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44. Jahrgang Donnerstag, den 30. März 1882. Haasenstein LBogl«» Rudolf Möge, <S. L. Daube sd L». in Dresden, Leipzig» Hamburg, Berlm, Frankfurt a M. Inserate werden bis Montag» Miltwoch u. Freitag Mittag angenomme» und kosten: die Ispalt.ZeilelüPf. Unter Eingesandt: 30 Pf. . Inseraten- Aunahurestetlenr Die Arnoldisch« > r:»SL»nr Exped. u. Redaktion Dresden-Reustavt >. Meißner Sasse 3. Li« Zeitung erscheint Dienstag, Lennerstag und Eonnabeu» fr^h. Abonnements- PretS: vierteljährl. M. 1,50. Z» beziehen durch du kaiserlichen Post- Anstalten und durch unsere Boten. Bet freier Lieferung dr» HauS erhebt die Post noch eme Ge- Kühr von 25 Pfg. ?n , jlie, 4 »z" r* vlp" > ächsischk AorßeilMS. Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Herrma»» Müller in Dresden. Abonnements-Einladung. Lus da« mit dem I. April beginnende zweite Quartal der „Sächsische» DorsZtttUNg", „Vier und vierzigster Jahrgang", mhmen olle Kaiserlichen Postämter, Pvstelpebinonen und Landpostbolen Kegen Vorausbezahlung von I Mark 50 Pf. Bestellungen an; auch kann den geehrten auswärtigen Abonnenten durch die betreffenden Postanstalten gegen Botenlohn von nur 25 Pf. pro Quartal jeden Dienstag- "8 pünktlich in'« Haus gesandt werden. Diejenigen Pranumeranten in Dresden und Umgegend, welche ihre Bestellungen direkt bei unS (Neustadl, kl. Meißnergasse Nr. 3), oder bet den gtflt erhalten die Zeitung jeden Dienstag, Donnerstag und Sonnabend ohne irgend eine Preiserhöhung ,»geschickt. m d.r Dringend ersuchen wir aber, die AdonnemenlS-Bestellungen gefälligst sofort machen zu wollen, indem wir bei späteren Aufträgen für die Nachlieferungen e d re t erschienenen Nummern nicht einstehen können. Inserate finden bei der bedeutenden Auflage der „Sächsischen Dorfzeitung" durch dieselbe sowohl in Dresden und besten Umgegend, als auch lM ganzen ra de d e uSgedehntes e Verbreitung. Die Verlags-Expedition. Politische Weltschau. Deutsches Reich. Mit der Abreise de« deut schen Reichskanzlers nach Friedrichsruhe scheint eine Ruhepause in den Kämpfen der inneren und auswär tigen deutschen Politik eingetrrten zu sein. Die Sorge um die künftige Gestaltung der Beziehungen zu Ruß land ist durch den Depeschrnwechsel der beiden Kaiser, durch die Reise deS Großfürsten Wladimir nach Wien und die Versetzung SkobeleffS nach Turkestan, so ziem lich beschwichtigt. Man darf wohl annehmen, die Friedensliebe des Petersburger HofeS habe den Sieg davongetragen über die mongolischen deutschfeir blichen Gelüste der moskowitischen Slaven. Eine nachträgliche Rückwirkung der beseitigten Gefahr auf die innere Politik des deutschen Reiches scheint aber dennoch unver meidlich, wenn man annimmt, daß nur die numerische Stärke deS deutschen Heeres im Stande ist den trotz ihrer jetzigen Freundlichkeiten innerlich erbitterten fla- vischen Gegnern dauernd zu imponiren. Mehr und mehr wird man darüber klar, daß auch die innere Politik deS Kanzler- in der Hauptsache von dem einen Gedanken geleitet wird, die Reichegewalt zu kräftigen, denn bei Licht besehen haftet allen den neueren socialen Reform- Projekten die Eigenthümlichkeit an, der Centralisation und der Stärkung der «vtaatSallmacht Vorschub zu leisten. Die menschenfreundlichen Zwecke gehen Hand in Hand mit dem Bestreben, die Stellung deS Reiches nach außen und nach innen von den politischen Partei kämpfen unabhängig zu machen. Von diesem Gedanken geleitet, ist eS dem Reichskanzler jetzt besonders em pfindlich in den parlamentarischen Versammlungen auf die Unterstützung des wenig nationalgesinnten CentrumS angewiesen zu sein. Wenn die „National-Ztg." schreibt, man könne dem Crntrum keinen Vorwurf daraus machen, daß es seine Macht für den ihm am meisten am Herzen liegenden Zweck auSnutzt, so erwiedert die „Nordd. Allg. Ztg.", als Organ deS Reichskanzlers, man könne mit vollem Recht sagen, daß eS der Liberalismus in seiner Verstockung gegen die nothwendigen Ziele der ReichS- politik ist, welcher den KlerikaliSmuS in Preußen und Deutschland gegenwärtig zum Schiedsrichter macht. In parlamentarischen Kreisen will man wissen, daß in der Zusammer kunft zwischen dem deutschen Kron prinzen und dem Fürsten Bismarck namentlich die russischen Verhältnisse der Gegenstand der Unterhaltung bildeten, sowie daß der deutsche Reichskanzler sich be züglich der nächsten Zukunft mit einer gewissen Beruhi gung ausgesprochen habe..—- Dir Feierliche Konfirmation der Prinzessin Viktoria, zweiten Tochter deS Kronprinzen, (geb. 12. April 1866) und deS Prinzen Friedrich Leopold, Sohneö des Prinzen Friedrich Karl (geb. 14. November 1865), wird am 5. April durch den Oberhof- und Dom- prrdiger v. Kögel in der Schloßkapelle deS königlichen Schlosses in Berlin stattfinden. Im preußischen Abgeordnetenhause erfolgte am Montag die dritte Berathung deS Etats. Bei der spiliellen Debatte über die direkten Steuern beantragte Abg. Grumbrecht, den in zweiter Lesung genehmigten weiteren Steuererlaß von 6 Millionen Mk. nachträglich abzulehnrn, was jedoch wirkungslos blieb. Bei den indirekten Steuern brachte Abg. v. GrieSheim daö Tabaksmonopol zur Sprache, wobei er dasselbe nur alS letztes Rettungsmittel gegen den bevorstehenden Krach der Straßburger Manufaktur darstellte. Abg. v. Minni- gerode hielt daS Abgeordnetenhaus nicht für den geeig neten Ort, diese Frage zu erörtern; eS sei in der Frage der Tabaksbesteuerung nicht kompetent, deshalb lehne seine Partei jede Diskussion ab. Abg. Richter meinte, die Anwesenheit der kleineren Herren Minister könne für die Abwesenheit BiSmarck'S nicht entschä digen; ihm sei eS außerdem n cht zweifelhaft, daß der Reichstag daS Tabaksmonopol ablehnen werde. Zur Beunruhigung der Tabaksindustrie hätten übrigens gewisse diplomatische Erklärungen de- Abg. Windthorst bedeutend ! beigelragen. ES wäre deshalb gut, wenn das Centrum endlich einmal eine bindende Erklärung abgeben wollte. Bei der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung kam Abg. v. Schorlemer-Alst auf die Lobnverbältnisse der Bergarb.iter zurück, bei dem Etat des Ministlrium- für Handel und Gewerbe der Abg. v. Ludwig auf die Nothlage der schlesischen Weber Bei der Be. rathung des JustizetatS wurde daS Verfahren der Staatsanwälte bei den Stöcker-Beleidigungsklagen vom Abg. Richter einer herben Kritik unterworfen, wo- ! gegen Abg. v. Luck seine Kollegen zu vertheidigea suchte. Interessanter noch gestaltete sich die Debatte, alS der Justizminister Friedberg, unter lebhafter Zu stimmung der Rechten, daS Verfahren jeneS Amtsrichter- in Küstrin beleuchtete, welcher die Hinzufügung einer kon fessionellen Versicherung zur Eidesformel als unstatthaft erkläite. Der Minister gab dabei die tröstliche Erklärung ab, daß er auf die Richter einwirken würbe, um der» artige Wiederholungen zu verhindern. — Während, wie ! oben erwähnt wurde, am Montag der Abg. v. Gries heim gegen daS Labakömonopol vom Standpunkte der Großindustriellen sprach, begaben sich viele seiner Kollegen in eines der Kommissionszimmer, in welchem er ein Sortiment der verschiedenen Fabrikate der kaiserlichen Tabaksmanufaktur zu Straßburg zum Preise von 3 bis 25 Pfennigen auSgelegt hatte, um diese zu probiren. Sehr schmeichelhaft für die Straßburger Manufaktur lautetin die Urthrile eben nicht. — Am Dienstag kam der Abg. Bachem auf den Rheinbrohler Tumult zurück und sprach dem Bürgermeister jedes Recht ab, für ein kirch- i licheS Begräbniß daS Glockengeläute zu verlangen. Dagegen hob der Minister v. Puttkamer hervor, daß die Gemeinde nicht berechtigt gewesen märe, den An ordnungen der Obrigkeit Widerstand entgegenzusetzen. Abg. Richter kam nochmals auf seine Differenz mit i dem Hofprediger Stöcker zurück, welcher darauf nur Feuilleton. Die achte Todsünde. Roman von U) Höffer. (47. Fortsetzung.) Er schüttelte den Kopf. „Dahin werde ich niemals kommen, Fräulein Willroth. SS wohnen in jener Stadt mehr als hunderttausend Menschen, — zwei derselben können, jeder für sich, ihrer Wege gehen und doch einander nie begegnen, auch wenn sie zufällig Mutter und Sohn sind." „Ich darf indessen späterhin Ihre speciellen Auf träge erbitten," setzte er rasch hinzu. „Oder sollte rS Ihnen irgendwie unerwünscht sein, mich nochmals zu empfangen, Fräulein Willroth? — dann freilich —" „Bitte," versetzte sie gelassen, „durchaus nicht. Mein Onkel und ich wünschen Ihnen alle- Gute, Herr Wolfram." Noch eine tiefe, ceremonielle Verbeugung, dann war er verschwunden. „Wir wünschen Ihnen alle- Gute!" — Das hätte auch eine Kaiserin dem armen Poeten oder Künstler sagen können, den zufällig daS Schicksal für Minuten in ihre Nähe führte." Und doch stand Siegfriede immer noch mitten im Zimmer, auch al- er längst gegangen war, doch pochte in ihren Schläfen da- ungestüm« Blut und die Hände zitterten leise. Wie leer, wie todt erschien ihr jetzt daS reiche Hau-! Overberg kannte alles, was in Rio nach Deutsch land hinüber Handel trieb, er konnte also für seinen jungen Schützling Bahnen eröffnen, die sonst erst dem Bewährten, dem, der schon sicher steht, zugänglich werden. Leo rechnete und schrieb, er gab sich ganz der gewohnten Lhätigkeit wieder hin, ja, er empfing durch den Tele graphen so günstige Antworten, daß der beste Erfolg in Aussicht schien, — aber dennoch lag auf seiner Stirn die Wolke, welche nicht weichen wollte. Er horchte in dieser Zeit auf jede- Geräusch, er erbleichte, so oft ihm ein Brief gebracht wurde und als eine- Tages der Franzose vom Abreisen sprach, da konnte er nur stumm mit dem Kopfe nicken, di, Brust war ihm wie zusammen- geschnürt. In wenigen Tagen also! — Wie tief und tödtlich schmerzte die Trennung für da- ganze noch übrige Leben. ES war nun alle- entschieden, alle». Der letzte Rest konnte nur als «eußerlichkeit, alS die Form der Sache, gelten. — Noch einmal erhob die Versuchung ihre schmeichelnde Stimme. Ob er hin ging und Siegfrieden'- Hand ergriff und nur eins fragte, ein einzige- — „Können wir denn geschieden sein?" DaS Blut strömte heiß zu seinem Herzen. Ob er hin ging? Aber nein. Und sollte eS daS Leben kosten — nein. Gottlob, sie ahnte nicht, wie schwer er ringen mußte. Kein äußere- Zeichen verrieth, waS in ihm vorging, nicht- al- nur die tiefe Bläffe, mit der sein Gesicht bedeckt war. Er nahm Abschied für immer und wußte doch, da- feine- Leben- bester Theil an dieser Küste zurückblieb, daß eS ein öder, sonnenloser Weg war, den er geben mußte, von heute an bi- zum Grabe. Orde und sonnenlos. Ein Scheinleben daS Ganze. Omrberg wollte morgen an daS Schiff kommen, nur Siegfriede empfing daher die letzten AbschiedSgrüße. Ihre Hand lag kalt und schwer in der des jungen ManneS. Früh um sieben Uhr lichtete also der Dampfer schon die Anker? — ES war unwiderruflich beschlossen? Ganz fest. Wer einen schweren Schritt zu gehen genöthigt ist, der möge wenigsten- nicht zaudern. E- tödtet langsam; so halb vorwärl-, halb aber auch hinter sich zu sehen, dazu gehört mehr als menschliche Kraft. Leo hielt immer noch ihre Hand. „Adieu, Sieg fried«! — Haben Sie mir, den Wolfram'- überhaupt, im Herzen verziehen? Begleiten mich Ihre Gedanke» ohne Groll?" Seine Augen sprachen, seine Finger umschlossen fester die ihrigen, aber nur einen Augenblick währte die Versuchung — er zwang jene Frage, welche schon auf seinen Lippen schwebte, zurück in s tiefste Herz. „Adieu, „Golt sei mit Ihnen! — Ich habe vergessen, daß je ein unfreundlicher Gedanke in meiner Seele lebte." Er küßte ihre Hand, dann riß er sich loS, die Thür fiel hmter ihm in'- Schloß. Sonderbar, welche Todtenstille dieser Abschied zurücklirß, um sie und in ihr. Wenn morgen die Sonne hoch am Himmel stand, dann trieben die Wogen da» Schiff vom Ufer und mit jeder schwindenden Sekunde vergrößerte sich die Entfernung zwischen ihm und dem Lande.