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kxped. u. Redaktion rresdeu-Neustadt 5. Meitzner Gasse 4. Die Zeitung erscheint rieustaq, ranucrstaa und Lannadend früh. Alwimemcuts- PretS: vierteljährl. M. 1,80. Zu beziehen durch di« kaiserlichen Post- «nstaltkn und durch unsere Boten. Lei freier Lieferung ins Hau« erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Pf. LMe VochtilitG Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und (andmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschasten DreSden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Müller in Dresden. Inserate werden btS Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: diel spalt. Zeile 20 Pf. Unter Eingesandt: 40 Pf. Inserate»- klnnahmeftelcn: Invalidendank, Haasenstein L Bögler, Rudolf Mosfe, G. L. Daube L Co. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., G. Kohl, Kesselsdor', Hugo Müchler, Kotzschenbroda u. s. w. Mr. 137. Dienstag, den 2V. Movemöer 1900. 62. Jahrgang. Zufolge der gesetzlich augeordueteu Be schränkung des DruckereibetrtebeS an Sonn- und Feiertagen kann Nummer 138 der „Sächsische« Dorfzeit«ng" erst Donnerstag, den 22. 9tov., mittags erscheinen. Die BerlagS» Expedition. Politische Weltschau. Deutsches Reich. Das telegraphisch ge meldete Attentat auf den Kaiser in GreSlau stellt sich als die That einer geistig gestörten 41 Jahre alten Frau ohne jede politische Bedeutung heraus, j Die Attentäterin, die sofort verhaftet wurde, heißt ! SUma Schnapko; sie stand in einer der vordersten Reihen des Publikums und zwar auf der Seite des Wagens, auf welcher der Erbprinz von Meiningen mben dem Kaiser saß. Als der Wagen vornberfuhr, schleuderte sie das kurze Beil, das sie unter ihrem Tuche verborgen gehalten hatte, nach dem Wagen, ohne glücklicher Weise den geringsten Schaden anzu richten. Wir haben e-, wie bemerkt, mit der Ver- zweiflungSthat einer armen, vom BerfolgungSwahnfinn gequälten Geisteskranken zu thun und man athmet auf in dem Gedanken, daß diesmal nicht Haß und Ver blendung ein verirrtes Geschöpf zu einem furchtbaren Verbrechen getrieben baden. Trotzdem waren natürlich bei der Abreise des Kaisers alle Vorsichtkmaaßregeln getroffen. Unmittelbar, nachdem der Vorfall bekannt geworden war, wurde die gesammte Breslauer Garnison alarmtrt, die den ganzen Weg, den der Kaiser bei seiner Rückkehr von der Kaserne zu passiren hatte, durch Spalierbildung absperrte. Am Abend traf der Kaiser in Groß-Strrhlitz ein und hier war bereit- von einer Absperrung nichts mehr zu bemerken. AuS der Denkschrift, betreffenddie China-Expe dition, sind eine Reihe von Einzelheiten über die Aus rüstung der deutschen Truppen von großem Interesse. So erforderte die Beschaffung der benölhigten 5579 Pferde die Summe von 13,457,887 M. Die Thiere in der heißen Jahreszeit auS Deutschland durch das Rothe Meer und die Tropen nach China zu befördern, war un- thunlich und in China selbst durfte man auf die Be schaffung tauglichen Materials nicht rechnen. Da Südamerika nicht leistungsfähig war und der Trans ¬ port von da während der Zett der Taifune fichere Verluste in Aussicht stellte, konnten nur Australien und Nordamerika in Betracht kommen. Gutes, kriegS- brauchbareS Material ist in diesen Ländern an und für sich tbeuer; dazu kam noch, daß die Charterpreife für Schiffe durch die Bedürfnisse aller Großstaaten ! an Transportschiffen sehr in die Höhe gegangen und gute Schiffe überhaupt nur schwer zu beschaffen waren. Man konnte daher auf die rechtzeitige Lieferung der Pferde nur rechnen, wenn damit Firmen beauftragt wurden, die entweder über genügend eigene Schiffe verfügten oder durch ihre Verbindungen sich solche beschaffen konnten. Es wurden deshalb LieferungSver- > träge mit dem Norddeutschen Lloyd und der Hamburg- Amerika-Ltnie abgeschlossen; die vereinbarten Preise entsprachen den obwaltenden Verhältnissen. — Waffen, Munition und Feldgeräth wurden KriegSbeständen deS Heeres entnommen und werden bis zum 1. April 1901 ersetzt sein. Die Ausstattung wurde so reichlich be- messen, daß ein Nachschub voraussichtlich nicht noth wendig sein wird; ebenso ist dem Expeditionskorps zur ersten Ausstattung so viel an Verpflegung mitgegeben worden, daß die Truppe auS diesen Vorräthen nöthigen- falls sich eine Zeit lang vollständig verpflegen und den Anträgen auf Nachschub von hier aus rechtzeitig - entsprochen werden kann. Außer den hier zu Lande gebräuchlichen Verpflegungsmitteln find aus gesund heitlichen Rücksichten auch einige Genußmittel und sonstige GebrauchSgegenstände mitgesührt worden. Die Truppen find mit Rücksicht auf die Schwierigkeit eine- schleunigen Ersatzes reichlich auch mit Wtnterkleidung ausgestattct worden. Als Unterkunft für den Winter sollen nachgesandte Wellblechbaracken und Stallbaracken Verwendung finden. Feuerung-- und BeleuchtungS- rc. Material ist gleichfalls übergeführt, ebenso eine ange messene Anzahl von abyffinischen Brunnen. 6 Feld- lazarethe bieten Gelegenheit zur Aufnahme von 1200 Kranken rc. Außerdem können in Krankenzeltcn und beweglichen Baracken 1000 und auf einem Lazareth schiffe 250 Kranke mnergebracht werden. Die SanitätS- formationen sind mit Material, Verpflegungsmitteln, Krankenkleidern — auch für den Winter -, Wäsche rc. reichlich versehen und die milgegebenen Verpflegung-- mittel decken den Bedarf für 3000 Kranke auf vier Monate. Dem BundeSrathe ist eine Weingesetznovelle zugegangen, welche folgende Aenderungen des bestehen den Gesetzes vorschlägt: Der BundeSrath ist ermächtigt, noch andere Stoffe zum Weinzusatz, als die bereits be kannten, zu bezeichnen, auf welche das Verbot Anwendung zu finden hat. Wein ist da- durch alkoholische Gährung aus dem Safte der Weintraube mittels solcher Verfahren oder Zusätze, welche als eine Verfälschung oder Nach ahmung nicht anzusehen find, hergestellte Getränk. Die in dem Paragraphen 4 enthaltenen Bestimmungen über die DeklarattonSpflicht beim Vertrieb von Kunstwein find im großen und ganzen wirksam geblieben. Die ! Erfahrung hat gelehrt, daß ein Verkauf von Kunst. wein unter der Angabe, daß eS fich um ein künstliche» Ersatzprodukt handelt, zur Seltenheit gehört und eS kann daher angenommen werden, daß mit dem Verkauf von Kunstwein in der Regel unlautere Absichten ver bunden werden. In der Novelle wird daher die Her stellung und der Vertrieb von Kunstwein verboten. > Dieses Verbot liegt nicht nur im Interesse der Kon sumenten, sondern eS entspricht auch einem nahezu ein. stimmigen Wunsche aller Weinintereffenten und ist namentlich von dem deutschen LandwirthschaftSrathe und dem deutschen HandelStage befürwortet worden. Der Paragraph soll Bestimmungen enthalten, welche erweiterte Kontrolbefugniffe gegenüber den Weinprodu- centcn und Weinhändlern geben. Da aber, wie eS in der Begründung heißt, in Weinhandelskreisen starke Abneigung gegen die Stellung unter ständige polizei liche Ueberwachung beüeht, so ist deshalb in der Novelle ein Mittelweg eingeschlagen, indem einerseits erweiterte Kontrolbefugniffe, ähnlich wie beim Margarinegefetz eingeführt werden sollen, andererseits die Heranziehung von Vertrauensmännern als HilfSorganen der Polizei vorgesehen ist. In Berlin tagt augenblicklich der erste deutsche Handwerks- und Gewerbekam wertag, zu dem etwa 120 Deleqirte aus allen Theilen Deutsch lands erschienen find. Zu den Aufgeber» der Hand werkskammern auf dem Gebiete de- LehrlingSwefen» und der Gesellenprüfungsordnung wurde be- schlossin, die Wichtigkeit de- Abschlusse- eine- schrift lichen Lehrvertrage- besonders herosr zu heben. Die Ablegung der Gesellenprüfung soll nach Möglichkeit gefördert werd-n; freien Innungen ist die Ermächtr- gung zur Abnahme der Gesellenprüfung nur unter Vorbehalt deS Widerrufe- zu ertheilen und auch rur dann, wenn sie mindesten- zwei Drittel der im Jn- nungSbezirk wohnenden betheiligten Handwerker, welche Lehrlinge halten, umfassen, Vorschriften für da- Lehr, l'NgSwesen gemäß dem von der Handwerkskammer aus gestellten Entwurf eingeführt haben und streng auf Befolgung derselben, insbesondere auch auf den reg-l, mäßigen Besuch der Fortbildung-- oder Jnnungsschulerr halten, ferner die für ihr Gewerbe erlassene Prüfungs ordnung angenommen und sich bereit erklärt haben, auch die Gesellenprüfung hinsichtlich derjenigen Lehr linge ihre- Gewerbes wahrzunehmen, welche von solchen Gewerbtreibendrn gehalten werden, die ihrer Jinunq Keuilleton. Camilla Feinberg. Erzählung von F. Arnefeldt. (Nachdruck verboten.) (21. Fortsetzung.) Lina, die ihn, wie gewöhnlich hinaus begleitete, redete auf ihn ern, er solle den Ring Niemand sehen lassen und wiederholte noch eindringlicher, al- in Camilla'- Gegenwart, ihre Mahnung, er möge ja recht vorsichtig sein und den Leuten nicht Augen und Mäuler aufreihen. Es war übrigens nicht die erste Unterredung, die die Geschwister au diesem Tage miteinander hatten. AIS Lina am Vormittag vom Amtsgericht gekommen war, hatte Leo sie in dessen Nähe erwartet und die Frage an sie gerichtet, was sie denn mit der soeben empfangenen großen Summe machen wolle. Auf ihre Erwiederung, sie werde da- Geld in die Bank bringen, hatte er lachend gesagt: „Ach, lege e« lieber bei mir an, ich verspreche Dir höhere Zinsen." „Ader Du giebst sie mir nicht", war ihre Antwort. „Nerv, von dem Gelbe kann ich Dir nicht» geben, da- muß ich behalten di» —" „Du recht tief in Frau Feinberg'» Kasse greifen kannst", war er eingefallen. „Warum thuft Du da» nicht jetzt schon?" .Da» geht nicht; ich muh mich zurückbalten, sie nicht scheu machen, e» kommt mir manchmal schon vor, al- wartete sie nur auf eine Gelegenheit, sich von un- loszumachen." „Das darf nicht sein, wenn sie dazu nur Miene macht, soll sie mich kennen lernen!" hatte er wüthend gerufen und war dann wieder aus seinen Plan qe- > kommen, Camilla schon jetzt zu einer heimlichen Ber- ! lobung mit ihm zu drängen und sich dadurch zum Herrn ihrer Kasse und ihrer Person zu machen. „Habe ich sie erst soweit, dann werde ich sie auch bald dahin bringen, daß sie sich nicht wieder von mir loSmachen und mir keine Forderung verweigern kann", halte er mit einem cynifchen Lachen gesagt „und bis dahin witst Du mir Vorschüsse leisten." Lma hatte zwar recht schwere Bedenken gegen den Plan gehabt, da sie aber dem Bruder nicht« abzu- schlagen vermochte, wider bessere Einsicht zuletzt darein gewilligt und ihm die Wege dafür geebnet. Um die Dämmerstunde hatte sie durch allerlei Aufträge die Dienstboten grfchickt au» Frau Feinberg'S Nähe zu entfernen gewußt, sich selbst unter dem Vor- geben, sie habe eine Arbeit vor, wozu sie voller Ruhe und Sammlung bedürfe, zurückgezogen und Leo er- wartet, um ihn heimlich bi- in Frau Fetnberg'S kleines Zimmer zu führen, die durch fernen plötzlichen Eintritt ! völlig Überrumpelt worden war und gar nicht daran gedacht hatte, zu fragen, w'e er eigentlich Heren- > gekommen sei. Hinter der Portiere verborgen, hatte Liva dann dem Auftritt zwischen Leo und Camrlla beigewohnt, bi- sie e» an der Zeit gehalten, auf der Bühne zu erscheinen und ihn zum Abschluß zu bringen. — „Du dost nun Deinen Willen", sagte sie, als er im Vorzimmer Ueberrock und Mütze vom Garderoben- Halter nahm, „sei damit zufrieden und laß Dich nicht so bald wieder in Neustadt sehen." „Danke für gütigen Rath, weiß selbst, wa- ich zu thun und zu lassen habe", erwiederte er hochfahrend, sie ließ sich aber so leicht nicht abweisen, sondern bat schmeichelnd: „Leo, möchtest Du mir den Diamontring nicht lieber in Verwahrung geben?" Unmuthig schüttelte er die Hand, die sie ihm auf die Schulter gelegt batte, ab: „Bin ich ein Kind, dem man da- Spielzeug weg- schließt, damit eS keinen Schaden damit anrichte? Weiß sehr gut, daß ich vorsichtig sein muß." „Leo, trinke nicht, spiele nicht!" „Geh' in ein Kloster!" spottete er. „Ist doch mit den Weibern ein Elend. Bist sonst ganz leidlich kouragirt, aber da» Unken und da» Predigen kannst Du auch nicht lassen." „Ich thue e» ja nur au» Liebe zu Dir!" sagte sie. „Ganz recht, aber eS ist nicht nöthig, von heule ad hab' ich gewonnen Spiel. War ich nicht al» Lieb haber famoS?" „Du machtest e» so natürlich, daß ich manchmal dachte, eS wäre wahr." „War'» auch!" nickte er, „die Frau ist wirklich lehr appetitlich, eS könnte eine schlimmere Zugabe zu den Millionen geben und man kommt ja immer wieder ans seine erste Liebe zurück. Ich rechne darauf, daß Du sie mir warm hältst." Einen Gassenhauer pfeifend, entfernte er fich. Lina sah ihm mit einem Seufzer noch. „W na nur Alle» gut geht!" murmelte sie.