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Ireitag, Rr. 72 13. September 1872. Nenstadt- Dresden, in der Expedi tion, kl. Meißn. Tasse Nr. 3, zu haben. Sächsische DorsMmg Vreist vierteljährlich 15 Ngr. Zu beziehen durch alle kais. Post- Austalten. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Erscheint jeden Dienstag und Freitag früh. Inseratenpreis: Für dm Raum einer gespaltenm Aelle 14 Ngr. Unter „Eingesandt" 3 Ngr. Verantwortlicher Redatteur und Verleger: Herrmann WÜKer iu Dresden. Politische Weltschau. Deutsches Reich. Ueber die am Sonntag Vormittag im kaiserlichen Palais abgehaltene Konferenz der drei Kaiser, an welcher auch die Reichskanzler Andrassy, Fürst Gortschakoff und Fürst Bismarck theilnahmen, fehlen freilich bestimmte Nach richten. Als Hauptpunkt der Besprechungen wird mit ziemlicher Bestimmtheit die Ausarbeitung eines Cirkularschreibens an die übrigen Großmächte bezeichnet, in welchem diese von den fried lichen Intentionen der in Berlin zusammengetretenen Mächte in Kenntniß gesetzt werden sollen. Ob noch andere Punkte berührt worden sind, darüber schweigt des Sängers Höflichkeit, obgleich die „N. Fr. Pr." wissen will, daß auch die Lage der arbeitenden Klasse, die wachsende Macht der Londoner Internationale und die Besorgnisse, welche eine etwaige Ausdehnung der Propaganda dieser Arbeitergesellschaft auf die ländliche Bevölkerung Hervor rufen muß, mit zur Erörterung gelangt sind. Das Wiener Blatt sagt: „Seit den Tagen der Gasteiner und Salzburger Zusammenkunft im vergangenen Jahre hätte sich namentlich die österreichische Diplomatie mit dieser Angelegenheit, allerdings auf Anregung Bismarcks und im steten Verkehre mit demselben, eifrig befaßt. Eine hierüber ausgearbeitete Denkschrift scheine bestimmt zu sein, in Berlin auszugsweise zur Mittheilung zu gelangen, um darzuthun, daß in Oesterreich-Ungarn die bestehen den Gesetze genügen, um bei nachdrücklicher Anwendung die untergrabenden Tendenzen der „Internationale" und namentlich die Anwerbung neuer Mitglieder erfolgreich zu bekämpfen. Sollte indeß — dies dürsten die leitenden Gesichtspunkte sein — in dieser Richtung ohne Schaffung von Spezialgesetzen vorgegangen werden, so müßte sich ein gemeinsames Handeln der zunächst betheiligten Großstaaten auf gleicher Grundlage Herstellen lassen, da schon den Mächten die Pflicht der Selbsterhaltung gebiete, gemeinsam gegen den gemeinsamen Feind in Reih' und Glied zu treten. Nach dieser Richtung darf man von der Drei-Kaiser- Begegnung zunächst realgreifbare Ergebnisse erwarten." Lassen wir diese Annahme dahingestellt, so ist unter allen Umständen als direktes und positives Resultat die Freundschaft zwischen Deutschland, Oesterreich und Rußland einerseits und zwischen Oesterreich und Rußland andererseits zu verzeichnen, ein wechsel wirkendes Verhältniß, welches immerhin einiges Vertrauen in die Ergebnisse der Konferenz zuläßt. Das französische „Journal des Debats', ängstigt sich zwar bereits wegen der etwaigen Ab machungen auf dem Monarchen-Kongreß; es glaubt zwar, daß das Gerücht, Fürst Bismarck wolle Rußland und Oesterreich Snpulationen wegen gegenseitiger Garantirung aller ihrer Be sitzungen Vorschlägen, nicht ernsthaft zu nehmen sei; die Furcht aber, daß auf diese Weise auch der Besitz von Elsaß-Lothringen verbürgt werde, kann das genannte Blatt dennoch nicht ganz bemeistern und es tröstet sich mit dem Gedanken, der Kaiser von Rußland könne doch unmöglich aus Liebe zu seinem Onkel so weit gehen, daß er Rußland eine solche Garantie aufbürde. Am Nachmittage des 8. d. M. begaben sich die kaiserlichen Herrschaften pr. Ertrazug nach der Wildparkstation bei Potsdam und von hier zunächst nach dem neuen Palais. Kaiser Wilhelm fuhr mit dem Kaiser von Oesterreich, während die Kaiserin in Vierunddreißigster Jahrgang. IU. (Quartal. demselben Wagen mit dem Kaiser von Rußland Platz genommen hatte. Die Rundfahrt berührte alsdann den Orangerie-Palast, Schloß Sanssouci, die neuen Anlagen, den neuen Garten, das Marmorpalais. Bei Sanssouci war ein Wechsel der Wagen eingetreten, indem von dort aus Kaiser Wilhelm an der Seite des Kaisers Alexander Platz nahm, während die Kaiserin in demselben Wagen mit dem Kaiser von Oesterreich die Fahrt fortsetzte. Auf Schloß Babelsberg wurde das Diner, und der Thee AbendS beim Kronprinzen im neuen Palais eingenommen. Ueber die Illumi nation des Parkes am kronprinzlichen Palais bringen Berliner Blät ter höchst eingehende Schilderungen, denen wir noch Folgendes ent lehnen: Der Kaiser von Rußland war wie festgebannt beim Anblick des Feengartens, der sich seinen Blicken eröffnete, und auch Kaiser Franz Josevh, dem solche Veranstaltungen gerade nichts Seltenes sind, konnte nicht umhin, seiner Verwunderung über diesen Ge schmack des Arrangements, über diesen Reichthum der Ausführung wiederholt Ausdruck zu geben. Der große, halbrunde Gartenplatz und die von demselben ausgehenden Alleen bildeten ein einziges, großes, in allen möglichen Farben und Formen schillerndes Feuermeer. Die prachtvollen architektonischen Lmien der Beete und ihrer Unterabtheilungen waren dicht mit weißen Lämpchen besetzt, von den Bäumen herab zogen sich in den mannigfaltigsten Formen bunte Feuerschnüre zur Erde, um sich dort mit dem flammenden Cenirum der Beete zu neuen Feuerkombinanonen zu verbinden. Die beiden großen Beete, durch den breiten Mittelgang von einander geschieden, waren mit mächtigen Kan delabern besetzt, deren Stamm in weißem Lichte strahlte, während die Kuppel aus großen bunten Glasglocken zu den elegantesten Formen sich wölbte. Im Centrum der Beete erhob sich je eine feurige Säulenhalle, in den effektreichsten Farbenverbindungen und rechts nnd links davon streckte ein Palmenbaum mit rothem Stamme und helllodernder Krone seine smaragdgrünen Blätter weit aus. Die hohen Bäume, welche den Platz umsäumen, hatte man nicht nur bis hoch hinauf am Stamm, sondern selbst bis in den Wipfel und in die äußersten Zweige mit bunten Lampen besteckt und von dort gingen lange Lampenschnüre, von Kreuzen, Sternen, Kränzen, rc. unterbrochen, zu den weiter rückwärts liegenden Bosquets, die mit bunten Ballons vollständig verkleidet waren. Die in den Park führenden Hauptwege trugen weit hinein bunte Feuerbogen. Den Konzentrationspunkt all dieser Pracht und Herrlichkeit bildeten zwei eigens für diesen Zweck erbaute Fontainen im großen Mittelwege, die abwechselnd eine Feuer- und eine magisch beleuchtete Wassergarbe 50 Fuß hoch emporschleuderten. Die Marmorstatuen an der Peripherie des Gartenplatzes erglühten in stets wechselndem bengalischen Feuer; von fernher ließ sich die wunderbar schön erleuchtete Fontaine von Sanssouci erblicken und hindurch schimmerte bald rothes, bald blaues, bald grünes Licht, welches das Laub der Bäume magisch färbte und höchst eigenthümliche Reflexe auf den klaren Nachthimmel warf. Die Hauptfront des Palais war mit prachtvoll bemalten Riesenballons besteckt und wurde von Zeit zu Zeit bengalisch erleuchtet; vor derselben postirte sich die Kapelle des 1. Garde-Regiments, welche nächst der österreichischen und russischen Nationalhymne allerlei lustige Weisen aufspielte. Im Ganzen strahlte der Park in einem Feuermeere von über 72