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Unabhängige» Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit «tt UnterhaltttnAL-eilage Vie illustrierte Zeit und SonntagLbeilage Feierabeuö Nr. 115 Geschäftsstelle und Redaktion Dresden»?». 16, Holbeinftrahe 46 Mittwoch den 20. Mai 1014 Fernsprecher 21366 13. Jahrg nui» Wsttinv^lraSv 21. Christi Himmelfahrt Kommet auf den Oelberg. Christus will Abschied nehmen. Seine Mission ist erfüllt, seine Arbeit getan. Feierabend heißt die Stunde. Wunderbar wie die Ankunft ist der Abschied des Erlösers. Er führt zum Himmel. Wie sollen wir uns dieses Bild vorstellen? Alle Gedanken der Kunst, alle Schönheiten der Natur, sie reichen nicht hin, Christi Himmelfahrt zu malen. Es geht über Menschen kraft, die Geisterwelt zu schildern. Denn das ist gewiß: bei diesem wunderbaren Abschied des bereits vergeistigten Christus mischen sich die Lichter dieser Welt mit den Sonnen eines anderen Lebens. Das blaue Firmament ist durch brochen und in goldener Herrlichkeit gewölbt wie eine un endliche Kuppel. Auf der einsamen Höhe des Oelbcrgcs nur die in Anbetung versammelte Christengemeinde. Ein leises Rauschen des Windes in den Blättern der Bäume, ein Summen von Bienen, Lerchengesang und darüber oder dahinter aus ewigen Fernen der Klang himmlischer Glocken, die verhaltenen Akkorde entzückender Lieder. Bal sam und Weihrauch der Erde duften hinein in die traurigen Rosen, die unverwclklichen des Paradieses. Es ist sonnen- hell und klar, warm und wohlig und doch kühl und er- frischend, als rauschten silberne Brunnen über golddurch- letztes Gestein unter königlichen Palmen. Eine über natürliche, sanft auslösende Ruhe hat die Seelen umfangen, die begnadet wurden, Christi Himmelfahrt zu schauen, und doch mag es ihnen gewesen sein, als drängten sich hinter einem schleierhaften Vorhang die Myriaden seliger Geister. In außergewöhnlicher Klarheit blauten die Berge Judäas, aber es schien, als türmten sich darüber in unsagbarer Höhe und stolzer Majestät die Firmen des heiligen Berges. — Himmelfahrt ChristiI „Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr gehört, und in keines Menschen Herz ist es gekommen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben." Auch die Apostel durften nur ahnen, schauen in weiter, weiter Ferne das ge lobte Land des ewigen Friedens. Nur soviel durften sie schmecken von diesen: göttlichen Trank, um getrost nnd freu digen Mutes zu gehen „bis an die Grenzen der Erde''. Es War ein Lichtschein in ihre Augen gefallen und ein Ton in ihre Seelen, der — unvergänglich, unvergeßlich — mit ihnen ging, der ans ihrem Antlitz leuchtete, wenn sie standen auf dem Markte des Lebens, der aus ihren Worten klang, so oft sie redeten und kündeten das Evangelium der Liebe Gottes. Sehet die Himmelfahrt Christi! Sehet die Wohnung des Allerhöchsten! „Wer ist wie der Herr unser Gott, der in der Höhe wohnet?" Unverrückbar muß das Seelenauge des Christen auf diesen leuchtenden Sonnenuntergang gerichtet sein. Mit allen Farben sollen wir uns den Heimgang Jesu ausmalen und glauben und hoffen, singen und jubeln: das ist auch mein Anteil, mein Ende, richtiger: mein Anfang ohne Ende. Licht brauchen die Christen unserer Tage, Trost und reine Freude. Sie müssen ihre Trümpfe ausspielen, ihre Weißen Fahnen entfalten, ihr Hellen Kerzen entzünden. Tor Oelberg ist die Stätte der Todesangst, aber auch der Ver klärung. So heilsam und notwendig die Betrachtung des Leidens, so segensvoll ist die Erinnerung an die Glorie Christi. Das Rosenkranzgebet des katholischen Volkes hat zwischen den Perlen des Leidens: Freude und Glorie. Ein deutlicher Hinweis, daß die Christenseele des Lichtes bedarf und der Seligkeit der Seelen. Nicht gegen die kahle, kalte Friedhofsmauer muß der Blick fallen, er muß sich heben und eintauchen in die Sonnenglut der Himmelfahrt. Ihre Strahlen müssen unsere Kreuzwege verklären, ihre Melo dien müssen unsere Seufzer übertönen. Wie ein lichter Engel, wie ein goldener Wegweiser, wie ausgebreitete Vaterarme, wie Glocken der Heimat und Berge des Frie dens, so muß die Himmelfahrt Christi vor uns liegen — ein gelobtes, fest versprochenes Land, ein wiedergefundenes Paradies, von unserem Leben getrennt durch die schwarzen Grabgitter, die aber umrankt sind von den glühenden Rosen einer großen, ewigen Hoffnung. Also steht es geschrieben im heiligen Evangelium: „Und es geschah, während er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf in den Himmel." Immer noch und immer nieder hebt Christi Himmelfahrt segnend die Hände auf. Eine himmlische Sonne, die ihre Strahlen wirft „bis an iüe Grenzen der Erde". Die Himmelfahrt Christi steht hinter jedem Worte des Evangeliums. Zwischen den beiden pvrrsllan Lteloxut Lönigl. Hoklioksrkvt Olas u°ä Kristall Entlauset' Oedrsucd»- u. riorLexeastänäo Lünig-ikobauL-Ltraü« Kerzen: Auferstehung und Himmelfahrt liegt das heilige Buch. Aber am Feste selber, wo die christliche Gemeinde, die sich ausgebreitet hat über die ganze Welt, im Geiste auf dem Oelberge versammelt ist, da flammt das geheimnis volle Licht der Himmelfahrt besonders hoch und feierlich auf, da klingt der ewige Gedanke und das trostreiche Vor bild aus wie der Schlußakkord einer mächtigen Symphonie, das Amen aus der frohen Botschaft der Erlösung, das „Hosanna in excelsis". „Und sie beteten ihn an und kehrten nach Jerusalem zurück mit großer Freude." So berichtet der heilige Evan gelist Lukas. Anbetung und Freude! „Bis an die Gren zen der Erde!" Die ganze Christenheit eine Harfe, ein jubelreiches Lied! „Singet dem Herrn, der über den Him mel des Himmels hinauffährt gen Ausgang. Alleluja." Wir loben dich, wir preisen dich, wir beten dich an. DaS sei unser „Credo", unser Gottesdienst auf dem Oelberge, und dann zurück nach Jerusalem mit großer Freude. 8. Enttäuschte Hoffnungen Wie freigebig ist doch die liberale Presse in der Aus- teilung von Vorschußlorbeeren an den neuen preußischen Minister des Innern v. Loebell gewesen. In allen Ton arten konnte man es lesen, daß mir dem neuen Mann aus der Zeit des Bülowblockes eine neue politische Aera in Preußen beginne und der Geist des Blockknnstlers Fürsten Bülow neu aufleben werde. Die Antwort auf die libera len Freudenausbrllche war in der Presse der Rechtsparteien der Ausspruch eines gelinden Mißtrauens vor dem neuen Minister, und in der Zentrnmspresse legte man sich in der Beurteilung desselben größte Zurückhaltung auf, da es im allgemeinen nicht Gepflogenheit der Zentrumspartci ist. kommenden Leuten von vornherein mit Mißtrauen oder auch mit Lobpreisungen zu begegnen. Wie voreilig und unklug der liberale llebereifer in der Feier der Person und der Slbsichten des Herrn v. Loebell gewesen ist, hat gleich das erste Auftreten des neuen Ministers Im preußischen Abgeordnetenhaus gezeigt und man versieht die Enttäu schung im liberalen Lager, die in dem Bedauern zum Aus druck kam, daß Herr v. Loebell leider nickt der erleuchtete Staatsmann sei, wie man ihn sich gewünscht hatte. Fort schrittler und Nationalliberale suchten beieinander Trost über die Enttäuschungen, die Herr v. Loebell ibren Wahl- reformhoffnungcn bereitete, und die Soziaioemokraten ge rieten völlig aus dem Gleichgewicht ob der Erkenntnis, daß der Nachfolger des Herrn von Dallwitz diesem in seiner Mneigung gegen die Sozialdemokratie kaum nachstehen wird. Die Erklärung, daß der neue Minister gleich bei sei nem ersten Auftreten im Parlament in der Frage der Wahl rechtsreform abgegeben hat, verdient jedoch allgemeine Be achtung, da sie doch mehr enthält, als eine glatte Absage an alle Wahlreformwünsche. Es mag in Preußen allerdings als etwas Selbstverständliches angesehen werden, daß ein Ministerwechsel keinen Kurswechsel bedeutet, und doch kann man der Ansicht sein, daß gewisse Strömungen bei einem Minister mehr Verständnis und Förderung finden, als sein Vorgänger aufzuweisen Willens war. Und den Anschein wird man aus den Worten des Ministers doch gewinnen können, daß er bei aller energischen Ablehnung jeder Demo kratisierung des preußischen Wahlrechtes doch geneigt zu sein scheint, einen neuen Versuch zur Reform des Wahl rechtes zu machen. Er erblickt als Ziel dieser Wahlreform eine gerechte Abstufung des Gewichtes der Wahlstimmcn, um dem Mittelstände, den Gewerbetreibenden, den Hand werkern, Bürgern und Bauern einen berechtigten Einfluß bei den Wahlen zu sichern. Es will uns scheinen, als ob es Wohl möglich und angängig sei, auf den Boden eines sol chen Wahlreformplanes zu treten. Wie die Verhältnisse heute in Preußen liegen, läßt sich ein freiheitliches Wahl recht, ähnlich dem Reichstagswahlrecht, in Preußen nicht schaffen: ein allgemeines, gleiches, geheimes und direktes Wahlrecht ist heute noch in Preußen eine Utopie und darum kann es nur Aufgabe des besonnenen und zielbewußtm Politikers sein, Reformen anzustrehen, die unter den gegenwärtigen Verhältnissen durchführbar sind. Es ließe sich im preußischen Abgcordnetenhause wohl eine Mehrheit für ein direktes und für ein geheimes Wahlrecht finden, aber, niemand weiß zu sagen, was anstelle des abgestuften Wahlrechtes gesetzt werden soll, damit auch hierfür sich eine Mehrheit fände. Jeder Schritt vorwärts, der eine Ab- schwüchung des plutokratischen Charakters des preußischem Wahlrechtes bedeutete, ist darum als eine dankenswerte Re form zu begrüßen. Wenn es darum gelingen sollte, eine Besserung des Wahlrechtes herbcizuführen, die dem Mittel stand, der in den letzten Jahrzehnten unter den schwierigsten und ungünstigten Verhältnissen um seine Existenz gekämpft und sich behauptet hat, zugute käme, wäre jedenfalls eine Reform geschaffen, die auch in den Kreisen, die nicht zum Mittelstand gezählt werden, als achtenswerter Erfolg auf dem Wege zu einer allseitig befriedigenden Reform des preußischen Wahlrechtes betrachtet werden könnte. Eine Reform zugunsten des Mittelstandes wäre auch aus dem Grunde besonders erwünscht und auch belangreich, als ge- rade des Mgeordnetenhaus sich mit den Fragen des Mit telstandes in hervorragender Weise befaßt, wie der Reichs tag vor allem die Fragen der Arbeiterschutzgesetzgebung zu regeln hat. Sächsischer Landtag Dresden, den 19. Mat 1914 Erste Kammer. Auch die Erste Kammer trat heute vormittag 11 Uhr in GcgeMvart der Herren Staatsminister zu ihrer 48. (Schluß)-Sitzung zusammen. Graf zur Lippe referierte zunächst über Titel 4a dos Kapitels 21 des ordentlichen Staatshaushaltsetats für 1916 betr. Zuwachssteuer. Er beantragte, die Kammer wolle in Uebsreinstimmung mit der Zweiten Kammer be schließen, die Einstellung bei Titel 4a des Kapitels 21 von 1200V00 Mark auf 76 02? Mark abzumindern, den abge minderten Betrag zu bewilligen "nd in der Gegenstands, spalte das Wort „Zuwachssteuer" mit den Worten „Anteil des Staates an der Zuwachssteuer für die Verwaltung und Erhebung aus den bis mit 31. Dezember 1914 eintretenden Fällen der Steuerpflicht" zu vertauschen. Die Kammer stimmte dem Anträge einstimmig und ohne Debatte zu. Daran schlossen sich Mitteilungen und Beschlüsse über die Ergebnisse des Vereinigungsverfahrens, die sich mit den gleichen Mitteilungen in der Zweiten Kammer decken. Nach dem Vortrag der Ständischen Schrift über das Königliche Dekret Nr. 2 betr. den Staatsbaushaltsetat und das Finanzgesetz auf die Jahre 1914/16 und dem Vortrage des Allerlwcksten Akzeptationsdekrets, hielt Präsident Tr. Graf Bitz-hum v. Eckstiidt folgende Schlußrede: Wir sind am Schlüsse der Tagesordnung angelangt und unsere parlamentarische Tätigkeit ist für dieses Jahr beendet. Mit geteilten Gefühlen blicken wir ans dieselben zurück. Mit Befriedigung insofern, als es gelungen ist dank dem unermüdlichen Fleiße unserer Deputationen und der Unverdrossenheit der Berichterstatter den größten Vor lagen, mit denen wir in den letzten Wochen geradezu über schwemmt worden sind, zu bewilligen. Mit Betrüben, inso fern wir uns sagen müssen, daß die geschäftliche Bedräng nis, in die wir versetzt worden sind, der Würde des Hauses kaum mehr entsprach. Wenn die wichtigsten Aufgaben einer ganzen Landtagsperwde in wenigen Wochen bear beitet werden sollen, ist es nicht möglich, allen Erwartungen zu entsprechen. Der aufrichtige Wunsch, möglichst alles ser- tig zu bringen, was in den letzten Tagen Herüberkain, fand seine Grenzen in der Gewissenhaftigkeit und dem Verant- wortungsgcfllhl aller Mitglieder des Hauses. (Sehe richtig!) Daß dem rasenden Tempo der letzten Tage u. a. auch das Pfarrbesoldungsgesetz zum Opfer gefallen ist betrübt uns um so mehr, als wir dadurch einem großen Teile der von uns hochgeschätzten Geistlichen des Landes eine Ent täuschung bereitet haben, die wahrscheinlich vermieden wor den wäre, wenn die Aussetzung der Beschlußfassung über die Gesctzesvorlage einige Wochen oder Monate früher hätte erfolgen können. Eine Verständigung wäre dann nicht aus sichtslos gewesen. Auch für unsere trefflichen Bnrcau- beamten und Mitarbeiter im weitesten Sinne waren die Anforderungen der letzten Tage fast übermenschlich und ohne Opfer der Nachtruhe wären sie nicht zu bewältigen gewesen. Er danke ihnen auch von dieser Stelle für dis vorbildliche Arbeitsfreudigkeit, die bis zum letzten Augen blicke nicht nachgelassen habe. Im Namen des Hauses danke er auch der Regierung für das verständnisvolle und wohlwollende Entgegen- kommen, dessen wir uns bei ihr jederzeit erfreuen durften. Er danke auch für das Vertrauen, das ihn: seine Aufgabe in jeder Weise erleichtert habe. Mit aufrichtigen: Bedauern habe er vernommen, daß der Vorsitzende des Gesamt Ministeriums, Herr Kriegsminister Generaloberst Freiherr v. Hansen, den Posten niedcrzulegen gedenkt, den er so viele Jahre mit den größten Ehren und Anerkennung erfolgreich bekleidet habe. Die Kammer fühle sich berechtigt und ver pflichtet, auch ihrerseits dem Herrn Kricgsministcr für die