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Voigtländi scher Anzeiger. 20. Stück. Plaum, Sonnabends den 19, Mai i8io. Grausame Behandlung der Deutschen im Herzogthum Warschau und namentlich der Hauptstadt desselben, nach der Ver treibung der östreichischen Truppen im Jahr »809 *). ^n den ersten Tagen, nachdem Warschau von den Oestreichern verlassen worden war, die da selbst, wohl zu merken, als Feinde äußerst scho nend verfahren waren, äußerle sich die Freude des Volks durch Illuminationen, Vivacruse» u. dgl. und wer wollte diese patriotische Freude mißbilligen? Aber bald hernach brach es in Wuth aus gegen die Deutschen, die den pol nischen Boden milbewohnten. Die Oestreicher waren Deutsche; diese waren von ihnen be siegt worden, hatten Warschau verlassen müs sen; also mußten die Deutschen jetzt unter liegen, die Polen lriumphiren. Nie halte sich das Hochgefühl des Nationalstolzes höMr er hoben, als jetzt; es verlangte die Deutschen zum Opfer. Den Pöbel kann man Ausgelassenheiten ver zeihen, aber hier war es nicht der Pöbel allein, sondern auch die Dor: :hmen, dagegen dieDcut- schen wüthecen, Manner, denen es nicht an viel seitiger Bildung fehlte, die schon wissen muß, ten, wie unrecht sie handelten, aber ihren Grimm einmal kühlen wollten. Und was das Schreck lichste war, so verwandelte man die Gesetze, die sen heiligen Schild der Unschuld, in die Mittel zur Ausführung seines Grolls gegen die Deut schen: man raubte ihnen Freiheit, Ehre, Ei- genthnm, Leben — durch Urchel und Rechts, spruch, gleich Verbrechern. Wie es höchlich interessant ist, in dem Krater eines Vulkans zu schauen, der dampft und siedet, nnd im Kam ¬ pfe ) Diese Schilderung ist aus einem -Aufsatze imMärzstückiSlo der v. Archen holzischen Minerva, betittelt: Geschichte des Feldzugs an der Weichsel im Jahr isoy, entlehnt und hier nicht etwa in der Absicht mitgetheilt, nm bittre Gefühle gegen unsre polnischen Mitbürger zu erwecken, sondern viel mehr jetzt oder künftig irgend einen unparteiischen sächsischen Augenzeugen zu veranlassen, das Un wahre oder Uebertriebene darin ans Licht zu stellen. Denn wer sollte cs nicht für schlechterdings un möglich halten, daß eine Nation, die von den Deutschen von jeher so viel Nutzen und Erleichterung zog, welcher Deutsche ihre Unabhängigkeit wieder mit batten erkämpfen helfen, in deren Heeren noch jetzt so viele Deutsche stehen, ja die einen der edelsten dcntschen Fürsten zu ihrem Regenten hat, wenigstens so, wie hier gemeldet wird, gegen Deutsche handeln könne? A, d, R.