Volltext Seite (XML)
Inserate Werden bi» Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: »i«1spalt.Zeile15Pfg. Unter Eingesandt: 30 Pfg. Anseraten- >»aah»estellen: Die Arnoldische Buchhandluna, Jnvalidendam, HaasensteinLVogler, Rudolf Mosse, G. L. Daube « Eo. i» Dresden, Leipzig, Hamburg, Berlin, Frankfurt a/M. u. s. w. Sächsische DmßeilnnS. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmaun Wüller in Dresden. Exped. u. Redaktion Dresden-Reustaöt kl. Meißner Gasse 4. Die Zeitung erscheint Dienstag, Donnerstag und eonnabend frük AbonnementS- Preis: vierteljährl. M 1,5k Zu beziehen durch die kaiserlichen Post anstalten und durch unsere Boten. Bei freier Lieferung inS HauS erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Pfg. Mr. 79. Dienstag, den 8. Inti 1890. 52. Jahrgang. Politische Weltschau. Deutsches Reich. Betreffs der sehr ver schiedenartigen Beurtheilung, welche dos deutsch englische Abkommen in der europäischen Presse gesunden hat, schreibt man von osstciöser Seite aus Berlin: Zunächst rief der Vertrag eine all. glmeine Ueberraschung hervor, welche erst allmählig einer ruhigen Auffassung der Sachlage Platz machte. Während man im AuSlande anfänglich theilweise recht wunderliche Kommentare an die Konvention knüpfte, gleichzeitig aber dieselbe als ein weiteres Unterpfand des Friedens mit hoher Befriedigung begrüßte, sand der Vertrag in Deutschland selbst nur sehr geringen Beifall. In den kolonialen Kreisen sah man sich in seinen überschwänglichen Hoffnungen getäuscht und zahl- . reiche Blätter äußerten offen ihren Unmuth darüber, daß Deutschland durch den Erwerb der Insel Helgo, land ein sehr minderwerthiges Aequivalent für das Preisgeben seiner Interessen in Ofiasrika erhalten habe. In diesen Kreisen hat man noch immer sehr übertriebene Vorstellungen von der Aufgabe, die dem deutschen Reiche in Afrika zugefallen ist; man möchte, ohne Be. rücksichtigung der hierbei in Betracht kommenden politischen Verhältnisse, Deutschland zu einer aggressiven Kolonialpolitik drängen, auch wenn wir dadurch in einen Konflikt mit England gerathen sollten. Diese Kolonial schwärmer scheinen ganz zu vergessen, daß wir in Europa weit wichtigere Interessen zu vertreten haben als in Afrika und daß es der Reichsregierung daher in erster Linie darauf ankommen mußte, uns die Freundschaft Englands zu erhalten und so eine An näherung dieses mächtigen Reiches an unsere Gegner zu verhindern. Ueber die Motive, welche dem Entschlusse des Majors v. Wißmann, seine Entlassung als Reichs kommissar zu nehmen, zu Grunde liegen dürsten, berichtet man von angeblich wohlunterrichteter Seite: Gewiß spielt hierbei die angegriffene Gefundheit des hochverdienten Mannes eine bedeutende Rolle. Denn wie derselbe jüngst selbst erklärte, ist seine Körper konstitution durch den Aufenthalt in den Tropen außer, ordentlich geschwächt worden. Von ärztlicher Seite wurde ihm daher dringend Ruhe anempfohlen. Dies ! Alles würde indeß nur ein Urlaubs-, nicht aber ein Abschiedsgesuch begründen. Tas letztere erscheint nur verständlich, wenn man es mit dem deutsch-englischen Beitrage und mit den Vorschlägen in Verbindung bringt, die ihm von hoher Seite wegen seiner zukünf tigen Stellung in Ostafrika gemacht worden sein sollen. Der Major v. Wißmann möchte sür die nächsten Jahre nach wie vor das Hauptgewicht auf die militärische Wirksamkeit legen, während die Regierung thunlichst bald mit der wirthschaftlichen Erschließung des deutschen Schutzgebietes beginnen will. Hiermit würde eine Meldung englischer Blätter übereinstimmen, der zufolge die deutsche Schutztruppe in Ostafrika stark reducirt und der Schwerpunkt der Thätigkeit daselbst in die Civilverwaltung verlegt werden soll. Unter solchen Umständen glaubt nun Major v. Wißmann auf das Reichskommiffariat verzichten zu müssen. Die Kunde hiervon soll übrigens in den Regierungskreisen eine große und keineswegs angenehme Ueberraschung hervor gerufen haben. Nachdem Kaiser Wilhelm von Christiania aus ver schiedene Ausflüge in die herrliche Umgegend unter, non men und mehreren ihm zu Ehren veranstalteten Festlichkeiten beigewohnt hatte, ist er Sonnabend Mittag auf der Dockt „Hohenzollern" wieder in See gestochen, um seine Nordlandssahrt fortzusetzen. Ter König und der Kronprinz von Schweden — der erstere trug die deutsche Admiralsunifmm, während der letztere als preußischer Husar erschien — begleiteten den Monarchen bis zum Hafen, woselbst sie sich von demselben in der herzlichsten Weise verabschiedeten. Wie wir bereits auf Grund einer telegraphischen Meldung kurz mittheilten, hatte ein Korrespondent der „Kölnischen Ztg." dieser Tage in Christiania eine längere Unterredung mit dem Könige von Schweden. Der Journalist berichtet hierüber seinem Blatte des Näheren: „Das Gespräch wandte sich den verschiedensten Fragen zu, welche zur Zeit die öffentliche Aufmerksam keit besonders in Anspruch nehmen. Um meine un- maaßgeblichcn Ansichten hierüber zu erfahren, hielt der Monarch auch mit den seinigen nicht zurück, wobei er eine große Theilnahme an den jüngsten Vorgängen in Deutschland bekundete. So fragte Se. Majestät unter Anderem, ob vielleicht ich selbst oder einer meiner Berufsgenossen den Fürsten Bismarck seit seinem Rück- tritte gesehen hätte. Als ich dies verneinte, fuhr der König wörtlich fort: „EL thut mir wahrhaft leid, daß ! ich nicht einmal unerkannt einen halben Tag bei dem ' Fürsten in Friedrichsruh verbringen kann. Menschen, ! die ich so hoch schätze und verehre, wie ihn — be. denken Sie doch, wie er Ihr Deutschland übernommen und wie anders er es seinem Nachfolger übergeben hat! — solche Menschen, sage ich, kommen meinem Herzen doppelt nahe, wenn sie für einen großen Theil der übrigen Welt bei Seite treten." Des Wetteren fragte mich der König, ob ich den neuen preußischen Finanzminister Ur. Miquel persönlich kennen gelernt hätte. Diese Frage durste ich mit gutem Gewissen bejahen und bald zeigte sich, daß der König seit Jahr und Tag die Wirksamkeit des Ur. Miquel mit großer Aufmerksamkeit verfolgt hat. „Ich glaube" — äußerte der Monarch u. A. — „daß Sie sich in Ihrem Lande Großes von diesem Manne versprechen dürfen, fofern man ihm im Parlamente nur keine allzu großen Hemmnisse in den Weg legt." Der König kam nun auf seine eigene Wirksamkeit zu sprechen und zwar ließ er sich hierüber folgendermaaßen vernehmen: „Das darf ich Ihnen sagen und Sie dürfen es sogar weiter plaudern: seit ich zur Regierung der beiden Königreiche berufen worden bin, habe ich unter 500 Tagen schwer lich mehr als einen zu verzeichnen, an dem ich nicht die laufenden RegierungSgeschäste bis auf den blanken Tisch aufgearbeitet hätte, mochten es nun ihrer 20 oder 200 sein. Deshalb besitze ich auch in den Angelegen heiten meiner beiden Reiche eine solche Kenntniß und Uebersicht, daß ich in allen Dingen Bescheid weiß. Wenn mir Jemand in einer Audienz mit einer Be schwerde kommt, deren Gegenstand viele Jahre zurück liegt, so kann er mir doch niemals etwas vormachen. Ich bin jeder Zeit im Stande zu sagen: Lieber Freund, die Geschichte war anders, Sie haben unrecht und nun gehen Sie!" Betreffs der Reise des Kaisers nach England sind nunmehr nachstehende Dispositionen getroffen worden. Der Monarch wird am Sonnabend, den 2. August, in Cowes auf der Insel Wight eintreffen, um sich von da nach Osborne zu begeben und dort als Gast der Königin bis zum 7. August zu verweilen. An diesem Tage gedenkt der Kaiser nach Edinburgh zu fahren und daselbst die neu erbaute Forth-Brücke zu be sichtigen. Ein Besuch Londons ist in dem Reisepro- gramme nicht vorgesehen. Auch sollen diesmal keinerlei osficielle Festlichkeiten stattfinden, da die Anwesenheit des Monarchen in Osborne einen lediglich familiären Charakter tragen wird. Die „Hamburger Nachrichten" sind von Friedrichs ruh aus zu nachstehender Erklärung ermächtigt: „Fürst Bismarck beabsichtigt zur Zeit nicht, ein Reichstagsmandat anzunehmen. Er dürfte sich überhaupt zum Eintritte in das Parlament erst dann entschließen, wenn mit Sicherheit zu erwarten steht, daß er nicht in eine prin- cipielle Oppositionsstellung zur jetzigen Regierung ge rathen wird. In diesem Falle würde sich der Fürst keinen Augenblick besinnen, ein Mandat von den Nationalliberalen anzunehmen; sind ihm diese doch in letzter Zett weit freundlicher entgegengekommen als die Konservativen, welche in ihrem derzeitigen Ber, halten dem Fürsten gegenüber stark an die Aera der „Reichsglocke" (ein ultrakonservatives Blatt, welches seiner Zeit den Reichskanzler in d.r schmählichsten Weise angriff) erinnern." — Bezüglich der Reisepläne des Fürsten Bismarck läßt sich dasselbe Blatt folgender- Feuilleton. Die wilde Rose. Von Th. Almar. (87 Fortsetzung.) In ihrem ihr felbst räthselhaften Gedankengange war Regina dahin gekommen, sogar mit Hans zu zürnen, daß er auf ihres Onkels Wunsch diesem alle wichtigen Begebenheiten aus ihrem Leben erzählt hatte. Warum hatte der Onkel Hans danach gefragt und warum hatte Hans ihn nicht an sie gewiesen? Warum durfte sie selbst nicht sprechen? Sie'selbst wußte dock viel mehr als Hans und war es überhaupt nöthig, daß Hans von ihrer Verlobung so viel Aufsehens machen mußte? Hier in Kalkutta kannte doch kein Mensch einen Lothar Merlitz — Plötzlich schreckte sie aus ihren stillen Betrachtungen auf, Miß Mary war in's Zimmer getreten. Das Mädchen wußte noch immer nicht, wie es sich der alten Dame gegenüber eigentlich verhalten sollte, deren freundliche graue Augen stets in einer Weise auf sie gerichtet waren, als wollte sie sagen: „Du hast mir zwar wehe aethan, aber ich habe Dich doch lieb!" „M,ß Regina, ich habe Ihnen noch von Mr. Wal berg zu bestellen, daß er es gern sehen würde, wenn Eie in kühlen Stunden mit Ihrem James" — den Namen Hans auszusprechen war der alten Dame zu schwer — „öfter unseren Park aufsuchen wollten, der so schön und schattig ist und daß des Herrn Bibliothek zu Ihrer Verfügung steht." Nach Erledigung dieses Auftrages wollte Miß Mary das Zimmer verlassen, als ihr Regina hastig entgegentrat und, anstatt auf die Bestellung zu ant worten, schnell begann: „Miß Mary, ich habe sie ge kränkt! Verzeihen Sie mir!" Dabei streckte sie der alten Dame ihre Hand ent gegen, die betroffen vor ihr stehen blieb. „Sie sehen mich wirklich überrascht", erwiederte sie, „wir haben wohl Beide ein wenig Unrecht gehabt. Daß ich Sie da oben hinauf führte — daß —" „Nicht doch, Miß Mary! Ich habe meinen Tower da wirklich ein wenig lieb gewonnen und der Onkel —" „Der war daran nicht schuld. Nein, Miß Regina, nein", fiel die alte Dame mit einem Eifer dem Mädchen in die Rede, als gelte es, ihres lieben Herrn Leben zu vertheidigen. „Er sagte mir nicht, wo ich Sie einquartiren sollte, sondern —" „Miß Mary, lassen Sie es gut sein! Haben wir uns überhaupt etwas zu vergeben, so jei es von dieser Stunde an vergeben und vergessen. Nicht wahr, wir zürnen einander nicht mehr?" Miß Mary erfaßte mit kräftigem Drucke des Mädchens Hand, die diese ihr auf's Neue entgegenstreckte und erwiederte mit offenbarer Rührung: „Ich habe Ihnen ja nicht gezürnt, wahrlich nicht! Aber Ihrem Neben Onkel dürfen Sie auch nicht zürnen. Sie wissen nicht, wüs man Alles gethan, um sein gutes edleS Herz, das nur zum Wohlthun geneigt, mit Argwohn und Bitterkeit zu erfüllen. Immer Hst er für seine Güte Undank ernten müssen! Und dazu gelangte der Brief auS Europa von Ihrem Vormunde noch an einem sehr unglückseligen Tage an. Der Herr mußte gerade an demselben entdecken, daß einer der Wenigen, denen er noch vertraut hatte, ihn schändlich belogen. Wenn er ihn auch hätte zur Rechenschaft ziehen können, so that er es doch nicht, aber genagt hat es an seinem Herzen; denn als er mit dem Briefe aus Europa zu mir kam, sah er finsterer und strenger aus, als Sie ihn kennen. — Das mag wohl dazu beigetragen haben, daß er an jenem Tage Ihrem Verläumder mehr Glauben schenkte, als er sollte." „Miß Mary, auch das sei vergessen, ich zürne meinem Onkel nicht mehr. Und zum Beweis, daß eS nicht leere Worte sind, will ich Sie bitten, mir sogleich die neuen Zimmer zu zeigen, die mein Onkel für mich bestimmt hat." Miß Mary ließ vor Freuden bald das Schlüssel bund fallen. „Sie sind doch ein liebes, gutes Kind", sagte sie gerührt. Regina lächelte. „Also doch — ein Beweis mehr, daß ich bis jetzt nur ein böses war. Aber kommen Sie, ich werde sie sofort beziehen; denn ich will Ihnen nur gestehen, im Tower ist die Hitze gar zu qroß und hat mich oft sehr belästigt. Doch kommen Sie, geben Sie mir den Schlüssel. Ich selbst will öffnen und die Herrlichkeiten schauen." Damit zog das Mädchen in altem Uebermuthe, der ie stets unwiderstehlich machte, Miß Mary mit sich ort zu ihrer neuen Wohnung. Ueberrascht blieb sie auf >er Schwelle stehen, als sie in die reich auSgestatteten