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Zu den russischen Politikern, die unbeschadet der russisch-französischen „Allianz" stets der Pflege guter Beziehungen zu Deutschland das Wort geredet haben, gehört der Fürst Metscherski, Herausgeber des „Grashdanin", dessen Leser in vornehmen russischen Kreisen zu suchen sind. Fürst Metscherski sucht seinem Ideal, einer deutsch-französisch-russischen Verbindung insbeson dere gegen England, jetzt durch eine Reise nach Frankreich zu dienen. Eingeleitet hat er sie mit einer Unterredung, die er dem Vertreter eines radikalen französischen Blattes gewährte, und in der er von neuem erklärte, er sei nach wie vor fest überzeugt, daß kein geschriebenes russisch-französisches Bündnitz bestehe trotz der Worte von den „alliirten" Völkern, die während der Reise des Präsidenten Faure nach Rußland auf einem französischen Kriegsschiffe gewechselt worden waren. Auch in Berlin hat der Fürst einen Preß- Vertreter empfangen und wiederholt, daß ein schriftlicher Vertrag zwischen Rußland und Frank reich nicht bestehe. Rußland müsse den Ver mittler zwischen Frankreich und Deutschland spielen und dann vereint mit diesen beiden Front gegen England machen, daß bisher die Spal tung Europas in mehrere Heerlager aufs Rück sichtsloseste zu seinem Dortheil ausgenutzt habe. Die Richtigkeit der letzteren Wahrnehmung wird niemand bestreiten, aber auch keinen über die Schwierigkeit der Aufgabe täuschen, die sich der russische Fürst vorgenommen hat. Die Auf gabe ist auch nur einseitig, d. h. den Franzosen gegenüber zu erfüllen. Wir stehen fest auf dem Boden des Frankfurter Friedensvertrags, wir halten mit allen Kräften fest, was uns gehört. Das Hinderniß liegt lediglich in Frankreich, wo immer noch, selbst gelegentlich in Ministerreden, mit dem Revanche-Gedanken geliebäugelt wird. Ja es läßt sich sogar nicht verkennen, daß das Wort von den alliirten Nationen selbst die Hoff nung in Frankreich auf die Wiedereroberung Elsaß-Lothringens bestärkt hat. Daraus folgt für unsere Politik, daß wir trotz der Beschwerden, die wir gegen England haben, vor allem an unserer Westfront auf der Hut sein müssen. Der neue Dreibund, wie ihn Fürst Metscherski träumt, mit Rußland an der Spitze und mit einer grundsätzlich allgemeinen antienglischen Politik könnte uns die Hände gerade nach der Seite hin binden, wo wir sie am nöthigsten haben. Einstweilen werden daher nur Vereinigungen der drei Staaten von Fall zu Fall in Betracht kommen können, wie sie mit Erfolg schon z. B. in Ostasien in Thätigkeit getreten waren. Rundschau. Berlin, 28. Oktbr. Einem Berichterstatter zufolge ist der Termin für den Zusammentritt des Reichstags und preußischen Landtags regie rungsseitig festgesetzt worden. Demnach wird der Reichstag am 7. Dezember d. I. und der Landtag am 11. Januar 1898 zusammentreten. Berlin, 28. Oktbr. Wie der „Nat.-Ztg." mitgetheilt wird, sind alle Telegramme über die Karlsruher Angelegenheit, die an russische Blätter gerichtet waren, u. A. auch das ursprüngliche Telegramm mit dem Wortlaut des Karlsruher Hofberichts in Rußland angehalten und den Zeitungen nicht mitgetheilt worden. Berlin. Der Werft Germania in Kiel ist der Zuschlag für den Bau des erstklassigen Hoch see-Panzerschiffes „Ersatz König Wilhelm" ertheilt worden. Die Werst ist durch Kontrakt verpflichtet, den Bau so zu fördern, daß das Schiff in 34 Monaten von jetzt ab klar zur Vornahme der Probefahrten ist. Hamburg, 28. Ott. Der englische Dam pfer „Northtyne" brachte hier die 9 Mann starke Besatzung des auf hoher See verbrannten nor wegischen Dampfers „Biarne" an, welche 100 Seemeilen von Helgoland, in einem Schiffsboot treibend, aufgefunden worden war. — Wegen fortgesetzter schwerer Soldatenmitz- handlungen ist nach dem „Würzb. Journ." der Unteroffizier Essel in Metz zu 3 Jahren Gefäng- niß und Degradation verurtheilt worden. Der Staatsanwalt erklärte in der Verhandlung, die vor dem Würzburger Militärbezirksgericht statt fand, daß Essel ein Schandfleck der bayrischen Armee sei, der sich seinen Untergebenen gegenüber feig, bübisch und cynisch benommen habe. Budapest, 28. Oktbr. In den hiesigen politischen Kreisen gilt es als ausgemacht, daß die Tage des Cabinets Badenis gezählt sind. Nach der Genehmigung des Ausgleichsprovisoriums durch das österreichische Abgeordnetenhaus werde nicht dessen Auflösung oder Heimsendung, sondern der Rücktritt des Grafen Badeni erfolgen. * Im österreichischen Abgeordnetenhause schei nen neue Stürme bevorzustehen. Infolge der gestrigen Ueberrumpelung der deutschen Opposi tion durch den Beschluß, das Ausgleichsproviso rium heute schon zur Verhandlung zu nehmen, werden von der Soenerer-Gruppe Stürme im Parlament angekündigt, die alles bisher Dage wesene in den Schatten stellen sollen. Im deut schen Verein erklärte der Abgeordnete Wolf: „Ich kann nicht verrathen, was wir in der nächsten Sitzung unternehmen werden. Die deutschen Abgeordneten haben sich mit Handschlag ver- plichtet, im Kampfe auszuharren, und wenn es zum Äußersten kommen sollte. Doch kann ich schon sagen: wir werden diesen Ausgleich zu hin dern wissen, und wenn das österreichische Par lament in die Fransen geht." (!) Wolf griff fer ner den Dr. Lueger in maßlos scharfer Weise an, weil dieser gestern der Rechten den gemelde ten Dienst erwiesen hatte. Wolf klagte Lueger des Verraths am Deutschthum an, beschuldigte ihn elender Heuchelei und erklärte, nun beginne der Kampf bis aufs Messer gegen die Christlich- Sozialen. Die katholische Volkspariei beschloß gestern, unter allen Umständen in der Majori tät zu verbleiben. Paris. Die „Politique Coloniale" erzählt: Bei der jüngsten Begegnung des deutschen und des russischen Kaiserpaares habe die Kaiserin Auguste Victoria, erstaunt, von der Czarin fran zösisch angeredet zu werden, gefragt: „Weshalb nicht in unserer Muttersprache sprechen, da wir doch Beide Deutsche sind?" Die Kaiserin Alexandra Theodorowna habe geantwortet: „Ich bin keine Deutsche, der Staatsangehörigkeit nach bin ich Russin, von Geburt bin ich Engländerin. Meine Landessprache ist russisch, meine Mutter sprache englisch." Stockholm, 28. Okt. Der bekannte Eis- meersahrer Sivert Bräkmo wird wahrscheinlich nach der Oertlichkeit auf Spitzbergen, wo die Bemannung des Walfischfängers „Eiskeren" Hilferufe gehört hat, absegeln. Dem „Dagblad" zufolge ist die Bevölkerung von Vardö überzeugt, dah der bei Prinz Karl-Vorland beobachtete Gegenstand Andreeas Ballon sei. Belgrad, 28. Okt. Die jungczechischen „Narodnie Lisch" lassen sich aus Belgrad fol gende kaum glaubliche Sensationsgeschichte mel den: Der Exkönig Milan sei beim Metropoliten Michael erschienen und habe eine neuerliche Schei dung von der Königin in Natalie verlangt, weil er sich wieder verheirathen müsse, um die Dyna stie Obrenowitsch in Serbien zu erhalten, da König Alexander krank sei und nicht heirathen könne, autzerdem von der Königin Natalie wei tere Nachkommenschaft nicht zu erwarten sei. Auf die Frage des Metropoliten, was dann mit dem Könige geschehen würde, habe Milan ge antwortet, daß Alexander sich in die Fremde be geben würde, wo er Medicinische Capacitäten in der Nähe hatte; den Königstitel würde Alexander behalten und Milan wie bisher König-Vater ti- tulirt werden. Die Angelegenheit sei zwischen Milan und dem Metropoliten nicht ausgetragen." Madrid, 28. Oct. Eine Depesche aus Sa ragossa meldet, datz der König von Siam eine Person aus seinem Gefolge wegen Verstoßes gegen die Etiquette zum Tode verurtheilen ließ. (?) ^ertliches und Sächsisches. Adorf, 29. Okt. Gestern Abend hatte sich der Saal des Hotels zum blauen Engel, wie nicht anders zu erwarten war, .bis auf das letzte Plätzchen gefüllt, ja noch in wen Gängen des Saales hatte sich das Publikum aufgestellt, um dem Gastspiel der Kgl. Sächs. Hofschauspielerin Frl. Pauline Ulrich vom Hoftheater in Dresden beiwohnen zu können. In dem Schiller'schen Trauerspiel „Maria Stuart" verkörperte sie eine wahrhafte Königin, die durch die Anmuth und Natürlichkeit sowie durch die Gewalt ihres Spie les Hinriß und begeisterte und in den Herzen der Hörer Helle Rührung erweckte. In Erscheinung sowohl, als auch in vollendetem Spiel ragte Frl. Pauline Ulrich empor aus dem nur aus Künstlern von ersten Theatern zusammengestellten Schau spieler-Ensemble des Impresario Herrn Fritz Unger, die ebenfalls das Beste leisteten und die Vorstel lung zu einer wahrhaft wohlgelungenen gestal teten. Reichen Applaus zollte das dankbare Publikum, das in der Mehrzahl nur wenig Ge legenheit hat, solche Leistungen auf dem Gebiete der dramatischen Muse bewundern zu dürfen, den Spielern von Akt zu Akt und der Hofschauspie lerin Frl. PaulinesUlrich wurde auf offener Scene ein Blumenkorb und ein Vlumenkissen überreicht. Adorf. Wie wir vernehmen, wird der Opernsänger Herr Albin Günther aus Zürich den an ihn ergangenen Aufforderungen entsprechen und nochmals hier auftreten. Es wäre sehr zu wünschen, daß dem mit herrlicher Stimme be gabten Sänger nunmehr ein volles Haus zu Theil würde. Adorf. Am Mittwoch sollte der bei Hrn. Matthes beschäftigte Bäckergeselle Adolf Müller aus Joachimsthal verhaftet werden, weil er Hrn. Matthes eine Kiste Cigarren gestohlen hatte, war aber, als der Polizeibeamte kam, verschwunden. Gestern kehrte der Dieb zurück und kaufte sich von dem Eelde, welches er sich durch Versetzen einer bei Hrn. Matthes gestohlenen Uhr verschafft hatte, in einem hiesigen Kleidergeschäft einen Anzug. Der Diebstahl der Uhr war unterdessen auch zur Anzeige gebracht worden und wurde der Dieb, der äußerte, er fahre nach Markneukirchen, auf dortigem Bahnhof festgenommen. — Nachdem nunmehr die Karoffelernte be endet ist, muß leider festgestelt werden, datz in den meisten Fällen bis zu einem Drittel der ge ernteten Früchte schwarz oder faul sind. Datz der Landmann einen so erheblichen Ernteausfall nicht ruhig hinnehmen kann, vielmehr daraus bedacht sein mutz, auch die minderwerthigen, für den menschlichen Genutz untauglichen Kartoffeln wenigstens noch als Viehfutter zu verwerthen, ist erklärlich. Freilich ist hierbei besondere Vor sicht nöthig, sonst kommen zu dem Schaden an den Feldfrüchten auch noch Verluste im Viehbe stände. So hatte vor einigen Tagen ein Vieh besitzer an seine Kühe nur mit heitzem Wasser gebrühte Kartoffeln verfüttert. Kurze Zeit dar nach wurde eine Kuh, welche sehr hastig fratz, so heftig und schnell aufgebläht, datz schleunigst der Pansenstich gemacht werden mutzte — aber ohne Erfolg. Als darauf der Thierarzt zu Rathe gezogen wurde, blieb nichts übrig, als die Stich wunde zu erweitern, da die Kuh zu ersticken drohte. Die eingetretene Eährung war aber so heftig, daß schon beim ersten Einschnitt eine Menge Mageninhalt unter starkem Druck hervor quoll. Die Kuh mutzte geschlachtet werden, weil