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Der Grenzbote erscheint täglich mit Ausnahme des den Sonn- und Feiertagen folgenden Tages und kostet vierteljährlich, voraus- bezahlbar, 1 Mk. 28 Pfg. Bestellungen werden in der Geschäftsstelle, von den Austrägern des Blattes, sowie von allen Kaiser!. Postanstaltcn und Postboten angenommen. > < ÄgM mH Ascher für Mors und dos obere haytlolid Reclamen die Zeile 20 Pfg. Inserate von hier und aus dem Verbrcitungs- bezirk werden mit 10 Pfg., von auswärts mit 15 Pfg. die 4mal gespaltene Grundzeile oder deren Raum berechnet und bis Mittags 12 Uhr für den nächstfolgenden Tag erbeten. Verantwortlicher Redacteur, Drucker und Verleger: Otto Weyer' in Adorf. W 131. Donnerstag, den 7. Oktober 1897. 63. Iahrg. Bekanntmachung. Zur Vorbereitung der Erhebung der Ein kommensteuer im Jahre 1898 werden am 8. und 9. dss. Mts. den hiesigen Hausbe sitzern beziehentlich deren Stellvertretern die Hauslisten zugehen, für deren gehörige Ausfüllung nach dem Stande am 12. dieses Äionats und nach Maaßgabe der ihnen vorgedruckteil Bestimmuugen jene zu sorgen haben. Die ausgefüllten Listen haben die Hausbewohner bez. bereit Stell vertreter eigenhändig zu unterschreiben und bei Vermeidung einer Geldstrafe bis zu 50 Mark binnen 10 Tagen, vom Em pfange der Liste au gerechnet, selbst oder durch erwachsene Beauftragte in un serer Stadtsteuereittnahme während der ge ordneten Expeditionszeit abzugeben. Verunreinigte oder zerrissene Hauslisten werden nicht angenommen. Der Hausbesitzer haftet für die Steuer betrage, welche infolge von ihm verschuldeter unrichtiger Angaben dem Staate entgehen. Adorf, den 5. Oktober 1897. Der Stadtrath. B. Kämilitz. Landwirthschaft und Export. Es wird vielfach in landwirthschaftlichen Krei sen angenommen, daß die deutsche Landwirth schaft nur ein nebensächliches Interesse an der Pflege des Exports habe und somit auch dem Aufblühen der deutschen Industrie mehr gleich gültig als sympathisch gegenüber stehen dürfte. Es wäre bedauerlich, wenn diese Anschauung eine allgemeine würde, denn darunter würde die deutsche Landwirthschaft selbst am schwersten leiden. Eine der wichtigsten Maßnahmen zur Sicherung der Größe des Vaterlandes ist unzweifelhaft die Für sorge für den Absatz seiner Produkte. Darauf beruht die wirthschaftliche Vlüthe des Staates, und ohne diese ist es unmöglich, seine Machtstel lung im Kreise der Nationen aufrecht zu erhalten. Der Absatz unserer Produkte muß stattfinden im Innern wie nach Außen. An sich ist der erstere der wichtigere; denn es bietet uns den Markt, den wir am besten zu beurtheilen ver mögen. Das wirthschaftlich wie sozialpolitisch Sicherste ist immer eine kauffähige Nachfrage sei tens einer leistungsfähigen Masse im Innern des Landes. Allein damit die Masse unserer Bevöl kerung das von uns Produzierte bezahlen kann, bedarf es der Ausfuhr einer steigenden Menge unserer Produkte. Nur diese ermöglicht es, die große Vevölkerungsziffer auf deutschem Boden zu erhalten, und zwar so zu erhalten, daß eine zah lungsfähige Nachfrage im Innern entsteht. Ms Deutschland noch überwiegend ein Agrar staat war, hatte die Landwirthschaft selbst den größten Antheil an der deutschen Ausfuhr; sie führte Getreide und andere landwirthschaftliche Erzeugnisse, Spiritus, Holz und Zucker aus. Die dadurch gewonnenen Geldmittel machte sie dann wieder für die Industrie nutzbringend, indem sie ihr reichlich Waaren abkaufte. Einzelne in dustrielle Betriebe hingen ganz von der Kauf fähigkeit der heimischen ländlichen Bevölkerung ab. Die besondere Pflege der Landwirthschaft war damals die dankbarste Aufgabe des Volkes. In der Gegenwart aber hat sich das Ver- hältniß von Industrie und Landwirthschaft um gekehrt. Die deutsche Landwirthschaft hat die Herrschaft über den Weltmarkt verloren, sie führt im Eegentheil einen Verzweiflungskampf, um nur den heimischen Markt zu behaupten. Das Geld, welches den deutschen Erwerbsständen zur Erhal tung einer zahlungsfähigen Nachfrage im Innern zufließen muß, kann nur noch durch die Befähi gung der deutschen Industrie zum Wettbewerb mit dem Auslande erworben werden, und so ha ben nunmehr alle vaterländischen Kreise das gleiche Interesse an der Blüthe der Industrie. Auch die deutsche Landwirthschaft hat ein solches. Ihre Zukunft ist untrennbar verknüpft mit der Zahlungsfähigkeit der in der Industrie beschäftigten Elemente, der Arbeiter sowohl wie der Unternehmer. Es ist für sie von unschätzba rem Werthe, wenn sich Unternehmer finden, welche in unmittelbarer Nähe der landwirthschaftlichen Produktion große Vetriebsstätten errichten, und wenn möglichst ganze industrielle Emiren ent stehen, an die sie ihre landwirthschaftlichen Pro dukte absetzen kann. Sie hat auch ein Interesse an guten Löhnen der Arbeiter, damit diese ihr recht viel Fleisch, Zucker, Eier, Milch, Käse, Ge müse und dergl. abzukaufen im stände sind. Die Voraussetzung aber, daß der gewerbtreibenden Bevölkerung hohe Einnahmen und mit ihnen die Kaufkraft gesichert werden, ist die Zunahme des Absatzes ihrer Produkte nach Außen. Und so hat nicht nur die Industrie, sondern auch die Land wirthschaft das größte Interesse an der Pflege der deutschen Industrie und an der Steigerung der Ausfuhrihrer industriellen Produkte. Rundschau. — Die „Hamb. Nachr." schreiben: „In ei nem munter geschriebenen Artikel, mit dem der socialdemokratische „Vorwärts" seine gegenwärtig in Hamburg zum Parteitage versammelten „Ge nossen" aufzurütteln und in das nöthige Feuer zu bringen sucht, finden wir folgende auf den Fürsten Bismarck bezügliche Stellen, von denen wir glauben, daß wir es vor Gott und der Welt nicht verantworten könnten, wenn wir sie hier nicht abdrucken: „Und ganz nahe bei Hamburg ist die Stätte, wo der Mann lebendig begraben liegt, der in verbrecherischer Thorheit sich vermaß, die deutsche Socialdemokratie zu vernichten, weil sie sich nicht zu der niederträchtigen Rolle her beiließ, zu Nutz und Frommen des preußischen Junkerthums die bürgerliche Freiheit niederzu hetzen und dem deutschen Volk das Joch des rohesten Polizei-und Casernen-Socialismus auf denNackenzu heften. Da liegt er, der in verrücktem Größenwahn meinte, mit den — freilich colossalen — mecha nischen Machtmitteln in seiner Hand die Social demokratie überwinden zu können, - da liegt er überwunden, zerschmettert, verachtet, — ein warnendes krempel für Alle, die da sich einbil den, ihren persönlichen Willen der Menschheit als Gesetz vorzuschreiben und die ewigen Gesetze, nach welchen der menschliche Cuiturfortschritt sich vollzieht, fälschen oder beugen zu können. Die Delegirten unseres Parteitages können mit Stolz von sich, von unserer Partei sagen: Wir sind es, die diesen verbrecherischen Thor besiegt haben! Und wir werden Jeden besiegen, der in seine Fußtapfen zu treten sich unterfängt." Das ist doch wieder einmal eine herzerfrischende Sprache, und zur Belohnung wünschten wir dem „Genos sen", der dies geschrieben hat, er könnte das vergnügte Schmunzeln sehen, mit dem Fürst Bismarck, wie wir ihn kennen, über diese Schmei cheleien, wenn er sie liest, quittiren wird. Er ist von derartigen Kundgebungen immer sehr er baut und erblickt in dem wüthenden Hasse, mit dem ihn die socialdemokratischen Agitatoren noch jetzt auf Schritt und Tritt verfolgen, eine werth- volle Beurkundung der Thatsache, daß er mit seiner Behandlung der Herren auf dem richtigen Wege gewesen ist." — Gegen die Einfuhr gefrorenen Fleisches aus überseeischen Ländern beabsichtigt der Central verband deutscher Fleischerinnungen eine Petition an die Reichsregierung zu richten. Es soll be sonders darauf hingewiesen werden, daß mit der Einfuhr gefrorenen Fleisches eigentlich die Auf hebung der Fleischschau in Deutschland verbunden ist, da die Entfernung der inneren Organe bei den zum Versandt gelangenden Thiere deren gründliche und zuverlässige Untersuchung unmög lich macht. Köln, 5. Okt. In dem Gas- und Wasser installationsgeschäft von Schiffgen sand eine Gasexplosion statt, wobei sämmtliche Fenster scheiben, ein Glasdach, eine Seitenwand der Treppen, im Parterre die Schaufenster und die Ladeneinrichtung zertrümmert wurden. Die Ex plosion erfolgte in einem Zimmer der ersten Etage. Der Sohn des Besitzers wurde durch Brandwunden im Gesicht und am Hinterkopf schwer, die Ehefrau des Besitzers leicht verletzt. * Ein Streik in einem sozialdemokratischen Geschäftsbetriebe. In der von sozialdemokratischen Genossen gegründeten Leipziger Genossenschafts bäckerei ist jetzt einAusstand ausgebrochen. DieLeitung derselben hat eingesehen, daß die Uebertragung der Theorie in die Praxis doch nicht so leicht ist, als sie scheint. Sie hatte einen Arbeiter, der angeblich für die Gewerkschaft thätig war, d. h. im Geschäft agitirte, entlassen und in Folge dessen von 20 dasebst beschäftigten Gehilfen 14 die Ar beit eingestellt. Der Vorstand des Gewerkschafts- cartells soll sich nunmehr mit der Leitung der ! Genossenschaft wegen Beilegung der Differenzen i ins Einvernehmen setzen. — Bisher wurde immer ! behauptet, daß nur die „corrumpirte, ausbeuterische, ! blutsaugerische," bürgerliche Gesellschaft an den Streiks schuld sei. Kehre man also nun ge fälligst vor seiner eignen Thür! Wien, 5. Oktober. Im Abgeordnetenhause brachte Dipauli und Genossen einen Dringlich keitsantrag auf sofortige Wähl eines Ausschusses ! zu dem Zwecke der Aufhebung der Sprachenver ordnungen ein. Der Ausschuß soll ferner grund- - sätzliche Bestimmungen über eine im Gesetzes wege anzustrebende Regelung der Nationalitäten- und Sprachenfrage binnen sechs Wochen dem Hause vorlegen. Ebenbach brachte wiederum seinen Schulantrag mit kleinen Abänderungen ein. Dieser Antrag setzte eine achtjährige Schul pflicht fest, räumt jedoch den Landtagen das Recht ein, dieselbe auf 6 Jahre herabzusetzen. * 2n Österreich zahlen Millionen Gulden Steuer: 8.5 Mill. Deutsche 235.5, 5.5 Mill. Czechen 112.1, 3.7 Mill. Polen 34.8, 3.6 Mill. Ruthenen 27.0, 1.2 Mill. Slovenen 19.4, 0.6 Mill. Ser- bokroaten 7.5. In Prozenten ausgerechnet und auf Köpfe vertheilt, zahlt der Deutsche in Öster reich je 27.7 Gulden, der Italiener 21.4, der Czeche — der Großmäuligste von allen nur 20.4, der Slovene 16.2, der Serbokroate 12.5, der in Österreich in alles sich einmischende Pole gar nur 9.4 Gulden jährlich! In der jetzigen Zu sammensetzung des Reichsrathes kommt die natur gemäße Vertheilung der Mandate nicht zum Ausdruck, denn die Polen, auf welche nach dem Verhältnisse ihrer Kopfzahl und Steuerleistung bloß 32 Abgeordnete entfallen würden, haben deren 78, also um 46 zu viel, dagegen die Deutschen um 27, die Czechen um 16 zu wenig; ebenso haben die Ruthenen um 14 Mandate zu wenig, dagegen die Südslaven, Italiener und Rumänen zusammen um 11 Mandate zu viel! Jedermann kann durchaus ersehen, daß die Deutschen Österreichs nicht etwa als eine längst verkommene, bereits leistungsschwache Nation das Recht einer Vorderstellung nur vielleicht noch gnadenweise und mit Hilfe altersmorscher Ueber- lieferungen und Verdienstansprüche fordern dürfen und müssen, sondern auf Grund vollster Lebenskraft und Leistungsfähigkeit! — Eine schwere Verletzung des Völkerrechts