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Hped. u. Redaktion rre-den-Reustadt v. Meißner «Sasse 4. Die Zeitung erscheint Tienftaß, Donuerft«, und Lonuaden» früh. Ndsnnt»entö- Preis: diertchährlMk. 1,50. Zu beziehen durch die iaiseriichen Post- anstaitcn und durch unsere Voten. Bei freier Liese ning in« HauS erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Pfg. Sächsische Verheilung. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Sandmann. Amtsblatt für die kgl. ArntShauptrnannschasten Dresden-Altstadt und DreSden-Neustadt, für die Ortschaften de- kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmau» MLLer in Dresden. Inserate werden bis Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: dieIspalt.Zeile15Pfg. Unter Eingesandt: 30 Pfg. Inseraten- Annahmestelleu: Die Arnoldische Buchhandluna, Jnvalidendank, Haasenstein L Vogler, Rudolf Mosse, G. L. Daube L Co. in Dresden, Leipzig, Hamburg, Berlin, Frankfurt a/M. ,u. s. w. Ar. 83. Sonnabend, den 16. Juli 1887. 49. Jahrgang. Politische Weltscha«. Deutsche- Reich. Nachdem der deutsche Reichs kanzler durch die officiöse Presse die Franzosen hat gehörig abkanzeln lassen, richtet er nunmehr auch einen kalten Wasser strahl nach Petersburg, um die dortigen Panslavisten, wtlche sich in ihrem Hasse gegen Deutschland immer mehr erhitzen, etwas abzukühlen. Die „Kölnische Ztg." bespricht nemlich in einem ersichtlich von maaßgebender Leite iaspirirtrn längeren Artikel den jüngst anläßlich der Abreise Boulanger'- in Paris stattgefundenen Skan dal und gelangt dabei, nachdem sie den ehemaligen Kritgömimster, welchen sie einen „Pomadegeneral" und einen „Clown und Lügner auf Ehrenwort" nennt, in sehr wenig schmeichelhafter Weise charakterisirt hat, zu folgendem Resultate: Dieser Boulanger ist derselbe Mann, der seiner Zeit die Verkörperung der französisch- russischen Bundesbrüderschaft darstellte, der sich zum Träger der gegen Deutschland gerichteten slavisch - galli schen Gemeinschaft gemacht hat. Wie mag man heute in Petersburg über den Helden denken, dem zu Ehren man die Freundschaft mit Deutschland als etwas darstellte, waS zu Zeiten annehmbar, zu Zeiten lästig, aber niemals nöthig wäre! Wir glauben, daß man^m innersten Empfinden sich des JrrthumeS schämt, den nicht nur daSmonarchische Gefühl, sondern auch der politische Verstand in Rußland sich hat zu Schulden kommen lassen. Zu wünschen wäre rS für die ganze Welt und für Rußland in erster Linie, daß der Enttäuschung über den Werth deS Generals Boulanger und feines Anhanges die Erkennt- niß davon folgen möchte, wo man russischerseitS die wahren und verläßlichen Stützen zu suchen hat; dieS zu hoffen, wagen wir freilich nicht. Im Ausland« glaubt man wenigstens nicht mehr an die Möglichkeit oder den Willen Rußlands, sich von der französischen Revanche-Partei loSzumachen; man sieht die Zeit eines Weltkrieges nahen und Deutschland auf den Schlacht feldern bluten, um daS zu erhalten, waS eS im Jahre 1870 erworben hat. Vielleicht erreicht diese Mahnung daS Ohr der Gewalthaber, in deren Händen die Ereignisse der nächsten Zeit liegen. Einer Meldung auS Wien zufolge ist in den dortigen Hoikreisen daS Gerücht verbreitet, Kaiser Franz Josef werde sich nebst seiner Gemahlin in den ersten Tagen deS August nach Gastein begeben, um daselbst den Kaiser Wilhelm zu begrüßen. — Kaiser Wilhelm ist Donnerstag Morgen, von Koblenz kommend, in Konstanz «ingettvffen, wo ihn der Großherzog und der Erbgroß- Herzog von Baden, sowie deren Gemahlinnen empfingen. Bon Konstanz auS setzten die hohen Herrschaften ge meinsam die Reise nach der Insel Mainau fort. — Fürst BiSmarck verließ Donnerstag Morgen Berlin, um fich auf einige Zeit nach Varzin zu begeben. Am Dienstag bestieg der deutsche Kronprinz mit seiner Familie die königl. Pacht „Viktoria und Albert", um sich nach EoweS auf der Insel Wight zu begeben. Bei der Abfahrt dampfte die Pacht infolge eine- miß verstandenen SignaleS rückwärts statt vorwärts und kollidirte so mit dem Truppentransportschiffe „OronteS." Die Pacht, obgleich beschädigt, konnte die Fahrt dennoch fortsetzen. Von den hohen Reisenden wurde Niemand auch nur im Geringsten verletzt. Nach einer Meldung der „Koblenzer Zeitung" beabsichtigt übrigens der Kronprinz im Laufe deS Herbstes in EmS eine Nachkur zu gebrauchen. Angesichts des HalSleidenS ist natürlich dem Kronprinzen auch daS Rauchen untersagt worden, ein Verbot, welches den hohen Herrn, der bekanntlich ein leidenschaftlicher Verehrer deS TabackS ist, äußerst schmerzlich berührt haben soll. Seitens verschiedener Blätter wurde bekanntlich die Behauptung aufgestellt, Prinz Ferdinand von Ko- burg bedürfe zur Annahme der bulgarischen Krone der Zustimmung deS Herzogs von Koburg und deS deutschen Kaisers. Hierzu wird nun von amtlicher Seite bemerkt: Die Frage, ob der Prinz der Zustimmung deS Herzogs von Koburg, deS Chefs seines HauseS, bedarf oder nicht, entscheidet sich nach den Bestimmungen des koburgischen HauSgesetzeS, welche un- nicht bekannt sind; dagegen ist auS der ReichSverfaffung nicht ersichtlich, inwieweit der deutsche Kaiser persönlich mit dieser Angelegenheit etwas zu thun haben sollte. Nach dem Berliner Vertrage vom 13. Juli 1878 hat daS Oberhaupt deS deutschen Reiche- bei der Wahl deS Fürsten von Bulgarien allerdings ein Wort mitzusprechen, aber nur in seiner Eigenschaft als Unterzeichner deS genannten Vertrages. Die Mit wirkung deS Kaiser- bei der in Rede stehenden Fürstenwahl ist also lediglich eine Folge der großmächt- lichen Stellung d«S deutschen Reiches; persönlich geht den Monarchen die Angelegenheit gar nichts an. Die „Nordd. Allg. Ztg." konstatirt, daß, obwohl der Kulturkampf glücklich beigelegt ist, der konfessionell« Streit zwischen den Protestanten und Katholiken in verschiedenen TageSblättern weitergeführt wird. DaS officiöse Blatt fährt dann fort: Allerdings muß man ja zugeben, daß eine gewisse innerliche Kraft und Stärke der religiösen Ueberzeugung wie deS kirchlichen LebenS sich darin kuvdgiebt, wenn die Angehörigen einer Kon fession auch in der Oeffentlichkeit energisch für die Wahr heit ihres Bekenntnisses eintreten. Aber die Art, in welcher neuerdings durch die Presse die konfessionelle Rivalität zum AuStrage gebracht wird und insbesondere der Ton und die Manier, mittelst welcher man in den Organen politischer Parteien für und wider die ver schiedenen Bekenntnisse polemisirt, legt doch den Gedanken nahe, daß eine auf diese Weise betriebene konfessionelle Polemik und Propaganda denen nur sehr wenig dienen kann, welche am religiösen und kirchlichen Leben wirklichen innerlichen und lebhaften Antheil nehmen. Ja, eS drängt fich unS sogar die Besorgniß auf, daß diese Art der Polemik schließlich nur denen von Nutzen ist, welche, auf rationalistischem und materialistischem Boden stehend, gerade unseren kirchlichen und religiösen Zielen entgegenarbeiten. Wenn man beachtet, mit welcher Befriedigung der demokratische Theil der Presse, der stetS den Rationalismus und Materialismus in kirch lichen Dingen begünstigt, die jetzt sich abspielende kon fessionelle Polemik verfolgt, so wird man erkennen, daß di« Art, in welcher dieselbe geübt wird, keiner der beiden Konfessionen neue und überzeugte Anhänger zuführen, dagegen die Reihen derjenigen verstärken wird, welche dem religiösen und kirchlichen Leben, wenn nicht direkt feindselig, so doch gleichgiltig oder fremd gegenüberstehrn. Die Aeußerung deS jüngst vom Reichsgerichte zu Leipzig verurtheilten Klein, er habe auS Patriotismus Spionage getrieben, wurde bekanntlich von dem Präsi denten deS genannten Gerichtshofes mit der Bemerkung zurückgewiesea, daß niemals ein größerer Mißbrauch mit dem Worte „Patriotismus" getrieben worden lei als in diesem Falle. Nichtsdestoweniger nehmen die französischen Zeitungen von obiger Aeußerung deS Ange klagten mit Genugthuung Akt. So glaubt z. B der „UniverS" auS jenen Worten Klein- den Schluß ziehen zu dürfen, „daß die Asfimiliruog der gewaltsam avnek- tirten Provinzen nicht vollendet ist, daß vielmehr dl« Gemüther, wenn auch zerknirscht, noch immer Wider stand leisten". Es scheint eine bedauerliche Verschlech terung der moralischen Grundsätze in Frankreich einge treten zu sein, denn ander- ist es doch wohl kaum zu erklären, daß man sich dort nicht «ntblödet, einen mit Geld bezahlten Spion — Klein hat 200 FrkS. monatlich erhalten — als Held und Märtyrer zu preisen. Anläßlich deS amerikanischen Unabhängigkeitskrieges ist ein Spira von dem Dichter Cooper verherrlicht worden; allein dieser Mann hat ausschließlich auS Vaterlandsliebe spionirt und sich niemals Geld oder anderen Vortheck zuwenden lassen. CS ist den Franzosen Vorbehalten ge blieben, einen bezahlten Spion zum Gegenstände ihrer Verehrung zu machen. ES dürfte nicht ohne Interesse sein, einen Blick auf die Frequenz der höheren Schulen in den Reiche- landen zu werfen. Im abgelaufeneo Wintersemester wurden die dort vorhandenen 29 öffentlichen höheren Lehranstalten von 6715 Schülern besucht und zwar ent fallen davon 3383 auf die Gymnasial-, 54 auf die Realgymnasial-, 2081 auf die Real- und 1197 auf die Feuilleton. Schatten! Kriminal-Novelle von N. I. Ander». <3. Fortsetzung.) Ein Verdacht lag gegen Niemand vor. Brem, der zuletzt mit dem Ermordeten gesehen worden war, er freute sich deS besten RufeS, lebte auch in so guten Verhältnissen, daß kein Mensch eS gewagt hätte, ihm eiu« solche That zuzumutheu. Außerdem war er der intime Freund deS auf so schreckliche Art um'S Leben Gekommenen und nahm sich gleich, nachdem er von der SchreckenSthat Kenatniß er halten, der Sache auf wahrhaft rührende Weise an. Gegen ihn also konnte auch die gemeinste Bosheit keinen Verdacht hegen und gegen eine andere Person auS dem Grunde nicht, weil weder vor noch nach der That eine solche bemerkt worden war. Die Gegend in der Nähe deS JnfelbergeS wird in den Sommermonaten meist von eleganten Touristen frequentirt, denen man die größte Aufmerksamkeit widmet, so daß eine außergewöhnliche Erscheinung um so mehr hätte auffallen müssen. Eine solche war nicht bemerkt worden, nicht einmal einen vagirenden Handwerks burschen, wie sie doch so häufig in von Touristen be lebten Gegenden anzutreffen sind, hatte man an jenem Tage gelben Vergebens bot die Polizeibehörde Ave- auf, um di« Spur d»S LhäterS zu ermitteln. Vergebens setzte die Regierung auf diese Ermittelung eine Belohnung von 300 Thalern. Alle Bemühungen waren vergeblich, eS schien, als ob daS Verbrechen, wie daS schon öfter geschehen, in Dunkel gehüllt bleiben sollte. Wie ein Alp lag dieses Bewußtsein auf der Be völkerung der Umgegend. Jeder fühlte eS: erst wenn daS Verbrechen enthüllt, der Missethäter entdeckt war, konnte man wieder aufathmen, konnte man frei den Ge schäften nachgehen. Der Fremde hatte lange und eifrig in dem Plane studirt, dann legte er denselben zusammen und stand auf. Die Sonne war inzwischen höher gestiegen und warf bereit-, trotzdem eS kaum acht Uhr sein mochte, ver sengende Strahlen hernieder. Auch unser Bekannter mochte daS fühlen, denn als er fich erhob, sandte er dem Ruheplätzchen, daS er verließ, einen fast wehmüthigen Blick zu Wer aber sein Be ginnen jetzt beobachtete, der mußte fich fragen, warum er fich denn nicht länger der Ruhe hingegeben hatte. Fast planlos streifte er in dem kleinen Gebüsche umher. Und doch schien er einen Plan zu haben. Jedem Blättchen, jedem Zweige, ja selbst dem Boden unter seinen Füßen widmete er die größte Aufmerksamkeit. Die Wirthin in dem Stationsgebäude hatte wohl recht, al- sie ihn für einen Gelehrten hielt. Bald schritt er langsam vorwärts, bald stand er wieder und maß mit den Augen die kurze Strecke, die er zurückgelegt hatte, wobei er seine Blicke stetS auf den Boden heftete, als wolle er gleich dem Jäger in der Prairie die Fußspu en deS WildeS oder eines Feinde- entdecken. ThörichteS Beginnen! Der steinige Fuß- Hoden nimmt keine Spuren auf, um sie festzuhalten und vielleicht so zum Verräther zu werden Wollte der Fremde, wie eS fast den Anschein hatte, dergleichen ent decken, so war eS vergebliche Mühe. Drei, viermal hatte er bereit- da- kleine Gebüsch durchschritten, wobei seine Blicke, vielleicht der getäuschten Hoffnungen wegen, immer finsterer wurden. Da plötzlia» bückte er sich und hob mit Hast einen kleinen Gegen stand von der Erde. Derselbe mußte einen hohen Werth haben. Vielleicht war eS eia kostbare- Juwel, ein Diamant, wie sie in dieser Gegend, wenngleich selten, gefunden werden, denn ein Freudevschimmer belebte seine Züge, al- er denselben betrachtete. Fassen auch wir den Gegenstand in'S Auge. ES war eine kleine Flasche, ähnlich denen, wie sie in Apo theken zum Aufbewahren von Tropfen verwendet werden. Dennoch betrachtete sie der Finder mit lebhaftem Interesse. DaS Fläschchen mußte Werth haben. Er besah eS nach allen Seiten und prüfte immer wieder die darauf befindliche Etiquette, als ob der kleine Gegen stand ein Räthsel enthielt, daS zu lösen er sich zur Auf gabe gemacht. Er öffnete daS Fläschchen und führte eS dann zur Nase. Er schüttelt« sich, wi« unwillkürlich Jed«r nach dem Einathmen einer betäubenden Atmo sphäre. DaS Fläschchen mußte wohl Chloroform oder eine ähnliche scharfe Substanz enthalten und wohl nur der Umstand, daß ,S fest verkorkt war, war schuld daran, daß der scharfe Geruch der Substanz sich lange Zeit erhalten hatte. Nach einer nochmaligen sorgfältigen Prüfung deS Fläschchen- schritt der Fremde auf einen Baum zu, entnahm seiner Tasche einen sogenannten Nick fänger, schnitt damit einen kleinen Zweig ad, fertigte mit staunenSwerther Virtuosität eine Art Kork, mittelst