Volltext Seite (XML)
-tr. 2ÄL — A. Jahrgang Sonnabend de» L4. Dezember LVLV MGschkNolksMlm scheint täglich «ach«. mU RuSnah«» der Sonn- und Festtage. - - Unabhängiges Tageblatt "MrWKAMSNW Mr Wahrheit, Recht nnö Freiheit Inserat« werden die fteespaltene Petitzeile oder deren Rau« mit IS « Reklame» mit SV « die Zelle derechnet, bet Wiederholungen entsprechenden Rabatt Buchdrucker»», Redaktion und Geschäftsstelle! LrrSd««, Ptllatqer Straft« 4S. — Fernsprecher LSklS ^IIIsInn ln »llnn Sturlttallnn Mr- Kuri .sltSrbere ckeM 0r jscbe bsclen ^Ascksrer - vessäsn, f«kt»pr»o>i«r Xr. 264l, LS32, ««20, 2«««, S»7», «78», «S8. Vvlrüglicliez ^lii-iswaum piunä von »0 ps. sn. !_ebl<uc:!ieli, Di-escjuei- uricj lisuten 51« In beksnnten guten Ouallttten l»«t 8^ kocksll-vli. küeäerlsgen in allen 5tsätt«Il«n. Für das 1. Quartal LS 11 abonniert man aus die „Sächsische V olkszeitung" mii der täglichmi Noman- betlage sowie der wöchentlich erscheinenden Beilage „Feierabend" zum Preise von 1.8V Mk. (ohne Bestellgeld), durch den Boten ins Haus 2.L0 Mk. Bezugspreis auf die Ausgabe ^ mit der illustrierten Unterhaltungsbeilage „Die Zeit in Wort und Bild" erhöht sich monatlich um 10 Ps. Ein tückischer Anschlag. Die Presse der Sozialdemokratie ist darüber entrüstet, daß man dieser Partei nicht mehr die Alleinherrschaft in den Ortskrankenkassen beläßt: sie knüpft an die Meldung eines liberalen Blattes an, wonach der Einfluß der Arbeitgeber bei der Anstellung der Beamten erweitert werden soll und setzt hinzu: „Zur Selbstverwaltung der Ortskrankenkassen gehört in erster Linie mit: Freie Hand in der Auswahl der Be- amten. Gerade das wollen aber die Regierung und die Scharfmacher verhindern, die Ortskrankenkassen sollen eine Versorgungsanstalt für Militäranwärter und Günstlinge des Unternehmertums werden." Es ist im höchsten Grade bezeichnend, daß der „Vor wärts" die Anstellung der Beaniten so scharf in den Vorder grund rückt, daß ihm dies als die Kernfrage der Selbstver waltung erscheint. Bisher hat man die satzungsgemäße Ausdehnung der Leistungen der Krankenkasse als das Wesen der Selbstverwaltung angesehen: man sagte sich: in der Fürsorge für den erkrankten Arbeiter will man der Kasse keine engen Grenzen ziehen. Gut geleitete Kassen haben hierin auch Bedeutsames geleistet: sie wurden die Bahn brecher fortschrittlicher gesetzlicher Sozialpolitik. Wenn nun auch das Gesetz in raschem Tenrpo den bisherigen frei willigen Leistungen folgt, so bleibt doch der Satzung nach ein großer Spielraum übrig. Wenn hier die Arbeiter in der Ausgestaltung tonangebend sind und bleiben, so ist der Kern der Selbstverwaltung gesichert. In der freien Zweck bestimmung liegt die Selbstverwaltung in erster Linie. Wenn aber die sozialdemokratische Presse die An- stellnngsfrage der Beamten in den Vordergrund rückt, so liegt hierin das offene Schuldgeständnis, daß dieser Par tei die Mittel zur Erreichung eines Zieles höher stehen als das Ziel selbst. Damit gesteht die Presse unumwunden ein, daß für sie entscheidend ist, wer die einzelnen Stellen der Kassenverwaltung erhält, daß erst in zweiter Linie die Frage kommt: was erhält der kranke Arbeiter? In dieser ängstlichen Sorge um die Pfründen für die Partei agitatoren kommt der bisherige Mißbrauch der Orts krankenkassen durch die Sozialdemokratie klar zum Aus druck. Es scheint von derselben aber wenig klug zu sein, so offen auf die Wunde der Kassen hinzuweisen: denn un willkürlich erhebt sich die Frage: wie wurde denn dieser Teil der Selbstverwaltung bisher ausgenützt? Die beste Antwort darauf gibt das Urteil des preu ßischen Oberverwaltungsgerichtes vom 21. März 1910, das einen Mustervertrag zwischen roten Krankenkassen und ihren Beamteir zu prüfen hatte. Das Oberverwaltungs gericht kommt zil einem geradezu vernichtenden Urteil über diesen Vertrag und es deckt eine kaum für möglich gehaltene stille Korruption auf. In dem gesamten Urteil ist der Nachweis geführt, daß dieser Mustervertrag, den zahlreiche Ortskrankenkassen anwandten, das.Interesse der Kassen und Kranken gar nicht berücksichtigte, wohl aber Bestim mungen enthielt, welche selbst den pflichtvergessenen Be amten vor der Strafe der Entlassung schützten. Das oberste Verwaltungsgericht spricht unumwunden aus, daß diese Verträge gegen die guten Sitten Verstößen und daher nich tig sind. Der Beweis hierfür wird in folgenden Worten geführt: „Nach Ziffer 3 der Vertragsbestimmungen berechtigen große Pflichtverletzungen, welche der Kassenbeamte sich bei Ausführung seiner ihm durch die erfolgte Anstellung ob liegenden Dienstpflichten zu schulden kommen läßt, nur dann zu der mit dreimonatiger Frist quartaliter zulässigen Kündigung, wenn sie wiederholt, d. h. nach mindesten» zwei maliger innerhalb dreier Jahre unter Entlassungs androhung erfolgter schriftlicher Verwarnung stattge funden haben. Da unter der vorangehenden Ziffer 1 nur für strafrechtlich zu ahnende Handlungen gegen das Ver mögen der Kasse eine Sonderbestimmung gegeben ist, und Ziffer 2 nur von dem Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte handelt, so eröffnet Ziffer 3 dem Kassenbeamten die Mög lichkeit, mit gewissen Unterbrechungen grobe Pflichtver letzungen der verschiedensten Art zu begehen, ohne daß der Kasse auch nur das beschränkte Kündigungsrecht erwächst, geschweige denn die Befugnis zur sofortigen Aufhebung des Dienstverhältnisses zusteht. Dieser Zustand, nach dem z. B. zweimalige Achtungsverletzung schwerster Art (tät liche Beleidigung eines Vorgesetzten) nicht einmal einen Grund zu der beschränkten Kündigung bildet, verstößt gegen die guten Sitten. Dasselbe gilt von der Bestimmung, daß die „Bestrafung wegen eines politischen oder religiösen Deliktes und die Verbüßung einer derartigen Strafe „keinen Kündigungs- oder Entlassungsgrund abgeben". Unter der Sammelbezeichnimg „politisches oder religiöses Delikt" können nicht nur die Delikte der 88 30-116 und 166—168 des Neichsstrafgesetzbiichcs, sondern auch alle sonstigen Verbrechen und Vergehen verstanden werden, welche sich nach Gegenstand und Beweggrund mit Politik und Religion in Verbindung bringen lassen. Die Ab machung, daß selbst gehäufte Bestrafung der bedachten Art, sofern nur der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ver mieden wird, die Stellung des Beamten einer Ortskranken kasse in keinem Falle beeinträchtigen sollen, ist mit den guten Sitten nicht vereinbar." Wenn Kassenverwaltungen solche horrenden Verträge abschließen, so liegt hierin ein tückischer Anschlag auf die gesamte öffentliche Rechtsordnung, in erster Linie aber auf die wahre freie Selbstverwaltung. Nach diesen» höchst be denklichen Vorgang würde der Gesetzgeber einfach seine Pflicht nicht erfüllen, wenn er nicht genügende Sicherheits maßnahmen gegen die Wiederkehr solcher Skandale schaffen würde. Wenn ein Minister z. B. mit einem Privatunter nehmer einen Vertrag ab-icschlossen hätte, der gegen die guten Sitten verstößt, und das Reichsgericht dies ausge sprochen hätte, dann sollte man einmal den Lärm der Sozialdemokraten hören! Gegenüber diesem Vorfall aber sucht man sich durch verlegenes Schweigen zu retten. Aber damit sind die Ungeheuerlichkeiten noch nicht er schöpft. Das Oberverwaltungsgericht hat in seiner Nichtig keitserklärung auch daranf hingewiesen, daß dieser Muster vertrag die Kassen in unverantwortlicher Weise schröpft. Nach den Vertragsbestimmungen hat nämlich die Kasse kein Recht zur Kündigung eines Beamten, „wenn infolge Ver ringerung der Mitgliederzahl oder Aenderungen in der Verwaltung eine Verminderung des Kassenpersonals mög lich wäre, es sei denn, daß die Personalreduktion aus diesen! Grunde unabweisbares Bedürfnis ist" und daß sonstige Bedingungen erfüllt sind. Das „unabweisbare Bedürfnis" tritt nur dann ein, wenn die Beiträge der Mitglieder auf den nach dem Gesetze zulässigen Höchstbetrag gestiegen sind und trotzdem nicht ausreichen, die gesetzlichen Mindestunter stützungen und Reservestellungen sowie die notwendigen Verwaltungskosten zu decken und außerdem auch noch die überflüssig gewordenen Beamten zu bezahlen. In' allen anderen Fällen soll also das Dienstverhältnis der entbehr lichen Beamten fortdauern. Die hierdurch entstehenden Kosten können aber zu den Verwaltungskosten einer Krankenkasse, d. h. zu denjenigen Aufwendungen, deren die Kasse zur Erhebung der Beiträge und zur Erfüllung der Unterstühungspflicht durch ihre Organe bedarf, nicht ge rechnet werden." Also Sinekuren in schönster Form! Wie erzürnt sich die Sozialdemokratie über Gouverneure, Kommandanten und Adjudanten, die ihr alle „überflüssig" sind: hier aber haben sie den ihren mitgeholfen, Sinekuren zu schaffen und zu erhalten. Man darf wohl darauf rechnen, daß der Eifer der Sozialdemokratie so weit geht, daß sie sich nun mit anderen Parteien bemüht, Vorbeugungsmaßnahmen gegen einen solchen Mißbrauch der Selbstverwaltung zu treffen. Wenn nicht, so müßte man sie anklagen, daß sie die große deutsche Arbeiterversicherung der politischen Korruption ausliefern wolle. M. Erzberger, M. d. R. VolMsche Rundschau. Dresden, den 23. Dezember 1S10 — Der deutsche Kronprinz ist wieder ln Bombay ein- getroffen und reiste Donnerstag mittag nach Jaipur ab. Die Kronprinzessin, die Mittwoch in Kairo eintraf, ist im Savoyhotel abgestiegen. Am 22. Dezember wird eine Fahrt nach Luxor erfolgen und sodann eine Nilreise noch Chartum, Assuan und zurück nach Kairo. Vom 18. Januar bis zum 1. Februar wird sich die Kronprinzessin in Kau» aushalten. An diesem Tage erfolgt von Alexandrien aus mit dem Salondampfer Prinzregent Luitpold vom Norü- deutschen Lloyd die Abfahrt nach Palermo. Sodann wird die Kronprinzessin auf dem Landwege durch Sizilien und Italien nach Cannes. — Der GehcimfoudS de» AuSwörtigrn Amte» soll um 300 000 Mk. erhöht werden. Wir halten dagegen auü- gefilhrt, daß diese Art der Erhöhung nicht angängig jei, da dann die Möglichkeit vorliege, das Geld im Wahl kampfe zu verwenden. Die sreistnnige Breslauer Zeitung bestreitet eine solche Möglichkeit: gut, dann erkundige sie sich bei den freisinnigen Mitgliedern der Budgetkommisston. welche im März 1910 die Erhöhung mit dieser Begründung abgelehnt haben. — Der Kaiser und der Kirchenglaube. Der Korvetten kapitän a. D. T. v. Koppelow gibt in einer Beschwerde an das Konsistorium der Provinz Brandenburg über die Be handlung, die ihm bei seinem Kirchenaustritt zuteil gewor den ist, an: Des Kaisers Persönlichkeit habe es verursacht, daß er ganz mit der Kirche zerfiel. Er schreibt ferner: „Se. Majestät pflegt am Sonntag die vom Hofpredigey entworfene Predigt selbst vorzulesen. Wenn man beobach tet, wie der Kaiser jeden Satz, jedes einzelne Wort kon trolliert auf seinen Sinn und seine Hingehörigkeit — man cher Satz wird zum zweiten Male wiederholt — so achtet man überhaupt nicht mehr auf das Vorgetragene, sondern beschäftigt sich lediglich mit der Person des allerhöchsten Herrn. Was geht in diesem Fürsten vor, wenn er sich mit Gottes Wort beschäftigt? Man fühlt ordentlich — wenig stens damals, Ende der neunziger Jahre, war es noch so —- wie er an manchem anfbäumt. Es klingt ihm fremd, unfaß- sich. Aber er will es erfassen, denn der Staat und sein Re- gicrungsgeschäft verlangen eS von ihm. Was unser Kaiser will, das seht er durch. Er hat sich zuin Kirchenglauben ge zwungen, weil er genau wie der Großgrundbesitzer auf dem Lande fühlt: Wenn ich mich wankend zeige, fällt alles uml Die rasende Energie Sr. Majestät gegen seine eigene Perion muß ihn dazu gebracht haben, durch Autosuggestion diesen Standpunkt zu erfassen und daran festzuhalten. Seine gött liche Mission hat er in letzter Zeit verschiedentlich betont, während er im Jahre 1902 noch in Görlitz wörtlich sagte:! „Freiheit für das Denken, Freiheit in der Weiterbildung der Religion und Freiheit für unsere wissenschaftliche For schung! Das ist die Freiheit, die ich dem deutschen Volke wünsche und ihm erkämpfen möchte, aber nicht die Freiheit, sich nach Belieben schlecht zu regieren." Ich kann mich des Eindruckes nicht erwehren, daß Majestät heute die Mystik und den berauschenden Pomp der katholischen Kirche zu be vorzugen beginnt vor dem verhältnismäßig einfachen pro testantischen Kirchendienste. Man denke an die Worte deS Kaisers in Beuron. Selbst der konsequenteste Monist fühlt sich in dem Weihrauch und Klingen und Singen eines katho lischen Gottesdienstes befangen. Läßt man sich gehen, so ist man unrettbar verloren. Hypnotisch wirkt das Aeußere des Gottesdienstes, dem ich mich auch stets wieder nach einem! Besuche am Rhein entwinden muß. Wäre der Kaiser nicht durch seine Herrscherpflicht in diese Bahn gedrängt, so ständü er nach meiner Ansicht in unserer Reihe." Dazu schreibt die fortschrittliche „Voss. Zeitg.": „Das ist eine kühne Behauptung, deren Beweis, selbst wenn sie richtig wäre, völlig unmöglich ist. Sie ist um so kühner, als der Kaiser seinen tiefreligiösen Empfindungen! nicht nur bei kirchlichen Gelegenheiten Ausdruck zu geben liebt, sondern oft und nachdrücklich auch i» Fragen, die Re ligion und Kirche nicht berühren." Abg. Dr. Müllcr-Meiningcn unter den Rädern. Der Oberlandesgerichtsrat Freiherr v. Richthofen in Jena hat unterm 20. Dezember an den Reichstagsabgeordneten Dr. Müller-Meiningen folgendes Schreiben gerichtet: „Nach dem stenographischen Bericht, in dessen Besitz ich erst heute gelangt bin, haben Sie in der Neichstagssitzung vom 14. d. M. geäußert: „Ich konstatiere 4. daß im Gegensatz zu dieser Beschuldigung des Herrn Abgeordneten Raab deo deutschsoziale Kandidat v. Richthofen in den katholischen Orten versprochen hatte, bei der Beratung des Jesniten- gesetzes hinauszugehen bei der Abstimmung, und er hat dafür die Zentrumsstimmen in diesem Wahlkreise erhalten." Hiervon ist nur richtig, daß bei der Wahl von 1907 inr Fürstentum Waldeck-Pyrmont die — übrigens wenig zahl reichen — Katholiken dieses Wahlkreises ihre Stimmen für mich abgegeben haben. Ihre sonstigen Behauptungen sind unwahr. Richtig ist vielmehr folgendes: 1. Habe niemals irgend jemandem das Versprechen gegeben, bei der Ab stimmung über das Jesuitengesetz hinauszugehen. 2. Das Jesuitengesetz ist niemals Gegenstand einer Verhandlung mit mir gewesen. 3. Ich habe überhaupt in keiner der überwiegend katholischen Ortschafteil im Fürstentum Waldeck-Pyrmont (es gibt deren nur drei) verweilt. Ich fordere Sie hierdurch auf, in der nächsten Sitzung des Reichstages durch Verlesung dieses Briefes oder durch genaue und vollständige Wiedergabe seines Inhaltes Ihre unrichtigen Behauptungen öffentlich richtig zu stellen." — Bisher hat der fortschrittliche Abgeordnete nicht» in