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MV".- > »«II »IsW >/>v".'. ./WW'>M «WWWWYWMWWWWW Ar. 226. — 4. Jatzrgasq. -Unvar ^rr AF/ imll MUbotr. Donnerstag, 25. September 1884. Unparteiisches Tageblatt für Chemnitz und Umgegend besonders fiir die Bonrtc: Mchemmh, Alteiderf, Lemsdorf, Boma, EberSdorf, Furth, Sabienz, Glösa, Helbersdorf, Hilbersdorf, Kappel, Reustadt, Schön«,. 3 Unterhaltungs-Blätter, Die Abonnenten erhalten mit dem Anzeiger allwöchentlich Ubouuementsbestelluugen, Vierteljahr!. 180 Pf. (Zutr. 40 Pf.), monatl. SO Pf. (Zutr. 18 Pf.), nehmen ,n die Berlagsexpedmon und Ausgabestellen in Chemnitz und obigen Vororten. Außerhalb dieser Orte kann der Anzeiger nur bei den Postanstalten — Postzeitungs-Liste 7. Nachtrag Nr. 1089 — bestellt werden. In Oesterreich-Ungarn ist der Chemnitzer Anzeiger zum Abonnementspreise von vierteljährlich 1 Gulden 41 Kr., monatlich 47 Kr. (exkl. Agiozuschlag) durch die Postanstalten zu beziehen. sowie das 8seitige, reich- illustrirte humoristische Anzeiger Bilderbuch. JnfertionSpreiS: di« schmal« (Ispaltigr) Korp«S,ril« od«r d«r«n Ranm IS Pfennige — — Unter Eingesandt pro Zeil« 30 Pfennig«. — Ans groß« Annoncen «nd Mederholnngen Rabatt. — Annoncen »Annohw» für die nächst» Nnmm«r bis Mittag. — Ausgabe jede« Wochentag Nachxittag- Annoneenbestellungen von auswärts wolle man den JnsertionSbetrag stet» beifügen (kleinere Beträge in Briefmarken) je 8 Silben der gewöhnlichen Korpusschrist bilden eine Zeile und kosten 18 Pfennige. Bekanntmachung. Laut der in dem Verordnungsblatts der Königlichen Kreishauptmannschaft zu Nr. II enthaltenen Bekanntmachung sind für den Monat August dieses Jahres in dem Hauvtmarktorte Chemnitz folgende Durchschnittspreise für Fourage-Artikel ermittelt und festgestellt worden: Für den Zentner: Hafer 8 M. 4 Pf, Heu 3 M. 13 Pf.. Stroh 2M. 34 Pf., und wird dies in Gemäßheit pet. III der Verordnung des Königlichen Kriegs ministeriums vom 22 Mai 1877 (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 225 flg.) hiermit öffentlich bekannt gemacht. Chemnitz, den 23. September 1884. Königliche AmtShauptmannschast. Schwedler. Hr. An die Herren Gemeindevorstände im Amtsgerichtsbezirke Chemnitz. Die Herren Gemeindevorstände im hiesigen Amtsgerichtsbezirke werden hiermit noch besonders darauf hingewiesen, daß die Einsendung der von ihnen für das Jahr 1885 aufznstcllenden Geschwornen- und Schöffen-Urlistcn unter Beifügung der in 8 3 der Verordnung vom 23. September >879 erwähnten Beilagen spätestens bis zum 31. Oktober d. I. zu geschehen hat. Chemnitz, den 20. September >884. Königliches Amtsgericht. Becker. Konkursverfahren. Das Konkursverfahren über das Vermöge» des Mühlenpachters Karl Eduard Röber in Harthau, Inhabers der Firma K E. Röber daselbst, wird, nachdem der in dem Vergleichstermine vom 8. Juli 1884 angenommene durch rechtskräftigen Beschluß vom 8. Juli 1884 bestätigt ^rhemnch.°den^2^Seplember 1884. " ° Königliches Amtsgericht. Nohr. Verlags-Expedition: 4klexa«der Wiede, Buchdruckerei, Chemnitz, Theaterstraße 48 (ehemaliges Bezirksgericht, gegenüber dem Kasi«o). >6. öffentliche Sitzung der Stadtverordneten Chemnitz, am 25. September 1884 Abends 6 Uhr. Tagesordnung: 1. Geschäftliche Mittheilungen. 2. Berichte de» Finanz ausschusses, über: a. den Beschluß, für die nächstjährige Eedanfcier 2000 M. in das Budget einzustellen; d. das Postulat von 450 Mark zur Herstellung eines Raumes in der ZwangSarbeitsanstalt zur Unterbringung von Leichen; v. das Postulat von 5500 Mark zur Pflasterung in der Poststraße; ä. da» Postulat von 38500 Mark zur Regulirung der Stollbergerstraße. 3. Berichte des Kontrolausschusses, über: ». das Gesuch des Schlossers Joh- Röfel auS Gradlitz in Böhmen um Aufnahme in den sächsischen Staatsunterthanen- Verband; >>- die Rechnung der Strafgelder aus das Jahr 1883; v. die Rech nung der Dienstbotenkrankensteuerkasse auf das Jahr 1883; ä. die Rechnung der Minna Auguste Unger-Stiftung auf das Jahr 1883; s. die Rechnung der Kaufsanlagen-Kontrole auf das Jahr 1883; k. die Rechnung der städtischen Leihanstalt aus das Jahr 1883; g. die Rechnung der bei der Leihanstalt er zielten Ueberschüsse auf das Jahr 1883. 4. Berichte des VerfassungsauSschuffeS, über: a. de» Rathsbeschluß, die Anlegung städtischer Gelder betr.; b. den Rathsbeschluß, dem Waldarbeiter Grundmann eine wöchentliche Unterstützung von 4 Mark zu gewähren. 5. Berichte des Wahlausschusses, über: »- die Wiederwahl des Herrn Stadtrath Brachvogel; b. die Wahl eines besoldete» 6. Stadtralhes; e. die Wahl eines unbesoldeten Stadtrathes; ä. die Zuwahl von fünf Stadtverordneten zur Deputation aä Iioe, „die Dünger-Abfuhr" betreffend. — Der öffentlichen Sitzung geht eine geheime Vorbesprechung voraus. Chemnitz, am 23. September 1884. Der Stadtverordneten-Borsteher Rechtsanwalt vr. Enzmann. Bekanntmachung. Die im Laufe des nächsten Winterhalbjahres zur Unterhaltung der Straßen erforderlichen Fuhren sollen durch Submission vergeben werden. Arbeitsverzeichniffe und Bedingungen können gegen Erlegung der Schreib gebühren bei der Unterzeichneten Verwaltung entnommen werden, woselbst' auch die Angebote bis zum 29. dsr. M., mit entsprechender Aufschrift versehen, einzureichen sind. Chemnitz, den 23. September 1884. Die Stadtbauverwaktung. Hechler, Stadtbaurath. T. Bekanntmachung. Die Abfuhr des Kehrichts aus der Stadt — eingetheilt nach Kehrbezirken — soll für das nächste Winterhalbjahr durch öffentliche Versteigerung a» die Mindestfordemden vergeben werden. Die hierauf Reflektirenden werden aufgcfordert, sich Montag, den 29. dss. Mts., Nachmittags 3 Uhr im neuen Rathhause, links, 1 Treppe, Zimmer Nr. 49, einznfinde», woselbst die Versteigerung vorgenommen werden wird. Chemnitz, den 23. September 1884. Die Stadtbauverwaltung. Hechler, Stadtbaurath. T. Abonnements - Ginln-nng Für das am 1. Oktober beginnende 4. Quartal 1884 nehmen auf den unparteiisch täglichen ^ „Chemnitzer Anzeiger" mit wöchentlich 3 Unterhaltungsblättern und dem 8 volle Seiten enthaltenden, auf feinstes Papier gedruckten, humoristischen, reich illustrirte» Sonntagsblatt „Anzeiger-Bilderbuch" in Chemnitz und den Bororten: Die Ausgabestellen, auswärts: nur die Postanstalten Abonnementsbestellungen zum Preise von nur 15V Pfg. (ein schließlich sämmtlicher Beiblätter) entgegen. (Anträgen 40 Pfennige.) Der Chemnitzer Anzeiger ist in, Postzeitungs - Preisverzeichniß unter Nr 1089, siebenter Nachtrag, eingetragen. Wir ersuchen unsere werthen Post-Abonnenten ihre Bestellungen für das 4. Quartal baldigst zu erneuern, damit in der Zusendung keine Unterbrechung eintritt. Die am 1. September in den UnterhaltungSblättern begonnenen fesselnden Romane: und »I« werden im Laufe des 4. Quartals zu Ende geführt; die im Septbr. erschienenen Theile dieser Romane liefern wir neu beitretenden Abonnenten gratis nach. Tageschronik. 25. September 1529. Die Türken vor Wien. 1555. Passauer Religionsfriede. 1750. Werner, Begründer der Geognosie, geb. 1851. Sir James Roß kehrt von seiner Polarfahrt zurück. 1862. v. Bismarck wird Minister. 1874. Einzug der österreichischen Nordpolfahrer in Wien. 1876. Bändel, Erbauer des Armin-Denkmals, gest. steht die Ausweisung bevor. Es wurden auch Sprengpulver und Dolche gefunden. Rom. Der „Voce della Verita" zufolge sprach der hiesige Bürger meister den Wunsch aus, dem Papste anläßlich der beabsichtigten Erricht ung eines Choleraspitals im Vaükan den Dank der römischen Bevölkerung zur Kenntniß zu bringen. Der Papst nahm dies« Kundgebung dankend au, """Rom. (Chokrabericht.) sDer Zähler bedeutet Erkrankungen, der Nenner Todesfälle.) Am 22. Sept.: Ascoli 1/2, Bergamo 20/15, Caserta 6/2, Chieti 4/0, Cremona 8/5, Cuneo 1K/6, Ferrara 3/0, Genua 51/12 (davon in Spezzia 33/7), Massa 1/0, Mailand 1/0, Modena 3/2, Neapel 304/169 (davon in der Stadt Neapel 251/152), Parma 8/4, Reggioemilia 4/3, Rom (Stadt) 1/1, Rovigo 5/3, Salerno 2/0. Haag. Die zweite Kammer nahm ein Gesetz an, wodurch Holland die französische Gerichtsbarkeit in Tunis anerkennt und dev mit Italien abgeschlossenen Verträgen zustimmt, denen zufolge mittel, losen Unterthanen beider Länder unentgeltlicher Beistand vor de» Gerichten gewährt wird. Paris. Laut „National" ist aus den Unterredungen Courcel'S mit Bismarck eine wenigstens theoretische Einigung Frankreichs und Deutschlands betreffs Eg Ptens hervorgegangen. Courcel wird Ende der Woche mit Ferry in Paris konferiren. Otfiziell wird dementirt, daß die Verschiebung des Ministerraths auf Differenzen Ferry's und Waldeck Rousseau'» beruhe. Petersburg. Vorgestern ging den Redaktionen ein Zirkular der Oberpreßverwaltung zu, welches ihnen verbietet, Nachrichten über die Kaiserreise, die nicht zuvor von dem „Regierungsanzeiger" ge bracht worden sind, sowie Berichte über die Befestigungen von Newo Georgiewsk zu veröffentlichen. (Neueste Depeschen siehe dritte Seite.) Telegramme -es Chemnitzer Anzeigers. Vom 23. September. Berlin. Der „Reichsanzeiger" meldet aus Benrath: Auf die im Namen von etwa 75 Prozent aller industriellen Arbeiter des Landkreises Düffeldorf von drei Arbeitern respektive Meistern über reichte Adresse mit 3123 Unterschriften, welche für das große Wohl wollen und die ernste landesväterliche Fürsorge dankt, die der Kaiser stets dem Arbeiterstand gewidmet habe, von welcher das durch des Kaisers persönliches Einschreiten in'S Leben gerufene Krankenkafsen- Gesetz und das Unfallgesetz einen glänzenden Beweis gäben, erwiederte der Kaiser, sichtlich freudig bewegt, etwa Folgendes: Es sei ihm nicht immer vergönnt, Dank zu ernten für seine Bestrebungen zum Wohle des Volke», umsomehr freue es ihn, heute solchem Danke zu begegnen, aus einem Stande, dem er in gegenwärtiger Zeit seine ganz besondere Für orge widme, für besten Wohl durch die Gesetzgebung schon Wichtiges geschehen sei. Er freue sich auch, daß man anscheinend mit dem eingeschlagcnen Weg zufrieden sei; Allen könne auch er frei lich es nicht recht machen. Berlin. Der Ministervizepräsident Puttkamer, und die Minister Böttcher und Maybach sind nach Westfalen abgereist. Wien. Rußland hat sich dem Proteste Frankreichs, Oesterreichs und Deutschlands in Kairo angeschloffen; Italiens Anschluß wird gleichfalls erwartet und e» ist nicht unwahrscheinlich, daß die Rück nahme der eigenmächtigen Verfügung begehrt wird. Der Protest wendet sich gegen die einseitige Modifikation eine» auf internationale Verträge basirten Zustandes. In sachlicher Beziehung gilt die An gelegenheit als diskutabel, aber es ist eine allseitige Einigung er forderlich. Zürich. Die geschloffenen Untersuchungsakten über die Anar chisten Kaufmann und Neve und einen neu verdächtigen Deutschen, NamenS Hauser, sind dem Bundesrath gesandt behufs Anwendung des Bundesstrafrechts. Allen dreien, sowie der Frau Stellmacher Gegen die Heilsarmee. Das Verbot der Versammlungen der sogenannten Heilsarmee im Kanton Bern, die Ausweisung mehrerer ihrer „Obersten" und „Offi ziere", sowie die Ruhestörungen, die unlängst in mehreren Bernerffchen Städten der Heilsarmee wegen entstanden waren, haben in den Krei sen der Heilsarmee in England großen Zorn erregt. Aber nicht nur die Salutisten jammern über den „Satan" in Bern; auch englische Kreise, die ihre Antipathie gegen die „Exerzitien" der Heilsarmee ausdrücklich betonen, haben gegen die schweizerischen Behörden Partei ergriffen, von einer Beeinträchtigung der Religionsfreiheit gesprochen und die englische Regierung zur Intervention aufgefordert. In diesem Sinne hat sich namentlich die „Times" geäußert. Von einer Beeinträchtigung der Religionsfreiheit und von einer religiösen Verfolgung kann jedoch keine Rede sein. Man thut gut, diese Vorwürfe gegen die schweizerischen Behörden zurückzuweisen, da auch noch andere Länder des Kontinents sich auf einen Besuch der Heilsarmee gefaßt machen können. Wiederholt hat der „General' Booth die Nothwendigkeit eines Besuchs, oder im Jargon der Heils arm« zu reden, eines „Feldzuges" in Deutschland betont» wo es noch so, viele Seelen aus den Klauen des Teufels zu erretten gelte. Die Bernerischen Behörden trifft freilich der Vorwurf, daß sie nicht voll ihre Schuldigkeit gethan haben, um die Exzesse gegen die Salutisten zu verhindern. Sie berufen sich allerdings darauf, daß die Bevölkerung durch das Gebühren der Heilsarmee maßlos gereizt worden sei In dem Beschlüsse des Berner Regierungsraths, der die Versammlungen der Salutisten untersagt, wird ausdrücklich des öffent lichen Aergernisses erwähnt welches das Auftreten der Salutisten er regt, wobei ihre marktschreierischen Ankündigungen, ihre publizistische Propaganda, ihre öffentlichen Aufzüge, ihr Tragen von Uniformen, dos geräuschvolle Wesen ihrer Andachtsübungen, ihre bis spät in die Nacht dauernden Versammlungen und ihre Geldsammlungen für fern liegende Zwecke hervorgehoben werden. Alles dies stehe im Wider spruche mit der religiösen Auffassung de» Berner Volkes und veran lasse Ruhestörungen, wohin die Heilsarmee komme, daher den Heb ungen der Heilsarmee nach den im Kanton Bern herrschenden Be griffen der Charakter einer gottesdienstlichen Handlung nicht zuge sprochen werden könne. Welle mau aber dies trotzdem lhun, so sei zu erwiedern, baß diese Hebungen sich nicht innerhalb der im Art. 82 der Bundesverfassung ausdrücklich erwähnten gesetzlichen Ordnung bewegen, sondern gerade im Gegentheil dieselbe oftmals stören. I» dem Eaiwurf der Verordnung war ferner gesagt, daß die ordentliche Polizeigewalt zur Verhinderung der Ruhestörungen nicht hingereicht hätte, der Staatsbehörde aber nicht zugemuthet werden könne, zum Schutze jener Sekte die Wehrkraft des Landes zu Hilfe zu rufen- Die-Stelle wurde bei der definitiven Beschlußfassung gestrichen; sie Würde allerdings die Berner Polizeigewalt nicht im besten Lichte haben erscheinen lassen. Indessen wird damit der Vorwurf, daß die Berner Polizei nicht ihre Schuldigkeit gethan, nicht widerlegt. Im Uebrigen aber ist der Berner Behörde durchaus beizupflichten, daß nach unfern kontinentalen Anschauungen den Exerzitien der Heilsarmee der Charakter von religiösen Uebungen nicht zuerkannt werden kann. Sie sind vielmehr ein grober Unfug, und müssen dem entsprechend von den Behörden behandelt werden; dieser Wahnwitz kann sich mit dem Mantel der Religion und des Christenthums besonders nicht decken. Schon die ganze militärische Gliederung der Salutisten, ihre öffenilichen Aufzüge, das Absingen von heiligen Liedern nach Tingel-Tangel-Melodien, das stundenlange „Hällelujah" und „Feuer"geschrei — natürlich, um den „Satan" mit seinen eigenen Waffen zu bekämpfen — das Eindringen in die Familienverhältniffe, um die Seelen zu retten, das Alles hat mit Religion und Christen thum nichts gemein. Und gerade da» Paradestück der Salutisten, die Vorführung Bekehrter in nächtlichen Versammlungen, hat für uns etwas Abstoßendes. Besucher der Versammlungen der Heilsarmee schildern das Auftreten dieser geretteten Sünder und Sünderinnen als wahrhaft widerlich und das weibliche Schamgefühl verletzend. Da beschreibt ein Trunkenbold in ekelerregender Detailmalerei sein früheres lasterhaftes Leben, eine Straßendirne in ebenso pikanter Ausführung ihre ehemals unmoralische Aufführung, und beide erzählen dann wonnetrunken die Geschichte ihrer „Rettung" und ihrer jetzigen Seligkeit. Man gewinnt da den Eindruck, daß die Schilderungen über die eigene Sündhaftigkeit nur allzuwahr find, aber man em pfängt nicht den Glauben von der Aufrichtigkeit der Besserung und der Rettung. Wer wirklich von seinen Lastern lasten will, der stellt sich nicht so in öffentliche Versammlungen hin, sondern geht in sein Kämmerlein. Nicht Alles, was sich den Namen einer religiösen Hebung bei legt, ist Religion, und die Religionsfreiheit, welche der moderne Staat hochhält, findet ihre Begrenzung durch die öffentliche Ordnung. W» die öffentliche Ordnung aufhvrt, hört auch die wahre Religion auf. Wir auf dem Kontinent werden uns niemals zu der Ansicht auf schwingen, daß marktschreierische Aufzüge und nächtliche Zotenmrlodien Andachtsübungen sind, und daß das Eindringen in Familienverhält- niffe, die Theilnahme des weiblichen Geschlechts an öffentlichen Ver sammlungen den „Teufel" austreibt. In England ist man in dieser Hinsicht allerdings an kräftigere Kost gewöhnt. Nur dort, im Lande der Gebetübungen und der lärmenden Religionsandachten, nur dort und in den Vereinigten Staaten kann man in den Exerzitien der Salutisten Religiosität erblicken. Der Unwille über da» Treiben der Sekte ist übrigens auch in England schon stark genug, wie dies der nachfolgende der „Münch. Allg. Ztg." aus London zugehende Bericht beweist: „Die ganze Südküste ist alarmirt — diesmal nicht, wie gegen das Ende der fünfziger Jahre, durch die Furcht vor einem franzö sischen Uebersall, sondem durch die Kämpfe des „Heeres der Selig macher" mit dem gegnerischen Aufgebote der „Todtengerippe". Schuß waffen sind dabei gebraucht worden. Man hat sich regelrechte Feuer werke und sonstige Spauzteufeleien zugeknallt. Verwundete liegen in Brighton und Worthing, zwei der besuchtesten Badeörter. Die Bürgerschaft in Worthing mußte als Hilfspolizeimannschaft einge schworen werden, verweigert aber zum Theil den Dienst. Jeder Tag kann neue blutige Austritte bringen. Das sind die neuesten Früchte von religiösen Narrheiten, an denen England leider nur allzu reich ist. Merkwürdigerweise hat sich sowohl die muckerische, als auch die ritualistische Propaganda gerade die schönen Seebäder an der Südküste zum Schauplatz ihrer Tätigkeit erkoren. Im Mai schwärmt es in dem eleganten lebenslustigen Brighton von Schwarz röcken, welche dort alljährlich ihre Versammlungen halten. Im Juli, August und September kann man pietistische Wanderapostel in dem meist 20,000 oder mehr Badegäste in sich fastenden, romantisch ge- - Ä /W M 'M . I