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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.07.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050706023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905070602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905070602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-07
- Tag 1905-07-06
-
Monat
1905-07
-
Jahr
1905
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BezugS-PretS t» der Hauptexpedittoa »der bereu AuSgabe- ftellea abgeholt: vierteljährlich L.—, bei tweimaltger tüglichrr Zustellung tu« Hau» 3.75 Djirch dir Post bezogen für Deutsch land n. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut steitunqSpreiSltste. Liese Nummer tostet ans allen Bahnhöfen und 11» beidenZeitungs-Berkäuseru Aedaktton und Erpedtttom 153 Fernsprecher 222 Johanni-gafse S. Haupt-Filiale DreSve«: Moriensiratze 34 lFrrnsprecher Amt I Nr. 1713). Haupr-Ftltais Berlin. TarlDoncker, Herzgl.Bayr.Hofbuchbaudlg, Lüyowsttahr 10 Derulprecher Amt VI Nr. 46031 . Nr. 339. Abend-Ausgabe. MpMer TmMaü Handelszeitung. ÄmtsSkatt des LSnigk. Land- u«d des ÄSnigl. Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und -es Notizeiamtes der Ltadt Leidig. Donnerstag 6. Juli 1908. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 2L Familien- und Stellen. Anzeigen 20 Kinanztell« Anzeigen, G«schäft»aazetgeu »ater Text oder au besonderer Stelle »ach Tarif. Di« 4 gespaltene Reklamezeil» 7b Uuuatzmefchtutz für Nnzetgen: >dead«Au»gad» vormittag» 10 Uhr. Rorgeu-Au-gab« nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» au die Expedition zu richte». Extra-Beilage» iunr mtt der Morgen- AnSgade) »ach besonderer Vereinbarung. Die Expedition ist Wochentag» «manterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Valz tu Leipzig <Juh. vr. »„ R. »W. »linkt, ardN Herausgeber: vr. Victor Sltukhardt. 99. Jahrgang. Var Wchligrie vom Lage. * Zu einer Ehrengabe für donKreuzer „Leipzig" bewilligten gestern die Leipziger Stadt verordneten 5000 (S. Leipz. Angeleg.) * Es kann jetzt als feststehend gelten, daß der Reichstag in diesem Jahre nicht vor dem November einberufen werden wird. * Das Torpedoboot „S. 124" wurde in der Eckern- förder Bucht von dem Panzer „W ö r t h" vollständig durchschnitten. Drei Heizer kamen dabei um. (S. Flotte.) * Ueber die Rheingegend ging gestern ein furchtbares Unwetter nieder. Der Hagel fiel so dicht, daß Straßburg stundenlang einer Winterlandschaft glich. (S. Vermischtes.) * In Bremen ist, nach einem Privattelegramm, bis heute mittag die Zahl der Ausgesperrten auf 3900 angewachsen. Sämtliche Arbeiterverbände er- klärten sich mit den Ausgesperrten solidarisch. * Aus Fiume wird gemeldet, daß während des Aufenthaltes des Uebungsgeschwaders zwei undzwanzig Matrosen, durchweg Ungarn, desertiert und in die umliegenden Dörfer geflohen sind. * Der Gordon Bennett-Pokal wird vom Sieger dem Stifter znrückaegeben werden, da sich Frankreich nicht mehr am Rennen beteiligen wird. (S. Sport.) * Die französische Deputiertenkammer begann gestern die allgemeine Beratung des Gesetzes über die Arbeiter- und Jnvalidenver- sicherung. * Der nationalistische Abgeordnete Denps- Cochin will die Regierung veranlassen, Erklärungen über die gegenwärtige Politik abzugeben. * Das englische Unterhaus nahm gestern den Vor ¬ schlag Balfours auf Durchführung der Beratung des Einwanderungsgesetzes bis zum 11. Juli an. * Die amerikanische Nationalfeier hat viele Hunderte von Opfern gefordert. (S. Vermischtes.) * Das M e u t e r e r s ch i f f „Potemkin", welches vor Feodosia eingetroffen ist, bat die verlangten Lebens, mittel erhalten. (S. den Artikel.) Var Mannheimer Zcbuirvrtem. Bei ver regen Anteilnahme, die aller Orten, auch bei uns in Leipzig, dem sogenannten Mannheimer Schulsystem ent gegengebracht wird, ist eS wichtig, über das System einmal eine berufene Person zu kören. Der Magistrat, die Schul deputation und die Lehrerschaft von Görlitz batten den Stadt schulrat Dr. Sickinger-Mannheim, der für die am 2. Juli hier angesetzte 24. Hauptversammlung des deutschen Vereins für Knabenhandarbeit ein Referat übernommen batte, ersucht, bei dieser Gelegenheit einen Vortrag über die Mannheimer Volksschulreform, d. h. die Organisation nach der LeistungSjahigkeit der Schüler, zu halten. Der Vortrag fand am Montag in Anwesenheit der genannten Körperschaften und vieler Teilnehmer der Haupt versammlung unter Leitung deS Abgeordneten von Schencken- dorff in öffentlicher Versammlung statt. In der Versamm lung waren auch sämtliche Bürgermeister Niederschlesiens, sowie zahlreiche Deputationen der sächsischen und nieder schlesischen Lchrervereine anwesend. Ueber den Vortrag Dr. Sickingers wird uns berichtet: „Die Abgangsstatistik der Volksschulen von 44 der größten deutschen Städte lehrt, daß über die Hälfte aller Schüler während ihrer gesetzlichen Schulpflicht 1, 2, 3 und mehrmal dem Lose. deS Repetierens verfallen und mit dem unter richtlichen nnd ethischen Manko einer ungeeigneten Schul arbeit ins Leben treten. An dieser bedauerlichen Tatsache sind mehrere Faktoren schuld: Hauptsächlich die Ueberfüllung der Klassen, die Ueberspannung der Lehrziele und vor allem ein inneres Moment, die außerordentliche Differenz in der Förderungssähigkeit der zum Besuch der Volksschule verpflichteten Kinder, sowie die unzulängliche Berücksichtigung dieses Moments bei der Klassengliederung, der Klassenbe setzung und der Zuteilung der Unterrichtsarbeit. Die Ge samtheit der 6- bis 14-jäbrigen Schüler weist hinsichtlich ikrer Arbeitsfähigkeit im Schulunterricht eine zweifache Differenz auf: eine Differenz, die in der Verschiedenheit des Alters begründet ist, und eine Differenz, die in der indi viduellen Verschiedenheit gleichalteriger Schüler wurzelt. Der durch die Verschiedenheit des Alters bedingten Differenz in der Lernfähigkeit hat die Höbengliederung des Schulkörpers Rechnung zu tragen, deren vollkommenste Form das acht stufige System ist. Diese Gliederung reicht aber nur für die uormalarbeilSsähigen Schüler aus. Damit auch den schwachen (gewöhnlichen) Repetenten und den sehr schwachen (schwachsinnigen) Kindern der einzelnen Jahrgänge eine ihrer individuellen Arbeitskraft entsprechende, naturgemäße Behandlung zu teil werden kann, muß innerhalb deS G-.- jamtschullörpers einer Gemeinde zu der durch die Höhen gliederung bewirkten Differenzierung des Unterrichtsbetriebs noch eine Differenzierung in der Breitengliederung (innerhalb der Parallelabtcilungen der einzelnen Klassenstusen) hinzutreten. Und zwar sind, entsprechend den oben bezeich neten drei Kategorien von Schülern der gleichen Alters stufe, zum mindesten drei nach Unterrichtsbedingungen ver schieben geartete Ausbildungsmöglichketten (Unterrlchtsklassen) zu bieten, bei deren Gestaltung nach dem pädagogisch hygienischen Grundsatz zu verfahren ist: „Je ungünstiger die physische und psychische Beschaffenheit deS Erziehungs objekts ist, desto günstiger müssen die Unterrichtsbedingungen sein." Als erster Versuch, die geforderte Psychologisierung der Unterrichtsarbeit innerhalb eines großen SchulkörperS konsequent durchzusühren, ist die Dreigliederung der Mann heimer unentgeltlichen Volksschule in Hauptllassen, Förder- klaffen und HilsSklassen zu betrachten. Die neue Klaffcnordnung, mit der in Mannheim alle beteiligten Faktoren zufrieden sind, bedingt an sich nicht Mehrausgaben. Auf Grund persönlichen Studiums der Mannheimer Einrichtungen wurden bereits Versuchsklassen nach dem neuen System eingerichtet in den Städten Pforz heim, Cbemnitz, Leipzig, Wien, Stockholm, zu denen im nächsten Jahr noch Zürich treten wird." Diese Ausführungen fanden den lebhaftesten Beifall der Bcrtammlung. In der längeren Debatte, an der sich Rektor Müller II, Lehrer Hanke und Oberbürgermeister Büchtemann- Görlitz, sowie KreiSschnlinspektor Scherer-Büdingen, Stadt- schulintpektor Tromnau-Königsberg i. Pr. und Stadtschulrat Dr. Neufert-Charlottenburg heteiligten, erkannten die Redner die Notwendigkeit der Individualisierung im Maffenunterricht rückhaltlos an und berührten weiter eine Anzahl von Aus- sührungsmaßnahmen. Die Versammlung nahm einstimmig eine Zustimmungsresolution zu dem Mannheimer System an. ver Humana in Deutsch-5iia«ttttaMIra. Die VerftArkungrtranrpHrte. * Ueber die nach Südwestafrika entsandten Verstärkungs transporte findet sich eine Uehersicht in einer Beilage zum „Deutschen Kolonialblatt". Danach betrug die Stärke der deutschen Truppen in dem Schutzgebiet vor Ausbruch der Unruhen 42 Offiziere, 7 Beamte, 772 Mannschaften und etwa 800 Pferde. Vom 6. Januar 1904 ab sind dann 40 Truppentransporte aus Hamburg bezw. Cuxhaven, sowie mehrere PferdetranSporte aus Argentinien und aus der Kap- kolonie nach Deutsch-Südwestasrika gesandt worden. Hier durch sind im ganzen dorthin transportiert worden: 655 Offiziere, Sanitätsoffiziere, 196 Beamte, 13 643 Mannschaften und 11889 Pferde. Die Verluste. Die Verluste infolge des Aufstandes in Südwestafrika betragen bis einschließi'ch den 9. Mai 1904 bei der aktiven Schutztruppe 694 Mann, darunter 49 Offiziere und 116 Unteroffiziere, bei der Marine 92 Mann, darunter 7 Offiziere und 1l Unteroffiziere, bei den Farmern, der Reserve usw. 195 Mann, darunter 13 Offiziere. Es sind also im ganzen 981 Mann getötet worden, ferner ver- unglückten, jedoch nicht tätlich, 17 Mann und wurden 434 Mann verwundet. Unter den letzteren befanden sich 36 Offiziere der aktiven Schutztruppe, 6 Offiziere der Marine und 4 Offiziere der Reserve. Insgesamt sind ge tötet, verunglückt und verwundet 1432 Mann, und zwar 1070 Mann der aktiven Schutztruppe, darunter 86 Offiziere und 206 Unteroffiziere, 118 Mann der Marine, darunter 13 Offiziere, 244 Mann der Reserve, darunter 17 Offiziere. die gewamsten i« ftuszlana. Die Aufrellung -er Dardanellenfrage. Aus Konstantinopel, vom Mittwoch, erhält ^age des /eruna der — noch nachts au die jener außerordentlicher Ministerrat bechäf- icsem russischen Verlangen und der durch die chwarzen Meer möglicherweise hier entstehen- „Jrkf. Ztg." die folgenden, sehr bedenklichen Meldungen: Der russische Botschafter Sinowjew überreichte gestern eine Verbalnote des Petersburger Kabinetts, in der mitgeteilt wird, daß etwa 400 russische Seeleute sich nach Versenkung eines Kreuzers vorgestern auf einen eng- lisch en Handelsdampfer gerettet hatten, welcher in der Richtung nach Konstantinopel m See gegangen sei. Ter Botschafter verlangt von der Pforte die unbedingte Anhaltung des Dampfers bei der Pass Bosporus und die Verhaftung sowie ^Ausliesi meuternden russischen Seeleute. Ein no Pforte «inberusi tigte sich mit dle^ Vorgänge im Sch. . den Lage. Die Ptorte antwortete umgehend der russischen Botschaft mit dem Hinweis auf die cknmöglichkeii der Erfüllung ihrer Forderung, da durch ihre internationalen Verpflichtungen der Türkei auf einem unter englischer Flagge ährenden Dampfer keinerlei Polizeirecht zustehe, elbst wenn der Dampfer in einem ihrer Häfen bleibe. Außer- rem bestehe zwischen Rußland und der Türkei kein Ausliefe rungsvertrag. Der englische Dampfer hat vorläufig den Bos porus noch nicht passiert. Er wird heute oder spätestens morgen erwartet. Morgen trifft auch der bereits seit Sonn abend fällige Dampfer „Pera" von der Deutschen Levantelinie aus Odessa ein. Nach Meldungen an die Pforte von dort befänden sich an Bord mehrere Anarchisten. Die hiesigen Behörden beabsichtigen den Dampfer vor dem Eintritt in den Bosporus untersuchen zu lassen. Nach guten Informationen hat die „Pera" in Odessa aber nur vierzig deutsche Familien und den Vertreter der Levantelinie dort- selbst, einen Engländer, an Bord genommen. Jedenfalls würde die Untersuchung der „Pera" durch türkische Behörden ein Gewaltakt sein, gegen den rechtzeitig und energisch Stellung genommen werden müßte. Zu fordern ist, daß die Türkei die Flaggen der Großmächte nicht verschieden behan delt und die deutsche Flagge genau so respek tiert, wie diejenige Großbritanniens. Die Wachmannschaften der am Eingänge des Bosporus befindlichen Strandbatterien sind seit vorgestern verdoppelt und alle Geschütze mit scharfer Ladung versehen worden, da man nach dem Austauchen der meuternden russischen Schiffe in Konstanza ihr Erscheinen Hierselbst befürchtet. — Nach einer zweiten Depesche aus Konstantinopel hat der englische Konsul den englischen Schiffen mitgeteilt, daß sie dem „Potemkin" und den ihn begleitenden Torpedo booten, die groben Mangel an Lebensmitteln und Kohlen hätten^ nichts verabfolgen dürften. Es verlautet, daß die Meuterer zwei frühere englische Marineoffiziere an Bord hätten. Die türkischen Batterien am Ein gang des Bosporus sind angewiesen, auf den ^P otemkin" zu schießen, falls er versuchen sollte, die Meerenge zu passieren. Ver „potemkin" ver Feodosia. In Feodosia, dem alten Theodosia, dem an der Süd ostküste der Halbinsel Krim belegenen Seehandelsplatz, ist das Meulererschiff eingetrofsen und hat dort Forderungen gestellt, über deren Behandlung telegraphisch berichtet wird: * Feodosia, b. Juli. Vom „Poter.kiu " dazu aufgeordert, begaben sich heute die Vertreter der Stadtverwal- tuns an Bord dieses Schiffes. Der befehligende Schiffs ausschuß forderte, daß binnen 24 Stunden 500 Tonnen Kohlen, Fleisch, Fett, Vieh, Mineralöl, Tabak, Zündhölzer usw. an Bord gebracht würden: während dieser Zeit werde die Mannschaft auf dem Schiffe bleiben. Im Wei gerungsfall« werde die Aufforderung an die Bewoh nerschaft ergehen, die Stadt zu verlassen und diese dann be schossen werden. — Die Arbeiterbevölkeruna ist sehr erregt und fordert die Erfüllung der Forderungen. Der Gemeinderat beschloß, dem Schiff« Lebens mittel zu liefern, aber keine Kohlen, da die Stadt keine Kohlen habe. Seltsamer Weise wird zugleich über Wien auS dem bessa- rabischen Hafen Äkkerman gemeldet, daß der „Potevkin" zuletzt dort gesehen worden sei. Das Torpedoboot sei in seiner Begleitung in den Hafen gefahren, um Nahrungsmittel und Kohlen zu erlangen. Die Hafenbehörden hätten der Bevöl kerung verboten, auch nur das Geringste an Bord zu senden. Darauf habe das Torpedoboot zwei Schüsse auf die Stadt gefeuert, was bewirkt habe, daß apgenblicklich Kohlen und Nahrungsmittel nach Bedarf geliefert worden seien. Endlich berichtet auch die „Köln. Ztg." aus Odessa, daß der bulgarische Dampfer „Nadeshda", von Odessa kommend, den „Potemkin" auf offener See in der Richtung nach Sewastopol fahrend gesichtet habe. Vie Alahregeln Bulgarien» «nd Aninänien» Aus Sofia meldet eine Telegramm des Wiener' Korrespondenzbureaus: Das mit der Verfolgung des „Potemkin" beauftragte russische Torpedoboot bat gestern abend den Hafen von Varna anaelaufen. Nachdem es Kohlen und Wasser eingenommen hatte, ist es heute früh mit unbekannter Bestimmung abge gangen. Ti« bulgarische Regierung hat die Hafenbehörden angewiesen, alle eventuell anlausenden meu ternden russischen Schiffe sofort zu entwaff nen oder zum Verlassen des Hafens aufzufordern und nöti genfalls Gewalt anzuwenden. — Nach einer Depesche der „Frks Ztg." erschienen ein nach Galatz gedampftes russi sches Torpedoboot sowie der „Stremitelni" in den rumänischen Häfen ohne den üblichen Aviso, also auch ohne die gemäß den internationalen Seegebräuchen übliche Ankündigung des Zweckes ihrer Ankunft, die Kommandierenden beider Boote versuchten das durch den Vorwand zu maskie ren, sie hätten einige Privatverrichtungen, so die Uebersübrung eines Konsuls zu besamen. Die rumäni schen Behörden erfüllten jedoch ihre Pflicht, indem sie darauf aufmerksam machten, daß in den rumänischen Gewässern die Ordnung von der ru manischen Polizei und Armee aufrecht erhalten werde, selbst dann, wenn der „Potemkin" noch in den rumänischen Gewässern sein sollte. — In Sarna sind, wie die .Köln. Ztg." meldet, drei Tor pedoboote für die bulgarische Schwarze- Meer flotte eingetroffen. Die Fahrzeuge waren in Frankreich bestellt worden und mußten, da die Türkei angeb lich gegen eine Durchfahrt durch die Meerengen Einspruch erhob, auf dem Landweg« befördert und in Varna zusammen gesetzt werden. Die kleine, ober moderne Seemacht der Bul- garen auf dem Schwarzen Meere zählt nun einen Kreuzer („Nadeschda") mit sieben Geschützen, em Schulschiff und die drei Torpedoboote. Die Kriegsflagge zeigt in den bulgarischen drei Farben weiß-qrün-rot am obern Ende an der Stange ein rotes Viereck mit dem goldenen Löwen: sie ist bisher nur in russischen Häfen des Schwarzen Meeres sichtbar gewesen. Vie AebeMon zur See. Ueber den Signalwechsel zwischen Vizeadmiral Krieger und den meuternden Schiffen wird noch bekannt: Admiral Krieg er signalisierte: „Warum salutiert ihr mich nicht?" Er erhielt keine Antwort. Darauf signalisierte der Admiral: „Ergebt euch!" Der „Fürst Potemkin" erwiderte: „Wem?" Die Antwort lautete: „Dem Kaiser". Der „Fürst Potemkin" fragte darauf: „Welchem Kaiser?" Admiral Krieger ant wortete: „Nikolaus II." Der „Fürst Potemkin" schloß darauf die Unterhaltung mit dem Signal: „Wir kennen keinen Kaiser'. — Eine der Flüchtigen, die Fürstin Gagarin- Sturdza, machte einem Mitarbeiter deS ,,Wiener Frem- denblattes" über ihre Erlebnisse packende Mitteilungen, aus denen hervorzuheben ist: „Da bietet sich uns ein furchtbares Bild. Dort, gerade vor unS, der Hafen! Und auf dem Feuilleton. 14, Die beiden Hallermunds. Bon A. Dom. Nachdruck Verbote». Am Nachmittag unternahm sie mit Madame Ferrara einen Spaziergang in den weitläufigen, wohlgepflegten Park, der bis in die dichten Waldungen und das große Jagdgebiet der gräflichen Besitzung sich hinzog. Als sic wieder heimkamen, hatte Loni das Gefühl, als sei sie ganz gehörig ausgefragt worden, trotzdem sie sich eingestehen mußte, daß Madame Ferrara nicht im mindesten aufdringlich gewesen. Daß aber Madame im Gefolge der Gräfin mit fortgehen würde, machte Loni leichter aufatmen, und sie konnte Frau Seebachs Ab neigung gegen diese Frau bereits besser verstehen. Und der Morgen, an welchem die Herrschaft abreiste, brach an. Ulla an der Hand, stand Loni wartend in der großen Halle. Nurse, wie man die Oberwärterin kurz weg nannte, hielt den zappelnden Ditti fest im Arm. Der Wagen mit Gepäck und Dienerschaft war soeben fortgefahren. Der Graf trat in die Halle zurück und nahm seinen Sohn auf den Arm. Dann erschien die Gräfin, bis an das rosige Kinn in kostbare Pelze gehüllt, das süße, kindliche Gesicht so blumenfrisch unter der Zobeltoque hervorschauend. — Sie packte Ulla an Len Schultern und küßte sie und drückte sie an sich mit wirk licher, aufrichtiger Zärtlichkeit und versprach dem Kinde alle möglichen schönen Sachen. Der Graf mußte ihr den kleinen Sohn ordentlich dazwischen halten. Nun vergrub sie aber doch ihr Gesicht in den Kleidern des Knaben und schluchzte ein paarmal heftig auf. Nurse muhte Ditti wieder hinnehmen und der Graf gab seiner Gemahlin den Arm, um sie fortzuführen. Loni bekam noch ein paar freundliche Abschiedsworte von beiden und bald darauf war sie, Nurse und die heulenden Kinder mit Frau Seebach allein in der Halle, und Lonis Amt als Erzieherin, vorläufig als Trösterin der kleinen Ulla, sollte fortan seinen Anfang nehmen. XIII. Tage und Wochen verflossen in eintöniger Regel mäßigkeit im einsamen Herrenhaus von Hohenbüchen für Loni. Des „Dienstes gleichgestellte Uhr" brachte die Unterrichtsstunden am Morgen, denen bei gutem Wetter ein Spaziergang mit Ulla, Nurse und dein kleinen Ditti zu folgen pflegte. Am Nachmittag wurde gewöhnlich in gleicher Begleitung eine Ausfahrt unter nommen, zu der sich ab und zu auch Frau Seeback) ein fand. Die langen Abende verbrachte Loni meistens wieder in der gemütlichen Wohnung der Frau Schloßverwal- terin, plaudernd, Handarbeiten machend oder auch wohl einander vorlesend. Im Anfang war es für Loni schon eine große Ab- Wechselung, hinter Frau Seebach herzulaufen, wenn diese prüfend und ordnend durch alle die Prunkgemächer des Schlosses schritt. Aber einer nach dem anderen dieser Säle schloß und verhängte sich im Winterschlaf, nur die große Halle blieb unverändert; und stets gut er- wärmt, diente sie viel zum Tummelplatz der gräflichen Kinder. Besuch kam nie, aber der Schnoe kam und legte sich dicht und weiß in endlosen Flächen über Wald und Feld. Es war gewiß ein schöner Anblick, diese im Frost er starrte, weiße, unberührte Landschaft, der glitzernde Kristallreif der Bäume, der eisfunkelnde See, alles hineingezogen in leuchtendes Sonnenlicht, vom stahl blauen, wolkenlosen Himmel bedeckt. Aber dann kamen die trüben Tage, in denen der Schnee in stillen, schweren Dkassen niederfiel und schwer und grau der Himmel fast auf der Erde zu hängen schien und dunstige Nebel lebentötend sich dazwischen drängten. So sehr auch Loni sich wehrte und tapfer sich dagegen stemmte, das Heimweh wollte doch kommen zu solchen Zeiten, und sie dachte aus liebeleerer Ferne um so inniger an den einfachen Kreis ihrer Familie. In ehrlicher Selbsterkenntnis gestand Loni sich ein, daß das Ideal ihrer Liebe schneller verblaßte, als sie geglaubt. Sie wunderte sich manchmal selber darüber, daß kein Schmerzgefühl mehr ihr Herz durchzuckte bei dem Ge danken an den Mann, der sie verraten hatte, daß sie ihn der anderen beinahe mit Ruhe, jedenfalls ohne Haß oder Rachegefühl überließ. Trotz alledem hatte Loni nicht den Wunsch, in die heimatlichen Kreise schm jetzt -urückzukehren, sie biß die Zähne zusammen und nahm ihren Jugendmut zu Hülfe, wenn Stille und Einsamkeit das Verlangen zur Qual zu machen drohten. Die Kinder waren liebenswürdig und hingen in großer Zuneigung an ihr. Kinder haben fast immer eine unbewußte Vorliebe für Äugend und Schönheit. Ditti war ein herrlicher Junge, seiner Mutter Ebenbild, nur die blauen, oft ganz ernst und nachdenklich blickenden Augen hatte er vom Vater geerbt. Ulla war nicht hübsch, aber ein frisches, gesundes, gut gewachsenes Kind, mit treuen, braunen Augen und einem zärtlichen, an schmiegenden Wesen. Loni durfte auch mit ihren kleinen Lehrerfolgen ganz zufrieden fein, Ulla lernte leicht und gern. Weihnachten kam heran. Die gräflichen Eltern hatten Kisten und Kasten voll Geschenke gesandt, auch Loni bekam eine elegante Pelzboa, Muff und Toque zum Geschenk. Frau Seebach, die Wärterinnen, die übrige Dienerschaft, niemand war vergessen. Die verwitwete Fürstin Pleih, des Grafen Schwester, zu kränklich, um ihr Schloß im Winter verlassen zu können, lud die gräflichen Kinder zu Weihnachten zu sich ein, und zwar, -da sie wünschte, daß Ulla richtige „Weih nachtsferien" haben sollte, wurde -die Erzieherin nicht gewünscht, und nur die beiden Wärterinnen reisten als Begleiterinnen der Kinder mit. Frau Seebach und Loni zündeten sich im gemütlichen Zimmer den Baum an, breiteten ihre gegenseitigen kleinen Geschenke darunter auS und waren ganz ver gnügt Labe»,
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