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Nr. 90 68. Jahr- Freitag, den 20. April 1906 Fernsprecher: «ml Dresden Rr.pv». r-l-gr..«dr.: "7 Lwgaopreff« Vlasevitz. Di« .SLchfische D> d«ch di« ratierliche unsere Bvten. v« noch di« Zust Flllldorn'sch« «uchdruckeret, Dre-dev-Reust., Leipziger Gtr. NO, vi^Nchs.(V.Schmidt), «MlE-Erp., Dresd..«., L»üh«pl. L, G. Kohl in »eflelsdorf, — Hugo Müchler in kHtzschenbrotz«, Ott» Dittrich in Reitzendorf, — F. Müller in Leubnitz-Reuoftra, Art edelste S, pt. — Lmtl Rollau in Radebeul, — Rud Grimm in Dr-Wölfnitz, — Fried. Teuchert in Löss«Laude, — Otto lknuach in Cotta, — Fra» verw. Richter, Lofchwitz, Grundstr 1», Friedr. Wilh. Stötzner in Pillnitz, Bruno Schneider in Schönfeld, sowie sämtlich« Annoncru - Expeditionen Deutschland«. MI« «k Semrincken r»!l»vl», WicdvIN, Mt«tr»»ni«. ö»»»tMNr. NIItt« UN« Lorttb»««t. «itliriMur-vr»»» lür «ie Semein«en 8Iazra>!lr, Loichwilr, ll»«>«itr, lvrirr« Dmch un« kükläu. r»»«lm«I-tr M «ie rSttuItt»m«I»«t». Bitlagen: -Illustrierte- UrrterHnlttmg-blatt" -Nach Feierabend- -Han-- imd Gartenwirtschaft- tr --fremden- «nd AnrltAe-. Druck «ad Berlag: ElLgau-BuLdruckerei und BerlagSanftalt Hermann Beyer L Co., Blasewitz; veraatwortl. Redatteur: Paul Limme, Blasewitz. > i Inserat« wstt dte «-g«sp- Pettttz-kl« löPf.,die Für di« »ufnahm« von «nzrißen an bestimmter Stelle wird kein« " G«utti« abenunnme». Die B«»un»a«bStr durch Voten oder Post btträgt 1^0 BL Dir «ezug-geou, o«m " df für jeden Monat. and «lbgau-Preffe- ist »u bezteh« alten, die Landbriesträaer und durch ieferung in» Han« erbebt di« Post ahr von 4» Pf oiertetzchrlich. - - Äihslslhk Wetterprognose des Söntgl. GLchs. Meteorologische« AnfttttttS zu DreSde». Freitag, den 20. April 1906: Witterung: Regnerisch. Temperatur: Normal. Windursprung: Westwind. Luftdruck: Tief. Das Kaistttelegramm. Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Wenn man nun auch nicht überall die Marokko-Konferenz von Alge- ciras zu den großen Ereignissen zählen wird, so gehört sie doch zu denen, die ihre Schatten nicht nur vorausgeworfen, son dern auch noch nach sich gezogen und als Stimmungen und Verstimmungen zum Ausdruck gebracht haben. Ja, es schien einen Augenblick lang sogar, als ob das in Algeciras mühsam erreichte Einvernehmen in die Brüche gehen sollte, ehe es Prak- tisch noch recht ins Leben getreten war. Ängstliche Gemüter knüpften alle nur denkbaren Folgerungen an das dem öster- reichisch-ungarischen Minister des Auswärtigen Grafen Golu- chowski von unserem Kaiser gespendete Lob für die Unterstütz ung 'der deutschen Vertreter auf der Marokko-Konferenz und erblickten darin den Vorboten des Abfalls Italiens vom Dreibünde und eine Ursache zn Verstimmungen in Peters burg und sogar in Wien. Selbstverständlich ist von alledem keine Rede. Das Telegramm entsprach lediglich einer For derung der Gerechtigkeit, zu deren Erfüllung sich unser Kaiser um so mehr gedrängt fühlte, als der Reichskanzler Fürst von Bülow infolge seines Ohnmachtsanfalles während der Ma rokko-Debatte im Deutschen Reichstage verhindert wurde, bei dieser Gelegenheit die beabsichtigte zweite Rede über Deutsch lands auswärtige Politik im Allgemeinen zu halten. Was zunächst die angeblichen Verstimmungen in Öster- reich-Ungarn anlangt, die durch die Fassung der kaiserlichen Kundgebung entstanden sein sollen, so lehrt der Augenschein, daß auch die Form des Telegramms nicht den entferntesten Anlaß zn einer Verstimmung bieten konnte. Nörgler und Störenfriede haben hcransgctüftelt, daß die an den Grafen Goluchowski gerichteten Worte: „Sie haben sich als brillanter Sekundant auf der Mensur bewährt", der Großmacht Östcr- Wider den Applaus Manch einer wird sich wohl schon die Frage vorgelegt haben, warum die Leute im Theater, im Konzertsaal in ein Getöse ausbrechen, wenn ihnen etwas gefällt, in ein Getöse, das um so lauter ist, je größer und reiner der künstlerische Genuß war, wie die Leute behaupten. Man sollte meinen, gerade dann ist man am allerwenigsten aufgelegt, einen der artigen Lärm mit Klatschen, Bravorufen und Trampeln zu dollführen, wie er bei uns immer ärger Sitte geworden ist. Warum tut man so? Um die Künstler zu ehren? Um sie noch einmal zu sehen? Und wie zu sehen? Der verstorbene Wal lenstein wird wieder lebendig und verbeugt sich lächelnd, da mit man ja nicht glaube, er sei wirklich tot. Oder warum sonst? Die Klänge der Oper, der Symphonie sind kaum ver rauscht, da knattern die „Salven" der Begeisterung so er schrecklich los, daß einem Hören und Fühlen vergeht. Und !>as sind musikalisch sehr gebildete Leute, die mittun in der Mißhandlung des allgemeinen Ohrs. Merkwürdig aber, daß sie dieselbe Messe, die sie im Konzertsaal anscheinend aus in nerem und unabweisbarem Bedürfnis beklatschen, in einer Kirchenaufführung ganz still hinnehmen können. Und wie ist es mit einem schönen Gemälde, einer Bildsäule? Ta müßte dann von Rechts wegen doch auch ein jeder seinem Herzen vernehmlich und sichtbar Luft machen, entweder durch den Applaus, oder durch feuriges Tanzen und Springen nach beendeter Betrachtung des Kunstwerks. Doch lassen wir unvoreingenommen die Beifallfreudi- gen erwidern. Sie sagen: Um in den Künstlern die Kunst zu ehren, darum klatschen und jubeln wir. Denn was ist na- türlicher, was ist menschlich schöner als die Plötzlich hervor- brechende Regung des Dankes für die erhebenden Genüsse kr Kunst?! Und wenn nun auch der Künstler, der erfin dende oder der ausübende, seinen Anteil an diesem Danke be reich-Ungarn eine untergeordnete Rolle zuwiesen. Wir brau- chen nicht zu sagen, daß unser Kaiser dies gerade so wenig ge- wollt hat, wie in den leitenden Kreisen der verbündeten habs burgischen Doppelmonarchie seinen Worten eine derartige Deutung gegeben worden ist. Der Ausdruck «brillanter Se kundant auf der Mensur" war ein bildlicher, und man darf sagen, daß dieses Bild ein außerordentlich treffendes war. Eine Schlacht ist in Algeciras doch nicht ausgefochten worden: es hat sich dort vielmehr lediglich um eine Kraftprobe gehan delt, die mau bildlich sehr wohl als eine Mensur bezeichnen kann. Da der unblutige Waffengang lediglich zwischen Deutsch- land und Frankreich stattfand, Lsterreich-Ungarn aber nicht zu den Paukanten gehörte, so liegt auch für eine Großmacht nicht die geringste Herabsetzung darin, wenn sie als der bril lante Sekundant bezeichnet wird. Ist doch die Rolle des Se kundanten in keiner Weise eine untergeordnete, sondern in sofern, als er die Führung kommentwidriger Waffen und Hiebe seitens des Gegners zn verhindern hat, eine höchst ehrenvolle. Von der angeblichen Verstimmung Rußlands, für die schlechterdings auch kein Grund ersichtlich ist, sind gleichfalls keinerlei Anzeichen zu entdecken. Deutschland hat seine Quit tung über das bekannte Doppelspiel der russischen Regierung anläßlich des Marokkohandels prompt vorgelegt, indem es jede Beteiligung an der Z^-Milliarden-Anleihe zurückwies. Diese Festigkeit hat in Petersburg besser gewirkt als ein Dutzend Freundlichkeiten. Und nachdem die neue Riesenan leihe außerhalb Deutschlands glücklich untergebracht ist, be müht man sich ip Petersburg in weiser Voraussicht unver meidlicher Zukunftspumpcreien, Deutschland Liebenswürdig keiten zn sagen. In dem Danktelegramm des Zaren an den russischen Konferenz-Vertreter Grafen Cassini heißt es: Ruß land unterstützte unveränderlich das verbündete Frankreich scheiden zu sich nimmt, und seinerseits als Mensch zu danken sich verpflichtet fühlt — ist dies wirklich ein so störendes ästhetisches Vergehen? Weiter ließe sich vom Standpunkt des Künstlers auf den Ansporn, auf die hohe Ermutigung Hinweisen, die in dem lauten Jubel einer festlich erregten Menge enthalten ist. Wir Preisen, so sagen die Künstler, die alten Griechen um der ungebrochenen Heiterkeit und Schön heit ihres Daseins willen, wir sollten uns nicht scheuen, gleich ihnen in lauten Jubel auszubrcchen, wenn uns die göttliche Kunst eine olympische Stunde geschenkt hat. Bei aller Einsicht in diese Gründe ist zu entgegnen, was wir in den Mitteilungen des Türerbundes lesen: Gewiß ist es dem Menschen ein natürliches Bedürfnis, auf Eindrücke irgendwie zu reagieren. Wenn etwas Lustiges geschieht, z. B. auf der Bühne, so lacht man drüber, auch recht laut, und es wird gewiß keinem einfallen, dies zu tadeln. Umgekehrt löst ein trauriger Vorgang traurige Gemütsbewegungen aus: man hält den Atem an, man ist erschreckt, erschüttert. Aber daß man nun die Erheiterung auf der einen, die Er schütterung auf der anderen Seite wiederum erst durch den heute üblichen Lärm des Beifallklatschens, ja überhaupt durch irgend welche gemeinsame Kundgebungen auslösen müßte, pünktlich nach Schluß des Aktes oder der Aufführ, ung, das ist doch kaum ganz logisch zu begründen. Hier liegt in der Tat wohl nur eine Angewöhnung vor. Aber warum liegt sie vor? Auch das Grundloseste ge schieht doch nie ohne Grund? Wir sagten: man kMtscht, um den Künstler zu ehren. Man zischt und Pfeift, wenn sein Werk mißfällt. Das heißt, man möchte dem Dichter, Ton- dichter, dem Schauspieler oder Sänger und Musiker die Wirkung seiner Kunst gleichsam handgreiflich gesammelt darbringen, und gleichzeitig den Dank oder Undank für diese Wirkung. Wenn nun aber weiter gesagt wird, auf solche Art spräche die öffentliche Meinung ein gerechtes Urteil, so pfle- und verletzte in keinem Punkte die seit alter Zeit bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu Deutschland. Was endlich Italien betrifft, so konnte dieses für seine Haltung in Algeciras von Deutschland keinen Dank erwarten, da es einen solchen nicht verdient hat: es hat auch keinen Grund, mißgünstig auf die wohlverdiente Anerkennung Lster- reich-Ungarns zu blicken. In Algeciras war auch das Drei- bund-Jnteresse als solches weniger engagiert, so daß auch jetzt der Bestand des Dreibundes nicht ohne weiteres als ge fährdet angesehen zu werden braucht. Nachdem der Drei bund 1891 auf 12 Jahre verlängert worden war, erfolgte, noch vor Ablauf dieser Frist, im Juni 1902 eine zweite Ver längerung des Bundes, von der allerdings nicht bekannt ge worden ist, auf welchen Zeitraum sie sich erstreckt. Es ist also immerhin möglich, und gewisse vom Reichskanzler Fürsten v. Bülow vor Jahr und Ta« abgegebene Erklärungen machen eg nicht ganz unwahrscheinlich, daß Italien einmal über Erwar ten schnell aus dem Dreibunde scheidet und nur noch der Zweibund Teutschland-Qsterreich-Ungarn bestehen bleibt. Wir können schließlich aber auch dieser Eventualität mit Seelen- ruhe entgegenblicken. - srchßscht Nachricht». Dresden. —* Der König unternahm gestern nachmittag mit den Prinzen einen Ausflug nach Niederwartha und wohnte abends dtr Vorstellung im Opernhause „Zar und Zimmer mann" mit dem Kronprinzen bei. — Heute nachmittag 4 Uhr 4 Min. begab sich der König in Begleitung des Flügeladju tanten Oberst v. Wilucki nach Zittau zur Auerhahnpirsch, von wo er Sonnabend Vormittag zurückkehren wird. gen doch bekanntlich gerade die Künstler die Stimme des Volkes, die sich, beispielsweise durch den üblichen Premieren- radau, wider sie erklärt hat, mehr oder minder heftig als unmaßgeblich abzulehnen. Und schließlich mit Recht. Nur sollten sie dann logisch sein und auch auf den entsprechend ge spendeten Beifall kein Gewicht legen. Denn in ihm kommen weniger die besten Gründe als vielmehr die stärksten und dauerhaftesten Hände zu Wort. Die Griechen, ja, sie em pfingen wohl auch den Sieger im Wettlauf mit lautem Zu ruf. Ihr Beifall erfand sich aber meist würdigere Formen, sie berieten und gaben verständig den Lorbeer an den, der sie am tiefsten ergriffen hatte. Da hatte denn der Kranz auch seinen Wert, weil alle Welt wußte, warum und von wem er kam. Bei uns wissen das die wenigsten, und selbst auch die nicht immer, die den Künstler so auf eigene Faust krönen. Man glaube doch nicht, daß ein Künstler im Zweifel darüber sein könne, wie sein Werk gewirkt hat. Das ersieht er ganz genau daraus, ob viele oder wenige nach ihm verlangen. Und schließlich muß auch ihm jene Wirkung die liebste sein, die den Schöpfer über dem Geschaffenen vergessen läßt. Smß, WUeisch«ft ind Mini. Der „Kölner Männer-Gesarrg-Verein" in Dresden. Männerchöre haben immer etwas Erhebendes, Schönes! Selbst wenn dieselben in einem bei Frühling-Wetter durch Uebersüllung bis zur Siedehitze erwärmten Saale erklingen. - Zumal aber, wenn ein mit Recht weit über die Grenzen seiner Heimat berühmter Männer-Gesang-Verein wie der Kölner sie zu Gehör bringt. Dann geht das Erhebende, Schöne noch einen Schritt weiter: e- wird zum Feierlichen, zur Andacht! Und so war eS gestern. Der Kölner Männer. Gesang. Verein war mit 160 seiner 800 aktiven Sänger . vom Rhein zur Elbe gezogen, nm uns seine Weihegrüße mit