze nicht allzu ernst zu nehmen braucht. Sym pathisch klang im übrigen ans fast allen Reden, die ans der Generalversammlung der Bündler gehalten wurden, die Aufforderung an die bürgerlichen Parteien heraus, ge meinsam im Kampfe gegen die Sozialdemokratie znsammen- znstehen und mit dem Bunde zur Förderung des deutschen Wirtschaftslebens ziisainmenzngehen. Diese Aufforderung wäre vielleicht wirksamer gewesen, wenn mit derselben nicht für eine jede Partei eine ganze Reihe von Vorwürfen und Verhaltungsmaßregeln verbunden worden wäre, die, wie wir gern zngeben, manchmal ganz berechtigt waren. Dem Zentrum wurde zwar das Zeugnis ausgestellt, daß ohne seine Mitarbeit eine ersprießliche nationale Politik nicht betrieben werden könne, aber gleichzeitig wurde ihm auch seine Haltung bei Verabschiedung der großen Deckimgs- gesetze des letzten Sommers vorgehalten und bedauert, daß durch sein Zusammenarbeiten mit der Sozialdemokratie im Reichstage die demokratischen Elemente in ihm immer mehr Oberwasser gewännen. Auch wurde ihm nahegclegt, bei dem Konkurrenzkampf mit der Sozialdemokratie seine Aufgaben in der Agrar- und Mittelstandspolitik nicht zu vergessen. Mag sein, daß diese Ratschläge gut gemeint waren; das Zentrum wird sich dadurch aber im Verfolg der von ihm als gut erkannten Politik nicht irre machen lassen; wenn unter dem Konkurrenzkampf des Zentrums mit der Sozialdemokratie sein unablässiger und erfolgreicher Kampf gegen die Sozialdemokratie zu verstellen ist, dann kann von einer Dämpfung dieses Kampfes doch nicht die Rede sein, und allemal hat das Zentrum noch gezeigt, daß eS bei diesem Kampfe auch die Interessen der Landwirtschaft und des Mittelstandes wohl zu vertreten weiß. Darum wird das Zentrum auch überall da mit dem Bunde der Land wirte gleichen Weg gehen, wo das Wohl des Bauernstandes und das Interesse der Gesamtheit gefördert werden können. Sächsischer Landtag Dresden, den 18. Februar t914 Erste Kammer. Die Erste Kammer trat heute vormittag nach 11 Uhr in Gegenwart der Staatsminister Graf Vitzthum von Eck- städt und v. Seydewitz und in Anwesenheit des Prinzen Jo hann Georg zu ihrer 15. öffentlichen Sitzung zusammen. Ans der Tagesordnung standen eine größere Anzahl von Eiscnbahnangelegenheiten. Domherr Dr. v. Hübel trug zunächst die ständische Schrift, betreffend den Gesetzentwurf über die Amseln und Eichhörnchen vor, die von der Kammer einstimmig geneh migt wurde. Wirklicher Geheimer Rat Dr. Mebnert referierte dann über Kapitel 16 Titel 20 des ordentlichen Ttaatshaas» Haltsetats für 1911/15, betreffend die Einfübnmg der Streckenblocknng ans Teilstrecken der Linie Borsdors-Eos- wig. Er beantragte namens der zweiten Deputation, die Kammer wolle in Uebereinstimmung mit der Zweiten Kam mer beschließen, die in Kapitel 16 Titel 20 des ordentlichen Staatshanshaltsetats für 1911/15 angeforderte Summe für Einführung der Streckenblocknng auf Teilstrecken der Linie Der engl sch-amerikanlsche Tabaktrust eine nationale Gefahr Im großen Saale des katholischen Gesellcnhanses sprach borgestern vor den zahlreich erschienenen Mitgliedern des Dresdner katholischen Gesellenvereins Herr Referendar Geister über die durch den englisch-amerikanischen Tabaktrust unserem Wirtschaftsleben drohenden Gefahren. Herr Referendar Geister behandelte zunächst die Trusts vom theoretischen Standpunkte, indem er ansführto, daß die Triebfeder der nwdernen Volkswirtschaft die organisatorische Idee wäre. Industrien, Fabriken mit gleicher Interessen- gcmeinschaft schließen sich zu Verbänden und Vereinigungen zusammen. Auch in Deutschland existieren derartige Ver einigungen und man nennt sie Kartelle oder Syndikate. Der wichtigste und größte Verband ist das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat. Die Kartelle erstreben eine Monopolstel lung, mn dann allein den Markt zu beherrschen und znm Schaden für die Abnehmer die Preise zu diktieren. Die Kartelle wollen gleichmäßige Absatzverhältnisse und konstant hohe Preise. Bei den Kartellen schließen die einzelnen Fabriken, die einzelnen Unternehmungen geheime oder offene Verträge, um dann gemeinsam, aber selbständig die Waren abzusetzen. Der Trust, die amerikanische Form des großindustriellen Zusammenschlusses, nimmt die Selbstän digkeit der einzelnen Unternehmung vollständig. Alle Be triebe werden einer Zentralinstanz untergeordnet. Sobald der Trust die übrigen Fabriken ini Konkurrenzkämpfe ge- schlagen und eine Monopolstellung erlangt hat, dann ist der Verbraucher gezwungen, das zu nehmen, was ihm der Trust anbietet und das dafür zu zahlen, was ihm der Trust be fiehlt. Es gibt keine Konkurrenz mehr. In Amerika be- kämpft die Negierung mit aller Energie die Trusts, um die Schädigung der Bevölkerung zugunsten einiger Trustmag- naten zu verhindern. Alle politischen Wahlen stehen in Amerika unter dem Zeichen der Trustbekämpfnng. Der Präsident Wilson hat den Kampf mit den Worten ausge nommen: „Ich bin der festen Ueberzeugnng, daß es keine Entschuldigungen und Rechtfertigungen für irgendwelche Trusts gibt. In diesem Sinne will ich meinen Kampf kämpfen und ich weiß, wie ich ihn kämpfen muß. Der Kampf gegen die übermächtigen Triistmilliardäre wird aber mit wenig Erfolg geführt. Der amerikanische Tabaktrnst wurde zwar im Jahre 1911 aufgelöst. Indessen ist dies nur der Form nach geschehen, in Wirklichkeit besteht er auch heute noch und arbeitet hinter den Kulissen ruhig weiter. Die Seele des amerikanischen Tabaktrnstes, der Tabakkönig Duke, der den Trust seinerzeit begründet hat, hat seinen Sitz nach London verlegt, von wo aus die über die ganze Erde verbreiteten Tochtergesellschaften geleitet werden. Das s Endziel aller Trilstbestrebimgen ist das Weltmonopol zu erringen. Diesen Zweck befolgte der Trust auch b«i seinem Einbruch in Deutschland. Vor mehr als 13 Jahren kaufte der Trust durch die englisch-amernkanische Tobacco Co. die Zigarettenfabrik Georg A. Jasmatzi in Dresden und ver wandelte sie in eine Aktiengesellschaft mn. Im Jahre 1912 gliederte der Trust weitere Firmen an. Er beteiligte sich an den Firmen Sulima-Dresden, Delta-Dresden, Adler- Co.-Dresdcn, Josetti-Verlin und A. Batschari-Baden-Badcn, so daß er jetzt 26 Prozent der gesamten deutschen Ziaaretten- prodilktion in den Händen hat. Angesichts dieser Tatsache schlossen sich alle Kreise des deutschen Tabakgcwerbes in» Verband zur Abwehr de? Tabaktrnstes zusammen. Die hauptsächlichste Taktik des Trusts im Kampfe gegen die übrigen Fabriken ist das Aufkäufen, das Unterbieten und die Täuschung des über die Trnstgefalnen aufgeklärten Publikums über die zum Trust gehörigen Fabriken. Wenn der Tabaktrnst in Deutschland an sein Ziel gelangt, dann ist der Untergang aller selbständigen Existenzen gewiß. Er", wird keine selbständigen Händler. Agenten und Fabrikanten, mehr geben, sondern nur noch schlecht bezahlte Angestellte, die für die Tasche des Tabakkönigs Duke arbeiten müssen. Sobald der einzelne merkt, daß er nicht mehr vorwärts kom men kann, daß er ans ruchlose Weise vom übermächtigen Konkurrenten erdrosselt wird, dann wird ihn eine Gleich gültigkeit ergreifen, seine Schaffensfreude wird gelähmt, seine Tatkraft, neue Pläne, neue Erfindungen zu machen, gebrochen. Die Mackit des deutschen Volkes beruht darauf, daß jeder, der Verstand, Fleiß, Tüchtigkeit besitzt, znm Wohl stände kommen und sich eine geachtete und selbständige Exi stenz schaffen kann. Referendar Geisler schloß seinen mit großem Beifall aiifgenommenen Vortrag mit der Aufforderung an die An- wesenden, Trnstfabrikate von der Hand zu weisen. Nur wenn rechtzeitig „nd energisch Front gegen den Tabaklrmt gemacht wird, wird die Macht und der Wohlstand deS deat- schen Volkes, errungen durch den Fleiß, durch die Tüchtig- keit und den strebsamen Sinn seiner Bürger, erhalten bleiben.