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Der Bote vom Geising Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag, Donnerstag und Sonnabend mittags. Wöchentliche Beilage: „Neue Illustrierte". Monatsbeilage: .Rund um den Geisingberg". und Müglitztal-Zeitung Bezugspreis für den Monat 1,25 NM. mit Zutragen. Anzeigen: Die t gespaltene 65 mm breite Korpus- zeile oder deren Raum 20 Pf., die 86 mm breite Reklame- u. Tingejandtzeile od. der. Raum 40 Ps. Bezirksanzeiger für Altenberg, Geising, Lauenstein, Bärenstein und Umgegend. In diesem Blatte erscheinen die amtlichen Bekanntmachungen der Amtsgerichte Altenberg und Lauenstein, sowie der Stadlbehörden Allenberg, Geising, Lauenstein und Bärenstein. 1 und Verlag: A-Kuntzsch, Attenberg. — Für die Schristlettung verantwortlich: Flora Kuntzsch, Altenberg. — Fernspr.: Lauenstein 427. — Postscheck Dresden 11811. — Gemeindegirokonto Altenberg 11 Donnerstag, den 23. Mai 1929. Nr. S9. 64. Jahrg. Schwierige Regierungsumbildung Am 6. Juni wird der neue Landtag zum erstenmal ammentreten. In dieser Sitzung wird der Rücktritt des Ministerpräsidenten und seines gesamten Kabinetts mitgc- lcill werden, denn nach der Verfassung muh jeder neue L ndtag auch einen neuen Ministerpräsidenten wühlen, ras heiht, er kann natürlich den bisherigen Minister rasidenten wiederwählen, aber das ist eben nur möglich, rcun die Mehrheit der alten Regierungsparteien erhalten rblieben ist. Und die Wahl vom 12. Mai hat die knappe Mehrheit der Koalitionsparteien mit 49 von insgesamt 6 Mandaten in eine Minderheit von 46 Mandaten umgewandelt. Es ist oft genug gesagt worden, dah Sachsen mit ner ziemlich gleichmäßigen Teilung in marristische und d rgerliche Parteien oas „klassische Land der Drohen Koalition" sei. Ader man weih auch, dah diese Koali tion trotzdem bisher niemals möglich gewesen ist. Als man im Januar 1924 zum erstenmal einen solchen Ver- si ch machte, «ar die Spaltung der Sozialdemokratischen Partei die Folge, wobei die Koalitionsgegner den Sieg errangen, denn sie sind die Sozialdemokraten mit jetzt 33 Sitzen, während die Koalitionsfreunde, die Altsozialisten, nur noch 2 Mandate erringen konnten. Und wie ist die Lage nun nach der Wahl? Die Mehrheit wäre wieder klar bei der Drohen Koalition, denn die Sozialdemokraten mit 33, die Deutsche Dolks- purtei mit 13 und die Demokraten mit 4 Sitzen verfügen zusammen über 50 Sitze. Kämen noch die 2 Altsozia« ! listen, die 3 Volksrrcktler und gar die 11 Wirtschaftspar- j leiler hinzu, so hätte man sogar eine sehr stattliche Mehr heit. Die Sozialdemokraten sprechen schon deutlich aus, d H die Koalition nicht rundweg abzulehnen sei. Freilich !?.e Bedingungen mühten sie stellen, sie würden ein Ar» b tsprogramm umlegen, auf das sich die Koalitionsteil- b^ber verpflichten mühten, die Gemeindeordnung mühte j : armiert werden, die Polizei und die Verwaltung müh- un umgestattet werden usw. Das ist zwar immerhin ein Fortschritt, große Aus- : sten eröffnet er aber doch nicht Die Demokraten sind , d s einzigen, die mit Nachdruck den iczialistischen Koali- ' iswünschen Entgegenkommen, während beispielsweise die - r utsche Volkspartei und ebenso die Wirtschaftspartei nicht f u die Möglichkeit glauben wollen, dah mit der bisher übcrradikalen Sozialdemokratie ein Zusammenarbeiten öglich wäre. Die Nationalsozialisten sind mit ihren fünf Mann > :s berühmte „Zünglein an der Wage" geworden. Frei- >, freilich: auch ihnen traut niemand, und dah sie gar j t einem Minister aktiv an der Regierung teilnähmen, cheint allen, auch ihnen selbst, als ausgeschlossen. Ent- ' eilen sie sich aber bei der Ministerpräsidentenwahl der 'timme, dann könnte ein Kandidat der alten Regierungs- rleien — vielleicht mit einer Stimme Mehrheit gegen 45 Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten durchkommen. Es scheint auch ganz so, als werde dieser Lösungsvorschlag durchsetzen. * . * i Nationalsozialismus und Laudtagswahlergebnis. Im „Sächsischen Beobachter", dem Parteiorgan der I lationalsozialistischen Arbeiterpartei, Richtung Hitler, nimmt ! er nationalsozialistische Reichstagsabgeordnete Strasser Stellung zu dem Ergebnis der letzten sächsischen Landtags- j oahlcn und zu den Erörterungen, die von den verschie- > o nen Parteien an dieses Landtagswahlergebnis geknüpft worden sind. Strasser führt aus, die Nationalsozialisten hätten weder mit dem Bürgertum noch mit dem Manis mus etwas gemein und lehnten aus innerem Wesensdrang jede Gemeinschaft mit beiden ab. Sie lehnten auch das heutige Staats- und Wirtschaftssystem und die Lrsüllungs- volitik ob. Die Nationalsozialisten wollten bewußt und ^)ne jedes Kompromiß eine grundlegende und grund stürzende Umwälzung mit dem Ziel der nationalen Frei heit der deutschen Arbeiterschaft. Die Nationalsozialisten ! seien Revolutionäre und daraus ergebe sich, daß sür sie weder eine wie immer geartete Koalition noch eine Re- glerungsbeteiligung innerhalb des heutigen Systems in Frage komme. Den Nationalsozialisten sei es völlig gleich gültig, ob eine bürgerliche, eine monistische oder eine - Koalitionsregierung bestehe, denn alle trieben Erfüllungs politik und stützten das heutige System. Die National» sozialisten hätten den sieghaften Willen, die Zukunft zu erringen, hätten die Kraft und die innere Freiheit, die günstige Position, die sich ihnen durch den Aussall der Landtagswahlen in Sachsen biete, auszunutzen, nicht durch Beteiligung an der Regierung, sondern dadurch, daß sie von Fall zu Fall eine Mehrheit erzwingen und eine Mehrheit stürzen könnten, je nachdem es ihnen sür die nationale Freiheit und die soziale Gerechtigkeit nötig oder nützlich erscheine. Wenn die Ausführungen des Reichstagsabgeordneten Strasser auch die Meinung der fünf sächsischen national' sozialistischen Landtagsabgeordneten ist, kann kaum er- > wartet werden, daß mit dieser Partei eine Politik der Vernunft getrieben werden kann. Das aber ist bestim mend für die Lebensdauer des am 6. Juni zusammen- tretenden Landtags. Der Stand der Reparationsverhandlungen. Um den Schlußbericht. Endlich ist man in Paris der Entscheidung einen wesentlichen Schritt nähergekommen, wobei dahingestellt bleiben mag, ob sie in positivem oder negativem Sinne ausfallen wird. Der von dem englischen Delegations führer Sir Josuah Stamp in Gemeinschaft mit Reichs bankpräsident Dr. Schacht ausgeorbeitete Schlußbericht über die drei Monate währenden Arbeiten des Pariser Sacyoerständigenausschusfes ist dem Vorsitzenden der Kon ferenz, Owen Poung, übergeben worden, der ihn alsbald den alliierten Abordnungen übermittelt hat. Der Bericht ist nach Angaben der Pariser Presse ein 60 Folio-Seiten starkes Schriftstück, das 20 Kapitel und, „wie Freunde der Statistik" errechneten, über 17000 Worte enthält. An Stellt der Ziffern für die deutschen Jahreszahlungen sind vorerst noch weiße Lücken, die erst während der Schluß- beratungen mit den in Frage kommenden Beträgen aus gefüllt werden sollen. In den Bericht sind sämtliche Fragen ausgenommen worden. Er er thält infolgedessen alle diejenigen Punkte, über die man sich einigte, aber gleichzeitig auch drei deutsche Vorbehalte in deutscher Formulierung, die in der letzten Nacht hinzugefügt wurden, ohne daß über sie aus Zeitmangel mit Herrn Stamp eine Formulierung gefun den werden konnte. Es handelt sich um die Frage der Eisenbahnschuldverschreibungen, der Höhe des transferfreien Teiles und um die Aufbringung der Zahlungen während der letzten 21 Jahre, die nach deutscher Auffassung zum Teil den österreichisch ungarischen Nachfolgestaaten zur Last fallen, zum Teil durch die Gewinne der neu zu er richtenden Reparations-Zentralbank aufgebracht werden sollen, während die Alliierten dafür, falls die Gewinne der Bank nicht ausreichen sollten, eine deutsche Ausfall- bürgschaft fordern. Vorläufig wird der Bericht noch geprüft. Dann soll in einer Vollversammlung darüber verhandelt werden. * * * Amerika ermäßigt die Besatzungsansprüche um 10 Prozent. Präsident Hoover unterbrach seinen Pfingsturlaub, um in Washington eine hochwichtige Konferenz über die Re parationen abzuhatten und eine Entscheidung herbeizuführen. Associated Preß faßt das Ergebnis der Konferenz zu sammen, daß eine Änderung in der amerikanischen Re- parationspolitik nicht beabsichtigt sei, daß man jedoch jetzt grundsätzlich geneigt sei, sich etwaigen Konzessionen der Alliierten anzufchließen, und zwar 1), indem man sich damit abfinde, daß durch die Ermäßigung der gesamten Reparationszahlungen auch der Wert des 2^/2 prozentigen Anteiles der Vereinigten Staaten automatisch herabgesetzt sei und 2), daß man, falls die Alliierten auf 10 o. H. ihrer Beiatzungskosten verzichten, auch die Vereinigten Staaten die jährlichen Teilzahlungen Deutschlands auf das amerikanische Besatzungskonto um 10 v. H. ermäßigen. „Graf Zeppelin" fährt nach Friedrichshafen Nach den vorliegenden Meldungen sind die Arbeiten zur Auswechselung der beschädigten Motoren so weit vor geschritten, daß bereits für Donnerstag mit der Rückfahrt gerechnet werden kann. Die französische Regierung hat den Offizieren und Ingenieuren des Zeppelins die Hilse des technischen Personals des Flughasens anbieten lasten. Zwei Ersatzmotoren sind mit Schnellkraftwagen von Friedrichshafen nach Cuers befördert worden. Der Chef ingenieur Dr. Dürr begab sich ebenfalls nach dort, um den Motoreneinbau zu überwachen. Die Ursache der Kurbelwellenbrüche ist noch nicht geklärt. Es find auch Gerüchte aufgetaucht, die das Ver sagen der Motoren auf Sabotageakte zurückführen. Dafür ' besteht jedoch wenig Wahrscheinlichkeit. Wenn es auch einigen Unentwegten gelungen ist, auf das Dach der Luflfchiffhalle oder vielleicht sogar in diese hinein zu ge langen, so war es sicherlich ausgeschlossen, infolge der Bewachung, in das Luftschiff oder m die Motorengondeln, die heikelsten Stellen des Schiffes, einzudringen. Das französische Luftfahrtministerium hat vier Offi zieren des Militärflugplatzes von Cuers-Pierrefeu, die Dr. Eckener eingeladen hatte, die Rückfahrt nach Friedrichs hafen an Bord des „Grafen Zeppelin" mitzumachen, er mächtigt, die Einladung anzunehmen. Korvettenkapitän Hamon und drei seiner Kameraden, die an den Manö- vern zur Bergung des Lustschiffes terlgenommen haben, werden als Gäste Dr. Eckeners an dem Rückflug teilneh men. Wir sind überzeugt, daß sie in Deutschland eine ebenso herzliche Aufnahme und Gastfreundschaft finden werden, als sie selbst dem „Grasen Zeppelin", seinen Osfizieren, Mannschaften und Pastagieren bereitet haben. Die Landstraße, die zwischen Rosenhecken und Wein- feldern von Luers nach dem Flugplatz führt, war mit Tausenden von Automobilen verstopft. Der strahlende Himmel am Pfingstsonntag hatte eine unübersehbare Menschenmenge verlockt, um dem „Zeppelin" einen Be such zu machen. Die liebenswürdige Gastfreundschaft der Luftschiffsleitung ermöglichte es allen, den „Graf Zeppe' lin" von innen und außen zu sehen. Dr. Eckeners Erklärungen. Dr. Eckener empfing einen Vertreter der Agentur Havas und gab ihm folgende Erklärung ab: „Niemals habe ich einen so schwierigen Flug erlebt. Wir waren mit den Landungsoorbereitungen sehr zu frieden. Die Befehle, die ich in deutscher Sprache vom Schiff aus gab, wurden fehlerlos übersetzt und mit einer geradezu glänzenden Genauigkeit ausgeführt. Sie wissen, daß das Landen eines Zeppelins stets eine schwierige Angelegenheit ist. Ich habe erfahren, daß die zur Ver fügung gestellten Soldaten eine derartige Arbeit keines wegs gewöhnt sind,- ich bin begeistert, wie sie ihre Pflicht erfüllten. Das größte Verdienst kommt aber ihrem Füh rer zu, dem ich alle Ehre widerfahren laste. Sagen Sie auch, daß ich der französischen Marine zu großem Danke verpflichtet bin". Dr. Eckener, der am Pfingstsonntag nach Friedrichs hafen zurückgekehrt ist, äußerte sich ausführlich über die Sturmfahrt im Tal der Rhone. Zwischen der Stadt Nimes und der Rhone hatte es den Anschein, als od das Luftschiff keinen Meter mehr vorwärts komme, obgleich noch drei Motoren mit äußerster Kraft arbeiteten. Wäh rend der letzten sechs Stunden betrug die Geschwindigkeit des „Gras Zeppelin" nur noch zwanzig Kilometer pro Stunde. Erst als nachmittags um 3 Uhr der dritte Motor ausfiel, wurde der Entschluß zur Notlandung ge faßt. Während noch in der Führerkabine die Landungs- Möglichkeiten erörtert wurden, kam die Nachricht, daß auch am vierten Motor das Schwunggewicht der Kurbelwelle gebrochen sei. In der Hoffnung aus windstilleres Wetter wurde das Drome-Tal ausgesucht. Wenn das Schiff auch in Fallböen geraten sei, so sind die Meldungen, wonach der „Gras Zeppelin" dort hilflos herumgeflogen wäre, vollkommen haltlos.