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Nr. 70 G»«rrtag, d<« L7. März LV1V V. Jahrgang MlhßslheUolksMung Erscheint täglich «ach«. mU Ausnahme der Sonn- und Festtage. Ausgabe 1., Mit .DIe Zcit in Wort und Bild' vlertelMrlich- 2,10 In Dresden durch Bote» ».40 In glüu Deutschland frei Haus 8,8» ^ AuSaabe ».! Ohne illustrierte Beilage diertels. 1.80 A» Dresden d. Boten 8 10 ^ In aan» Deuts^lMet KaÄ 8,88 — tktnzel-Nr, 10 4- — ZettungSpreiSl. Nr. 0888. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die »gespaltene Petttzette oder deren Raum mit ik I.Netlamen mit SO 1 die Zeile berechnet, bei Wiederholung«» entsprechenden Rabatt. Lssts LsrußsuqusUs! ^ V«r-üxLl«Iiv USUS und godrsuodto, »II» Hole- und gtilartoa sovi« uaok 2«iokauog sR I n n 8 von 60 Uli Niseix» Luevalil, gllusUg« 2ul>Iv«ise, bodsi L»»o«ur»d»rr l »lot-l'leuo,! : »««80LkT dokeuu-Seorgeo-NIo, IS Ostern. Die Glocken jubeln hinaus in das Land, Sie schwiegen durch volle drei Tage. Ls ging durch die gläubige Lhristenhcit Jetzt bange Trauer und Alage. Ls starb der Heiland auf Golgatha, Denn er trug all unsere Sünden, Wir sollten Erlösung, Begnadigung Durch sein Leiden und Sterben finden. Alleluja! Der Sieger ging lebend hervor! So tönt es von Wunde zu Wunde. Alleluja! So rufen die Lhristen all In dieser festlichen Stunde, Mir hören die Botschaft aus Lngels Wund, Uns fehlt es nicht an dem Glauben, Den kann kein Spott, keine Lüge der Welt, Aein Zweifel darf ihn uns rauben. Und so oft die Osterglocke ertönt, Wacht frei euch von Sünde und Banden. O wär's doch ein einziger Iubelruf: Wir sind alle vom Tode erstanden! Blickt hinaus jetzt in die Natur, Die erwacht ja zu neuem Leben, V Heiland! wollest nach Tod und Grab Lin Ostern im Himmel uns geben! . L. ls. Alleluja! Christus ist wahrhaft auferstanden! Alleluja! — Ostern ist das allerheiligste unter den drei grasten Kir chenfesten. Wer unerschütterlich glaubt: Christus ist auf- erstanden, feiert heute einen Tag voll himmlischer Freude. Der Heiland konnte nicht verderben. „So viel Liebe durfte nicht in: Grabe modern." Er konnte verkannt, ver- achtet, verhöhnt, verspottet werden — das wird er noch heute — konnte untergehen, blutigrot wie Abendsonne. — aber er mustte wiederkommen, aufleuchten in ewiger Klarheit, weiterziehen die Sonnenbahn seiner göttlichen Herrlichkeit. Noch lag im Tale Karfreitagsdunkel, noch schlief die Sünde ihren Todesschlaf, da glühte hinter den Bergen Judäas das Morgenrot des Ostertages, da verliest Christus, die ewige Sonne, die Grabesnacht in Josephs Garten. Christus ist auferstanden! Alleluja! Dann ist alles wahr, was er gesagt und getan hat, dann ist auch unsere Auferstehung ewige Wahrheit. „Verschlungen ist der Tod im Siege. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?" Alleluja! Wir haben unseren Heiland wieder! Laßt uns ihn grüßen mit jubelndem Ostergrube, laßt uns seine Knie umfassen, seine durchbohrten Hände küssen und an beten den großen göttlichen Dulder! — Die Auferstehung Jesu Christi ist dem Unglauben der härteste Stein des Anstoßes, denn sie ist der Grund- und Schlußstein im Riesendome des Christentums. Sie ist nach einem Ausdrucke von David Strauß der handfeste Ein band, der die einzelnen Blätter der Lehre Christi zusam menhält, daß sie nicht im Winde verwehen. — „Ist Christus nicht auferstanden, so ist vergeblich euer Glaube." Gegen die Burg der Auferstehung sammelt die un gläubige Wissenschaft ihre besten Kräfte. Aber was immer sie ins Treffen führt — der Feuereifer der Apostel, der Hel- denmut der Märtyrer, die Glaubenstreue der Bekenner: Alles unerklärlich ohne Christi Auferstehung. Diese Felsblöcke zerschmettern die Sturmleitern der Feinde. „Das Kreuz, nur vom Staub und Weh des Karfreitages bedeckt, hätte nie- mals den Siegeslauf über den Erdkreis vollendet. Erst das Kreuz, vom Lichte des O st er morgens verklärt, hat dies vermoch t." Dieses glorreiche Dogma der Auferstehung, dieser große, feierliche Ostertag, dieses jauchzende Alleluja, mit dem wir am Sabbatabend zur Ruhe gehen und am Tage des Herrn erwachen, diese Fülle von Licht und Leben: Un- erforschliche Gedanken und süße Empfindungen, stille Er wartung, die sichtbar über den Furchen des Ackers und den Hügeln der Gräber liegt, Gewißheit, die wie Lerchenjubel aufsteigt und im Aetherblau verschwindet, seliges Hoffen und stummes Grüßen zum Lande des Wiedersehens — wie oft ist dieses „Ostermärchen" verlacht, verhöhnt und doch niemals zum Schweigen gebracht worden! „Gott aber sei Dank, der uns den Sieg verliehen hat durch unseren Herrn Jesum Christum!" Es ist Gottes Finger, wenn die Auferstehung des Hei landes zusammenfällt mit der Auferstehung der Natur. Blind und abgestorben muß der Mensch sein, der für beides kein Herz und kein Auge hat, der in die Welt des Geistes und in das Reich der Natur hineinblickt und das Herrliche gedankenlos hinnimmt, ohne nach Grund und Ursache zu forschen, ohne im Gesetze den Gesetzgeber, im Werke den Meister zu finden. „Es wird der Tag kommen," schreibt ein heidnischer Philosoph, „wo wir uns wundern werden, so klare Dinge nicht eingesehen zu haben." Ostern ist ein Wecken, ein Rütteln und Schütteln der Müden und Schlaffen, ist Heller, warmer Sonnenschein, ist klingendes, singendes Morgenlied: Wach auf, wach auf, du Menschenherz, dein Heiland ist er standen! Christus ist wahrhaft auferstanden! Alleluja! — Kommt, ihr Erlösten, ihr Gesegneten und Geweihten, laßt uns seiner Lichtspur folgen! Seine Fahne über uns, seine Gnade bei uns, seine Liebe in uns; in uns Osterglaube, Osterfreude — Herr, wir sind dein! Nun führe uns! Amen. Alleluja! 8. Der Reichskanzler in Rom. Dre-den, den 26. März 1910. Es muß als ein Mißgeschick Deutschlands angesehen werden, daß in dem Moment, wo der Reichskanzler von Bethmann-Hollweg Nom betritt, das Ministerium Son- nino zusammenbricht. Wozu haben wir einen Botschafter in Nom, wenn er die deutsche Regierung nicht informieren kann, daß die politische Unordnung in Nom es besser er scheinen lasse, die römische Reise des Reichskanzlers auf zuschieben? Die halbamtlichen Aeußerungcn bemerken zwar, es konnte zu gegenseitiger Genugtuung festgestellt werden: „die auf dem Dreibunde beruhende Politik, die schon so lange eine Bürgschaft des europäischen Friedens bildet, habe in beiden Ländern zu feste Wurzeln geschlagen, als daß sie von Wechseln in den Personen berührt werden könnte. Die Kabinette von Rom und Berlin seien sich in Uebereinstimmung mit der Wiener Regierung insonder heit darin einig, daß sie im Orient die Erhaltung des Status quo erstreben." Traf der Reichskanzler also bei seinem Besuche im neuen Rom, im Ouirinal, Unordnung und Unselbständig keit an, so wird er um so mehr von der Festigkeit und Ord nung im alten Rom. im Vatikan, befriedigt gewesen sein. Was in den Dreiviertelstunden, die der Reichskanzler allein beim Papste verweilte, geredet und verhandelt wurde, weiß niemand als die beiden beteiligten Persönlichkeiten und allenfalls der Snob des „Berl. Tagesbl.", der von Nom aus drahtet: „Es scheint, daß Herr von Bethmann-Hollweg dem Papste gegenüber die Hoffnung aussprach, daß Negie rung und Vatikan auch über diese Frage schließlich eine Verständigung finden würden. Der Papst antwortete darauf mit einem höflichen: „Aber gewiß, gewiß!" Vom Zentrum scheint in der Unterredung nicht die Rede ge- wesen zu sein." usw. Eine Musterleistung. Obwohl der fingerfertige Mann nur schreiben kann, „es scheint", so weiß er doch ganz genau, was der Papst geantwortet hat. Man „scheint" also annehmen zu dürfen, daß seine Ohren vom Petersplatze bis in den Vatikan reichten, eine Leistung, vor der sich jedes Grautier verstecken muß. lieber den Besuch des Reichskanzlers im Vatikan spre chen wir unsere Genugtuung aus. Wir überschätzen eines teils die politische Bedeutung dieses Höflichkcitsaktes nicht, würden aber eine Unterlassung desselben als ein ungünsti ges Zeichen angesehen haben. So kommt durch den Besuch zum Ausdrucke, daß -er Reichskanzler mit der katholischen Kirche in Frieden zu leben wünscht. Herr von Bethmann- Hollweg ist ein gerader, offener Charakter, es ist ihm mit seinen friedlichen Absichten ernst. Die deutschen Katholiken werden ihn in diesem seinem Entschlüsse unterstützen. Das Zentrum hat allerdings keine Ursache, sich durch den Besuch im Vatikan in eine tatenlose Vertrauensselig keit wiegen zu lassen. Fürst Bülow ist auch beim Papste gewesen, er benutzte die Gelegenheit, um das Zentrum zu verdächtigen. Die Ereignisse von 1906 haben das Zentrum gründlich von der Krankheit der Vertrauensseligkeit zu dem ewig lächelnden, konzilianten Reichskanzler geheilt. Es ist sich bewußt geworden, daß cs bei der Regierung nur so viel gilt, als es Mandate in die politische Wagschale wer fen kann. ^V. Der Hintergrund des ungarischen Parlamentsattentakes. Von besonderer Sette au« Wien. Die Ereignisse, die sich dieser Tage in Ungarn abge spielt haben, blutige Attentate auf Minister in offener Parlamentssitzung, ausgefllhrt von Abgeordneten des Lan des, hängen so eng zusammen mit dem heutigen Unglück, lichen Zustand Ungarns und weitreichenden politischen Er Wege« des Osterfestes erscheint die nächste Nnmmer erst Dienstag de» 29. März nachmittags. scheinungen, daß sie nicht fiir sich allein betrachtet werden können. Diese Geschehnisse belasten nicht das Schuldkonto einiger unwürdiger Rohlinge, sondern sie müssen als be- sonderes Kapitel in dem Buche verzeichnet werden, das die entsetzlichen Verirrungen des magyarischen Chauvinis- mus aus den letzten Jahren zusammenfaßt. Der Kossuthismus hat das öffentliche Leben Ungarns vergiftet, mit Mißtrauen und Hinterhältigkeit gegen die Dynastie, mit Abneigung gegen die österreichischen Reichs- genossen und mit Verständnislosigkeit gegen die Bedürf nisse des eigenen Lairdes erfüllt. In dem Jahrhundert der großen sozialen Umwälzungen und der sozialen Kämpfe gibt es für das kossuthistische Ungarn keine soziale Frage; die großen weltbewegenden wirtschaftlichen und kulturpoli tischen Ereignisse gehen an der heute herrschenden politischen Welt Ungarns eindruckslos vorüber. Seit Jahren hat keine soziale oder kulturelle Debatte mehr das ungarische Abgeordnetenhaus beschäftigt oder auch nur für einen nennenswerten Kreis von Politikern eine Rolle gespielt — alles geht unter in dem wüsten Hüh- und Hottgeschrei der wilden Jagd des magyarischen Chauvinismus, der nur einen Gedanken und einen Gott kennt: Den magyari schen Nationalstaat, der mit jedem Preis und mit allen Mitteln erreicht werden muß. Die Kinder in der Schule überfällt dieser Chauvinismus, verbietet ihnen den Ge lrauch der deutschen, rumänischen, slovakischen Mutter sprache, zwingt ihnen „im Aufträge des königlich ungari- scheu Unterrichtsministeriums" herausgegebene Schul bücher, wie das berüchtigte „Törtäneti Olvasnranyok irta Benedek Elek" in die Hand, in denen die Verabscheuung der habsburgischen Dynastie den Kindern systematisch aner zogen wird; es verzerrt dieser Chauvinismus die ganze Gymnasialerziehnng zu einer einzigen reichsfeindlichen Ge schichtslüge, läßt in der Gesellschaft und in der Verwal tung aus der nichtmagyarischen Bevölkerungshälfte des Landes nur die nationalen Renegaten gelten und streicht und verfolgt alle anderen. Alle magyarischen politischen Parteien, auch diejenigen, die nicht unter den Fahnen des Kossuthismus stehen, sind heute mehr oder minder von diesem Hasse ergriffen, sie unterscheiden sich mir in der Gangart, nicht im Wegziele. Es ist ja nicht das erste Mal, daß im Namen der natio nalen Verteidigung Vertreter des Königs blutig mißhan delt werden: zur Zeit des nationalen Widerstandes im Frühjahre 1906 hat man zu Debreczin den neuernannten königlichen Obergespan, der im Namen der königstreuen Negierung Fejcrvary einzog, überfallen, schwer mißhandelt uird auf einem vorbereiteten Leichenwagen schwer verletzt un Triumphe aus der Stadt gefahren. Und damals prie sen alle Parteien des Widerstandes — und das waren nicht nur die Kossuthisten — dieses Verbrechen als eine Ruhmes tat für das Vaterland! Die Scheußlichkeit des jetzigen Vorfalles hat den Ruhm der Jnsthpartei, dem linken Flügel der kossuthistischen Un- abhängigkeitspartei, allein Vorbehalten und auch die Par tei des Abgeordneten Justh, dieses vorletzten Präsidenten des ungarischen Abgeordnetenhauses, möchte jetzt, nachdem sie angesichts der Bluttat im Abgeordnetenhaus«! noch ein mütig gerufen: „Wir alle übernehmen die Verantwortung!" gern sich aus dem Staube machen und vor dem Abscheu des ganzen gebildeten Europa sich reinigen. Wie viel dem Geiste nach Mitschuldige aber das blutige Attentat vom 21. März in den magyarischen Parteien hat, beweist die unverblümte Aeußerung des „Budapest", des offiziellen! Organs Franz Kossnths, des offiziellen Führers des rech ten Flügels der Unabhüngigkeitspartei, der an jenen Exzessen nicht aktiv beteiligt war. Trotzdem schreibt dieses Blatt am 23. März: „Eines ist sicher. Es mag geschehen, was da wolle während der nächsten Zeit, der König wird die nationa len Aspirationen (Trennung der wirtschaftlichen und militärischen Einheit des Reiches) verstehen lernen und würdigen müssen. Er muß. Sonst wird die nächste Re gierung denselben Weg nehmen, wie die frühere. Der nationale Wille kann sich nicht ändern, es muß also des andere Faktor (der König) nachgeben." Widrigenfalls also die nächste Regierung denselben Weg nimmt, wird sie Tintenfässer und Streusandfässer an den Kopf kriegen. Das ist der Schwur auf die Verrohung der öffentlichen Sitten, geleistet durch das Parteiorgan des eben erst zurückgetretenen königlich ungarischen Handels- ministers Franz Kossuth, — das sind die politischen Emana tionen jenes magyarischen Chauvinismus, den man bisher an manchen Stellen in Europa noch als den Inbegriff der Ritterlichkeit angesehen hat und der sich noch gelegentlich in vornehmen Revuen anpreisen läßt. Ist ganz Ungarn von diesem Geiste des Haders mit dem geordneten Staatsleben, mit der Dynastie und moder nen Parteibegriffen angesteckt? In der Antwort liegt die Lösung des ungarischen Problems. Es ist das Glück Un- garns und der Donaumonarchie, daß die heute in Ungarn herrschenden politischen Parteien nur wie gefallenes Laub auf den Hellen Gewässern des ungarischen Volkslebens schwimmen. Es muß nur in diese Gewässer durch die vom