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Kummer 2KL — 27. Jahrgang kricheU« «mal wdcheni:. mtt den iUustt. TratiSbeilagen .Tu« vell' und »Für untere Iletnen Leute' sowie de» Terlbetlagen St. Venno-Blatt'. .Unterhaltung und Wissen', .Die Weil der grau' .«erzl»»er Ratgeber' Dar gute Buch'. .Mmrund- schau'. Monatlicher BezugSvretS ü Mt. elnschl. Bestellgeld, kiuielunmmer 1» ^ Lonnabend- u. Eonntagnummer S« ^1. k,aul>»»rt«il»»er- Le. «i. LeSezt,». Dresden. // Sonnabend, 17. Rooember I»r» VertagSor«, DreSde« «nzetgeupreite. Die lgespaltene Petit,eile!»» q ramu>en. aiizeigen ».Stellengesuche 2<i4. Die Petitrellamezets«. üUm,n breit. I Für Anzeigen ausserhalb der Verbreitung?gebiclcr 4 die PetitreNamezeile I.!»U^. Offerte,lgeb.ltt» q Im Fall« höherer Gewalt erlischt ,ede Berpslichtung aus Lieseriuig sowie Erfüllung v. Anzeigen-Auströgen n. Leistung n. Schadenertab. Geschlsftltcher Teil Slrtnr Lenz. DreKbe- t«eschitf«»stelle. Druck ».Verlag: Mernlnnia. A.<>». ssirVerlag und Dnlckeret,Filiale Dresden. DreSden.A.1. Polterstrahe 17. Fernrus2U>l2. Postschecklonlo Dresden noü Banltonto Stadtbane Dresden Nr. ni7i" Für christliche Politik und Kultur Nedaktlon der Sächsischen VolkS^eitung TreSden.AUstadl 1 Polierstratze 17. ^ernrn ^71' ?IM '. Die Panzerkreuzer-Debatte Berlin, 16. November. Unter grotzem Andrang des Publikums zu den Tribilnen hat der Reichstag am Mittwoch die Debatte über den Panzer kreuzerbau begonnen. Den sozialdemokratischen Antrag aus Ein stellung des Baues begründete der Abg. Wels. Er führte als Grund sür die Haltung der Sozialdemokraten den klar zutage tretenden Willen der Wähler an. Die große Mehrheit ver werfe den Kreuzerbau. Deshalb scheue seine Partei auch nicht eine Neichstagsauflösung und Neuwahlen unter dem Zeichen des Panzerkreuzers. Wie verlautet, wird der sozialistische Ministerpräsident gegen den Antrag seiner Partei stimmen. Neichswehrminister Grüner setzte sich nochmals entschieden für den Kreuzerban ein. Die Debatte wird am Freitag fort gesetzt. Man erwartet, daß dann auch Abg. Wirth das Wort nehmen wird. Die Fraktionen haben sich bereits für die Abstimmung fest- gelegi: Sozialdemokraten, Kommunisten und Deut- fche «anrrnparlei sind für die Einstellung des Panzer kreuzerbaues. Für eine Fortsetzung des Panzerkreuzerbaues werden sein: Die Deutschnationalen, die Deutsche Volks- Partei. das Zentrum mit ganz geringen Ausnahmen, die Bayerische Volkspartei, die Wirtschaftspartei, di« Christliche Bauernpartei, die National sozialisten, die Deutsch-Hannoveraner und die beiden Volksrechtsparieile r. Der Stimme ent halten werden sich die Demokraten. Der Antrag der Sozial demokraten würde demnach mit ungefähr 30 Stimmen in der Minderheit bleiben. Bei überfüllten Tribünen und voll besetztem Saale eröff net« Präsident Lobe die gestrige Reichstagssitzung, auf deren Tagesordnung als einziger Punkt die Beratung der kommu nistischen Interpellation, des sozialdemokratischen und kommu nistischen Antrags gegen den Vau des Panzerkreuzers stand. Damit verbunden wurde der heute eingegangene An trag der Wirtschastspartei auf Vorlegung e-nes umfassenden Marinebauprogramms und vorläufige Aussetzung des Baues des Panzerkreuzers ,A". Dazu kommt noch ein Antrag der Deutschnalionalen, die Neichsregierung möge alle ihm durch das Versailler Diktat belassenen RUstungsmöglichkeiten aus- nutzen. Abg. Stöcker (Komm.) beantragte, auch einen kommunisti- scheu Antrag mit der Beratung zu verbinden, in dem die Ver teilung der Denkschrift verlangt wird, die der Reichswehr- minister dem Kabinett und einzelnen Parteiführern vorgelegt habe, um die Vorausnahme weiterer Mittel für den Panzer- krcu.zerbau über die bewilligte Rate hinaus zu recktfertiaen. Die Begründung -er Anträge Abg. Wels (Soz.) begründete den sozialdemokratischen An trag: „Der Bau des Panzerkreuzers wird eingestellt". Die- ser Antrag sei die einfache Konsequenz aus dem Ausfall der letzten Rcichstagswahlen. bei denen di« große Mehrheit der Wähler sich gegen den bisherigen Kurs und damit auch gegen den Panzerkreuzer-Beschluß des letzten Reichstags entschieden lpibe. Das Parlament ist frei und nicht an Beschlüsse des ver flossenen Reichstags gebunden, wie es vielleicht die Regierung ist (Lachen rechts u. b. d. Komm.). Wenn der Reichswehr, minister der Entscheidung des Parlaments vorgegriffcn und Aufträge von mehr als 30 Millionen über die bewilligte Rate hinaus erteilt hat, so steht dieser Fall ohne Prägedcnzfall da (Lärm und Lachen rechts). Unser Antrag auf Einstellung des Panzcrkreuzerbaues richtet sich nicht gegen die Reichswehr. Wir wallen die Reichswehr erhalten, um sie z» einem zuverlässigen Instrument der deutschen Republik zu machen (Lärm und Ge lachter rechts). Unser Antrag entspricht dem Willen zur Zweck mässigkeit und Sparsamkeit. Vizeadmiral v. Ealster und die meisten übrigen Marine-Kenner haben bezeugt, daß ein Pan zerkreuzer vom Typ des „ä" ein ganz unbrauchbares Derteidi- guugsmittel für uns wäre. Im Kampf mit einer modernen Seemacht wäre dieses Schiff nur eine Schießscheibe, die ohne jede Abwehrmöglichkeit von einem Linienschiff mit einem einzi gen Schuß versenkt werden kann. Wenn die „Germania" meint, unser Antrag entspringe nur den, Bedürfnis, die Partei zusammenzuhalten, so müssen wir scststelten, daß es im Reichstag keine Partei gibt, die uns nicht um die Geschlossenheit unserer Partei beneidet (lebh. Beifall b. d. Soz.). Das Zentrum sollt« doch daran denken, wie bel- loielsweile die Berliner Kentrnmsoraanisalion enerailck die Ablehnung des Panzerkreuzers gefordert hat. Wir haben uns immer gegen die Vergeudung von Millionen für Schisfbauten gewandt, die in Wirklichkeit nicht unsere Verteidigung verstärken, sondern nur den viel zu vielen Offizieren im Marineamt und Wehrministerium eine Gelegenheit geben sollen, ihre Notwendig keit zu beweisen. Wir haben diese Millionen nicht übrig. Wir haben ein Loch von 600 bis 700 Millionen im Etat. Wir haben alle verfügbaren Mittel nötig, um das furchtbare Elend unseres Volkes zu lindern. Ich verweise nur aus die entsetz lichen Zustände im Waldenburger Hungergebiet. Abgs Wels schildert dann die Not der ostpreuszischen Landwirtschaft und meint: Für die Kosten des Panzerschisfes können in Ostpreußen 30 000 bis 40 000 Bauern angesiedelt werden. Diese Menschen waren ein besserer Schutz der Ostgrenze als ein im Ernstfälle militärisch unbrauchbares Paradcschifs! Solange in Berlin und anderen Gebieten die Wohnungsnot noch einen so furcht baren Umsang hat, solange die Eesundheitsverhältniße im Proletariat so jammervoll sind wie jetzt, solange dürfen die Mittel der Steuerzahler nicht diesen dringendsten Aufgaben entzogen und sür militärische Spielereien vergeudet werden. Wenn Sie (nach rechts) solche Schisse haben wollen, so sammeln Sie selbst dafür einen neuen Wehrbeitrag! Präsident Löbe teilt mit, daß von den Demokraten ein neuer Antrag eingegangen sei, in dem die Regierung ersuchr wird vor der Beschlußfassung über die zweite Rate ein in sich geschlossenes marinetechnisch begründetes Ersatzbauprogramm sür die ausfallenden Schiffe der Reichsmarine vorzulegen. — Von den Kommunisten ist die sofortige Abstimmung Uber ihren Antrag auf Vorlegung der Denkschrift des Reichswehrministers verlanat.worden. Reichskanzler Müller (von den Kommunisten mit dem Ruf „Panzermüller" empfangen) erklärt: 1. Es ist nicht richtig daß in dieser Denkschrift irgendwelche Auseinandersetzungen enthalten sind über die Vergebung von Lieferungen im Betrage von 32 Millionen. 2. Die Denkschrift enthält Ausführungen über die Landes verteidigung, die dem Reichskabinett gemacht worden sind, und ihrer ganzen Anlage nach sich nicht zur Weitergabe eignen. (Lärm bei den Kommunisten.) Der kommunistische Antrag wird gegen die Stimmen der Kommunisten und Nationalsozialisten abgelchnt. Abg. Heckert (Komm.) begründete hierauf die kommunistische Interpellation. Das Panzerschiff „ä" sei keineswegs ein wert, loses Spielzeug, sondern eine militärisch sehr wirksame Waffe, aber es sei bestimmt als Waffe der kapitalistisch-imperialistischen Mächte, die Deutschland für sich gewinnen wollen, gegen die russische Sowjet-Union. Die Zustimmung der sozialdemo kratischen Minister zum Panzerkreuzerbau könne mit faulen Ausreden nicht verteidigt werden. Die Sozialdemokratie werde in der Koalition bleiben, auch wenn tausend Panzerkreuzer ge baut werden. Die Komminiisteu wurden die Klassensront der Arbeiter aufrichte» gegen die Imperialisten und ihre sozial demokratischen Verbündeten. (Klatschen bei den Kommunisten.) Reichskanzler Müller: Ich habe in Beantwortung der kom munistischen Interpellation namens der Reichsregierung fol gende Erklärung abzugebcn: Die Zustimmung zum Vau des Panzerschisfs ^ ist durch Reichs tag und Reichsrat bereits mit der Verabschiedung des Haus halts sür 1928 erfolgt. Beide Körperschaften haben sich durch die Annahme des Etats für den Bau ausgesprochen. Der Reichsrat ist dem Reichstagsbeschluß dadurch beigetreten, daß er auf einen Einspruch gegen den Etat verzichtet hat. Er hat in einer Entschließung lediglich die Regierung ersucht, die finan ziellen Möglichkeiten sür die Ausführung des Beschlusses zu prüfen. Dieser Entschließung ist die Reichsregierung nachgekom men. Sie hat die sinanziellcn Möglichkeiten geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß sür den Etat die Verausgabung der Mittel sür die erste Baurate keine Schwierigkeiten machen würde. Danach war die Genehmigung zur Vergebung der Liefe rungen zu erteilen. Im Hinblick auf di« kommenden Jahre hat das Reichskabinett scstgelegt, daß künftige Ersatzbanten nur innerhalb des Rahmens des Marine-Etats 1928 ausgesiihrt werden. Der Wehrminister hat dieser Festlegung zugestimmt. Es ist richtig, daß über die erste Rate hinaus Aufträge im Be trage von Z2 Millionen vergeben worden sind. Das liegt im Rahmen des 8 2L der Neichshaiishaltsordnung. Selbstverständ lich kann ein Schiss nur im ganzen vergeben werden und ebenso die dazu gehörigen Maschinen. Jedenfalls sind Ausgaben über die bewilligte Rate hinaus nicht erfolgt. Die Mitteilung des kommunistischen Redners über die Bestellungen bei Zeiß ist un zutreffend. Zu einer anderen Bemerkung des Red 'ers, der Panzer werde gegen Rußland gebaut, kann ich nur erklären: Die Reichoregiormiq steht durchaus auf dem Boden des Ra- -ilo-Ver iw'rde diese Bebmivtuna nicht ernst nehmen, solange sie mir nicht vom russischen Botschafter vor« gebracht wird. (Beifall.) Reichswehrminister Groener wurde, als er die Redner tribüne betritt, von den Kommunisten mit lauten Zurufen: „Hundsfott" empfangen. Vizepräsident Graes erteilt einig« Ordnungsrufe. (Fortsetzung nächste Settel) Staatsmann und Feldherr Politische und militärische Fronen werden immer einander berühren. Wir haben das besonders deutlich im Kriege gesehen, aber auch jetzt, in einer Zeit angeblich vollständigen Friedens, erkennen wir es täglich: bei dem Ringen um die Abrüstung, bei der Verknüpfung von Rheinland-Räumung und Reparationen, bei der Panzer- Kreuzer-Komödie. Mancher mag wünschen, die militäri schen Dinge möchten künftig und für immer bedeutungs los und wirkungslos werden. Sie sind es aber nicht, und jeder, der sich ernsthaft mit Politik beschäftigt, musz sich über die Wechselwirkung zwischen Politischem und Mili tärischem klar zu werden versuchen. Allzuoft wird dieser Versuch freilich mit Tchiag- worten unternommen. Damit ist es aber nicht getan. Ab gegriffene Meinungen wie: „Nie wieder Krieg'." aus der einen, „Ter Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit andern Mitteln" auf der entgegengesetzten Seite haben sür den Denkenden keinen Wert. Wir sehen die größte Leistung des ausgezeichneten Buches, das General ob e r st a. D. v. S e e ck t vor kurzem veröffentlicht haP), darin, daß auf Grund umfassender eigener Erfahrung und methodischer Untersuchung mit großer Klarheit der Wir kungsbereich von Feldherr und Staatsmann gegenein ander abgegrenzt wird. Seeckt schreibt im Rückblick auf den letzten Krieg, der bekanntlich auf unserer Seite ein verhängnisvolles Uebergeivicht der militärischen Leitung gegenüber der politischen zeigte, aber er schreibt nicht etwa im Hinblick auf einen kommenden Krieg. Irn Gegenteil, er bekennt sich als Pazifisten im höchsten Sinne: „Wer von guter Uebersichtswarte ans die Schlacht felder eines Weltkrieges überblickte, wessen Haar grau wnrdd von der Asche so vieler verbrannter Heimstätten» wer die Verantwortung für Leben und Tod vieler getra gen, der erfahrene und wissende Soldat fürchtet den Krieg weit mehr als der Phantast kann, der, ohne den Krieg zu kennen, nur von Frieden spricht." Der einzelne Staat kann aber bei noch so friedfertiger Gesinnung nicht die Wichtigkeit der militärischen Fragen einfach leugnen. Eine kluge Abschätzung dieser Fragen ist not wendig: „Ter Staatsmann wird sich die Frage vorlegen müssen, was er will und was er kann. Die Beantwortung der ersten Frage liegt auf rein politischem Gebiet und fällt ihm allein zu. Für die Losung der zweiten wird er neben den politischen Rücksichten die militärischen in Rechnung stellen müssen." Mit großer Verstandesklarheit setzt dann Seeckt im einzelnen auseinander, wie Politiker und Soldat zweckmäßig Zusammenarbeiten sollten. Dabei be tont er sehr stark den Vorrang der Politik und die Be schränkung des Feldherrn auf das rein militärische Ge biet. In einer klaren Trennung der Zustän digkeit, bei starker allgemeiner Führung der Politik, sieht er die ideale Lösung. Seeckt, der 1924 während des Ausnahmezustandes in Deutschland als Träger der vollziehenden Gewalt einen politischen Ein fluß besaß, wie leiten ein General, hat damals streng nach den Grundsätzen gehandelt, die er jetzt mahnend vorträgt. Er hat damals nach Erfüllung der militäri schen Aufgabe — Vermeidung des Bürgerkriegs im Innern — die Macht in die Hände der politischen Führer zurückgeiegt. Es ist bemerkenswert, daß ein anderer General, der im Wirrsal von Krieg und Revolution zu noch größerem politischen Einfluß gekommen ist als v. Seeckt. der jetzige Präsident der Türkischen Republik Mustafa Ke mal Pascha, zu den gleichen Schlüssen hinsichtlich des Ver hältnisses von Feldherr und Staatsmann gelangt. In seinem Rechenschaftsbericht, den er im Oktober 1927 sei ner Partei gegeben hat (und dessen Uebersetzung soeben in deutscher Sprache erschienen ist-), stellt er wiederholt Erwägungen über diese Frage an. So nach dem Bericht r) Gedenken eines Soloaten. Von Generaloberst p. Seeckt. Verlag für Kultnrpolitik: Berlin 1929 (Preis geb. 7.50 M.). ') Gast Mustafa Kcinal Pascha, Tsie nationale Revolution 1926/27; Leipzig 1928, Verlag K. Z. Köhler (Preis geb. 16 M ). Die heutige Nummer enthält das St. Benno-Blatt, das Sonntagsbiatt sür die Diözese Nelken.