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Die Geschwister. !H»i»an v v » Je,,» Maircl. (Fvrtschuna.) I.^erdriel hatte in Bezug auf die Ofen-Angelegenheit vvn Zeit zu Zeit nach Limoges zu gehen; er kam Vvn jedem dieser Besuche in einer Art fieberhafter Aufregung zurück und Luise begriff, das; er dann nicht in der Verfassung sei, um gleich gültige Fragen über das Pvrzellanbrennen des folgenden Tages oder j über den Verkauf des Tages in Ruhe hinzttnehmrn. Ungeduldig geworden durch seine sonderbaren Manieren, denn sie merkte ihm recht gut an, das; er einerseits nicht sprechen wolle, andererseits aber doch kann; an sich zu halten vermochte, rief sie - eines Morgens: „Was ist Ihnen denn nur, Perdriel? Sie würden ^ am besten daran thnn, Vvn der Leber weg zu reden!" „O, Fräulein Luise! Fräulein Luise! Und indem er ihr gegenüber Plag nahm, fuhr er fort: „Ob es einem nicht wehe thnn soll, wenn man unser armes Hans stück weise zu Grunde gehen sieht, wenn man mit erleben muß, daß es sich gewissermaßen nach und nach anflvst, während in unserer nächsten Nähe nur alles gedeiht, sich vergrößert, Wunder wirkt! Ich habe zwei Stunden in der Fabrik des Herrn Durantin zugebracht; Du lieber Himmel, wenn Sie das sehen könnten! Ich habe dort einen Schulkameraden, der mir die ganze Anstalt zeig te — alles wird mit Dampf betrieben; der würde sich nicht wenig wundern, wenn er sehen könnte, wie hier ein Junge das Rad dreht und es ans diese Weise mühselig vorwärts be wegt. Oefen und Oefen, das ist eben gar zweierlei! Dort geht alles wie Vvn selbst vor wärts und man braucht sicb nicht weiter darum zn beküm mern; der Trinmph, den die Leute über uns feiern, wird mich in meiner Nachtruhe stö re»; man muß nur die Töp ferscheibe sehen, welche Herr Durantin jetzt hat neu machen lassen und durch die ohne jede Mühe den Gegenständen be liebige Form verliehen wird!" „Wozu sagen Sie mir das alles, mein armer Perdriel? Für uns kann es nun einmal Nieder Dampfmaschine noch ovale Töpferscheiben nach der neuesten Konstruktion geben. Alles, was wir verlangen, gipfelt in dem Wunsche, noch eine Zeitlang unser Leben dahinfristen zn können!" „Sie sollten sich wenigstens Adolf Menzel. Nach einer Photagraplie Nu» C. Brasch in Berlin. (Mit Text.) all diese Neuerungen ansehen, Fräulein, Sie, die Sie es so gerne haben, wenn die Dinge richtig gemacht werden. Wenn man nur durch die langen Reihen der Werkstätten dahinschreitet, in denen man malt, vergoldet, die Stücke für den Brennofen vorbereitet, so bekommt man schon eine Ahnung des herrschenden Wohlstandes, eine Ahnung, die angenehm berührt; ich sah eine lange Reihe junger Mädchen, welche Teller und Schaleil schmückten, große und kleine Stücke, und es hatte fürwahr den Anschein, als ob sie spielten. Herr Durantin hat seine Knnststecher, welche Blumen, Früchte und eine Menge anderer hübscher Dinge entwerfen; man legt dann die mit einer ganz besonderen Tinte imprägnierten Zeichnungen ans das Porzellan, die jungen Mädchen entfernen nach einer bestimmten Zeit mit einem kleinen hölzernen Pfropfen das dünne Papier und die Zeichnung bleibt in seinen Strichen auf dem Thvne sichtbar!" Luise antwortete nicht, tranmbefangen lauschte sie dem Bieder manne, der noch immer weiter sprach, die großen, wvhlgehaltenen Oefen, die so zahlreich vertreten waren, schilderte, und mit Be stimmtheit nachwies, daß in diesem in vollem Aufschwünge befindlichen Hause, dessen In haber Millionen verdienen mußte, Hunderte von Arbei tern und Arbeiterinnen ihr Brot finden. Luise dachte da bei an ihren Vvn Tag zn Tag schlechter werdenden Brenn ofen, an die Schwierigkeiten, welche es bieten mußte, den selben durch einen neuen zn ersetzen, da ihre Mittel sicher lich nicht zil solcher Allslage : eichen konnten; sie dachte an das nnvermeidllche Ende, wel ches eintreten mußte in dem Ailgenblick, in dem der ohne hin schon so schwierige Kampf zur Unmöglichkeit ward, und in allererster Linie dachte sic an die Thatsache, daß sie schon sehr lange keine Nachricht von Camillo erhalten. Er hatte sich begnügt, ihr kürzlich einen in einer bedeutsamen Rund schau erschienenen Artikel z» zusenden, in dem über das junge Talent die schmeichel haftesten Dinge gesagt waren, ohne jedoch seine Fehler zn ver schweigen, trotz welcher man Herrn Cnmillv Devrilliers einen namhaften Platz unter den Schriftstellern der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts einräilinte. — Der Kontrast zwischen ihren Beschäftig»» gen und dem Ruhme ihres Bruders trat ihr plötzlich mit schroffer Deutlichkeit zn Tage und that ihr sehr wehe. Znm erstenmal hatte sie das Gefühl einer gransameil Ungerechtig keit des Schicksals, hegte sie