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Sächsischer Landes-Anzeiger : 28.07.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188607280
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18860728
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18860728
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-07
- Tag 1886-07-28
-
Monat
1886-07
-
Jahr
1886
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 28.07.1886
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^r»7S.—«. -ilchsischer AbonnemrntSpreiS: Der »waütiische — jeden Wochentag Abmd (mit dem Dalum der folgenden Laäe^-önzeigkr^mit" Beiblättern kostet monatlich 60 Pfg. bei den Ausgabestellen in Chemnitz und den Vororten, sowie bei der Post. (Eingetragen unter Nr. 4633 t JmS.«.4. Quartal erscheintfürAbonnenten Sächsische» Eisenbahn.-ahrvlauheft. Im 4. Quartal erscheint für Abonnenten Ahreibnch («eihuacht-beigabe) d. Anzeigers. Verlag: Alexander Wiede, Vllchdnttkerrt, tfhemnitz. F«»-kS-A>?kiStl mit „Chemnitzer Stadt Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Mittwoch, 28. 3«!l IM. J«sertio«-prei-r, Raum einer schmalen KorvuSzeiklSPstz.; — Reklame (Ispaltige Petttzeile) MPfa.— VetWiederholung großer Annoncen Rabatt- Bei Bestellungen von Auswärts wolle «« JnsertionSbetrag (in Briefmarken) beifüg« ue8SilbenKorpu»schrift bilden ea. l Zeile). Annonceuannahmt nur bis Bormittaa. Jnserate nehmen außer der Verlag»- Expedition die Annoncen - Bureaur «l> Expedition und Redaktion: Chemnitz, Theaterstraße Skr. L. Telegramm-Adr.: Wiedel Anzeiger, Chemnitz. Fernsprechstell« Nr. 13». MM«: „Tägliches Unterhaltungsblstt" mi> hnmoristisih sslnstmter SiMMM „Lustiges Bilderbuch". Für di« Monat« August und September nrhmen dl« Postanstalten, sowi« in Chemnitz und Umgegend dl« Ausgabestelle« AbonnemkniSbestellnugeu anf de« .Sächsischen Lander-Anzeiger* mit feinen Beiblättern zum Preise von 1 Mark 20 Pfg. entgegen. Der Sächsische Lande». Anzeiger ist in der deutsche« Post-Zeitung» Preisliste -unter Nr. 4633, in der österreichischen unter Nr 2108 eingetragen. Im Beiblatt .Tägliche» Unterhaltung-blatt* beginnt Anfang August de« höchst fesselnde Roman: „Schwer geprüft" von Julius Keller. Abermalige« Beitritt «euer Abonnenten sieht entgegen die Verlags-Expedition des Sächsischen LandeS-Anzeigers. Amtliche Bekanntmachungen sächsischer Behörden. Da» ConcurSverfahren über das Vermögen de- Seilers Friedrich Clemens Demmler in Chemnitz wird, nachdem der in dem BergleichStermine vom 7. Juli 1886 angenommene ZwangSvergleich durch rechtskräftigen Beschluß von demselben Tage bestätigt ist, hierdurch aufgehoben. Chemnitz, den 26. Juli 1836. Königliches Amtsgericht. Der Schuhmacher und Handarbeiter Friedrich Oswald Meiuhardt aus KönigSwalde, zuletzt in G ablenz, hat sofort seinen Aufenthalt dem Unter zeichneten avzuzeigen. Chemnitz, den 26. Juli 1886. Der Königl. Amtsanwalt. Telegraphische Bkach*ichteir. Bom 26. Juli. Berlin. Der Gouverneur von Berlin, der General der Cavalieri« von Willis««, ist gestorben. Berlin. Di« Deck« de» Pergamon-Panorama» anf dem Kunst- anrstellnngSplatze gerieth gestern Abend in Brand. Da» Jener ward nach wenigen Minute« aber wieder gelöscht, da» Panoramagewälde und die KunstgegenfiSnde find ganz unbeschädigt. Berlin. Ueber den Brand im Panorama der Aurstellnng erfährt man an Ort und Stell«, daß nur da» unter dem Glasdach rmSgebreitete Schirmdach verbrannte. Da» Panorama selbst ist nahezu unverletzt, wurde aber nicht, wie ei« hiesige» Blatt meldet, von der Feuerwehr herabgerifse». Da» Panorama bleibt wegen der «öthigeu Reparaturen und der Besichtigung durch Verfichernng»beamte kurze .Zeit geschloffen, dürfte aber bald Wiede« besichtigt werde» können. Bayreuth. Uebermächtig und von unbeschreiblicher Erhaben heit war der Eindruck, de« die gestrige erste Aufführung von .Tristan und Isolde* im Bühnenftstspiklhause hervoraernfe» hat. ES ist dies Im? dritte Werk Wagner?., welches an dieser KunflfiSite endlich de« siegreichen Einzug halten durste, grau Sucher (Hamburg), die gottbegnadete Künstlerin, für deren Individualität die Isolde wie ge schrieben erscheint, die ihre Aufgabe völlig erfaßt und völlig bewältigt, Mal au» München, besten Tristan sich noch immer größer und ge waltiger gestaltet hat, Plank (Karlsruhe), Frau Ständig! (Karlsruhe) als äußerst charü»::!Me, in Spiel und Gesang vorzügliche Brangäne, und Wiegand (Hamburg), sie alle gestalteten im Vereine mit dem unter Felix Mottl, dem Karlsruher Hoskapellmelster, ganz Außerordentliche» leistenden Orchester das Werk in der Wiedergabe zu einer Schöpfung von bisher ««erreichter Einheitlichkeit, wie sie Wohl als Gipfelpunkt bisheriger künstlerischer Wiedergabe Wagnerischer Werke bezeichnet werdrn darf. DaS Hau» war ansverkanft und di« Zuhörer nahmen die Gabe der Künstler mit unsagbarem EnthufiaS- wn» entgegen. Wien. Cholera-Bericht anS Finm«. In den letzte« 46 Stunde« erkrankte» resp. starbt» 3/5. Rom. De« König spende»'? an Hinterbliebene au der Cholera Gestorbener ln Venedig 40.000- in anderen keine« Gemeinden 100,000 Fr. Triest. In den letzten 48 Stunden' ist keine neue Cholera- Erkrankung vorgekommen, von de« früher an der Cholera Er krankten find aber zwei gestorben. London. Eine Depesche de» »Lloyd* mer?kt ans Gibraltar vom 25. Juli: Der Hamburger Dampfer »Pünz Albrech'* scheiterte an einem Felsen, sich» Meilen östlich von Tanger. Wetz?" Einzel- heiten fehlen noch. Kopenhagen. Da» Meeting zu Ehre« de» Folkethintz-Pr>?st- drnteu Berg fand gestern in Marienlyst statt. Dasselbe war von nahezu zrhntansend Personen besucht und verlief sehr ruhig, obschon «erg eine heftige Rede gegen da» Ministerin« hielt. Der „Chemnitzer Soeialifteuproeetz" vor dem Landgericht in Freiderg. I'r. Freibrrg. den 26. Juli 1886. - I. Bereits im Lause de» gestrigen Tages trafen sämmtliche Angeklagte, von mehrere« ihrer hiesigen Partei-Genossen auf dem Bahnhof« empfangen, hier «in. Die hiesige Crimiual-Polizei, die diesen Empfang wohl vermuthete, war ebenfalls auf dem Bahnhofe verirrten. Die Angeklagten werden bei ihren Ausgängen von einem Criminalbeamteu, der sich selbstverständlich immer in angemessener Entfernung hält, begleitet. Die gegenwärtige GerichtSverhand- luna hat bereit» Ende September t>. I. die erste Strafkammer des Königl. Landgerichts zu Chemnitz beschäftigt- ES sind bekanntlich angeklagt die ReichStagSabgeordneten v-Bollmar, Bebel, Auer, Dietz, Viereck, Frohme, der hessische Landtagsabgeordnete Ulrich (Offenbach a. M,), der Bildhauer und Gastwirth Müller (Darmstadt) und der Schneidermeister Heinz«! (Kiel), an einer Verbindung Theil genommen zu haben, „deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der StaatSregieruug geheim gehalten werden soll, oder zu deren Zwecken oder Beschäftigungen gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzlich« Mittel zu verhindern oder zu entkräften. (Verletzung der ZZ 128 und 129 des Strafgesetzbuches.) Die Königl. Staatsanwaltschaft zu Chemnitz erblickte diese geheime Verbindung in der Abhaltung des im Sommer 1880 auf Schloß Wyden in der Schweiz und des im Frühjahr 1883 zu Kopenhagen staltge- frmdenen CongresfeS der Sozialdemolraten Deutschlands, an welchen di« Angeklagten geständlich Theil genommen haben. AIS weitere Beweis-Momente führte die Gezeichnete Auklagebehörde an: die sozialdemolratische Partei, zu bereu hervorragenden Mitgliedern di» Angeklagten gehören, besitze ein Organ, den in Zürich erscheinende» „Sozial-Demokrat", ferner einen AgitationSsondS, einen Nrchivfonds, einen SchristenfoudS u. s. w. -- Da» Chemnitzer Land gericht erkannt« jedoch auf Freisprechung, „da es weder al» erwiesen erachtete, daß innerhalb der sozialdemokratischen Partei eine gegen die erwähnten GcsetzeS-Paragraphen verstoßend« Verbindung bestanden» noch daß die Auge klagten einer solchen Verbindung angehört haben.* Di« seitens der Chemnitzer Staatsanwaltschaft gegen dieses Erkenntnis eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht für begründet erachtet, da» Urtheil aufgehoben und die Sache zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung an das Königliche Landgericht z« Freiberg verwiesen. Die Verhandlungen vor de« Schranken der ersten Strafkammer des hiesigen Landgerichts finde» u» SchwurgerichtSsaale statt. Den Gerichtshof bilden: Landgerichtsdirektor Bollert (Präsident) und dieLandgerichtSrätheOeser, Riebold, Jacobi undBursian(Beisitzende). Die Auklagebehörde wird, wie in voriger Verhandlung, von dem Oberstaats anwalt Schwabe-Chemnitz vertreten- Die Bertheidigung für sämmtliche Angeklagte führen wiederum die Rechtsanwälte Frey tag »-Leipzig und Munckel-Berlin. Die Angeklagten sind diesmal sämmtlich erschienen Be kanntlich wurde das vergangene Mal gegen v. Bollmar und Viereck nicht verhandelt, da diese krankheitshalber am Erscheinen verhindert waren. Der Chemnitzer Gerichtshof hat nunmehr die noch unerledigte Anklage gegen diese Beiden „der Einfachheit halber" an das hiesige Gericht verwiesen. — Eine förmliche Postenkette von Schutzleuten in Uniform und Civil ist vor dem Eingänge de» Imposante» GerichtSgebäudeS aufgestellt. — Den zahlreich erschienenen ZeitungS-Berichterstattern, unter denen man den aus Berlin aukgewiescnen Schriftsteller Christensen, bekannt aus dem Jhring- Mahlow-Proceß, bemerkt, sind die Plätze der Geschworenen elugeräumt Auch der Poljzeisecretär Lü h r S-Berlin, der im Aufträge des preußischen Ministeriums de» Jnnem die Verhandlungen stenographisch niederschreiben soll, nimmt am Bcrichterstattertische Platz. Der Zuhörerraum ist von einem distinguirten! Publikum überfüllt. Gegen 9 Uhr Vormittags erscheint der Gerichtshof. Nach Feststellung der Personalien erhebt Rechtsanwalt Munckel bezüglich der Angeklagten v. Bollmar und Viereck den Kompetenzeinwand. Das Reichsgericht habe lediglich die Angelegenheit, soweit dieselbe in Chemnitz verhandelt worden, vor das hiesige Gericht verwiesen. Da jedoch gegen die genannten Angeklagten in Chemnitz eine Verhandlung noch nicht stattgefunden habe, so sei bezüglich dieser Angeklagten nur das Chemnitzer Landgericht zuständig. — Oberstaats anwalt Schwabe widerspricht diesem Einwand. — Der Gerichtshof beschließt den Kompetenz-Einwand für unbegründet zu erklären, da einmal die Ange klagten gegen den Beschluß des Gerichtshofes, aus Verbindung der Angelegen- heit keinen Widerspruch erhoben haben und der Gerichtshof den Absatz 2 des 8 394 der Strasproceßordnung dahin auffaßt, daß er infolge des Beschlusses des Reichsgerichts bezüglich aller zu dieser Sache gehörender Angelegenheiten kompetent sei. ES wird alsdann in die Verhandlung eingetrelen. Nach Verlesung des ErSsfnungSbeschlusses wird zunächst der als Zeuge geladene Criminal-Ober- wachtmeister D übler-Leipzig in den Saal gerufen. Alsdann bemerkt auf Befragen des Präsidenten der Angeklagte Bebel: Ich erNäre im Namen aller meiner Mitangeklagten, daß uns die Anklage in keiner Weise trifft. Als das Sozialistengesetz in Kraft trat, wurde die bis dahin bestandene Organisation der sozialdemokratischen Partei aufgelöst. Eine geschloffene Organisation hat seitdem nicht mehr bestanden und konnte auch gar nicht bestehen, ohne der Polizei bekannt zu werden. ES war geradezu unmöglich, augesichts der vielen Tausende von Parteigenossen, die sich über ganz Deutschland vertheilcn, eine geheime Organisation zu unterhalten. ES wurde allerdings sehr bald eine neue Organisation geschaffen, wie sie jede andere politische Partei besitzt, die jedoch nicht- weniger als eine geschlossene Verbindung ist. Daß eine geschlossene Verbindung innerhalb der sozialdemokratischen Partei nicht bestanden hat, erhellt ans dem Umstande, daß keine festen Bei träge erhoben und keinerlei Verpflichtungen den einzelnen Parteigenossen auferlegt wurden. Es wurden lediglich freiwillige Beiträge gesammelt. Auch der weitere Umstand, baß wir ein Organ, den in Zürich erscheinen den „Sozialdemokrat" besitzen, spricht in keiner Weise für das Vorhandensein einer geschlossenen Organisation. Derartige Organe besitzen alle politischen Parteien. Eine Verpflichtung znm Abonnement puf das Organ für die ein zelnen Parteigenossen bestand nicht und konnte nach Lage der Dinge gar nicht bestehen. — Präs.: ES wird behauptet: Nach Erlaß des sogenannten Sozialistengesetzes ist wohl die Organisation der sozialdemokratischen Partei ousgclöst worden, eS würde jedoch sehr bald, theils im Anschluß an die Trümmer der bisher bestandenen Organisation eine neue Organisation, die vor der Staatsregierung geheim gehalten wurde, geschaffen? Bfhel: Ich wiederhole, eine geheime Verbindung hat niemals bestanden- Als »ach Jnkrasttreiett des Sozialisten-GesetzeS die Schläge gegen unsere Partei viel heftiger fiele», als sie «ach de» Erklärungen der Regierungs- Vertreter im Reichstage zu erwarten waren, als über Berlin und Umgegend der kleine Belagerungszustand verhängt wurde, eine ganze Reihe von Partei genossen, zumeist Familienväter, aus Berlin auSgewicscu wurden, als gleich zeitig alle bis dahin bestandenen Partei-Organe unterdrückt wurden und in folge dessen eine ganze Reihe von Parteigenossen existenzloS wurden, sahen sich eine Anzahl in Leipzig wohnender Parteigenossen, zu denen u. A. Lieb knecht, Hasenclever und auch ich gehörten, genöthigt, «in Comitee zu bilden, da» Sammlungen behufs Unterstützung dieser existenzlos gewordenen Partei genossen veranstaltete. Ms der Reichstag wieder znsammeutrat, gingen die Pflichten dieses ComiteeS ipso auf die jeweiligen sozialdemokratische« ReichStagS-Abgeordneten über. Dadurch bestand aber noch keineswegs eine Verbindung. — Präs: S? wurd? nun ein in Wvden abge- halten? — Bebel: Wir fühlten unS veranlaßt, «ns über baS Verhalte« bei den Wahlen u. s. w. auszusprechen. — Präs.: Weih"*'' wurde der Congreß in so gcheimnißvoller Weise ins Ausland einber'üfen? — Bebel: Weil wir einmal überzeugt waren, daß in Deutschland ein solcher Congreß nicht gestattet werden würde und weil wir andererseits wußten, daß, wen» wir den Congreß vorher bekannt gemacht hätten, die deutsch- Reichsregierung bemüht gewesen wäre, mittelst diplomatischer Verhandlungen das Tagen des Congreffe- zu vereiteln. — Präs.; Wer hat zu diesem Congreffe die Delegirten gewählt? — Bebel: ES wurde Niemand gefragt, ob er Delegirter sei, eS hatte auf dem Congreß jeder bekannte Partei« genoss- Sitz und Stimme. - Präs: Im Protokoll de» CougreffeS wird von Dclegirteu gesprochen? - Bebel: DaS hat wenig zu bedeuten- ES ist ja mögliF- daß einige Genossen, die auf dem Congreß erschienen, von den Ge nossen ihr.-r Heimath zum Congreß deputirt worden waren, ob und wie das geschehen, ist mir nicht bekannt. Ein geistiger Zusammenhang zwischen den einzelnen Parleigenosseu blieb allerdings nach wie vor bestehen. — Präs.: ES wurden nun auf dem Congreß bindende Beschlüsse gefaßt? — Bebel: Bindende Beschlüsse wurde» nicht gefaßt und konnten nach Lage der Dinge auch nicht gefaßt werden. Es konnten nur allgemeine Verhaltungsmaßregeln gegeben werden, bindende Beschlüsse konnten schon deshalb nicht gefaßt werden, da die Handhabung des SocialistenarsetzeS von Seiten der Polizeibehörden an fast allen Orten Deutschlands eine verschiedene ist. — Präs: Die Partei hat an vielen Orten Vertrauensmänner? — Bebel: Allerdings, diese sind aber von Niemandem gewählt, sondern ganz von selbst entstanden. Ich habe schon bemerkt, das geistige Band innerhalb der socialdemokratischen Partei blieb selbstverständlich auch nach dem Inkrafttreten des Socialisten-Gesetzes bestehen. Insofern bestand allerdings eine Organisation. Eine Organisation mit festen Normen ist keineswegs erforderlich, um das geistige Band der socialdemokratischen Partei aufrecht zu erhalten. Ich habe schon in Chemnitz gesagt: Wen» ich Willens bin, morgen Abend eine Versammlung abzuhalten, so brauche ich diesen Gedanken nur auszusprechen und er verbreitet sich wie ein Lauffeuer durch die Stadt, sodaß Tausende von Menschen die Versamm lung füllen. Da wir nun nach Erlaß des SocialtstengesetzeS in allen Orten bekannte Parteigenossen hatten, so wurden diese ganz von selbst Vertrauens männer, au die man sich in gewissen Angelegenheiten wendete. - Präs.: Auf den Congressen zu Wyden und Kopenhagen wurde nun über den Stand des „Socialdemokrat Bericht erstattet, über die Art seiner Verwaltung be- rathen und erklärt, daß der Socialdemokrat dar officielle Organ der Partei ist. Bebel: Die Expedition des „Socialdemokrat" hat allerdings über den Stand des Blattes < nicht erstattet, zumal uns ja dasselbe geistig nahe steht, und wir eS auch vielfach zu Kundgebungen benützen. Insofern ist eS unser ossicielleS Organ. Die socialdemokratische ReichStagS-Fraetion hat jedoch aus die Redactton oder Expeditton de» Blattes nicht den mindesten Einfluß. Ueber den Vertrieb des Blattes konnte eine Berathnng umsoweniger stattsinden, da derselbe sich nach den örtlichen Verhältnissen richten muß. Ich habe z. B. versucht, den „Socialdemokrat* per Kreuzband zu beziehen, die Ober-Post- direction hat mir jedoch erklärt, daß, da der „Socmldemokrat" in Deutschland verboten sei, mir derselbe nicht anSgehändlgt werden könnte. Ich beziehe seitdem den „Socialdemokrat* in verschlossenem Couvert. Ein solcher Bezug dürste in verschiedenen Orten stattfinden, während jedenfalls in vielen ande ren Orte» der Bezug in Packetform geschieht. — Auer: Nach Erlaß des SoclalistengesetzeS wurde von dem bekannten Most in London ein Blatt, ^ie „Freiheit", gegründet. In dieser wurde die socialdemokratische ReichrtagS-Fraktlou in heftigster Weise angegriffen, die Belheiliguua an den Reichstagswahlen als Ktndersvielerei bezeichnet re Eine ganze Anzahl Partei genossen hielten die „Freiheit, deshalb waren wir genöthigt, den Beschluß zu fassen, der „Socialdemokrat" ist ossicielleS Organ unserer Partei- Wie wenig Einfluß wir aber trotzdem auf die Redaction de» „Socialdemokrat" hatten, beweist der Umstand, daß die sycialdemokratische Reichstagsfraktion einmal von dem „Socialdemokrat" sehr heftig angegriffen wurde. — Präs.: In verschiedenen Orten Deutschlands haben BertrauenSmänner-Bersammlunge» stattgefunden? - Bebel: Allerdings, dies bedingt aber noch keineswegs eine feste Organisation. Alle diese Vertrauensmänner-Versammlungen haben unter den Augen der Polizei stattgefunden. — Auer: Ich hohe in Berlin selbst einer solchen BertrauenSmänner-Bersammlung beigewohnt, in der die Polizei zugegen war- — Ulrich: In Hessen waren sämmtliche Ver trauensmänner-Versammlungen bei der Polizei angemeldet. — Angekl. B iereck: Im Monat December v. I. Hab« ich und der Abgeordnete Liebknecht einer BertrauenSmänner-Bersammlung unserer Parteigenossen in Berlin beige wohnt. Die socialdemokratische ReichStag-fraktion wurde einfach von einigen Ge nossen aufgefordert, in dieser Versammlung, in der eS sich um Stellungnahme unserer Partei zu der damals bevorstehenden Stadtverordneten-Sttchwahl zwischen dem Antisemiten Piekenbach und dem Fortschrittler Bortmann handelte, zu erscheinen; diese Versammlung war polizeilich angemeldet und auch poli zeilich überwacht. Präs.: Auf dem Kongreß zu Wyden wurde beschlossen: das Wort „gesetzlich" aus dem Partei-Programm zu streichen, weshalb geschah das? — Bebel: Diese, Beschluß wurde gefaßt, weil damals all« Handlungen unserer Partei für ungesetzlich erklärt wurden. Zwei Jahr« später, wo die Handhabung des Sozialistengesetzes eine andere war, wäre dieser Beschluß nicht gefaßt worden- Der Beschluß hatte keineswegs die Bedeutung, daß un gesetzliche Handlungen unternommen werden sollten, sondern das Wort „ge setzlich" wurde angesichts der Verhältnisse für überflüssig erklärt und war ge wissermaßen der Ausdruck hochgradigster Erregung der Parteigenossen gegen die Handhabung de» Sozialistengesetzes. Auer: Ich habe noch zu bemerken, daß damals, wo die Polizei alle unsere Handlungen für ungesetzlich erklärte, wir vor die Alternative gestellt waren: entweder als politische Partei zu verschwinden oder weiter zu agi« tiren, soweit eS innerhalb des Rahmens des Sozialistengesetzes zulässig war. Da wir uns für letzteres entschieden, so hielten, wir wenigstens momentan die Bezeichnung „gesetzlich" für überflüssig. Dieser Beschluß hindert uns nicht, denselben, sobald äußere Verhältnisse wieder Platz greifen, wieder rück gängig zu machen; dies ist auch in der That geschehen, als die Handhabung des Sozialistengesetzes wesentlich durch das Eingreifen des Reichstages eine andere wurde. Ich erinnere, daß die Berliner Polizei zwei ReichStaaSabge- ordnete, die aus Berlin ausgewiesen waren, wegen Bannbruchs verhaftete, weil sie in Berlin erschienen, um ihren Pflichten als Abgeordnete zu ent sprechen. — Präs.: Auf dem Kongreß zu Kopenhagen wurde die Festsetzung der Parteisteuern auf die Tagesordnung gesetzt? — Bebel: DaS ist richtig, dieses Thema gelangte jedoch nicht zur Erör terung. Ich hatte als Vorsitzender de» Kongresses eine Debatte über diesen Punkt sür unzulässig erklärt, da ich mir sagte: eS könnte dies einmal die Be hörden auf die falsch« Vermuthtmg bringen, daß wir eine Lerbindnng unter hielten, andererseits war eS ja gar nicht möglich, «Inen Beschluß darüber zu fassen, da derselbe praktisch unausführbar gewesen wäre. — Auf Antrag des Oberstaatsanwalt» hält der Präsident dem Angeklagten Heinzel vor, daß er bei seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter in Kiel unumwunden zugestandeu habe, daß innerhalb der sozialdemokratischen Partei eine fest gegliederte Organisation mit festen Normen bestehe unh zwq; zu dem Zwecke, das Sozialistengesetz unwirksam zu machen. — Heinzel oeMerkt! Et wisse selbst nicht, wie er ein solches Protokoll habe unterschreibe« können. Er sei damals von einer längeren, sehr anstrengenden Geschäftsreise nach Hause gekommen, sei sehr leidend gewesen und habe Frau und einige seiner Kinder erkrankt vorgefunden. In diesem Zustande habe er ein mehr stündiges Verhör zu bestehen gehabt. Er sei bei demselben fast ohnmächtig geworben und wisse selbst nicht mehr, was er ausgesagt, noch weniger, was ihm der Untersuchungsrichter behufs Unterschrist vorgelesen habe. Jedenfalls könne er das, was in dem Protokoll stehe, nicht für richtig und von ihm ausgesprochen anerkennen. — Bebel: AIS ich von dieser Aussage hörte, sagt» ich sofort- das ist ja der größte Blödsinn, der mir jemals vorgekommen ist. Jedem vernünftigen Menschen muß einleuchten, daß die Unterhaltung einer Organisation, wie sie Heinzel zugestanden haben soll, sich nicht 14 Tage vor der Polizei verheimlichen läßt. Ich werde alsdann beantragen, ein Schrift stück zu verlesen, das das Berliner Polizeipräsidium im Jahre 1381 an alle Polizeibehörden Deutschlands gerichtet hat, in welchem letztere aufgesordert wurden, das Thun und Treiben der Sozialdemokraten genau zu beobachten und de« Berliner Polizeipräsidium darüber Bericht zu erstatten. — Hierauf tritt eine längere Mittagspause «in. Nach Wiederaufnahme der Verhandlung wird auf Antrag des Ober staatsanwalts das Protokoll über den Kopenhagener Congreß verlesen. ES he'ßt in demselben u. A., speciell in de« Bericht über den Stand der Partei: In den Bezirken, über die der kleine Belagerungszustand verhängt ist, Hai kl» Mni-t-r kianr nikerordevtlick entwickelt. LS baben in diesen 9»-- in alle» Ortest Leut« die Führung oer Namen nach bekannt waren. Auch der „Soc,au>enw..u. ... Deutschland» verbreitet, in denen die Partei Anhänger hat- Die Einnahmen der Partei betrugen im letzten Jahre 95000 Mk.; die Ausgabe» 92000 Mr.^ der augenblickliche Kaffenbestand 3000 Mk. — Auf Befragen des Präsidenten bemerkt Angekl. Bebel: Wenn das Protocoll objectiv gelesen wird, dann kann dasselbe nnr zu unseren Gunsten sprechen. Es ist ja auch in der An klageschrift gesagt: das Kopenhagener Protocoll sei bedeutend vorsichtiger als das Wydener Protocoll abgefaßt, trotzdem legt aber die Staatsanwaltschaft gerade aus das erstere das größte Gewicht- ES wird allerdings gesagt: SS sei in dem Protocoll nicht die ganze Verhandlung ausgenommen. Ich ver weise jedoch auf die Stelle in dem Protocoll, indem eS heißt: Ob der Cou- greß seine Schuldigkeit gethan, müssen di- Genossen aus dem Inhalt de» ProtocollS ersehen. Ich bemerke hierbei, daß da« Auklagematerial lediglich au» den von unS aus geschehenen Veröffentlichungen besteht. Ohne unser« Veröffentlichungen wäre ein Anklagematerial gar nicht vorhanden. Präs.: Wieso kam eS, daß der BertretertdeS „Socialdemokrat", ohne ein Mandat zu besitze», am Congreß theiluehme» konnte? Bebel: Ich habe schon heute Vormittag gesagt, daß nicht alle Congreßtheilnehmer Mandate besaßen, eS war dies durchaus nicht erforderlich, da der „Socialdemokrat" gewissermaßen officielles Parteiorgan war; so lag es nahe dem Vertreter des Blatte», der angegriffen wurde und der doch selbstverständlich Parteigenosse war, Sitz und Stimme aus dem Congreffe zu geben. Bus Befragen des Präsidenten bemerkt Bebel ferner: die Protokolle seien bisweilen insofern etwas unklar gefaßt, da die Namen der Redner nicht genannt seien. Es sei die» aus Rücksicht auf den Umstand geschehen, daß befürchtet wurde, die einzelnen Parteigenossen könnten nach Rückkehr vom Congreß nicht blo» von der Polizei, sondern auch von ihren Arbeit gebern gemaßregelt werden. — ES wird alsdann ein Artikel aus dem „So cialdemokrat" verlesen, in welchem von einem „Losungswort" gesprochen wurde. — Auf Befragen des Präs, bemerkt Bebel: Er habe keine Ahnung, wer den Artikel geschrieben, eben so wenig, was der Verfasser mit dem „Losungswort" habe sagen wollen. Ein Losungswort zum Losschlagen be deutet es jrdenfalls nicht; ein solcher Gedanke kann wohl in dem Hirn eines Most, nicht aber in dem eine- vernünftigen Menschen entstehen- — Der Präsident will nun ein« Reichstagsrede des Abg. Liebknecht verlesen. — Rechtsanwalt Munckel protestirt gegen die Verlesung und beantragt, event. den Abg. Liebknecht als Zeugen zu laden, der bekunden wird, daß er das, was hier im „Socialdemokrat" steht, nicht gesagt hat. — Der Oberstaats, anwalt verzichtet hierauf aus die Verlesung. — Es soll nun eine ReichStagS- rede des Angeklagten v. Bollmar zur Verlesung gelangen. — Die Ber- theidiger widersprechen auch dieser Verlesung, da die Abgeordneten sür ihre im Reichstag« gehaltenen Reden laut Verfassung nicht verantwortlich zu machen stnd- — Der Gerichtshof beschließt: Mit Rücksicht auf einen bereits vorliegenden diesbezüglichen Beschluß des Reichs bricht- di« Verlesung vor zunehmen. — ES heißt in dieser Rede: „Allerdings ist unsere Organisation bisher nicht zerstört worden, sie hat sich im Segentheil immer mehr befestigt." — Angekl.
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