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Nr. 246. - 4. Jahrgang. Sovuabknd, 18. Oktober 1884. lMbotr. Unparteiisches Tageblatt für Chemnitz und Umgegend besonders für die Bororte: Altchenmih, Mendorf, BernSdors, Borna, Ebersdorf, Furth, Gablenz, Glösa, Helbersdorf, HilberSdorfMppel, Neustadt, Schöna». ^^.Sch»mch 3 Unterhaltungs-Blätter, LLVÄt Anzeiger.Bilderbuch. D < K, AbonnementSbestellungen, vterteljährl. 150 Pf. (Zutr. 40 Pf.), monatl. 50 Pf. (Zutr. IS Pf.), «ehmen «« die VerlagSexpedition und Ausgabestellen in Chemnitz und obigen Vororren. Außerhalb dieser Orte kann der Anzeiger nur bei den Postanstalteu — PostzeitungS-Liste 7. Nachtrag Nr. 10SS — bestellt werde«. In Oesterreich-Ungarn ist der Chemnitzer Anzeiger zum Abonnementspreise von vierteljährlich 1 Gulden 41 Kr., monatlich 47 Kr. (exkl. Agiozuschlag) durch die Postanstalten zu beziehen. JnferttonSpreiS: die schmal« (Ispaltige) KorpuSzetl« oder der«« Raum IS Pfennig». — — Unter Eingesandt pro Zell« 30 Pfennig«. — Ans groß« Annonce« und Wi^erholnngen Nabatt. — Annoncen-Annabm» für die nächst» Nummer bi» Mittag. — AnSgab« jeden Wochentag Nachmittag. Annoneenbestellulmen von auswärts wolle man den JnsertionSbetrag stet» beifügen (kleiner« Betrüg» in Briefmarken) je 8 Silben der gewöhnlichen Korpusschrift bilde» eine Zelle und kosten IS Pfennig». BerlagS-Expedition: Vlexauder Wiede, Buchdruckerei, Chemnitz, Theaterstraße 48 (ehemalige- Bezirksgericht, gegenüber dem Kasi«»). Es wird hiermit bekannt gemacht, daß von der Unterzeichneten Behörde Mittwoch den 22. Oktober von Nachmittag» '/,3 Uhr an in Limbach, im Gasthose zum Hirsch, wiederum ein Amtstag abgehalten »erden wird. Chemnitz, den >5. Oktober 1884. Die Königliche Amtshauptmannschaft. Schwedler. Auf dem die Aktiengesellschaft „Dampf- und Spinnerei-Maschinenfabrik" in Chemnitz betreffenden Folium 1530 des Handelsregisters für den Stadt bezirk de» Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute verlauibart, daß lt. des revidirten Sesellschaftsvertrags v«m 5. Juni 1863 das Grundkapital der ge nannten Aktiengesellschaft nur noch Zwei Millionen, Zweihundert und Zwanzig, tausend Mark beträgt und daß dasselbe in Siebentausend Bierhundert auf den Inhaber lautende Aktien zu je IM Thaler — 300 Mark zerlegt ist. I« Anschluß an die Bekanntmachung vom 25. Juni 1888 wird dies hiermit veröffentlicht. Chemnitz, am 16 Oktober 1884. Königliches Amtsgericht, Abtheilnng S. Nohr. Steckbrief. Gegen den unten beschriebenen Maurer Christian Friedrich PLßler ans LqngenchurSdorf, zuletzt in Oberfrohna, Welcher flüchtig ist, ist die Unter suchungshaft wegen Rückfallsdiebstahls re. vom hiesigen Königlichen Land gericht verhängt. ES wird ersucht, denselben zu verhaften und in die hiesige Gesänge» ansalt abzuliefern. Chemnitz, den 14. Oktober 1884. ^ Königliche Staatsanwaltschaft- Bachmann. Schtz. Beschreibung: Alter 45 Jabre, Größe: mittel, Statur: kräftig, Haarei blond. Stirn: hoch, Bart: rasirt, Augenbrauen: blond, Augen: blau. Ras« und Mund: gewöhnlich, Zähne: delekt, Kinn: oval, Gesichtsfarbe: gesund, ^ Kleidung: grauer Anzug, graue Mütze, blaue Schürze. -Ä Tageschronik. 18. Oktober. 1663. Prinz Eugen, „der edle Ritter", geb. 1680. Montecucculi gest. 1813. Napoleon bei Leipzig besiegt. 1817. Das Wartburg-Fest. 1818. Universität Bonn gegründet. 18S1. Der deutsche Kronprinz geb. I86l. Kaiser Wilhelm in Königsberg gekrönt als König von Preußen. 1870, 6bäts»näun erstürmt. Spaße hin, der nicht selten unangenehme Folgen hat. Ein großer Theil der Spektakulirenden nimmt seinen Platz auf den nächsten HauS- dächern ein, klascht mit kleinen Holzbretchen auf den Schiefer und verursacht mit souveräner Selbstgefälligkeit einen Höllenlärm, sobald die Gegenpartei das allerhöchste Mißfallen der Herrschaften erregt. Ein anderer Theil läßt als BeifallSbezeugungen bei gewissen Kraft stellen der Rede farbige Papierschnitzel fliegen, rothe für die Tories, blaue für die Whigs. Die zum Theil barfüßige Hoffnung Alt Eng lands geht mit den anvertrauten Schätzen, das heißt mit den Papier- schuitzeln, in verschwenderischen Maße um und meist fliegen die Parteifarben im Anfänge in solchen Masse», daß es aussieht, als fiele farbiger Schnee, während später, wenn das Kleingewehrfeuer der Kraftstellen sich in Artillerie-Donner verwandelt, häufig der papierne Eelegramme des Chemnitzer Anzeigers. . Bom 16. Oktober. Dresden. Die gestrige Eröffnungsfeier der Klotzsche-Königs' . ^ brücker Sekundärbahu ging programmgemäß und unter großem Jubel. Beifall der „lieben Kleinen" von oben fehlt, der Bevölkerung, den selbst der strömende Regen nicht zu dämpfen! Es begegnet auch Wohl ernem unbeliebte« Laudrdaten, daß der vermochte, von statten. Der Empfang in KönigSbrück war rin wahr- Unwille über ihn und seine politische Meinung sich in handgreiflicher Haft festlicher, die Rückfahrt durch die überall illumiuirten Ortschaften Weise Luft macht. Dann beginnt ein Bombardement mit faulen von hohem Reiz. Unter den Theilnehmern befanden sich u. A. Herr Aepfeln und rrechenden Eiern, mit Erdflöhen und Wurfgeschossen KreiShauptmanu von Salza, sowie Vertreter des König!. Finanz- Ähnlicher primitiver Art, selbst tobt« »atzen und Kaninchen fehlen Ministeriums und der König!. General-Direktor der Staatsbahnen. Danzig. In dem znr Zeit auf der Kopenhagener Rhede liegenden Danziger Dampfschiff „Emma" ereignete sich vorgestern eine Explosion in den Kohlenräumen, indem ein Matrose von der Besatzung des Schiffes mit einem brennenden Licht in der Hand dort eintrat. Der Matt ose wurde am ganzen Körper stark verbrannt und mußte sofort nach dem Hospital gebracht werden, während das Schiff ganz unversehrt blieb. Osnabrück. 500 Bergleute des städtischen Kohlenbergwerks Piesberg haben wegen Abänderung der Arbeitszeit ihre Arbeit ein gestellt. Braunschweig. Nachrichten au» Sybillenort über das Be finden des Herzogs kaffen das Allerschlimmste befürchten. nicht. Lächelt jedoch dem Kandidaten die Sonne der VolkSgunst, so erzittert die Lust von dem Beifallsgeschrei der Wähler, Hüte und Mützen werden geschwenkt und bei jedem packenden Schlagworte er tönt wüthender Applaus. Der Glückliche wird mit Hurrahrufe« förmlich erstickt, und je öfter er dankt, desto lauter erhebt sich das beifällige Gebrüll. Es geschah, daß auf einem Londoner Fischmarkte zwei Kandi- baten der konservativen Partei mit Freundesgeleit erschienen, um sich den „Fischweibern" gefällig zu machen; diese bildeten einen Zug, trugen statt der Fahnen lebende Fische mit den Schwänzen nach oven, bekränzten die Herren Kandidaten mit Austcm und anderen See- gethier, und manche der kühnen Damen ließ sich in ihrem Enthusias mus sogar so weit herab, die Herren um einen Kuß zu ersuchen. Pest Unterhaus. In der Adreßdebatte begrüßte Tisza freudig Jeder Kuß wurde vom ganzen Markte mit donnerndem Beifall auf. das innige Lerhältniß Oesterreich-Ungarns zu Deutschland, dessen Zweck die Wahrung des Friedens «nd die Aufrechterhaltung guter Beziehungen mit den Nachbarstaaten, zunächst mit Rußland, sei. Das Wesen de» Verhältnisses Oesterreich-UngarnS zu Deutschland bestehe darin, den äußeren Gefahren gegenüber zusammenzustehen. Beide Mächte seien bestrebt, ihr Verhältniß zu einem in jeder Be ziehung beruhigenden in loyaler und vertrauensvoller Weise zu ge stalten. Dies habe von Seilen des Kaisers von Rußland das größte Entgegenkommen gefunden und sei durch die Entrevue von Skierni- wicze bekräftigt worden. Neapel. Vom -4. d. M. Nachmittags 4 Uhr bis zum 15. d. M. zur gleichen Zeit sind 76 Personen an der Cholera erkrankt nnd 36 Personen gestorben. Petersburg. Das Ministerium der Volksaufkliirung macht bekannt, daß die von dem „Kiewljalin" mitgetheilte theilweise Zu lassung der Kiewschcn Studenten zu anderen Universitäten durch die jüngst in dem „Regierungsanzeiger" in Betreff der Kiewschen Uni versität veröffentlichte Verfügung als annullirt anzusehen sei. Liverpool Bei der Ankunft des gestern Abend aus Phila delphia eingetroffenen Dampfers „Lord Clive" wurde von der Polizei «in ungarischer Paffagier verhaftet, welcher IV- Pfund Dynamit im Gepäck mitführte. (Weitere Telegramme siehe dritte Seite) Englische Parlaments Kandidaten. Nach und nach bemächtigt sich unseres Landes das Wahlfieber. Bei solcher Disposition dürfte es wohl Interesse finden, wenn wir Einiges über englische ParlamentSkandidaten uni Wohlvorgänge er zählen. DaS Bewerben um einen Sitz im englischen Parlament ist keine so leichte Sache, wie man glaubt. Ein englischer Parlaments kandidat muß in manchen sauren Apfel beißen, nicht nur bei den Vorbereitungen, sondern namentlich während der beiden Wahltage, von welchen der erste den Formalitäten gewidmet ist, der zweite die Ent scheidung, die Niederlage oder den, Sieg in seinem Gefolge hat. Für den ersten Tag der Wahl wird vor dem Stadlhause oder auf einem Platze des Wahlortes eine Tribüne gebaut, auf welche sich gegen 10 Uhr früh der die Wahlen leitende Magistrat und die Kandidaten mit ihren ausgewählten Parteifreunden begeben. Hier hält jeder Kandidat seine Rede und legt seinen politischen Standpunkt dar. Das Volk interpellirt, und immer erfolgt die höflichste Antwort, denn die Stimme des ärmsten, zerlumptesten Weibes wiegt ebenso schwer in der verhängnißvollen Wahlurne, wie die des Reichen und Vornehmen. Die von den Kandidaten gehaltenen Reden werden zumeist nur von den Zunächststehenden vernommen. Was hinter diesen haust — stehend, liegend auf Bäumen uud Dächern oder auf den Schultern guter Freunde reitend — belustigt sich während der langweiligen Reden ans eigene Faust und ergeht sich in allerhand Späßen und einem ohrevzerreißenden Lärm. Der englische Wahltag ist namentlich ei« Festtag für den „süßen" Pöbel. Man brüllt, pfeift, grunzt, bellt, miaut ganz nach Belieben «nd giebt sich noch manchem anderen genommen. Wie den hvchadeligen Kandidaten dabei zu Muthe war, wird man sehr leicht erralheu können Wie lange vorher sind die politischen Freunde der Kandidaten auch am ersten Wahltage noch eifrig bemüht, Stimmen zu werben, und man verschmäht dabei kein Mittel, um seinen Zweck zu erreichen. Ein weites Feld für mehr oder minder geistreiche Manipulationen bietet das Gebiet des Familienlebens. Frauen erhalten Geschenke, um ihre Männer zu Gunsten dieses oder jenes Kandidaten zu beein flussen; die ältesten Junggesellen werden plötzlich die eifrigsten Kinderfreunde, um dadurch das Herz des glücklichen Vaters, das heißt des Wählers, zu rühren, und finden es im höchsten Grade liebenswürdig, wenn ihr neuer Hut zertreten und ihr kostbares Bein kleid von einem vorwitzigen Bengel, der noch etwa» klein ist, als willkommenes Taschentuch benutzt wird. Sie wiegen den elterlichen Segen auf den Armen und preisen Vater und Mutter glücklich, denen ihre Sprößlinge wie aus den Augen geschnitten seien. Ach, und wie oft sind alle diese Anstrengungen vergeblich, und der hoffnungsvolle Kandidat fällt am zweiten Tage glanzvoll durch. Dann hat aber auch der Geldbeutel eine empfindliche Schlappe er litten; denn in einem Bezirk, wo um einen Parlamentssitz gestritten wird, sind die Ausgaben der Kandidaten fast unglaublich hoch. Man hält cs für billig, wenn ein Mann für seine Wahl nicht «ehr als etwa 2500 Pfund Sterling (50000 Mark) zu bezahlen hat. Und das sind die sogenannten legalen Ausgaben. Man vergesse dabei nicht, daß auch von jedem der Gegenkandidaten eine gleiche Summe aufgewendet wird. Und dies Alles für die Ehre, sieben Jahre lang m. p. (wcmbor vt' psrliswent — Parlamentsmitglied) auf die Visitenkarte schreiben zu dürfen. — Was wohl bei uns durchschnittlich eine Wahl kosten mag? Politisch- Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser hat, wie mehrere Blätter mittheilen, über die Kongofrag« einen Brief an den König von Portugal, der u. a. auch den Titel „seigneur äs In Ouinä«" führte, gerichtet. Der ehemalige portugiesische Ministerde Serpa Pimentel, der nach längerem Aufenthalte in Berlin vor wenigen Tagen nach Portugal zurückgekehrt ist, hatte dem Vernehmen nach einen Brief seines Königs Dom Luis an den Kaiser überbracht; die Antwort des Letzteren darauf dürfte derselbe auch wieder nach Lissabon überbracht haben. Der Inhalt des kaiserlichen Schreibens ist nicht bekannt ge worden. — Am 12. Oktober fand zu Louisenlund die Verlobung der Prinzessin Auguste, ältesten Tochter des Herzogs Friedrich zu Schles- Wig-Holftein-Eonderburg-Blücksburg mit Er. Hoheit dem Prinzen Wilhelm von Hessen-Philippsthal-Barchfeld, kgl. preuß. Kontreadmiral it I» »uite, statt. — Dem „B. T." Wird' gemeldet, daß di« deutsche Kriegs korvette „Leipzig" am 5 September in Porto Seguro unter Einwilligung des Häuptlings Meusah die deutsche Flagge auf hißte, dieses Gebiet also unter deutschen Schntz nahm. Porto Seguro befindet sich an jenem Küstenstrich WefiasrikaS, welcher den Namen „die Sklaveuküste" trägt und da» Eingangsthor zu dem sage» umgürteten, unheimlichen Königreich Dahomey bildet. Porto Seguro liegt zwischen den jüngsten deutschen Erwerbungen in Bageida und bei Little Popo. Durch den Akt der Korvette „Leipzig" ist die Ver bindung zwischen dem bisher zersplitterten deutschen Besitz dort herge- stellt, so daß derselbe fortan ein geschloffenes Ganze bildet. — Der deutsch-griechische Handelsvertrag, welcher insbesondere den bedeutendsten Export-Industrien Deutschland» nam hafte Vortheile sichert, wird, nach der „N ReichS-Korr.", demnächst dem Buudesrathe zur Berathung und Beschlußfassung vorgelegt werden. — Der deutsche vrauerbund hatte zuerst den Antrag auf Errichtung einer Reichs Berufsgenossenschaft beim ReichS-Ber- sicherUngS-Amte gestellt. Später machten sich in Berlin Sonderbe strebungen in dieser Hinsicht geltend, und da man rinsah, daß die Brauereien in Berlin nickt eine genügende Arbeiterzahl repräsentire«, um den Anspruch auf eme selbständige Genoffenschaft zu haben, so machte man den Versuch, die norddeutsche Steuergememschast von der süddeutschen zu sondern und zwei Genossenschaft«« herzustell«». Alle diese Pläne find in neuerer Zeit jedoch wieder aufgegeben worden und man hält an dem Plane fest, die sämmtlichen Brauereien in Deutschland zu einer Reichsunfallgenoffenschaft zu vereinigen. — In den von den Abgeordneten vr. Philipps und Lenzman« herausgegebenen „Demokratischen Blättern" werden unter dem Titel: „Ein Jahr aus der Geschichte der christlich-sozialen Partei" „Enthüllungen" des bekannten Schneiders Grüneberg herauS- gezeben, welcher seiner Zeit wegen Betmgs verurtheilt worden ist, nachdem ihn seine Partei hatte fallen lasten müssen. In denselben versichert Grüneberg, daß nicht nur Hödel, sondern auch Nobiliug Mitglied der christlich sozialen Partei in Berlin gewesen sei, wobei er jedoch nicht zu behaupten wagt, daß die Leiter der Partei vo« der betreffenden Thatsache Kcnntniß gehabt hätten. Es heißt in dem betreffenden Kapitel: „Acht Tage vor dem ersten Attentat ans den Kaiser kam ein ziemlich anständig gekleideter junger Mann mit einem Brief vom Verleger und Redak teur des „Staats-Sozialisten", Gollembeck, zu mir. In dem Schreiben wurde ich aufgesordert, mich des UeberbringerS »nzunehmcn, da derselbe ftlr unsere Sache thätig sein solle. Es war mir bekannt, daß Gollembeck solche Empfehlungen nicht gab, ohne vorher mit Stöcker Rücksprache genommen zu haben. So fügte ich mich denn unbedenklich und beschäftigte den jungen Mann, «eil ich augenblicklich eine andere Verwendung für ihn nicht hatte, mit der Verbreitung von Flugblättern. Mit wirklichem Eifer unterzog er sich vier bis fünf Tage hindurch der Arbeit, ließ sich dann aber nicht mehr blicken, erschien jedoch in derselben Woche in der Freitags-Versammlung in Mengers Salon in der Frankfurter Straße. Eine vollständige Veränderung seines Acußcrn sprang in die Augen, obwohl doch nur wenige Tage verflossen waren, seit wir uns zuletzt gesehen. So völlig reduzirt sah er aus, daß ihm sogar der Eintritt in unsere Versammlung erschwert wurde. Dann aber wurde ihm ein Platz angewiesen, und man ließ ihm Bier kommen, damit er sich stärken solle, was ihm auch gelang. Als ich Tags darauf die Linden passirte, fand ich Menschenmassen angesammelt und erfuhr, daß soeben auf den Kaiser geschossen sei. Aus meine Frage nach dem Attentäter sagte man mir, daß es ein Klempner aus Sachsen von magerer Statur sei. Sofort kam ich aus den Gedanken, ob es nicht Hödel gewesen sein möchte. Eilig sprang ich in «ine Droschke und fuhr nach meinem Bureau, wo ich be reits die Kriminalpolizei vorfand, welche sich eingestellt hatte, um mich zum Verhör vor den Untersuchungsrichter zu führen. Dort wurde ich mehrere Male verhört und stark angegangen, daß ich Mittheilungen über die anar chistische Partei machen sollte. Obwohl ich zehn Jahre der sozialdemokratischen Partei gedient hatte, vermochte ich doch keine andere Auskunft zu geben, als daß ich durch Gollembeck und Stöcker zu diesem Menschen gekommen sei. Herr Stöcker «ar natürlich sehr entrüstet über diese Mitgliedschaft, ließ de» Namen sofort streichen und mahnte zur Vorsicht bei der Ausnahme. Wie aber hätte ich Vorsicht üben sollen? War doch Herr Stöcker umgeben von einer Schaar schiffbrüchiger Existenzen und zweifelhafter Größen aller Art. Solche Leute erschienen dann bei mir und verlangten im Namen Stöcker» Ausnahme in die Partei. So ging eS auch mit Nobiling. Nobiling war ebenfalls Mitglied der christlich-sozialen Partei und die christlich-soziale Partei kann nur Gott danken, daß die Mitgliedskarte nicht, wie bei Hödel, so auch bei Nobiling gefunden worden ist. Ich habe diesen Mann nur einmal ge sehen, als er mich um Ausnahme bat, indem er mir versicherte, schon vorher mit Herrn Hosprediger Stöcker Rücksprache genommen zu haben. So trug ich ihn in die Mitgliederliste ein und habe von ihm nicht eher wieder etwas gehört, als an dem Tage des Attentats. Damals vernichtete ich sofort die alte Mitgliederliste und fertigte eine neue unter Weglassung des Namen» Nobiling an. Jndeß war die Vorsicht überflüssig; denn die Polizei nahm in diesem Falle Abstand davon, bei uns zu recherchiren." — Selbstverständlich lasten wir eS dahingestellt sein, ob die Mlt« theilungen des Herrn Grüneberg überall streng oder überhaupt nur der Wahrheit entsprechen. Oesterreich-Ungarn. Aus Plag wird gemeldet, daß der Antrag deS Abg. Herbst, betreffend die Abgrenzung der sprachlich gemischten Bezirke in Böhmen, im Landtage mit 141 Stimmen gegen 06 Stimmen abgelchnt worden sei, da man dafürhielt, daß durch Annahme des Herbst'schen Anträge» Entzweiung und Beunruhigung in die böhmische Bevölkerung getragen werden. - In Anwesenheit des Kaisers Franz Josef erfolgt Sonn- tag den 19 in Pest die feierliche Schlußsteinlegung de« großen Elisabeth-SpitalS, welches von dem Zentralkomitee vom Rothen Kreuz für die Länder der Krone Ungarns erbaut worden ist, und für das die deutsche Kaiserin durch Stiftung eine» permanenten Freibette» ihre lebhaftesten Synrpathieeu z« erkennen gegeben hat. Da» Deutsche > ..'-AA ' 1