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SächslscheUolksMm «», «Ul U«,u,»pretS, >a«d« 4 mtt 2 Beilagen vierteljährlich »,IO ^ In Dresden v«rch Boten ».40 In ganz Deutschland frei HmiS ».8» in Oesterreich 44» L »««vr « nur mit Feierabend vierteljährlich 1,80 In Dresden dnrch Bote» »,l0 ^ In ganz Deutschland frei -aus L.»» in Oesterreich 4.07 L. - EinzeI>Nr. 10 4 > Redaktions-Svrechsiunse: I« »t« 11 Uhr vormittags. I Für Rütk abe etngelandter Schriststucke macht sich die Redaktion I I nicht verbindlich! Rücksendung ersol.'t, wen» Rückporto bei-1 gefügt Ist. Brieflichen Anfrage» ist UntwortSporto betzusüge» Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit mit Unterhaltungsbeilage Die illustrierte Zeit und Sonntagsbeilage Feierabend Anzeigen i I Annahme von SeschüstSanzetgen bis 10 Uhr, von Ftimilien- anzeigen bis I» Uhr. ! Preis für die Petit-Spaltzeile 20 im RellamctetI SO 4- Für undeutlich geschriebene, sowie durch Fernsprecher aus- gegebene Anzeigen können wir die Verantwortlichkeit für die I Richtigkeit des Textes nicht übernehmen. Geschäftsstelle und Redaktion Dresden, Holbeinstrahe LS Rr. 234 Fernsprecher 1366 Sonnabend, den 12. Oktober 1912 Fernsprecher 1366 11. Jahrg. Wochenschau Herbststimmung. Todesahnen zieht in diesen rasch verdämmernden Oktobertagen dnrch die Natur n,rd wir werden unwillkürlich an die Falken der „scljwarzen Berge" erinnert, die in diesem Augenblicke durch das Kriegsge- schrei der Montenegriner aufgescheucht werden und über die Schluchten der zerrissenen Kalkgebirge sliegen. Denn der Krieg ist da. Das kleine Montenegro ist den Diplo maten „durch die Lappen gegangen", wie Herr Sasanow sich geäußert haben soll, als er in Berlin die Nachricht von der Kriegserklärung erhielt. Was wird daraus tverden? Wer weiß es? Der Journalist kann es sicherlich nicht wissen, wenn die starken Lenker der Großmächte sich durch einen bisher immer bespöttelten kleinen Balkanfürstcn so überraschen und verwirren lassen, daß sie das Konzept ver- lieren und selbst nicht sagen können, was die nächste Stunde bringen wird! Die vergangene Woche war reich an Kongressen, In Dresden tagten die christlichen Gewerkschaf ten. Aus den Berichten über die Arbeiten dieses Kon gresses ersieht man neuerdings die Wichtigkeit dieser macht- vollen Organisation, ihre Bedeutung für das soziale und wirtschaftliche Leben der Nation. Der fortschrittliche Parteitag in Mannheim dagegen bot nur ein Bild der Un einigkeit, und mit Mühe gelang es der Parteileitung, alle Risse schleckst und rocht zu verkleistern und im übrigen durch ängstliche Enthaltsamkeit allen Konslikten möglichst aus dem Wege zu gehen. Das Verlangen der Frauen, ihre völlige staatsbürgerliche Gleichberechtigung programmatisch zir fordern, wurde nicht gewährt', man fand sie mit kleine- ren Zugeständnissen ab. Das Stichwahlabkommen mit der Sozialdemokratie wurde als eine große politische Tat ge priesen, die hoffnungsvolle Aussichten für die Zukunft biete. Der fortschrittliche Parteitag hat somit die Partei wieder einmal als national unzuverlässig erwiesen, und wie es niit ihrer religiösen Haltung bestellt ist, erhellt aus dem Umstande, daß auf die Tagesordnung des nächsten Partei tages Trennung von Kirche und Staat gesetzt worden ist. — Gleichzeitig tagte in Saarbrücken der Evangelische Bund, der in diesem Jahre sein silbernes Jubiläum feiert. Trotz seiner Jahre hat der Bund aber noch nichts von seiner Feindschaft und seinem Hasse gegen Rom und die katholische Kirche verloren. Auch die Saarbrückener Generalversammlung stand im Zeichen der konfessionellen Hetze, die ihre schönsten Blüten in der Behandlung der Je- fuitenfrage trieb. Dick österreichische Delegation bemüht sich Ärampfhaft, ihre Arbeiten so schnell als möglich zu bcendi- igen. In diesem löblichen Beginnen, das hauptsächlich in der bedrohlichen auswärtigen Lage seine Gründe hat, wird sie jedoch bedauerlicherweise von den Sozialdemokraten be hindert, die in diesen kritischen Tagen sich wieder einmal so recht staatsfeindlich zeigen. Trotz der Wirren auf dem Balkan halten die sozialdemokratischen Delegierten die ge setzmäßige Erledigung der wichtigsten Staatsnotwendig keiten auf durch stundenlange Reden, in denen ganz über flüssigerweise die Sozialdemokratie als einziger Hort des Friedens und — man höre und staune — der Papst als Ur sache des italienisch-türkischen Krieges hingeftellt wird. Gleichzeitig drohen die Vertreter dieses „Friedcnshortes" mit Aufruhr im Innern und mit Vorgängen nach dem Muster ber berüchtigten Pariser Kommune anno 1870 für den Fall, daß die internationalen Verwickelungen eine Mo bilisierung in Oesterreich notwendig machen sollten! Der italienisch-türkische Krieg ist beendet — aher der Friede ist nicht formell abgeschlossen, und die Italiener haben diese Zeit der Verhaicdlungen noch zu einem Vorstoß bei Domba benützt, der einen für die Türken sehr verlustreichen Ausgang genommen haben soll. Das wird nur zur Beschleunigung des offiziellen Friedens schlusses beitragen. Beide kriegführenden Staaten haben ja auch sichtlich ein großes Interesse daran, daß der türkisch- italienische Konflikt endlich ans der Welt geschafft wird. In erster Linie ihat natürlich die Türkei alle Ursache, sich des Gegners zu entledigen, um dann mit um so größerer Kraft und rückenfrei dem anscheinend nicht mehr aufzuhal tenden Ansturm der Balkanstaaten entgegentreten zu kön nen. Aber auch Italien möchte gern die etwas verbrannten Finger aus dem tripolitanischen Feuer ziehen, da es bei einem etwaigen Balkanbrande ohnedies wieder engagiert werden kann. Ans Marokko laufen in letzter Zeit weniger be unruhigende Nachrichten ein. Es ist dort fast still gewor den, doch scheint es die Stille vor dem Sturme zu sein. Es heißt, der Thronbewerber El Hiba sammle wieder eine starke Truppenmacht, verschiedentlich wurde auch behauptet, er rüste bereits zu neuen Angriffen gegen die Franzosen und habe 10000 Mann unter seinen Fahnen. Jedenfalls kann von einem auch nur einigermaßen unterworfenen Lande nicht gesprochen werden. Ueberall glimmt das Feuer unter leichter Aschendecke, und jeder Windzug kann die Flammen wieder entfachen. In Spanien gärt cs augenblicklich wieder recht be denklich. Die Meldungen, die von dort eintreffen, deuten auf die Anfänge einer revolutionären Bewegung hin. „Nach Portugal Spanien", haben sich die freimaurerifchen Um stürzler gesagt und sie gehen mit Bedacht und Zielbewußt sein ans Werk. Der Eisenbahnerausstcmd in Spanien hatte einen recht erheblichen Uinfang angenommen und nur durch die Einberufung der Reserven konnte die Negierung eine Einstellung des Betriebes verhindern. Ten Cortes, die auf den 11. Oktober einberufen worden sind, sollen neue Gesetzentwürfe zur Schlichtung der Streitfragen vorgelegt werden. Ministerpräsident Canalejas wird in ihnen vor aussichtlich den rechtlichen Charakter allgemeiner Ansstände im öffentlichen Dienste genau fcstlegen. Belgien hat in Augnst Bernaert einen seiner besten Staatsmänner verloren. Bernaert hat während eines Vier teljahr-Hunderts die Politische Szene mit einer Meisterschaft beherrscht, die ihm sogar die Bewunderung seiner Gegner eintrug. Sein Tod hat im ganzen Lande tiefe Trauer hervorgerusen. England lenkt zurzeit die Aufmerksamkeit des poli tischen Beobachters auf sich durch die Rolle, welche es in den Verhandlungen vor dem beginnenden Balkankriege gespielt haben öürfte. Man stellt nicht mit Unrecht den König Nikita von Montenegro als den Geschobenen dar; über die! „schiebende" Kraft ist man sich nicht im Klaren. Am nächsten kommen wohl die der Wahrheit, die da sagen, daß es hier eine große Zahl von schiebenden Kräften gibt. Unter ihnen aber hat gewiß Sir Edward Grey eine Nolle gespielt. Es ist sogar höchst wahrscheinlich, daß er die Diplomatie sämt licher Großmächte über den Löffel barbiert hat, und daß England es sein wird, das allein aus der Affäre Nutzen zieht. Rußland hat auf dem Balkan schon genug bittere Erfahrungen gemacht, uni vorsichtig zu sein: schließ- sich würde es auch die Kanonen Oesterreich-Ungarns auf seinem Wege finden. Nur England kann sich frei bewegest und nach Herzenslust anderen Ratschläge erteilen, damit sie die Kastanien aus dem Feuer holen! Das war ja vost jeher so. Darum gefällt sich England jetzt in der Rolle des Türken-Beschützers! Während alle übrigen Mächte sich ist Gegnerschaft zur Türkei setzen, Srstrahlt Englaicd plötzlich in der Gloriole des energischen und erfolgreichen Beschützers des „kranken Mannes". Es ist das ein großer diploma- tischer Erfolg Sir Greys ans dem Wege seiner Be mühungen, Deutschland am Goldenen Horn völlig aus dem Sattel zu heben und zugleich sich die Sympathien aller Mohammedaner, deren England viele Millionen in seinen Kolonien zählt, zu gewinnen. Es ist aber auch ein Bild nicht ohne Reiz, hier wieder einmal John Bull als würde vollen Vertreter jener Politik zu sehen, bei welcher er be brütende Vorteile für sich herauszuschlagen hofft. Der Valkankrkeg Um Podgoritza und um Berane wird noch immer leb haft gekämpft. Podgoritza ist die größte Stadt Montenegros und der Ausgangspunkt der Operationen für die Montene griner. Auf türkischer Seite ist der natürliche Stützpunkt Skutari, und es ist anzunehmen, daß die Montenegriner diese Stadt als Zielpunkt ihrer Operationen betrachten. Die örtlichen Verhältnisse erschweren ungemein die militärischen Operationen, da die Kommunikationen in den Bergen Albaniens mehr als mangelhaft sind. Es wird vielleicht sich ein Kleinkrieg entspinnen, dem die montenegrinische Armee allerdings viel eher gewachsen sein würde als die türkische, die zum großen Teile aus ermüdeten und an den Bergkrieg nicht gewohnten Truppen besteht. Und die Haltung Bulgariens, daS doch die Führer- rolle im Balkankrieg übernommen hat? Antwort: König Ferdinand von Bulgarien hüllt sich noch in geheimnisvolles Schweigen. Er zaudert. Er läßt andere Vorgehen, um zu zeigen, daß er nur deshalb vo-geht, weil er durch die Er- Iur Ermordung des Paradiesvogel- ..Jägers" Pelerson in Deutsch-Neuguinea In der „Tägl. Rundschau" veröffentlicht Professor E. G. Schillings, der bekannte Forstlrungsreisende und Vor kämpfer für Naturschutz, mit der Bitte um Abdruck einen Warnruf, dem wir folgendes entnehmen. Durch die deutsche Presse geht im Augenblicke ein Be richt des Kaiserlichen Bezirksamtes Friedrich-Wilhelms hafen in Deutsch-Neuguinea über den infolge der Ermor dung des „Jägers" Peterson und seiner Gehilfen notwen dig gewordenen Strafzng gegen die an der Mordtat schul digen Eingeborenen. Das Dorf Bemari wurde nach diesem Berichte eingcäschert und fünf Bemarilcute getötet. Tic Expedition währte vom 21. bis 26. Juni und ließ eine Ab- teisimg zurück, um weitere Strafakte vorzunehmen. Es wirft dieser Bericht ein schlagendes Licht auf die im Sinne des Naturschutzes höchst traurigen Verhältnisse in Deutsch- Neuguinea. Nicht zum ersten Male war es notwendig, gegen Eingeborene so vorzugehen, die (höchst begreiflicher weise!!) mit den Paradiesvogeljügern in Konflikt geraten lvaren. Man muß sich fragen, ob nicht durch derartige Vor gänge und die großen Kosten, die durch diese Strafzüge ent stehen, die als Rechtfertigung der Abschlachtung der Para diesvögel oft angeführten Zolleinnahmen, die aus der Aus fuhr der Paradiesvögelbälge sich ergeben, illusorisch gemacht werden. Das Bezirksamt Friedrich-Wilhelmshafen war es auch, das im Anfang dieses Jahres auf die Anfrage einer am Federhandel interessierten Zeitung die Auskunft gab, es könne von Paradiesvögelausrottung in absehbarer Zeit gar keine Rede sein!! Glaubt man denn in Deutschland tatsächlich, die An sicht vertreten zu können, die Paradiesvögel in wenigen Jahren ausrotten zu dürfen?. Weshalb hat die englisch. Regierung jede Paradiesvogeljagd und -Ausfuhr aus Bri- risch-Neuguiuea gänzlich verboten?? Einfach aus dem Grunde, weil sich die unbedingte Notwendigkeit eines sol chen Verbotes ergeben hat. Auf dem diesjährigen deut schen .Kolonialtage in Hamburg mußte man es erleben, daß als so ziemlich der einzige wirtschaftliche Wert Dentsch- NriignineaS die Paradiesvogelvernichtnng Eingestellt wurde, auch hörte man dort, daß der Gouverneur Deutsch- Neuguineas die Konzession der Paradiesvogelvernichtung neuerdings an die Urbarmachung von ja 60 Hektar Land geknüpft habe. Stehen den« Gouverneur keine anberen Mittel zu Gebote, Land kultivieren zu lassen, als durch die Ausrottung — ich wiederhole: Ausrottung! — der Para diesvögel? Eine „Schonzeit" während einiger Monate des Jahres soll erstaunlicherwcise von den in, Innern des Landes tätigen „Jägern" respektiert werden . . . Wer überwacht diele Maßnahme, und wie wird sie über wacht? Was soll sie nützen, da doch der Paradiesvogel sein vom Handel als Damenschmuck verlangtes Prachtkleid ge nau wie der Reiher nur zur Brutzeit trägt? (Die Para diesreiher des Handels sind keine Reiher, sondern Para diesvögel!) In dem von der „Modistin" am 25. Mai 1012 ver breiteten Sondcrabdruck finden sich u. a. folgende Ausfüh rungen ebendesselben Kaiserlichen Bezirksamtes Friedricb- WilhelmShafen (in gesperrtem Truck!): Sotveit die An griffe, die sich gegen den Federschmuck auf Damenhüten richten, behaupten, daß der Paradiesvogel auSgerottet werde, handelt es sich um eine starke Uebertreibung". Fer ner: „Es ist richtig, daß die Jagd auf Paradiesvögel, als die Preise dafür stiegen, einen großen Umfang angenom men hat. DaS Jagdgebiet ist aber so weit, daß (gesperrt gedruckt!) von einer Ausrottung in absehbarer Zeit keine Rede sein kann. Die Ausfuhr betrug 1911 1306 Bälge ,ifw." Ich möchte fragen, worauf das Kaiserliche Bezirksamt Friedrich-Wilhelmshafen diese, einem Blatte, welches ledig lich die Interessen des Federhandels in diesem Falle ver- tritt, erteilte Auskunft gründet? Ist es dem Bezirksamt«: unbekannt, daß einzelne Arten schon als ausgerottet gü ten? Ist es ihm unbekannt daß kein einziger Paradies vogel aus dem benachbarten Britisch-Neuguinea mehr aus geführt werden darf? Der Zufall wollte cs, daß im Jahre des Regierungs antritts unseres Kaisers zwei damals neu entdeckte Para- diesvogelarten nach unserem Herrscherpaare benannt wur den. Beide Prachtvögel —- Uarncllsen Ouilelml impera- tol'm und I'aracimea .VnAU8tao Victoria«? —, vor allem die letztgenannte, nach unserer Kaiserin benannte, vom Fede.handcl massenhaft eingeführte Art, sollten doch wahr hastig nicht völlig vernichtet werden. Es wäre gut, wenn dis Oeffontlichkeit, auch unser Par lament, diesen Dingen ihr Interesse zuwendete. Soll der „Bund für Vogelschutz" in Stuttgart, soll ein solch vortreff licher Kenner, wie Oberstndienrat Professor Dr. Lampert, auf den. Internationalen Heimatschutztage in diesem Jahrs umsonst den endlichen Schutz dieser Herrlichkeiten dev Schöpfung gegen habgierigen Vcrnichtungswahn gefordert haben? Darf eine kleine Händlergruppe und leider auch viele Europäer in Deutsch-Neuguinea fortfahren, sie für immer aus dem Buche des Lebendigen zu streichen? So weit Professor Schillings. Zur Erläuterung sei noch hinzugefügt, daß in Deutsch-Neuguinea jeder versandte Paradiesvogel einen Ausfuhrzoll von fünf Mark in die Kolonialkasse bringt. Je mehr also von diesen wunder bar prächtigen Vögeln abgeschossen und nach Europa zum Schmuck der Damenhüte geschafft werden, um so günstiger steht sich die Kasse der Kolonialverwaltung. Eine höchst merkwürdige Illustration zum staatlichen Vogelschutz!