Volltext Seite (XML)
52. Jahrgang Sonnabend, den 30. August 1890 Inserate »erden b:L Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: diekspalt.Zeile I5Psg. Unter Eingesandt: 30 Psg. Abonnements - Einladung. Bestellungen auf die „Sächsische Dorfzeitung" für den Monat September nehmen alle kaiser lichen Postanstalten und Postexpeditionen, sowie auch alle Landbriefträger gegen Vorausbezahlung von 50 Pf. entgegen. Die Verlags»Expedition. betrachtete er jeden begabten und beim Monarchen be liebten Beamten mit argwöhnischen Augen. Die Stellung des Fürsten Bismarck wurde immer dominirender, seine Reizbarkeit immer größer, seine Anwesenheit in Berlin immer seltener. Man könnte nun fragen, weshalb unter solchen Umständen der Monarch nicht das vom Reichskanzler wiederholt eingereichte Entlassungsgesuch genehmigt habe. Die Antwort darauf ist nicht schwer zu geben. Der Grund hierfür lag fast ausschließlich in dem hohen Alter des Kaisers. Im Jahre 1867 mochte dieser noch in sich die Kraft fühlen, mit Hilfe eines neuen leitenden Ministers die Regierung weiter zu führen. Zehn Jahre später, als der Monarch das 80. Lebensjahr erreicht hatte und als obendrein feine körperliche Rüstigkeit durch da« Nobiling'sche Attentat stark erschüttert worden war, wollte er von dem Rück tritte des Fürsten Bismarck nichts mehr wissen. Dazu kamen die eminenten Erfolge des Kanzlers, welche den Kaiser immer wieder bewogen, sich lieber die über mächtige Stellung dieses Staatsmannes gefallen zu lassen, als den Diensten desselben zu entsagen. Auf Grund dieser Erwägungen mag der Monarch das be kannte „Niemals- unter das vorletzte Entlassungsgesuch dts Fürsten Bismarck gesetzt haben. Aber es verdient hervorgehoben zu werden, daß dieses „Niemals-, wie gesagt, unter dem vorletzten Entlastungsgesuche des Reichskanzlers stand; das letzte diesbezügliche Gesuch wurde vom Kaiser so kühl abgelehnt, daß der Kanzler es für gerathen fand, kein neues mehr einzureichen.- — Wir geben diese Enthüllungen mit dem Wunsche wieder, denselben möge von maaßgebender Seite recht bald ein energisches Dementi entgegengesetzt werden! Aus Petersburg schreibt man von officiöser Seite nachträglich noch über die Anwesenheit des deutschen Kaisers in Rußland: „Das Ecgebniß der Zusammen kunft des deutschen Kaisers mit dem Czaren ist insofern ein erfreuliches, als die Sache des Friedens durch die Befestigung der persönlichen herzlichen Beziehungen zwischen den beiden Monarchen eine weitere Förderung erfahren hat. Da die Reise des Kaisers Wilhelm von Anfang an nicht den Zweck hatte, mit dem Czaren irgendwelche Abmachungen zu vereinbaren, so kann auch von bestimmten Poliäschen Ergebnissen der Monarchen, zusammenkunft nicht die Rede sein. Dagegen hat das offene freimüthige Wesen, welches der deutsche Kaiser bei seinen mannigfaltigen Unterhaltungen mit dem Czaren zur Schau trug, seine Wirkung nicht verfehlt, wie denn auch Kaiser Alexander HI. über seine fried lichen Absichten nicht den geringsten Zweifel bestehen ließ. Als ein erfreuliches Symptom muß auch der günstige Eindruck hervorgehoben werden, welchen der Reichskanzler v. Caprivi durch sein soldatisch schlichtes Politische Weltschau. Deutsches Reich. Sehr seltsame Enthüllungen machen zur Zeit die Runde durch die deutsche Presse und obwohl wir denselben vorläufig noch ungläubig gegenüber stehen, können wir sie doch nicht ganz unerwähnt lassen. In einer aus Berlin datirten Korrespondenz wird nem- Uch ausgeführt, daß das Verhältnitz zwischen dem hoch seligen Kaiser Wilhelm I. und dem Fürsten Bismarck keineswegs ein so harmonisches gewesen ist, wie man bislang allgemein anzunehmen geneigt war. „Mit den Erfolgen des Reichskanzlers" — so führt der Verfasser des Näheren aus — „wuchs in überraschender Schnellig keit auch die herrische Eigenart dieses Staatsmannes. Dadurch erhob derselbe seine Stellung zu einer so un, gewöhnlichen Höhe, daß sie den Thron zu überschatten begann. Mit Sorge blickte Kaiser Wilhelm auf diese Entwickelung der Dinge und schon im Jahre 1867 sann er, wie wir verbürgen können, auf Abhilfe des Uebelstandes. In einem Gespräche, welches er damals mit dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm über den Kanzler führte, erklärte er: „Dieser Mann wird uns zu groß. Wir müssen nach einem Ersätze für ihn suchen und ich beanspruche dazu Deine Mitwirkung." Der Kronprinz wandte sich an eine Persönlichkeit, die in gleich hohem Grade fein Vertrauen wie das seines er, tauchten Vaters genoß, nemlich an Herrn v. Gruner, der früher als Ünterstaatssekretär im Ministerium des Innern fungirt hatte und beauftragte denselben, geeignete Männer für das Amt des Premierministers vorzuschlagen. Wir wissen nicht, woran die Mission des Herrn v. Gruner scheiterte; so viel steht aber fest, daß Fürst BiSmarck seitdem einen heftigen Groll gegen den Genannten hegte. Als der letztere dann gelegentlich seines siebzigsten Ge burtstages vom Kaiser Wilhelm zum Wirklichen Geheimen Rath ernannt wurde, da verhinderte es der Kanzler — es ist dies wohl ein beispielloser Vorgang in der preußischen Geschichte —, daß diese Ernennung im Relchsanzeiger publicirt wurde. Seitdem der Kanzler sich nicht mehr im Besitze seiner Würde sicher glaubte, Exped. u. Rkdaktiv« Dresden-Neustadt kl. Meitzner Gasse 4. Die Zeitung erscheint Ttenstag, Taunerstag und Sonnabend fr^h. AbonuementS- Preis: viertrljährl. M 1,50 Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- anstalten und durch unsere Boten. Bei freier Lieferung inS HauS erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Psg. Anseraien- Annahmestellcn: Die Arnoldische Buchhandlung, Jnvalidendank, Haasenstein LBoglcr, Rudolf Mosse, G L. Taube L Co. in Dresden, Leipzig, Hamburg, Berlins Frankfurt a/M. u. s. w. " Renebmen auf die maaßgebenden Kreise aem°ch« h°'- Ohn- d°, G-w-cht -in« Ü!n^L-n°P«>önIichkeiI in die W-agschoale Wersen jn Un n b-kund-I- der Rei-Man,ler anderer ei,S ei» L' FAühi und °°°ei B-chSndniß. sär die aü?eab,iSi>ch° polii'Ich- Lage, daß sein- eins,ündrge Unlerhaltung mit dem Czaren einen sur beide Theile sehr beledigenden Verlauf nahm. Wie bereits an gekündigt , ist Kaster Wilhelm am Mittwoch Abend gegen 11 Uhr Mittelst Ex razuges wieder m Potsdam eingetroffen. Am Vormittag des folgenden Tages erledigte der Monarch zahlreiche Regierungsgeschäste und empfing alsdann den HandelS- minister v Berlepsch in längerer Audienz. - Neuesten Dispositionen zufolge wird der Kaster von Oesterre.ch- Unaarn am 17. September m Breslau emtreffen, um sich noch an demselben Tage behufs Beiwohnung der Manöver nach Rohnstock zu begeben «... Die Adresse, welche die Deutschen m Reval dem Kaiser Wilhelm gelegentlich seiner Anwesenheit daselbst durch eine Deputation überreichen ließen, hat folgenden Wortlaut: „An dem Tage, da Eure kaiserliche Majestät das Reich Ihres erhabenen Freundes, des Kaisers von Rußland, betreten, nahen sich Ihnen die Abgesandten der in Reval und Esthland wohnenden deutschen ReichS- anqehörigen, um, durchdrungen von begeisterter Liebe und Hingebung für Kaiser und Reich, Eurer Majestät ihre ehrfurchtsvollen Huldigungen darzubringen. Wir begrüßen mit tief empfundener Freude das Oberhaupt des deutschen Reiches, unseren angestammten Herrscher, als den Hort des Friedens und als den Träger wahr- hast christlicher, weltbeglückender Gesinnung. Als würdiger Nachfolger Ihrer großen Ahnen sind Eure Majestät mit nie rastendem Eifer bemüht, des deutschen Reiches und seiner Völker Wohl zu fördern und allen Nationen die Theilnahme an der Kulturarbeit zu sichern. Wir flehen zu Gott, er möge Eurer Majestät erhabenes Be mühen segnen! Für uns aber erbitten wir die Gnade, Eure Majestät wolle huldvollst geruhen, die Versicherung unserer unwandelbaren Liebe und unerschütterlichen Treue hinzunehmen." Am 1. Oktober wird unter dem Titel: „An die Arbeiter Deutschlands" eine Broschüre erscheinen, welche die socialen Fragen in kurzer, gemeinverständlicher Form und zwar im Sinne der kaiserlichen Erlasse vom 4. Februar d. I. behandeln soll. Wie verlautet, hat das Manuskript dieser Broschüre — der Name des Autors derselben wird noch geheim gehalten — dem Kaiser bereits zur Ansicht vorgelegen, wie denn dieser überhaupt die Anregung zur Abfassung der Schrift gegeben zu haben scheint; auch heißt eS, die Kosten der Drucklegung würden zum Theile auS staatlichen Mitteln ächsiflhe Doch stlunS. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und kandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgericht« Dresden, sowie für die kgl. Forstrcntämtcr Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger «Herrmann Müller in Dresden. — Feuilleton. Der Elsabrunnen. Novelle von Reinhold Ortmann. l12. Fortsetzung.) „Sie werden sich bereit finden lassen, etwas Anderes an dessen Stelle zu setzen. Was für ein Interesse könnten Sie denn auch daran haben, zwei glücklich Liebende zu trennen?" „Sie haben mein letztes Wort gehört! Ich werde von dem, was ich gesagt, auch nicht um eines Haares vreite abweichen! Verbietet's Ihnen Ihr väterliches vewissen, darauf einzugehen, so sind eben alle weiteren Verhandlungen überflüssig und Jeder von uns hat in seiner Weise seine Schuldigkeit gethan." „Nicht doch, nicht doch, mein junger Freund! Wenn es gar kein anderes NMel gäbe, Sie zu be stimmen, so ließe sich ja vielleicht auch in diesem Sinne ein Ausweg finden! Ich schlage es nicht rundweg ab — nein, gewiß nicht, denn eine Verlobung ist noch keine Hochzeit und es wäre nicht das erste Mal, daß solche Herzensbündnisse eine Auflösung erfahren hätten. Aber wenn Sie einen besonderen Grund haben für Ihre etwas — wie soll ich sagen — etwas über raschende Forderung, so wäre es vielleicht nicht un bescheiden, Sie um eine gütige Mittheilung desselben zu bitten." „Nehmen wir an, daß es nur eine Laune wäre! Wer in der Lage ist, Bedingungen zu stellen, darf ja auch seinen Launen folgen! Dieser Herr Doktor gefällt mir nicht und ich wünsche Ihrer Tochter einen besseren Gatten, als ihn." „Hm! Sie mögen wohl Recht haben! Man kann Niemandem in's Herz sehen und ich kenne ihn erst seit Kurzem. Aber vielleicht beurtheilen Sie ihn zu streng! Er ist noch jung und es haftet ihm so Mancherlei aus den Studentenjahren an. Das wird sich ab schleifen — glauben Sie mir, lieber Herr Nachbar, es wird sich abschleifen." . Gleichviel! Ich werde von meiner Bedingung nicht abgehen." „Aber Sie vergessen, daß ich darüber nicht einmal selbstständig entscheiden kann. Ich müßte doch zuvor meine Tochter befragen und ich fürchte, sie wird ihre Einwilligung zu einem solchen Aufsehen erregenden Schritt nicht ertheilen." Er sah den Anderen mit einem eigenthümlich lauernden Ausdrucke an, aber Waldmann war jedenfalls fest entschlossen, Else nicht zu verrathen. „Dann bleibt eben in unseren Besitzverhältniffen Alles, wie es ist!" sagte er mit einem Achselzucken. „Ich kann Ihnen nur wiederholen, daß ich meinen ersten Worten nichts mehr hinzuzufügen habe!" Der Apotheker streckte seinen Arm aus und indem er Waldmann am Handgelenke ergriff, zog er ihn nahe zu sich heran, um ihm zuzuflüstern: „Ich muß Ihnen gestehen, daß ich Sie im Beginn unserer Bekanntschaft für — nun, sagen wir, für einen Sonderling gehalten habe, weil ich Ihre Handlungsweise nicht recht begriff. Aber ich habe Ihnen Unrecht gethan, schweres Unrecht, denn Sic waren viel klüger als ich und Sie haben mich gründlich überlistet. Aber ich gebe zu, daß ich besiegt bin und nun können wir ganz offen mit ein ander reden. Soll ich Ihnen sagen, warum Ihnen dieser Doktor Schönfeld nicht gefällt, den Sie doch kaum zwei oder drei Mal gesehen haben? Soll ich Ihnen sagen, warum Sie mir diese sonderbare und für Sie scheinbar so wenig vortheilhafte Bedingung stellen? — Weil Sie selber ein Auge aus das Mädchen geworfen haben, weil Sie trotz all' Ihrer feindseligen Gesinnung gegen mich lieber sich selbst meinen Schwieger sohn genannt hören möchten, als diesen Doktor! Nun, ich denke, dazu kann wohl Rath werden und —" Er konnte nicht ausreden, denn ungestüm hatte Waldmann seine Hand frei gemacht und war mit einer zornigen Geberde von ihm zurückgewichen. Sein Ant litz hatte sich bis über die Stirne hinauf mit einer dunklen Röthe bedeckt und selbst bei jenem ersten Zu sammenstöße nach dem Hauskaufe hatte ihn der Apo theker nicht in so leidenschaftlicher Erregung gesehen. „Welche Nichtswürdigkeit wagen Sie mir zuzu- muthen." sagte er. sich nur mit Mühe zu einem ge dämpften ^.one zwingend. „Sind Sie denn wirklich außer Stande, in der Handlungsweise eines Menschen andere Beweggründe, als die der niedrigsten Selbstsucht zu erblicken? Können Sie cS nicht mehr begreifen, datz man sich auch von den Empfindungen einer lauteren und uneigennützigen Freundschaft bestimmen lassen kann.* Hagemeister sah den Zürnenden mit unverhohlenem Erstaunen an Wäre Johannes Waldmann ein scharf- Menschenkenner gewesen, so hätte er jetzt viel- Gesichte des Apothekers etwas gelesen, sich „ungefähr mit den Worten hätte ausdrücken ragen. „Und er ist dennoch ein Narr!" Aber wenn