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Dienstag, den 31. Oktober 1882 127. 7. Jahrg. Inserate werden bis spätesten» Mittags des vorhergehenden Tages deS Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit 10 Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Erscheint wöchentlich drei Mal und »war Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). Abonnementspreis beträgt vierteljährlich l Mark so Pf. prseniimsronäo. Tagesbericht. —- Zwönitz, 31. Octbr. Heute, zum Neformationsfeste, wird uns ein außergewöhnlicher Kunstgenuß zu Theil werden. Die Concert- und Oratorien-Sängerin, Frau Mittwoch-Gervais aus Berlin, wird im Verein mit dem Stollberger Stadtmusikchor iin Saale des „blauen Engel" ein Concert veranstalten. Der „Stollberger Anzeiger" schreibt voin 14. Oct. a. c. über ein daselbst abgehaltenes Concert Folgendes: Gestern Abend wurde uns bei Gelegenheit der Einweihung der vom Hotelier Herrn Fechner neuerbauten Saallocali- täten, die eine besondere Zierde von Stollberg geworden, ein außer gewöhnlicher musikalischer Kunstgenuß zu Theil. Unter Mitwirkung der akademischen Concert- und Oratoriensüngerin, Frau Mittwoch- Gervais aus Berlin, wurde der Genuß erhöht, indem dieselbe Necitative und Arien unserer klassischen Meister, als Necitativ und Arie des Gabriel (Auf starkem Fittig) aus die „Schöpfung" von Haydn, Necitativ und Arie der Agathe (Wie nahte mir der Schlum mer) aus „Der Freischütz", von C. M. v. Weber rc. ohne Notenvor lage mit der größten Bravour, reinsten Intonation, feinsten Nüan- cirung und glockenreiner Stimme vortrug, wofür ihr der rauschende Beifall des überaus zahlreichen Znhörerkreises mit vollem Rechte zu Theil wurde. Wir wünschen der Künstlerin ein recht volles Haus! — Werdau, 27. Octbr. Gestern Mittag kurz nach 12 Uhr wurde die hiesige Feuerwehr wiederum durch Signale alarmirt. Es brannte in dem Saale des Posamentenfabrikant Herrn Hugo Teich mann in der Reichenbacher Straße hier. Durch schnelle Hilfe wurde das Feuer bald gelöscht, so daß ein beträchtlicher Schaden nicht ent standen ist. — Dresden, 22. Octbr. Der Pferdefleischconsum ist hier in Dresden ebenso wie in anderen Großstädten ein ganz bedeutender und dürfen nachstehende Angaben darüber sicherlich nicht ohne In teresse sein. Die hiesige Pferdeschlächterei von Bernhardt auf der Hechtstraße in Dresden-Antonstadt, ein Etablissement von ziemlicher Größe und mit Stallung für 40 Pferde, beschäftigt jahraus und jahrein nicht weniger wie 5 Gesellen, 2 Einkäufer, 1 Kutscher und 3 Dienstmädchen. Durchschnittlich wurden dort jährlich 1700 Pferde geschlachtet, von denen jedes vorher vom Bezirksthierarzt auf seinen Gesundheitszustand untersucht wird. Die Bernhardt'sche Roßschläch terei, welche mehrere Filialen für Fleisch und Wurst in der Stadt besitzt, liefert auch das im zoologischen Garten zur Fütterung der Naubthiere nöthige Fleisch, nicht minder muß sie für die Königliche Thierarzneischule während des Wintersemesters wöchentlich 2 Pferde zu wissenschaftlichen Versuchen beschaffen. Von dem Etablissement wird keineswegs, wie vielfach angenommen wird, nur das Pferde fleisch verwerthet. Dis Häute wandern, nachdem sie von der Mähne und dem Schweif entledigt sind — die Roßhaare werden extra ver kauft und ein Schweif mit 2 Mark bezahlt! — zum Gerber und zwar nach Pirna, in welcher Stadt die sämmtlichen aus der Bern- hardt'schen Roßschlächterei stammenden Pferdehäute verarbeitet wer den. Die Hufe und starken Knocken kaufen die Drechsler, die Ge därme, welche ehedem gleich den Eingeweiden zu Huudefutter benutzt wurden, nimmt der Darmhändler und das Blut wird in Fässer auf gefangen, welche nach Lichterfelde bei Berlin gehen, wo es zur Ei weißstofffabrikation benutzt wird; beiläufig bemerkt wird auch viel Blut aus dem hiesigen Centralschlachthof nach dort versandt und das Faß mit 3 M. loco hier bezahlt. Daß die Roßschlächterei ein sehr erträgliches Gewerbe ist, erhellt aus der Thatsache, daß der Besitzer des in Rede stehenden Etablissements vor etwa 10 Jahren dasselbe übernahm und heute bereits Besitzer verschiedener großer Häuser und anderer Grundstücke ist. In früheren Jahren bekamen die Einkäufer aber auch die alten Pferde noch für 2 oder 3 Thlr. das Stück, während ihnen schon für die Haut allein 6 Thlr. bezahlt wurden. Heutzutage freilich sind die Oeconomen klüger geworden und lassen unbrauchbar gewordene Thiere kaum unter 20 M. das """" Zwönitz «nd Umgegen- Organ für den Stadtgemeinderath, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. Stück ab, immerhin aber wird bei der Roßschlächterei noch Geld genug verdient, wie sich aus vorstehend gemachten Angaben zweifel los ergeben dürfte. — Mügeln. Nach einer Bekanntmachung der König!. Kreis hauptmannschaft ist dem Kürschner und Feuerwehrmann H. Krauß hier für die Rettung des leider später seinen Brandwunden erlegenen Feuerwehrmannes und Tischler F. Pein aus dem Schlanzschwitzer (13. Juni ds. Js.) Schadenfeuer eine Geldbelohnung bewilligt worden. — Leipzig, 26. Octbr. Die gestrige Schwurgerichts-Ver handlung gegen die Schlossers - Ehefrau Dathe wegen Todtschlags (2 kleine Kinder, auch lag nachträglich versuchter Selbstmord vor) hatte noch ein eigenthümliches Nachspiel. Als die als Zeugin mit abgehörte Schwiegermutter der Angeklagten, die verehel. Stellmacher Dathe aus Connewitz, sich anschickte, das Gerichtsgebäude zu ver lassen, wurde sie, und zwar an den verschiedenen Ausgängen, von einer großen Menschenmenge in einer Weise empfangen, welche auf Lynchjustiz schließen ließ. Die Dathe wurde, da die Haltung des Publikums einen immer bedrohlicheren Character annahm, einstweilen und eine längere Zeit zurückbehalten; aber auch diese Sicherheits- Maßregel brachte auf die Menge keine andere Wirkung hervor, als daß der größte Theil derselben ruhig wartete, bis die Dathe endlich wieder erschien. Es mußte schließlich eine Droschke herbeigeholt und mit Unterstützung der Aufsichtsbeamten die hartbedrängte Zeugin außer Gefahr gebracht werden. Die Angeklagte, die zu 4 Jahren Gefängniß verurtheilt wurde, hatte in der Verhandlung ihrer Schwieger mutter die Aufhetzung des Ehemannes und schlechter Behandlung be schuldigt, was Letztere aber leugnete. Deutschland. Der Kaiser begab sich am vergangenen Donners tag, einer Einladung des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin folgend, nach Ludwigslust, um den dortigen Hofjagden beizuwohnen, von denen der Kaiser am Sonntag im besten Wohlsein nach Berlin zurückkehrte. Die Wahlcampagne in Preußen ist durch die Abgeordneten wahlen vom 26. October zu ihrem definitiven Abschluß gelangt. Ein genauer Ueberblick über die Wahlresultate ist zwar noch nicht mög lich, aber es läßt sich doch schon mit Bestimmtheit erkennen, daß die Abgeordnetenwahlen, entsprechend den Wahlmänner-Wahlen vom 19. October, keine wesentliche Veränderungen in den Parteiverhält nissen des preußischen Abgeordnetenhauses zur Folge haben werden. Immerhin haben die Conservativen einen positiven Gewinn von 15—18 Sitzen zu verzeichnen, größtentheils auf Kosten der Fort schrittspartei; letztere hat sich freilich an den Nationalliberalen schad los gehalten, aber dies ändert an der Thatsache nichts, daß der Liberalismus geschwächt aus den Wahlen hervorgegangen ist. Wenn man namentlich die Siegeshoffnungen betrachtet, mit denen die Fort schrittler zum Wahlkampfe auszogen — wollten sich doch diese Herren 70 Mandate erobern — so muß man allerdings gestehen, daß die diesmalige Wahlcampagne in Preußen mit einer eclatanten Nieder lage der Liberalen geendigt hat und dieses Gestündniß findet man auch allenthalben in der liberalen Presse. Hervorzuheben ist hierbei hauptsächlich die entschiedene Zurückweisung, welche der Ansturm der radikalen Opposition auf die Regierungsposition erlitten hat und dies kann in Anbetracht einer gesunden Entwickelung unserer innern poli tischen Verhältnisse nur als eine erfreuliche Thätsache bezeichnet wer den. Hoffentlich nützt die preußische Regierung die ihr günstige parlamentarische Situation mit Weisheit und Mäßigung aus. Nach einer Berechnung der „Post," welche wir nachträglich im Anschluß an unsere obigen Betrachtungen mittheilen, stellt sich das Wahlergebnis; folgendermaßen heraus: Gewählt sind 129 Conser- vative, 55 Freiconservative, 100 Clericale (mit Einschluß der Welfen), 70 Nationalliberale, 20 Secessionisten, 39 Fortschrittler (inclusive des in Frankfurt a. M. gewählten Democraten Stern) und 20 Polen und Dänen, was mithin die Zahl 433, die Mitgliederzahl des preußischen Abgeordnetenhauses, ergiebt. Doppelt gewählt surd Anzeiger