Volltext Seite (XML)
Ikettag, Rl. 11. 7. Jeßruar 1873. Sächsische DorßektmA Anstalten. Dresden, in der Expedi- son,N.Mtißn. Preis: vierteljührlich 15 Rgr. Au beziehen durch 4 -llr l-is. Post- Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Erscheint jeden Dienstag und Freitag früh. Inseratenpreis: Für dm Raum einer gespaltene« Zeile lj Ngr. Unter „Eingesandt" s Ngr. — —- Verantwortlicher Redakteur und Verleger: Aerrms«« Müller in Dre-deu. PoNttsche Weltfcha«. Deutsches Reich. Der lange erwartete, schon oft an gekündigte und seitens des Reichskanzlers dem Bundesrathe überreichte Entwurf einer deutschen Strafprozeßord nung liegt nunmehr auch gedruckt vor und giebt ein rühmliches Zeugniß für die unbefangene wissenschaftliche Auffassung, mit welcher man im preußischen Justizministerium an diese für Ge- sammtdeutschland so ungemein nothwendige Gesetzgebung heran getreten ist. Der Entwurf der Strasprozeßordnung lehnt sich nicht, wie seiner Zeit der für das Strafgesetzbuch, an eins der in Deutschland, bestehenden Gesetzbücher, insbesondere auch nicht an daS preußische Recht an, da die Buntscheckigkeit auf diesem Gebiete — Preußen selbst entbehrt darin einer Einheit — zu groß war, um daraus ein vernünftiges Ganze zu bilden. Bei Ausarbeitung deS neuen Entwurfs, ist man natürlich von der Ueberzeugung ausgegangen, daß eine solche auch eine gemeinsame Gerichtsverfassung voraussetze und diese noch vor Einführung der ersteren festgestellt sein müsse. Als bemerkenswerthe Neuerungen gegen daö bestehende Recht, welche der Entwurf enthält, heben wir hervor: 1) di^ Strafurtheile werden in erster Instanz nicht mehr von rechtsgelehrten Richtern allein, sondern überall unter Mitwirkung von Laien gefällt; 2) die erkennende Gerichte erster Instanz sind Schöffengerichte. Sie zerfallen in die großen, mitt leren und kleinen Schöffengerichte.; 3) die großen Schöffenge richte treten an die Stelle der seitherigen Geschworenengerichte; 4) die Schöffen üben in gleichberechtigter Stellung mit den rechtsgelehrten Richtern das Richteramt in seinem vollen Um fange auS; 4) gegen die Urtheile der Schöffengerichte findet keine Apellation statt; 6) dem durch eine strafbare Handlung Ver letzten ist bei allen strafbaren Handlungen, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, oder bei denen der Strafrichter auf eine Buße erkennen darf, daS Recht der subsidiären Privatan klage gewährt; 7) in gleichem Umfange steht dem Verletzten das Recht zu, sich der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Anklage behufs Betriebes der Strafverfolgung als Nebenkläger anzu- schließen; 8) der Strafrichter kann auf Antrag des Verletzten über die vermögenSrechtlichen Ansprüche, welche dem letzteren auS der strafbaren Handlung erwachsen sind, entscheiden; 9) der Beschuldigte kann sich schon im Vorverfahren deS Beistandes eine-VertheidigerS bedienen; 10) der Beschuldigte und seinBer- theidiger find befugt, den Beweiserhebungen in der Vorunter suchung beizuwohnen; 11) die Abwendung der Untersuchungs haft durch Sicherheitsbestellung ist in ausgedehntem Umfange zugelaffen; 12) ein Kontumazialverfahren gegen einen in der Hauptverhandlung auSgebliebenen Angeklagten findet außer bei strafbaren Handlungen geringfügiger Art nicht statt; 13) Gegen Flüchtige oder abwesende Beschuldigte findet eine Hauptverhand lung und Urtheilsfällung nicht statt; 14) der Angeklagte ist be- fu^t, zur Hauptverhandlung Zeugen und Sachverständige un- mrttelbar laden zu lassen; 15) In der Hauptverhandlung haben die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte überall das gleiche Recht zur Mitwirkung bei der Beweisaufnahme; 16) die Be eidigung der Zeugen erfolgt erst in der Hauptverhandlung. Der Eid wird promissorisch geleistet; 17) bei der Urtheilsfällung ist Omrsunddreistigster Jahrgang, I. Quartal. zum Ausspruch deS Schuldig überall eine Mehrheit von zwei Dritttheilen der Stimmenden erforderlich; 18) die Strafvoll streckung geschieht durch die Staatsanwaltschaft. — Ueber den dem Bundesrathe vom Reichskanzler vorgelegten aus 5 Artikeln bestehenden Gesetzentwurf, betreffend die Umgestaltung der deutschen Festungen außer denen in Elsaß - Lothringen, wird heute bekannt, daßderselbe aus der Kriegsentschädigung^ Mill, beanspruche und die ihm beigegebenen Motive aus den Er fahrungen des letzten Kriegs und den Ergebnissen der Berathun- gen der LandesvertheidigungS-Kommission hervorgegangen seien. Es wird darauf hingewiesen, daß dieser Geldbedarf von 68 Millio nen Thalern schnell bewilligt werden muß und daß dazu in dem Reichsgesetz vom 8. Juli v. I. ein Bettag von 1z Milliarden Franken (400 Millionen Thaler) disponibel ist. Gesagt wird daneben, daß es nicht die Absicht sei, eine Einebnung der ein gehenden Festungswerke im großen Umfange und mit erheblichen Kosten vorzunehmen, sondern zunächst nur an einzelnen Stellen in Verbindung einer Umgestaltung der Lhorpaffagen eine wirk liche Offenlegung vorgenommen und daS Weitere den Städten überlassen werden solle. Der Reichskanzler hat übrigens schon unterm 1. Febr. d. I. die Bekanntmachung erlassen, welche sich auf die Erweiterung der Festungsanlagen von Köln, Koblenz, Mainz, Ulm, Spandau, Küstrin, Posen, Thorn, Königsberg, Swinemünde, FriedrichSort und Sonderburg-Düppel beziehen. Ein anderer Antrag des Reichskanzlers an den Bundesrath geht auf Gewährung einer Pauschsumme von 520,000 Lhlrn. an die Verwaltungen der im Reiche belegenen Staats- und Privat- Eisenbahnen als vergleichsweise Abfindung für die von ihnen für die regulativwidrige Benutzung und Beförderung ihrer Wagen zu Kriegszwecken innerhalb Deutschlands vom 20. Juli 1870 bis 1. Mai. 1871 erhobenen Entschädigungsansprüche, sowie auf Entschädigung an die fremdländischen Vereinsverwattungen für dieselben Leistungen in demselben Zeitraum nach Maßgabe der beantragten Miethssätze und gemäß einer Prüfung ihrer Liqui dationen. — Außerdem liegt daS neue Reichs-Militärgesetz dem Reichskanzleramt zur Begutachtung vor, während der Ent wurf des definitiven Münzgesetzes in den nächsten Lagen dem Bundesrathe zugestellt werden soll. Auf daö erstere werden wir in der nächsten Nummer zurückkommen. OeMerreichifch s Ungarische Monarchie. End lich ist durch einen unter Mitwirkung der Regierungen beider Reichshälften vollzogenen Akt der Krone daS Lügengewebe zer rissen, welches in Folge von vernunfts- und geschichtswidrigen Ansprüchen Ungarns und Kroatiens um daS staatsrechtliche Ler- hältniß Dalmatiens gesponnen war. - Die im Abendblatte der „N. fr. Pr.^ erwähnte, vom Kaiser genehmigte Erhebung der griechisch - orientalischen Bisthümer in der Bukowina und in Dalmatien zu einer selbstständigen, der serbischen und der ru mänischen koordinirten Metropole, die Einordnung der griechisch- orientalischeü Kirche Dalmatiens, welche bisher dem serbischen, also einem ungarischen Metropoliten unterstand, in das neugc- schaffene ciSleitanische nichtunirte ErzbiSthum: diese Uebertragung des Dualismus auf die kirchliche Organisation kann nicht ohne ' unbedingte Zustimmung des ungarischen Ministeriums erfolgt 10