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Nr. 282. - 4. Jahrgang. taütbote. Dienstag, 2 Dezember 1884. Unparteiisches Tageblatt für Chemnitz und Umgegend besonders für die Bororte: Altchemnitz, Altendorf, Bernsdorf, Borna, Ebersdorf, Furth, Gablenz, Glösa, Helbersdorf, Hilbersdorf, Kappel, Neustadt, Echönv«. S Unterhaltungs-Blätter, LLLULS Anzeiger-Bilderbuch. Die Abonnenten erhalten mit dem Anzeiger allwöchentlich AbounementSbestellMtgen, vierteljährl. Ivo Pf. (Zutr. 40 Pf.), monatl. so Pf. (Zutr.lb Pf.), nehmen an die Berlagsexpedinou und Ausgabestelle« in Chemnitz und obigen Vororleu. Außerhalb dieser Orte kann der Anzeiger nur bei den Postanstalteu — Poftzeitungs-Liste 7. Nachtrag Nr. 1059 — bestellt werden. In Oesterreich-Ungarn ist der Chemnitzer Anzeiger zum Abonnement-Preise von vierteljährlich 1 Gulden 41 Kr., monatlich 47 Kr. (exkl. Agiozuschlag) durch die Postanstalteu zu beziehen. JnfertionSpreiS: di« schmal« (Ispaltige) «orpn-zeile oder deren Siam» 1b Pfennig«. — — Unter Eingesandt pro Zell« 30 Pfennig«. — »ns groß« Annoncen nnd Wiederholungen Rabatt. — Annoncen »Annahme für dt« nächst« Nummer bi« Mittag- — AnZgab« jeden Wochentag Nachmittag. Annoueeubestelluimen von auswärts wolle man de« Jnsertionsbetrag stets beifüge« (kleinere vetrtig« in Briefmarken) je 8 Silben der gewöhnlichen KorpuSschrift bilde» eine Zeile und losten 1b Pfennige. Verlags-Expedition: yklexander Wtede, Buchdruckerei, Chemnitz, Theaterstraße 48 (ehemaliges Bezirksgericht, gegenüber dem Kasi«»> Bekanntmachung, die freien Hilsskassen betr. Von den hier bestehenden Krankenkasten sind zur Zeit folgende Kasten: 1. Zentralkranken» und Begräbnißkaffe für Frauen der Buchbinder, Portcfeuiller und anderer Geschäftszweige jeder Art in Deutschland (Sitz in Offenbach a. M), 2. Zentralkranken- und Begräbnißkaffe für die Mitglieder des Unter- stiitzungsverein Deutscher Buchdrucker (Sitz in Stuttgart), 3. Kranken- und Begräbnißkaffe des Gewerkvereins der deutschen Fabrik- und Handarbeiter (Sitz in Burg), 4. Unterstützungsverein sür Kaufleute zu Chemnitz, 8. Kranken- und Begräbnißknsse des Deutschen Kellnerbundes (Sitz in Leipzig), v. Kranken- und Begräbnißkaffe des Gewerkvereins der Deutschen Klempner und Metallarbeiter (Eid in Rixiwrf), 7. Kranken- und Begräbnißkaffe des Gewerkvereins der Deutschen Litho graphen, Steindruckcr, Koloristen, Maler nnd bctheiligten Berufe (Sitz in Gera), 8. Allgemeine Kranken- und Sterbekaffe der Metallarbeiter (Sitz in Hamburg), 9. Zentral-Kranken« und Sierbekasse des Deutschen Sennefelder Bundes (Sitz in Frankfurt a. M ), 10. Allgemeiner Schneider-Kranken- und Begräbniß-Bcrein zu Chemnitz, 11. Allgemeine Schuhmacher-Kranken- und Begräbnißkaffe zu Chemnitz, 12. Zentral-Kranken- und Sierbekasse der Schuhmacher und verwandten Berufsgenosscn (Sitz in Hamburg) 13. Kranken- und Begräbnißkaffe des SewerkvereinS der Deutschen Schuh macher und Lederarbeiter (Sitz in Berlin), 14. Zentral-Kranken- und Sterbekasse der Tabackarbeiter Deutschlands <Sitz in Hamburg) 15. Zentral-Kranken- und Sterbekaffe der Tapezierer und verwandter Berufsgenossen Deutschlands (Sitz in Hamburg), 16. Unterftützungsverein für Techniker zu Chemnitz, 17. Zentral-Kranken- und Sterbekaffe der Tischler und anderer gewerb licher Arbeiter (Sitz in Hamburg) 18. Zentral-Kranken- und Sterbekasse der..Deutschen Wagenbauer (Sitz in Hamburg), 19. Zentral»Kranken« und Sterbe«Unterstützungskaffe der Deutschen Zimmerer (Sitz in Hamburg) 20. Kranken- und Begräbnißkaffe des Gewerkvereins der Deutschen Ma schinenbau- und Metallarbeiter (Sitz in Rixdorf), 21. Musikalische Kranken- und Begräbnißkaffe zu Chemnitz als den Bestimmungen in 8 75 des Krankenversicherungsgesetzes genügend und demnach von der Verpflichtung zum Beitritt zu einer Orts- oder Be- triebS- (Fabrik-) Krankenkasse oder Jnnungskrankenkasse oder der Gemeinde- krankcnversicherung befreiend anerkannt worden. Alle Arbeitgeber, soweit sie nicht Betriebs- (Fabrik-) Krankenkassen er richtet haben, oder einer Innung angehören, für welche eine Jnnungskranken kasse besteht, haben die von ihnen beschäftigten versicherungspflichligen Per sonen, welche nicht Mitglieder einer der obenverzeichneten, anerkannten Hilfs- kaffen sind, bei den Ortskrankenkaffen bez. der Gemeindekrankenversicherung binnen drei Tagen nach Eintritt in die Arbeit anzumelden- Auch hat diese Anmeldung bei etwaigem Aufhüren des die Befreiung begründenden Ver hältnisses innerhalb der Frist von 3 Tagen zu geschehen, alles Dieses bei Vermeidung von Geldstrafe bis zu 2V Mark und der Verpflichtung, alle Aufwendungen zu erstatten, welche die Ortskrankenkaffen oder die Gemeinde- trankenversicherun» zur Unterstützung einer vor der Anmeldung erkrankten Person gemacht haben. Ebenso ist die Abmeldung der versicherungspflichtigen Personen binnen drei Tagen nach dem Austritt aus der Arbeit zu bewirken. Für die nicht abgemeldeien Personen werden die Beiträge von den Arbeitgebern forteryoben. DaS Geschäftslokal der OrtSkrankenkasscn und der Gemeindekrankenoer ficherung befindet sich bis auf Weiteres im Rathhause links 2 Treppen, Zimmer Nr. 57. , Chemnitz, am 29. November 1884. Der Rath der Stadt Chemnitz. Andre, vr. Oberbürgermeister s Bekanntmachung, das Adreßbuch betr. Die Vorsteher der hier bestehenden Vereine, welche wünschen, daß die Namen der letzteren und ihrer Vorstandsmitglieder in dem lS85r Adreßbuche für die Stadt Chemnitz Aufnahme finden sollen, werden hierdurch ersucht, die erforderlichen Anmeldungen, sofern solche noch nicht geschehen, bis spätestens den 6. Dezember d. I. im Rathhause (Poststraße 5t im Erdgeschoß, Mittelbau, Zimmer Nr. II) zu bewirken, widrigenfalls eine auf diese Vereine bezügliche Veröffentlichung im 188Sr Adreßbuche selbst dann unterbleiben muß, wenn eine solche im 1884r Adreßbuch stattgefunden hätte. Chemnitz, am 28. November l884. Das Polizeiamt. Siebdrat. F. Konkursverfahren. lieber dar Vermögen des Kaufmanns Johann Wilhelm Schliack, Inhabers der Firma Wilhelm Schliack in Chemnitz wird heute am 29. November 1884 Vormittags '/,12 Uhr das Konkursverfahren eröffnet. Der Rechtsanwalt vr. Tasten in Chemnitz wird zum Konkursverwalter ernannt. Konkursforderuugen sind bis zum 9. Januar 1885 bei dem Gerichte anzumelden. Es wird zur Beschlußfassung über die Wahl eine» anderen Verwalters, sowie über die Bestellung eines GläubiqerausschuffeS und eintrctenden Falles über die in 8 126 der Konkursordnuna bezeichnten Gegenstände aus den 18. Dezember 1884 Vormittags >0 Uhr und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf den 16. Janur 1885 Bormittags lO Uhr vor dem Unterzeichneten Gerichte Termin anberaumt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache im Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird ausgegeben, nichts an den Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auserlegt, von dem Besitze der Sache und von de» Forderungen, sür welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Kon kursverwalter bis zum 60. Dezember 1884 Anzeige zu machen. Königliches Amtsgericht zu Chemnitz. Nohr. Beglaubigt: Schulze, stell». Ger.-Schrbr. Bekanntmachung. Der Fleischer Herr Andreas Wolter in Schönau beabsichtigt, in de« unter Nr. 112 des Brandversicherungs- Lalasters, Nr. 89 o des Flurbuch-für Schönau gelegenen Grundstücke eine Schlächterei zu errichten. I» Gemäßheit 8 17 der Reichsgewerbeordnung vom 1. Juli 1383 wirb dies mit der Aufforderung hierdurch bekannt gemacht, etwaige Einwendungen hiergegen, soweit sie nickt auf besonder» PrivatrechtStiteln beruhen, bei deren Verlust binnen 14 Tagen, vom Erscheinen dieser Bekanntmachung an gerechnet, allhier anzubringen. Chemnitz, am 29. November l884. Die Königliche AmtShauptmannschast. Schwedler. Beyer. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute auf Folium 2707 die Firma Fritz Gumprecht in Chemnitz und als deren Inhaber der Kaufmann Herr Carl Friedrich Gumprecht daselbst, Besitzer eines Agentur- und Kommissionsgeschäfts eingetragen. Chemnitz, am 28. November 1884. Königliches Amtsgericht, Abtheilung 2. Nohr. Tr. Im Handelsregister sür den Stadtbezirk des Unterzeichnete» Amtsgerichts wurde heute auf Folium 2708 die Firma Paul Mitzscher in Chemnitz lJohannisPlatz Nr. 9), und als deren Inhaber der Kaufmann Herr Georg Paul Mitzscher daselbst, Besitzer eines Chokoladen- und Zuckerwaaren-Haii- delsgeschästs, eingetragen. Chemnitz, am 28. November 1884. Königliches Amtsgericht, Abtheilung 2. Nohr. Tr. . , -tzt tu Limbach aufhältlich gewesene Strumpfwirker Bernhard Oswald Rost ist in einer hier anhängigen Strafsache als Zeuge zu vernehmen nnd wird, da sein derzeitiger Aufenthaltsort nicht hat ermittelt werden können, hiermit aufgesordcrt, denselben unverzüglich an her anzuzeige». Die Polizeibehörden ersuche ich, p. Rost'n hierauf aufmerksam zu machen und, daß dies geschehen, niir mitzutheilen. Chemnitz, am 28. November 1884. Der Untersuchungsrichter beim König!. Landgerichte. Jrmer, L -G.-Rath. Bersteigerung. In der Warttig'schen Brauerei zu BnrkhardtSdorf bei Chemnitz solle» Freitag, den 5. Dezember 1884, Vormittag- 11 Uhr 2 Pferde, 6 Schweine, 5 Hühner, 1 Hahn, 9 Faß Bier, 1 Brückenwaage, 1 Häckselschneidemaschine, 1 Häckselbank, 1 Rüstwagen, 1 Kutschwagen, 1 Last schlitten, 2 Pferdegeschirre, 4 Malzreinigungsmaschine, 1 Kühlschiff, 1 Maisch- bottig, 1 Maischpumpe, 1 Schrotmühle, 80 Stück Bier- und Lagerfässer, 1 Partie Gerste, Hopsen, Malz, Faßpech, Möbel, Kleider »nd verschiedene an dere Gegenstände gegen sofortige baare Bezahlung öffentlich versteigert »erde», was mit dem Bemerken hierdurch bekannt gemacht wird, daß das speziel« Berzeichmß der AuktionSobjekte im Gerber'sche» Gasthause zu Burkhardtsdorf «ushängt, oder auch im Geschäftslokale des Unterzeichneten, Justizgebäude Parterre Nr. ll, eingesehen werden kann. GerichtSooltzieherei Chemnitz, den 24. November 1884. «kt. Lange. Konkursverfahren. Christian Friedrich Schröter in Chemnitz hat als Borstand der Aktie»» gesellschast Chemnitzer Sozietätsbrauerei zu Altendors, über deren Vermöge» Konkurs eröffnet ist, unter Bezugnahme daraus, daß er sich mit dem Che«» nitzer Bankverein als dcrmaligem einzigen Gläubiger gedachter Aktiengesell schaft außergerichtlich geeinigt habe, die Einstellung des Konkursversahre»- beantragt, was gemäß 8 189 der Konkursordnung mit dem Bemerken hiermit bekannt gemacht wird, daß die zustimmenden Erklärungen der Konkurs gläu biger zu deren Einsicht auf der Gerichtsschreiberei niedergelegt sind. Chemnitz, am 28. November 1884. Königliches Amtsgericht, Abtheilung 2. Rohr Sch. Im Handelsregister für den Stadtbezirk de» Unterzeichneten Amtsgericht wurde heute aus Folium 2705 die Firma Ferd. Hamel in Chemnitz (Reit bahnstrabe Nr. 17), und als deren Inhaber der Maschinenbauer Herr Johann Frieorich Ferdinand Hamel daselbst eingetragen. Chemnitz, am 28. November 1884. Königliches Amtsgericht, Abtheilung 2. Nohr. Tr. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgericht- wurde heute aus Folium 2706 die am 25. November 1884 errichtete Firma Deutsche Webstuhlsabrik Ernst Lehnhardt u. Komp, in Chemnitz eingetragen und zugleich verlautbart, daß die Maschinenfabrikanten Herr Karl Ernst Lehnharbt, Herr Moritz Heinrich Lehmann und Herr August Wilhelm Unzer, sämnulich in Chemnitz, Inhaber der Firma sind, sowie, daß die Zeichnung der Firma in der Weise zu bewirken ist, daß zu derselben zwei Gesellschafter ihre persönliche Unterschrift hinzuzufügen haben. Chemnitz, am 28. November 1884. Königliches Amtsgericht, Abtheilung 2. Erledigt hat sich der hinter dem Dienstknecht Ernst Louis Schubert au- Niedersayda ünter'm 24. dies. Mon. erlassene Steckbrief durch Festnahme Schubert'-. Königliche Staatsanwaltschaft Chemnitz, den 28. Nooember 1884. vr. Schmidt. Tageschronik. 2. Dezember. 1409. Die Universität Leipzig erhält eine Konstitution. 1554. Ferdinand Cortez f 1804. Napoleon 1. gekrönt. 1805. Schlacht bei Austerlitz. 1817. Shbel geb. 1825. Pedro II. von Brasilien geb. 1851. Staatsstreich Napoleons Ül. 1870. Kämpfe vor Paris und Orleans. Telegramme -es Chemnitzer Yknzeigers. Bom 30. November. Berlin. Am heutigen Tage findet beim Kronprinzen eine größere Soiree zu Ehren der Bevollmächtigten zur Kongo-Kon ferenz statt. Berlin. Der „Nordd. Allg. Ztg." zufolge ist der Arbeits minister Maybach infolge Unwohlseins genöthigt, einige Zeit das Zimmer zu hüten. Pest. DaS Komitee des Unterhauses hat die Vorlage Wegen Reform des Oberhauses in der Spezialdebatte angenommen. Bern. Die Ratifikation der Verträge betreffs der Wiederher stellung des BiSthumS Basel und die bischöfliche Verwaltung in Tessin zwischen dem Bnndespräsideuten Welti und dem päpstlichen Delegirten Testa Ferrata sind ausgewechselt worden. — San Do mingo erklärt seinen Beitritt zur internationalen Konvention, betreffend den Schutz des gewerblichen Eigenthums. Rom. Die Quarantaine für die Provenienzen aus Sicilien «nd Sardinien ist auf 5 Tage herabgesetzt worden und soll demnächst g«»z aufgehoben werden. Paris. Am 19. d. hat an Bord des „Rigault de Genvuilly" bei Formosa eine Kesselexplosion stattgesunden. Die Ursache der Explosion, so meldet Admiral Combet, sei nicht zu ermitteln ge wesen. Getödtet wurden infolge der Explosion zwei Maschinisten und 11 Matrosen oder Heizer. Admiral Courbet ließ die übrigen Kessel des „Rigault de Genvuilly" einer sorgfältigen Prüfung unter ziehen und erklärt, dieselbe habe ein durchaus zufriedenstellendes Re snltat ergeben, der „Rigault de Genvuilly" werde an den weiteren Operationen zur See theilnehmen können. Paris. Der Anarchist Drulle wurde verhaftet, welcher in einer Versammlung aufgefordert hatte, die Bäckerläden zu plündern. Madrid. Anläßlich des Geburtstages des Königs fand ein großer Empfang im Palais statt, zu dem auch Anhänger der dynastischen Linken und Sagastas erschienen. An der Galatafel nahmen ILO Personen «heil. Rust schul. Derselbe Panow, welcher jüngst auf den Minister des Innern, Slowejkow, ein Attentat verübt hatte, versuchte dasselbe gegen den Ministerpräsidenten Karawelo. Panow wurde durch die Polizei in seine Heimath nach Schumla abgeschoben. * (Weitere Telegramme siehe dritte Seite) Ferry «ud fein Glück. Die Diskussion über die Tonkin-Kritik wurde unter dem fernen Kanonendonner auf dem Rothen-Flusse eröffnet General Briftre, ein Stratege, welcher die Erfordernisse zu einer erfolgreichen Politik sehr wohl zu würdigen weiß, sandte daher mehr.-re Telegramme ein, welche empfindliche Niederlagen der chinesischen Truppen und der Piraten zu melden wußten. Danach sind die bedeutenden Streitkräfte der Chinesen in die Wälder und Berge zersprengt, wo sie aus Mangel an jeglichem Proviant schier Hungers sterben müssen. Natürlich darf man darf man diese Nachrichten, — wie Präzedenzfälle rathsam er scheinen lassen — nicht zu buchstäblich nehmen. Zu gleicher Zeit berichtete Admiral Courbet von Formosa aus die Einnahme einiger Forts ans der Route nach Tam-Sui zu recht gelegener Zeit. Dem gemäß begann die Debatte bei einer für die Regierung einigermaßen angenehmen Temperatur, wozu indessen noch andere Umstände erheblich milwirkten. Wurden auch bald die heftigsten Angriffe gegen Ferry gerichtet, weil er die bekannte im Schooß der Kommission abgegebene Erklärung im Protokoll wieder ausstrich, blieb ihm auch der Vor- wuif einer abenteuerlichen Kolonial-Politik nicht erspart, bei welcher Gelegenheit der Chauvinismus nicht stumm bleiben konnte, mußte er sich den Nachweis von Widersprüchen gefallen lassen, so blieb Ferry trotz alledem der Mann der Situation, indem die ganze von Carnot vorgeschlagene Tagesordnung, welche ein Vertrauensvotum für Ferry bildet, mit 379 gegen 185 Stimmen genehmigt wurde Damit hat der leitende Staatsmann in Frankreich die beste Aussicht bekommen, die von ihm zur enerischen Durchführung seiner Kolonial-Polikik ge forderten 43 Millionen trotz der schwierigen Finanzlage des Landes bewilligt zu erhalten. Die Gründe für diesen Erfolg Ferry's sind sehr verschiedenartige. Hauptsächlich laufen sie auf Folgendes hinaus. In erster Linie hält es schwer, sür den Augenblick einen geeigneten Ersatzmann z» finden Außerdem dürfte ein Wechsel in der Leitung der französische« Politik von China als ein Nachgeben von Seiten Frankreichs aufge- saßt werden, was des Letzteren Bedingungen weniger annehmbar er scheinen lassen möchte. Und — inst not least — herrscht in ganz Frankreich ohne Unterschied der Parteien die Ansicht, daß die Fahnenehre Frankreichs einem doch wohl nicht ebenbürtigen Gegner gegenüber eugagirt sei. Das ist nun einmal die Achillesferse der französischen Nation, und ihre vor einer Neuwahl stehenden Abge ordneten werden sich w»hl hüten, durch Verweigerung der geforderten Millionen ihren Patriotismus zu kompromittiren. Als gegen Schluß des vorigen Jahres der General Millot mit einer größeren Truppenabtheilung, der ersten ernstlichen Heeresmacht, nach Tonkin gesandt wurde, da glaubte die französische Regierung ei« klebriges gethan zn haben. Diese Rechnung schien auch anfang- richtig zu sein. Schon vor der Ankunft der Verstärkungen nah« Courbet die Feste Sontay; Millot ließ die Eroberungen von Baknin und Hongtwa folgen, und als eS dem Fregatten-Kapitän Fournier gelang, mit Li-Hung-Tschang das bekannte Abkommen zu schließen, da glaubte man Alles gewonnen. Selbst die verbissensten Männer der Opposition konnten an diesem für Frankreich äußerst vortheilhaften Vertrage wenig aussetzen; sie mäkelten nur etwa daran herum, daß die in Aussicht gestellte Kriegsentschädigung aufgegeben war. Ferry hatte seinen schönsten Tag. Heute ist alles s» ganz anders; die Rückseite der Medaille ist inzwischen zum Vorschein gekommen. Das „Abenteuer" hat sich immer weiter entwickelt und die Kräfte des Landes in immer weitere« Umfange in Anspruch genommen. Die Kammer, welche im Vertraue« auf das Ministerium A und B gesagt hatte, ist nach und nach schon tief ins Alphabet gerathen. Dabei stand sie immer vollendeten Thatsachen gegenüber. Jules Ferry überhob sie der peinlichen Ver legenheit, Entschlüsse für die Zukunft zu fassen; es blieb ihnen Nichts übrig, als blos mit mehr oder weniger Zufriedenheit Geschehenes gutzuheißen und aus Thatsachen, die sie nicht geschaffen, die unangenehmen Konsequenzen zu ziehen. Das Schlimmste war, daß zuletzt Niemand zu «ieder- hole-i wagte, was bei jedem früheren Truppennachschub Ferry und Campenon zur Beruhigung gesagt hatten, er werde der Letzte sein und Frankreich weitere Opfer von Menschen und Geld nicht z« bringen haben. Heute hat die Armee des Generals Briere einen schweren Kampf, um ihre Positionen im Delta nur zu behaupten.