Volltext Seite (XML)
Drr Grenzbote und Postboten angenommen. Feiertagen folgenden Tages und kostet vierteljährlich, voraus bezahlbar, 1 Mk. 2o Pfg. Bestellungen werden in der Geschäftsstelle, von den Austrägern des Blattes, sowie von allen Kaiser!. Postanstalten Der Grenzbote erscheint täglich mit Ausnahme des den Sonn- und F Inserate von hier und aus dem Berbreitungs- bezirk werden mit 10 Pfg., von auswärts mit 15 Pfg. die 4mal gespaltene Grundzeile oder deren Raum berechnet und bis Mittags 12 Uhr für den nächstfolgenden Tag erbeten. Reclamen die Zeile 20 Pfg. ÄgM M Anzeiger für Adorf und das ödere Vogtland Verantwortlicher Redacteur, Drucker und Verleger: Htto Weyer in Adorf. Hierzu Sonntags die illustrirte Gratisbeilage „Der Zeitspiegel". AZ 303. Mittwoch, den 19. Dezember 1900. 65.Aahrg. Wir versuchen trotz der Erhöhung des Postzeitungstarifs, der bedeutenden Steigerung der Papierpreise und der Ver- theuerung der Betriebsmaterialien re. den vierteljährlichen Bezugspreis des „Grenzboten" incl. seiner illu- strirten Sonntagsbeilage „Der Zeitspiegel" auf Mk. i 20 zu belassen und glauben auch bis auf Weiteres — im Gegensatz zu vielen großen u. kleineren Zeitungen — den seitherigen billigen Zeilenpreis aufrecht erhalten zu können. Ein geehrtes Publikum von Adorf und Umgegend laden wir hiermit''zum Abonnement auf das erste Quartal 1901 des Grenzboten, Tageblatt für Adorf und Umgegend, ergebenst ein. Die Expedition des Geendeten. Otto Us^sr. Zum Untergang des Schulschiffes „Gneisenau". Madrid, 17. Dezbr. Nach Depeschen aus Malaga war das deutsche Schulschiff „Gneisenau" von Mogador kommend, wohin es die deutsche Gesandtschaft aus Tonger gebracht hatte, in der Bucht von Malaga eingetroffen und hier mit Schießübungen beschäftigt. Gestern früh 10 Uhr erhob sich, während der Commandant eine Pa rade über die Seecadetten abnahm, ein heftiger Sturm. Der Commandant gab darauf Befehl, so schnell als möglich die Kessel zu Heizen. Die wüthende See ritz aber die Anker fort, die „Gneisenau" verlor Anker und Ankertaue und strandete gegen den Hafeneingang. Die Besatzung stürzte sich ins Meer und klammerte sich an die Schisfstrümmer, wurde aber von den Wogen bedeckt und verschwand zum größten Theile. Das Schiff blieb bis zur Mitte des Mastwerks unter Wasser. Viele Seecadetten und Offiziere, auch der Commandant der „Gneisenau", Kapitän zur See Kretschmann, kamen ums Leben. Eine mit Seeleuten aus Malaga be mannte Schaluppe eilte der „Gneisenau" zu Hilfe; aber als es ihr nach heldenmüthigen An strengungen gelungen war, 13 Schiffbrüchige an Bord zu nehmen, schlug sie um, und 12 Mann ertranken, während viele Andere gerettet wurden. Den von den Marinebehörden aufgebotenen Mannschaften gelang es, viele der Schiffbrüchi gen zu retten. Die Matinebehörden begaben sich an Bord des Dampfers „Cabo de Ortegal" nach der Strandungsstelle. Der Bürgermeister ließ die geretteten Seecadetten nach dem Rath- hause bringen und sie mit Kleidung und Bett zeug versehen. — Die amtlichen Nachrichten über die Kata strophe sind zur Zeit noch spärlich. Capitänleut- nant Werner, der älteste der überlebenden Offi ziere, hat die im Unglück immerhin noch tröst liche Nachricht gegeben, datz der größte Theil der 150 Köpfe betragenden Besatzung gerettet sei, ein Theil dieser Ueberlebenden ist allerdings mehr oder weniger schwer verletzt. Die Seeka detten, der Nachwuchs unseres Seeofficiercorps stehen erst im ersten Jahrgänge, sie sind im April d. I. eingestellt, die „Gneisenau" trat ihre Winterreise Ende des Sommers an und hielt sich seit dem 13. November bei Malaga bereit, den deutschen Gesandten aus Marokko abzuholen, während der Zeit hielt sie Schietz- Erercitien ab. Die Katastrophe muß mit unge wöhnlicher Plötzlichkeit eingetreten sein; wenn es sich bewahrheitet, datz ein Theil der Besa- tzund über Bord gesprungen ist, so ist diese un gewöhnliche Art, das Leden zu retten, nur da durch zu erklären, datz sich die „Gneisenau" dicht an einer Molo befand, und einzelne Mannschaften hofften, auf diesem W-ge dem Verderben zu entgehen. Diejenigen, die in dar Meer gesprungen sind, dürften zumeist an dem felsigen Gestade zerschmettert und nur ein gerin ger Theil von ihnen gerettet sein. Das Schiff selbst ist, soweit es Fachkreise bisher beurtheilen können, völlig verloren, auch kann an eine spätere Bergung desselben kaum gedacht werden. Beim furchtbaren Wogenprall schlugen viele Boote um, auch das der Hafenbehörde, worin sich fünfzehn Gerettete befanden. Davon ertranken zwölf Personen, auch der zweite Kommandant. Die Soldaten aus dem Morro- fort warfen den Schiffbrüchigen Taue zu und retteten so mehrere. Der Stadtkommandant stellte den Geretteten die Kasernen zur Ver fügung. Auch im Leuchtthurm liegt eine An zahl Verwundete. Besondern Beifall der un geheueren Zuschauermenge erregte die Rettung zweier Offiziere, die sich mit großer Geistesgegen wart und eiserner Ausdauer an einem Balken festhielten, bis Hilfe kam. Das heldenhafte Verhalten der Lootsenführer Rodriguez Ramos und Llopis wird allgemein gerühmt. Die Namen derjenigen Bewohner Malagas, die bei dem Rettungswerk umkamen, find noch nicht be kannt. Commandant Kretschmann hielt bis zu letzt aus. Bei ihm befanden sich mehrere Kame raden, die ihn nicht verlassen wollten. — Die Haltung der Besatzung des „Gneise nau", die sich im Ganzen auf etwa 450 Mann belief, entsprach nach den bisher vorliegenden Nachrichten den Traditionen der deutschen Ma- rine. Allen voran bewährte sich der Comman dant des Schiffes als besonnener und unerschro ckener Führer. Die Geretteten erzählen: Als Commandant Kretschmann sah, datz alles verlo ren war, weil die Ankerketten den Dienst versag ten, und datz eine Vorwärtsbewegung unmöglich war, weil Wasser in die Heizkammer eingedrun gen war, rief er: „Kinder, Ruhe und Gottver trauen!" Blitzschnell wurde mit Hilfe des ersten Officiers ein Rettungsboot ins Meer ge lassen. Gleichzeitig spangen etwa 50 Mann ins Meer und klammerten sich an die Planken. Diese waren es, welche in der vom Hafen aus gesandten Schaluppe Aufnahme fanden. Leider fielen während dieser Rettungsfahrt zwölf Mann über Bord. Die Mole von Malaga zeigt an mehreren Stellen, wo die Unglücklichen beim Sprunge aufgefallen waren, starke Blutspuren. Der Zustand mehrerer Verwundeten giebt zu grotzen Besorgnissen Anlaß. — Der Ort, an dem die „Gneisenau" sank, ist so gelegen, datz die Artillerie, die Schiffskasse und vielleicht ein Theil des Schiffsrumpfes wer den gerettet werden können. — Die Besatzung S. M. Schulschiff „Gnei senau" besteht aus 14 Offizieren, 2 Aerzten, 1 Maschineningenieur, 1 Zahlmeister, 1 Pfarrer, 49 Seekadetten und ungefähr 200 Mann Be satzung. — Der Hafen von Malaga wird durch zwei Molen gebildet. Die Hafeneinfahrt ist nur 300 Mtr. breit. Beim Einlaufen in den Hafen müssen die Schiffe eine scharfe Kurve beschrei ben. Unsere unglückliche „Gneisenau" lag auf der Rhede, also in östlicher Richtung vom Mo- lenkopf der Ostmole. Nachdem beide Ankerket ten gebrochen waren, mutzte das Schiff versu chen, in den Hafen einzulaufen, und da un glücklicherweise die Kessel noch keinen genügen den Dampfdruck gehabt haben müssen, war es auf die Segel angewiesen. Es ist kaum zu be zweifeln, daß trotz des schweren Sturmes das Manöver gelungen wäre, da besonders der Kommandant, Kapitän zur See Kretschmann, und der erste Offizier Kapitänleutnant Berning- Haus sich des besten Rufes als besonders tüchtige und erfahrene Seeleute erfreuen; werden doch an Bord der Schulschiffe nur die geeignetsten Seeoffiziere kommandirt. 3m vorliegenden Falle mutzte das Schiff eine Wendung um etwa 180 Grad machen, ehe es in den Kurs auf den östlichen Molenkopf gelangte. Hierzu brauchen Schiffe, wie die „Gneisenau", sehr viel Seeraum. Letzterer war aber nicht vor handen. Das Schiff ist daher, bevor die Wen dung gemacht war, auf die Mole getrieben worden und dort gescheitert. Das deutsche Ka dettenschulschiff „Gneisenau" ist nach der „Allg. Mor. Korr.", am 4. September 1879 auf der kaiserlichen Werft in Danzig vom Stapel gelau fen und gehört der Marineftation der Nordsee an. Die „Gneisenau" ist 74,5 Mtr. lang, im Hauptspant 13,75 Mtr. breit und verdrängt bei einem Tiefgang von 5,8 Mtr. 2856 Tonnen Wasser. Sie war als Vollschiff getakelt und be sah außerdem eine Maschine von 2500 indizir- ten Pferdestärken mit der sie eine Maximalge- schwindigkeit von 14 Knoten entwickelte. In der Batterie führte das Schiff vierzehn 15 Cen- timetergeschütze; außerdem waren zwei 3,8 Cen- timeter-Schnellladekanonen und zwei 8 Millime ter-Maschinengewehre an Bord. Seit mehreren Jahren diente die „Gneisenau" wie ihre Schwe- sterschifse „Stosch", „Stein" und „Moltke" als Kadettenschulschiff. Berlin, 17. Dezbr. Der Kaiserliche Consul in Malaga meldet: Von der „Gneisenau" sind vermuthlich 38 Personen umgekommen, darunter der Kommandeur Kretschmann, der erste Offizier Berninghaus und der erste Ingenieur Prüfer. Das Reichsmarineamt bemerkt dazu, die Richtig stellung der Namen der Verunglückten gestaltet sich anscheinend schwerer, weil die Geretteten in der ganzen Stadt zerstreut untergebracht sind. Malaga, 17. Dezember. Es bestätigt sich, daß der Kapitän Kretzschmann sich weigerte, seine Besehlsbrücke zu verlassen, und freiwillig mit dem Schulschiff unterging. Malaga, 17. Dezbr. Der Levantewind, welcher sich gestern zehn Uhr Vormittags erhob, kam mit einer Plötzlichkeit, die selbst alterfahrene Schisfsleute überraschte. In der Stadt selbst er litten mehrere Personen, welche nicht rechtzeitig in den Häusern Schutz sanden, Verletzungen. Der erste Alarm, datz die Gneisenau-Mannschaft hilfsbedürftig sei, ging von einem Fischerboot aus, das aus der sogenannten Caletta, dem kleinen Fischerhafen, ausfahrcn wollte und dessen Be mannung Zeuge der Katastrophe war. Als die Anker rissen, befahl Kapitän Kretschmann, alle Kessel zu Heizen, in der Absicht, die hohe See zu gewinnen. Doch der Orkan trieb die Gneisenau mit unwiderstehlicher Gewalt gegen die äutzerste Spitze der östlichen Mole. Der Semaphor signalisirte: „An den aus den Wellen emporragenden Mast des Schulschiffes Gneisenau sind eine Anzahl junger Matrosen geklammert." Der Sturm machte zunächst jede Hilfeleistung unmöglich. Von dem Boote, auf welchem der Commandant und 40 Eleven sich einschisften, war bald kein- Sp»r mehr zu sehen. Malaga, 17. Dezember. Die Gneisenau hatte 450 Mann Besatzung. 39 Verwundete