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Der Bote vom Geising vnd Müglitztal Zeitung Bezugspreis für den Monat 1.25 NM. mit Zutragen. Anzeigen: Lie t gespaltene 65 mm breite Korpus- zcile oder deren Naum 26 Pi., die 86 mm breite Reklame- u. Eingesandtzeile od. der. Raum 40 Pf. Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag. Donnerstag und Sonnabend mittags. Wöchentliche Beilage: .Neue Illustrierte'. Monatsdeilage: .Rund um den Geisingberg". Bezirksanzeiger für Altenberg. Geising. Lauenstein, Bärenstein und Umgegend. 2n diesem Blatte erscheinen die amtlichen Bekanntmachungen der Amtsgerichte Altenberg und Lauenstein, sowie der Stadtbehörden Altenberg. Geising. Lauenstein und Bürenstein. 7 und Verlag: F. A. Kuntzsch. Altenberg. — Für die Schnsttettung verantwortlich: Flora Kuntzsch, Altenberg. — Fernipr.: Lauenstein 427. — Postscheck Dresden 11811. — Gemeindegirokonto Altenberg 11 64. Iahrg. Dienstag, den 9. Juli 1929. Nr. 79. Krisis in Frankreich. In Paris ist eine neue Krisis ausgebrochen. Das Pomcars befindet sich in großer Bedrängnis. 7 bOrtzerlichen Demokraten, die den irreführenden Namen N. Klaljozialisten führen, scheinen mit den Sozialisten § 'lutz aus die Außenpolitik gewinnen zu wollen und c- chloren zu sein, für den Fall, baß ihrem Programm st e Rechnung getragen wird, die Regierung Poincare zu stürzen. In der Kammer herrschte am Freitag fieberhafte Biegung. Nicht nur, daß der Finanzausschuß den Wirr warr in der Ratifizierungsfrage aufs höchste gesteigert düi, ein zweites Lewitter zog dadurch herauf, daß der L: geordnete Dormann, ein Kriegsmoalide, seinen Streit mit kcm Innenminister Tardieu zu einer Interpellation um- gntallete. Dormann behauptet steif und fest, mit an- gk chen zu haben, wie der Polizeipräsident Chiappe bei rmer Kundgebung der Kriegsteilnehmer von einer Frau glöhrfeigt worden sei. Tardieu bestritt das und drohte der Stellung der Vertrauensfrage bei der Beratung ker Interpellation Linig«ng auf Kosten der Rheinlandränmuvg? Der am Sonnabend abgehobene Ministerrat prüfte r: nehmlich die durch Lie gleichlautenden Beschlüsse des Kammerausschusses für Finanzen und auswärtige An liegenheiten geschaffene Lage. Dem Mehrheitsbeschluß leier beiden Ausschüsse zufolge sollen die Vorbehalte zu ^en interalliierten Schuldenabkommen in die Ralifizierungs- -cstye selbst cingefügt werden. Die Regierung kam ein- i: mmig zu der Auffassung, den bisher vom Mimsterprä- rdmten Poincars vor den Kammerausschüssen dargelegten -Endpunkt beizubehalten. Sie erachtet den Vorschlag der beiden Ausschüsse zur Vorbehaltsfrage als unannehm bar und wird bei der Beratung der Ratifizierungsgesetze in der Kammer eindeutig ihre Auffassung zum Ausdruck drii'gen. Damit will sie es auf einen öffentlichen Aur- des zwischen Regierung und Kammerausschüsfen aus- gtl ochenen Konfliktes ankommen lasten. Die Regierung !Ü der Ansicht, daß die Beratung dieser Gesetze angesichts dci Kürze der bis zum 1. August zur Verfügung stehenden Ze i sobald wie möglich stattfinden solle. Slc gelangte zu der Überzeugung, daß die Vereinigten Staaten aus ke n Fall sich mit der von den Kammerausschüsfen vor- 8» lagenen Art der Ratifizierung einverstanden erklären Leiden. Bei dem gegenwärtigen Stande der Dinge rechnet dic Regierung wohl auf die Unterstützung der Gruppe N rrin, obwohl diese im Augenblick in Presse und Ver sammlungen einen heftigen Feldzug gegen die Ratifizie rt g unternimmt. Wenn die republikanische Vereinigung c Voraussicht nach in ihrer Mehrheit nunmehr zum all bereit ist, so dürste dieser Stimmungsumjchwung a!. Schachzug gegen die Haltung der Linksparteien zu u len sein, die ihre Zustimmung zu der Ratifizierung vc der sofortigen und bedingungslosen Räumung der lande abhängig machen. Da die Ratifizierung auf ai Fälle mit Unterstützung der Rechten oder Linken er- so^en wird, sucht nun die republikanische Vereinigung, di ch eine Änderung ihrer bisherigen Haltung die vor- Zl ze Rheinlandräumung nach Möglichkeit zu hintertreiben. Amerika bleibt fest. Die Regierung der Vereinigten Staaten Hal die fran- - abe Regierung wissen lassen, datz Amerika das Mellon- - nger Abkommen nicht ratifizieren werde, wenn Frank- rem das Abkommen mit tur Kriegsentschädigungsfrage verbinde. England will rasche Räumung. Im englischen Unterhaus gab es eine große Debatte ü^r dic Außenpolitik Chamberlain, Englands früherer dluizenminijter, unterhielt sich vor Beginn der Debatte mit H Eberson und erklärte dann, das ganze englische Volk u einig in der Forderung, daß das Rheinland so batv wi- möglich geräumt werden müsse. In seiner Erwiderung stimmte Henderson der Auf- ^!>ung Chaimberlains zu, wonach nur eine vollständige, ^uchzUlige und sobald wie möglich dnrchzuführende Räu mung des Rheinlandes den Zwecken des Friedens diene. Dre Rhcinlondräumung könne von Deutschland aus Gründen der Billigkeit verlangt werden, da er sich davon habe überzeugen können, daß Deutschland alle Bedingungen erfüllt habe, die für die Sicherheit verlangt worden seien. Line isolierte englische Räumung würde die deutsche Re gierung vielleicht sogar beunruhigen. Die französischen und belgischen Truppen müßten gleichzeitig mit unseren Truppen zurückgezogen werden. Aus der diplomatischen Korrespondenz habe er ersehen, daß auch von franzö sischer und belgischer Seite einer baldigen und gleichzei tigen Räumung keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereitet werden dürften. Das Unterhaus könne sich dar auf verlasten, daß auf der beoorstehenen Reparationskon ferenz jeder mögliche moralische Druck im Interesse einer vollständigen Rheinlandräumung ansgeübt werden werde. Tagungsort der politischen Konferenz: London. „Lrchange Telegraph" verbreitet eine Information, wonach bei den Besprechungen zwischen England und Frankreich über Ort und Zeitpunkt der Reparation»- und Rhcinlandkonferenz die englische Regierung die fran zösische Regierung dahingehend verständigt hat, daß Eng. land darauf besteht, daß London als Tagungsort gewählt werden soll, und zugleich die Hoffnung ausgesprochen hat, daß die Konferenz sobald wie möglich abgehalten werden möge. Die Reichsreform im Werden. Berlin, 7. Juli 1929. Amtlich wird mitxeteilt: Am 5. und 6. Juli 1929 berieten unter dem Vorsitz des Reichsministers des Innern Severing die beiden Unter ausschüsse der Länderkonferenz über die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Reich und Ländern sowie die Or ganisation der Länder und den Einfluß der Länder auf das Reich. Zugrunde lagen der Behandlung der Or- ganisationsfrage das Lemeinschaftsreferat von Brecht (Preußen), Poetzsch-Heffter (Sachsen), Bolz (Württemberg), Petersen (Hamburg) und der Zuständigungsabgrenzung das Gemeinschaftrreferat von Koch-Weser (Reich), Brecht (Preußen), Remmele (Baden), Horion (Rheinprooinz), ferner zu letzterem Fragenkreise die Referate von Held (Bayern) und Remmele (Baden). Über beide Fragen kreise fand eine eintägige Generaldebatte statt.' Daran schloß sich eine SpezialdebaNe über die Zuständigkeitsver- teilung. In ihr wurden verschiedene Abänderungsvor schläge mit wechselnden Mehrheiten teils angenommen, teils abgelehnt. So war das Stim»enverhält«is fSr einen Übergang der Justizverwaltung anf das Reich 6 zu 5. In der Gesamtabstimmung wurde das Gemeinschafts referat mit 9 zu 2 Stimmen angenommen. Seine neue Fassung wird demnächst veröffentlicht. Klatsch«. / Das Preußenkonkordat Gesetz. Der Preußische Land- tag beendete am Freitag die zweite Lesung des Staats vertrages mit dem Vatikan. Artikel 1 wurde mit großer Mehrheit, aus der sich nur die Volkspartei und die Kommunisten ausschlosten, angenommen. Artikel 2 wurde nach Ablehnung sämtlicher Änderungsanträge mit drn Stimmen der Regierungsparteien und der Wirtschajts- Partei genehmigt. Die dritte Lesung ist für Len Dienstag in Aussicht genommen worden. Ministerpräsident Braun gab namens der Staalsregierung die Erklärung ab, daß die Regierung einmütig auf dem Boden des demokrati schen Antrages stehe, nämlich unverzüglich in Derhand- lungen mit der evangelischen Kirche zwecks Abschlusses von Verträgen einzutreten. Unbefugte Anwesenheit französischer Pioniere im Saargebiet. In der Saarbrücker Landeszeitung wird mitgeteilt. daß seit Freitag voriger Woche ein französisches Pionierkommando von 18 Mann und 2 Offizieren bei dem Orte Mechern im Kreise Merzig photographische Aufnahmen machte und Vermestungen vornehme. Das Blatt richtete an die Saarregierung die Anfrage, ob sich das Militärkommando dort mit ihrem Wissen und ihrer Genehmigung aufholte und tätig sei? Wenn ja, wer habe die Genehmigung erteilt und wie rechtfertige die Regierungs kommission die vom Völkerbund untersagte Anwesenheit und Tätigkeit? Wenn nein, was gedenke die Regierungs- kommijsion zu tun, um 1. die von der Truppe gemachten Aufnahmen an sich zu bringen und die von ihr der Be völkerung zugefügten Schäden zu ersetzen, um 2. das Militär bald über die Grenze zu schicken und um 3. Ge nugtuung für die grobe Völkerrechtsverletzung zu erhallen. Wiederaufleben des Sklavenhandels. Der Dölker- bundjachverständige Dr. Meizan in Jerusalem hat dem Völkerbund seinen Bericht über das Sklavenwesen und den Negerhandel übersandt. Das Ekaoenwesen erstehe in Arabien, im Sudan und in Abessinien wieder. Man ver kaufe jährlich mehr als 2000 Negersklaven. Im Hedschas bestehe eine Steuer von 300 Frank für jeden Verkauf eines Sklaven. Im Hafen von Dschiddah sei der Sklaoen- markt ganz nahe bei den Konsulaten der europäischen Mächte. Der König Ibn Saud bcsitze selbst mehrere hundert Sklaven, die seine Ländereien bearbeiten. Der Durchschnittspreis eines Sklaven betrage ungefähr zwei tausend Mark. Der Preis für junge Negerinnen jei be deutend höher. Der Preis für alte schwanke zwischen 400 und 800 Mark. Auf dem Gebiete des Bemen sei die Sklaverei derart verbreitet, daß die Zahl der Sklaven schon größer sei als die der freien Männer. Jeder Mo hammedaner besitze mindestens einen Sklaven Russischer Veemflussuugrvrrsuch im Dokumenten» fälscherprozeß Orloff? 2m Dokumentenfälscherprozeß Orloff in Berlin gab es am Sonnabend eine Sensation. Der Verteidiger Fuchs gab eine Erklärung ab, in der es heißt: „Der hier anwesende Vertreter der Sowjetbotschaft hat in einer Unterredung mit dem von der Verteidigung geladenen Sachverständigen Dr. o. Boß diesem gedroht, wenn sein Gutachten ungünstig für die Sowjetregierung ausfalle, so werde die Sowjetregierung dies gewisser maßen als Kriegserklärung betrachten und ihre Konse quenzen ziehen. Ich weiß, so fährt der Verteidiger fort, daß die Prozeßbeteiligten immun find gegen den Bazillus bolschewistischen Terrors, aber ich bitte doch den Vor sitzenden, solche Versuche von Sowjetseile, in den Gang der deutschen Rechtspflege einzugreifen, entschieden zurück zuweisen. Ich bitte daher um den Schutz des Gerichtes für den Sachverständigen o. Voß." Dr. v. Voß äußerte sich darauf wie folgt: „Das Gespräch mit dem Pressechef der Sowjets geschah nicht während des Prozesses, sondern vor Beginn des Prozesses. Ich besuchte Len Pressechef Stern und fragte ihn, ob er mir von seiten der Sowjets Material für mein Gutachten zu gelben habe. Darauf erwiderte mir Herr Stern: Die Regierung der Sowjet«, oder wie er sich ausdrückte, wir betrachten Ihr Auftreten in dem Prozeß als Gutachter als einen feindseligen Akt. Das Wort Kriegserklärung hat er nicht gebraucht. Als ich ihm daraufhin erklärte, daß er mich dadurch unter einen unerlaubten Druck setze, weil ich in meiner beruf lichen Tätigkeit auf die Unterstützung der Sowjets ange wiesen bin, versuchte er, mich auf ein bestimmtes Gut achten festzulegen. Ich lehnte auch das unter Hinweis auf meine Pflicht und mein Gewissen ab. Dr. v. Voß knüpfte an diesen Bericht folgende Betrachtung. Ich sehe in diesem Verfahren des Herrn Stern den Versuch eines Gewissenszwanges und einer unerlaubten Einmischung der Sowjctbchörden in ein deutsches Gerichtsverfahren. Ich erwarte, daß die Sowjets ihren Pressechef desavouieren und ihm nicht ferner gestatten werden, das Amt eines Pressechefs in Deutschland auszuüben". Der Pressechef Stern, der der Verhandlung beiwohnte, erklärte, daß er ohne Ermächtigung seiner vorgesetzten Dienststellen keine Erklärung abgeben durfte. Aman Ullah in Marseille. Lrkönig Aman Ullah von Afghanistan, der Sonnabend an Bord eines engli schen Dampfers in Marseille eingetroffen ist, war von seiner gesamten Familie, also der Erkömgin, der Königin mutter, seinen fünf Söhnen und drei Töchtern sowie von einem fünszehnköpfigen Gefolge begleitet. Er wird zwei bis drei Tage in Marseille bleiben und dann nach Rom reisen. Die Nachrichten, daß Aman Ullah völlig verarmt sei, treffen nicht zu. Er ist im Besitz einer hohen Summe.