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Nr. LVS LV. Jahrg. Donnerstag den 22. August 1918 abends » ß°nz Deu«-, istrrrelch NO«ad» cd mit Mustr. veilag« diert> 2.4V »tt. In Dresden un lMd frei Hau« ».8» S» L«8 X. «»«gab»» dierteljSLrli» »1« S», gn Dresden und ganz Deutschland frei Hau» ».»» S»; in Oesterreich 4.»« X. «t^el-lkummer L» 4. Dt« Süchsische «olk»«eituna erfchetaj au all« «chentagen nachmittag». Geschäftsstelle und glcdaktlon, Dresden-Ll. 10, Hotbcilcstraßc 48 Fernsprecher 21366 Postscheckkonto Leipzig Sir. 14797 O c> Anzeigen- Annahme Non NeIchAt,.?a,ijciaen bis Ivllhr, von Famttienanzeigen bis I I Uhr dorm. PreiS für die Pet,l LvaItzeile2i; ^.im Rekla- meteil 8V Familien-Sinzciarn SO ^. Für undeutlich geschriebene, sowie Lurch Yern- lprecher ansgegebene Anzeigen können wir die Beranrwortlichkbit für die Richtigkeit des Textes nicht übernehmen. Eprechllunde der Redaktion: II—12 Uhr vorm. o— 0 Einzige katholische Tageszeitung im Königreich Sachsen. Organ der Zentrumspurret. ^ Ausgabe ^ mit illustrierter Unterhaltungsbeilage und relig. Wochenbeilage Feierabend. Ausgabe 8 nur mit der Wochenbeilage- England und die Tschechoslowakei» Die Anerkennung der sogenannten Tschechoslowaken als kriegführende Nation und als Verbündete der feindlichen Koalition durch Großbritannien ist ein Ereignis, das nicht mehr lediglich vom Gesichtspunkte politischer Späße bewertet Iverden darf. Würden die Tschechoslowaken als Kriegfüh rende und Verbündete seitens der Republik Honduras oder dös Fürsten von Monaco bezeichnet worden sein, so könnte dies allenfalls einen guten Stoff für die politische Operette Lehars bilden. Da aber Großbritannien die Tschechoslowaken als verbündete Nation bezeichnet und ihnen das wenig ehrende Zeugnis ausstellt, daß sie seit Kriegsbeginn die Mit telmächte nach Möglichkeit bekämpft hätten und Japan sowie Nordamerika die tschechoslowakischen Soldatenverbände in Ostrnßland als kriegführende Partei bezeichnet, zu deren Hilfe die japanische und nordamerikanische Landung in Wla- diwostok stattgefiindcn hat, so verdient die Aufwerfung der tschechoslowakischen Frage als internationale eine ernste Er örterung seitens der ernsten Presse. Daß die böhmische Frage bereits seit Jahrhunderten Kn bedeutungsvollen Kriegen und Friedenskongressen eine wichtige Nolle gespielt hat, erhellt aus der Geschichte. Alle Feinde der Habsburgermonarchie, mochten sie nun dieser oder jener Nation zugehört haben, ja selbst deutsche Bundes- fürsten, haben in gewissen Zeiten, wenn sie das Haus Habs- b-urg befehdeten die böhmische Frage aufzurollen gesucht. 'Hier lag etwas ganz ähnliches vor, wie mit den Aufstriche- jungen der Parteien in Ungarn durch das feindliche Aus land, sobald durch dieses die Habsburgermonarchie ange griffen wurde. — Die Adelsrevolts in Böhmen im Jahre 1618 und die daran anschließende Berufung des Pfalzgrafen am Rheine zum König von Böhmen, war nicht nur ein Weck der deutschen Calvinistcn und ihrer Anhänger in Böhmen, sondern ganz namentlich ein solches Jakob I. von England, dessen Tochter die Gemahlin des erwähnten Winterkönigs war. England schließt durch seine Aktion für die Tschecho slowaken gewissermaßen an diese Tradition an. Denn jetzt wie damals unterstützt es Rebellen, Leute, die mit den ka tholischen und habsbnrgischcn Traditionen des tschechischen Volkes gebrochen haben. Freilich waren im 17. Jahrhundert nur der Adel und die gebildeten Bürgerstände an der damals- gen böbmischen Revolution beteiligt, während sich die jetzigen tschechoslowakischen HeereShaufen ganz wesentlich ans bist dungslosen österreichisch-ungarischen Soldaten tschechischer und slowakischer Nation ergänzen, die durch einzelne fanatische oder bezahlte Verführer zusammengefügt worden sind. Man könnte nur im entferntesten die aristokratischen Heeresführer zu Beginn des 17. Jahrhunderts, die damals die Sache des Winterkönigs vertraten, die verschiedenen Thurn, Mans- seid und andere mit den jetzigen Führern der Tschechoslowaken Dergleichen. Die böhmische Frage als völkerrechtlicher Ge genstand war doch damals etwas wesentlich anderes als die fetzige sogenannte tschechoslowakische. Bei der ersteren Han- Leite es sich um die Rechte einzelner Dynastien auf die Krone her böhmischen Länder sowie die Stellungnahme der Land stände Böhmens und Mährens sowie Schlesiens zu diesen Ansprüchen der verschiedenen Herrscherhäuser. In diesem Sinne ist die böhmische Frage namentlich in den drei schle- fischen Kriegen 1742 bis 1763 völkerrechtlich erörtert worden. Die Ansprüche des bayrischen Herrscherhauses auf die Krone Böhmens und diejenigen der preußischen Krone auf Grund "vermeintlicher Erbrechte waren eben Veranlassung und völ kerrechtlicher Rechtsgrund dieser Kriege. Von einer tschecho slowakischen Frage war aber dabei ganz ebensowenig die Rede, wie bei der Kriegserklärung des revolutionären Frankreichs im Jahre 1792 an den König von Böhmen und "Ungarn. Selbst Bismarck hat im Jahre 1866 in Kriegs- oufrnfen an das böhmische Volk die Rechte der böhmischen Krone erlvähnt. Niemand wird aber dabei behaupten wollen, Laß es ibm dabei um die Selbständigkeit des tschechoslowa kischen Volksstarmnes zu tun gewesen wäre. Die Aufrol- luna der böhmischen Frage war also in den vergangenen Kriegen ganz wesentlich eine solche, die nicht das tschecho- fostvakiichc Volk als solches betraf, sondern nur die Rechte der Habsbnrgermonarchie auf die einstigen Länder der böb- mischen Krone. Der ienige völkerrechtliche Aufruf Englands und seiner Verbündeten an die Tschecbostvwaken abstrahiert aber voll kommen von den Rechten der sogenannten böhmischen Krone er erwähnt üe mindestens nicht. Wohl aber bezeichnet er dns Isck'cchossowakische Volk als Verbündete Nation, Damit stellt sich Eygland ans den Standpunkt Wilsons und Nordameri kas, daß jedes Volk seine völkerrechtlichen Verhältnisse im künstiocn Völkerbünde selbst zu ordnen hat. Hiermit soll ans dein Völkerreckite, das ganz wesentlich die Beziehungen der Staaten zueinander zu ordnen hat, ein Recht der ein zelnen Völker gemuckst werden, ihre Beziehungen selbständig und selbsttätig zu einander zu ordnen. Es versteht sich von Zer MW »Me ZWdWl (Amtlich. W.T.B.) Großes Hauptqartier, den 22. August 1918. Westlicher Kriegsschauplatz Heeresgruppe Kronprinz Nupprecht: Jnc Kemmel-Gebiete wurden feindliche Teilangriffe beiderseits der Straße Loker-Tranoeter abgewiesen. Südlich von Ar ras hat der Engländer gestern mit neuen großen Angriffen begonnen. Englische Armeekorps und Neuseeländer waren zwischen Moyenville und der Ancre in Rich?üng ans Baupaume in tiefer Gliederung auf Bau- paume angesetzt. Das englische Kavalleriekorps stand hinter der Front zum Einsatz bereit. Durch stärkstes Artillerie feuer und mehrere hundert Panzerwagen unterstützt, stieß die Infanterie des Feindes auf der etwa 20 Kiloameter breiten Front zum Angriff vor. Vor unseren Schlachtstcl- lungen brachihr erster Ansturm zusam m e n. In örtlichen Gegenstößen nahmen wir Teile des dem Feinde plangemäß überlassenen Geländestreifens wieder. Der Feind setzte seine heftigen Angriffe den Tag über fort. Ihr Schwer. Punkt lag ans den Flügeln des Angriffsfeldes. Sie sind völlig und unter schweren Verlusten für den Feind gescheitert. Versuche des Gegners, bei Hamel die Ancre zu überschreiten, wurden vereitelt. Eine große Anzahl zerschossener Panzerwagen liegt vor unserer Front. Zwischen Somme und Oise verlies der Tag ruhig. Südwestlich von Noyon haben wir uns in der Nacht vom 20. zum 21. August kampflos vom Gegner etwas abgesctzt. Den ganzen Tag über lag das Artilleriefeiler des Feindes noch auf unseren Linien. Zögernd fühlten am Abend seine Evkundungsabteilnngen gegen das Tal der Divette vor. Die iin Carlepont-Walde kämpfenden Truppen nahmen wir, vom Feinde unbemerkt, hinter die Oise zurück. Angriffe des Feindes, die sich hier gestern früh durch stärkstes, mehr stündiges Artilleriefener vorbereiteten, kamen infolgedessen nicht zur Geltung. Zwischen BIcranconrt und der Aisne setzte der Feind seine Angriffe tagsüber fort. Nur bei Bleran- court konnte er Boden gewinnen. Der gegen die übrige Front gerichtete und am Abend mit besonderer Kraft beider seits der Mersain-Schlncht geführte Ansturm brach unter schweren Verlusten für den Feind zusammen. Der Erste Generolquartiermsister: Luden darfst 18 VOO Tonnen versenkt Berlin 21. August. Amtlich. Im östlichen Mittel- merr versenkten deutsche und österreichisch-ungarische U-Boote 15 000 Bruttoregistertonnen Schiffsraum. Der Chef de» Admiralstabö der Mariae. Die Konferenz beim Vizekanzler. Berlin, 22. August. Den Vorsitz bei der gestrigen Konferenz der Parteiführer beim Vizekanzler v. Payer führte der letztere. Bon der Negierung ncchmcn teil Exz. v. Hintze, die Ministerialdirektoren Kriege und Deutelmoser vom Aus- würtigen Amt und der Unterstaatssekretär Lewald. Das Reichstagspräsidium war vertreten durch Vizepräsident Dowc, die Fraktionen durch die Abgeordneten Graf Westarp, Stresemann, Gröber, Wiemer und Ebert. Der deutsch-russische Zusatzvertrag. Die „Tägl. Nnndsch," schreibt: Der deutsch-russische Zu- satzvertrag war Dienstag Abend noch nicht unterzeichnet, ob wohl alle Vorbereitungen dazu getroffen waren. Es ist aber mit Bestimmtheit darauf zu rechnen, daß die. Unterzeichnung in den nächsten Tagen erfolgt. Ter Streik in London. Laut Meldung des „Beil. Tagebl." aus Rotterdam dauert der Streik der Angestellten bei den Omnibussen und elektrischen Bahnen in London fort. Der ganze Verkehr ist auf die Untergrnndbabn übcrgeleitet worden, sodaß das Ge- schäftslcbcn die größten Verzögerungen erleidet. Krisis im japanischen Ministerium. Ter „Lokalanz." berichtet mH Genf: lieber Washington erfahren „Petit Parisien" und andere Pariser Blätter, daß die Lage des japanischen Ministeriums unsicher geworden sei. Dadurch verzögerten sich die Truppenscndnngen nach Wladiwostok, weil inan das Mißvergnügen in der .Haupt stadt und in der Provinz nicht steigern will. selbst, daß ein solcher völkerrechtlicher Grundsatz nur ans den Trümmern der Habsbnrgermonarchie und der monarchischen Staaten des Deutschen Reiches zur Durchführung gelangen könnte. Meint es England mit dieser Forderung ernst, so würde es dadurch eine noch schärfere Stellung gegenüber Oesterreich-Ungarn einnehmen als das Zarentum Nikolaus des Zweiten, welches immerhin monarchische Rechte eher zu berücksichtigen geneigt war, als Nordamerika und Eng land. — Freilich darf man sich durch diese Schreckschüsse Eng lands nicht einschüchtern lassen. Sie dürften nichts anderes bezwecken, als den tschechoslowakischen Legionen jenen Völker- rechtlichen Schutz angedeihen zu lassen, den Großbritannien in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts den Garabaldia- nischen Kriegsscharen zuteil werden ließ. Andererseits dürste sich England durch das Anfwerfen der tschechoslowakischen Frage ein Kompensationsobjckt bei den Friedensverhand- limgen zu schaffen suchen, um so eine Diskussion der irischen, ägyptischen und indischen Frage ans dem künftigen FriedeZ- Kongresse möglichst zu vermeiden. Eine wichtige Folge hat aber das Eintreten Englands für die Tschechoslowaken unter allen Umständen. Die tschech ischen verantwortlichen Politiker in Oesterreich werden zu dieser völkerrechtlichen Provokation Englands Stellung neh men müssen. Sie werden klipp und klar dafür Rode und Antwort stehen müssen, ob sic mit den Plänen dös Reichs- seindes identifizieren oder nicht. Zweideutige Erklärungen, wie sie Stanek und Genossen bis jetzt beliebten, genügen nicht mebr. Stellen sich diese Führer noch ans die Grundlage der Habsbnrgermonarchie oder nicht: Darauf werden sie nnzwei- deutig antworten müssen. X Solss Rede Die Rede, die der englische Außenminister Balfour un längst gehalten hat, ist noch in aller Erinnerung. Daß sie eine Erwiderung von amtlicher deutscher Stelle erforderte, wird nicht bestritten werden. Daß der deutsche K o l o n i a l- Staatssekretär dem englischen Außenminister die Antwort erteilte, mag darin seinen Grund haben, daß Balfour der erste englische Minister ist, der von der Rednertribüne des Unterhauses aus klipp und klar die Erklärung abgegeben hat, an eine Rückgabe der dentsclM Kolonien bei FriedenS- jchlntz sei nicht zu denken. Zu dieser Erklärung konnte denk- scherscits nicht geschwiegen werden, obschon der übrige In halt der Balfoncschen Rede nichts anderes war als chanvini- stischrs Phraiengeklingel, wie wir es von den Leuten mir Northcliffe Tag für Tag zu hören bekommen. Für einen deutschen Staatsmann hätte es nun gar zu. nahe gelegen, Herrn Balfour den Gegenhieb mit der gleichen Waffe zu erteilen. Erfreulicherweise hat Dr. Sols das nicht getan. Dem Chauvinisten Balfour, der dem intellektuellen Deutschland vorwirft, cs sei von einer „unmoralischen Ge waltlehre" beherrscht, erwidert Sols, daß es Chauvinisten > hüben wie drüben gibt; daß wir aus englischen Chauvinis-> mus nicht gefühlsmäßig reagieren, indem wir uns nun ebenfalls auf den Boden des Vernichtungswillens, der Knock- out-Politik stellen und mit allen jenen Zielen brechen, hinter denen der Gedanke der Völkerversöhnung steht. Eine solche. Politik lehnt Sols ab. Sie wäre, und darin hat Sols zwei fellos recht, die denkbar größte Erleichterung des feindlichen Krieges. So wenig sich aber unsere Feldherren das Gesetz, des militärischen Handelns vom Feinde vorschreiben lassen, dürfen sich unsere verantwortlichen Staatsmänner das Gesetz des politischen Handelns vom Gegner dik tieren lassen. Balfour kämpft gegen den Frieden, weil jegliche Friedcnsmöglichkeit in absehbarer Zeit wider seine Pläne geht. Sols kämpft für den Frieden, weil wir nicht einen Krieg dös Angriffs mit dem Ziele der Vernichtung des Geg ners, sondern einen Krieg der Verteidigung führen. Bal four entlvertct den Gedanken des Völkerbundes durch die gleichzeitige Forderung des Handelskrieges gegen Deutsch land. Sols lehnt den Gedanken nicht ab, weil englische Chauvinisten ihren Spott mit ibm treiben, sondern hofft, daß doch noch einmal die Zeit konimcn wird, in der dieses wie andere Ideale, brennende Menichheitsfragen, im Sinne der großen, friedliebenden Masse der Völker ihre Lösung finden werden. Wenn man glauben müßte, meint Sols, daß die Gesinnung, die beute England zu regieren scheint, und die ans der Rede Balfours deutlich spricht, für alle Ewig- keit die Oberhand in England hätte, dann würde auch er dafür cintreten, daß der Kamps ans Leben und Tod ausge- sochten werden muß. Sols ist aber der festen Ucberzcngnng, daß gegen die Knock-out-Gesinnung eine geistige Auflehnung kam'iicn muß und wird. Das ist viel Optimismus! Opti- mst miis ist auch notwendig für die Staatsmänner, die von der brlichen Absicht beseelt sind, der Menschheit eine nn- nöuge Verlängerung des Krieges zu ersparen. Und letzten Endes wird'dieser Optimismus doch einmal siegen über alle die, die den Kampf bis zur Vernichtung predigen. Auch bei