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Adorker Wochenblatt. Mittheilungen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Achter Jahrgang. Preil für den Jahrgang bei Bestellung von der Post 27 Neugroschcn, bei Beziehung des Blattes durch Botengelegenbcit 20 Neugroschcn. 23. Erscheint ^ede Mittwoche. 7. Juni 18^3. Stoßseufzer aus Baiern. (Eingescndet.) Biel wird über die Freiheit des deutschen Vo.kes geschrieben und geredet; und wohl ist dies an der Zeil; denn die politischen Berhältnisse Deutschlands bedürfen einer Reformation an Haupt und Gliedern; vom Scheitel bis zu den Sohlen muß Alles umge- stallet und in einem harmonischen Einklang zu ein ander gebracht werden, wenn die Idee eines Staates, in dem Gerechtigkeit und Gleichheit vor dem Gesetz die herrschenden Principe sind, verwirklicht werden soll. Wie dies geschehen soll, darüber haben ver nünftige und patriotische Männer ihre Meinung ge sagt; obwohl mitunter auch manche Schreier ihre cruden und unverdauten Einfalle in die Welt hinein gepoltert haben. Mein eignes Urtheil darüber, wage ich nicht, der Welt vor Augen zu legen. Hier will ich nur meinen Schmerz und meine Entrüstung über die Ungerechtigkeiten und Bedrückungen, unter denen an so vielen Orten der deutsche Bürger und Bauer seufzt, laut werden lassen. — Unsere Verfassungen an und für sich lassen schon so Manches zu wünschen übrig; und doch würden manche Gegenden wähnen, sie wohnten im dritten Himmel der Freiheit, wenn nur wenigstens nach ih ren Verfassungen Recht und Gerechtigkeit gehandhabt würde. Aber da kommen die kleinen Tyrannen und Blutsauger, die Beamten pnd Obern, mit ihrer Ei genmächtigkeit, Insolenz und Habgier, drücken und drängen das Volk und kümmern sich weder um Ge wissen, noch öffentlichen Ruf, wenn es nur ihrer Ta sche und ihrem Wanst ersprießlich ist. Für mich ist es immer ein herzergreifender Anblick, wenn ich so manche trübselige Bürger- oder Bauer- Gestalt, aus deren Zügen Kummer und Trostlosigkeit spricht, an mir vorüber gehen sehen muß. Und leider ist dieser Anblick jetzt keine Seltenheit mehr! Wo soll der frische Lebensmuth Herkommen, wenn ein Mann Tag und Nacht in Schweiß und Mühe arbeitet, um sich und seine Familie ehrlich zu ernähren, und doch kaum das Nüthigste erschwingen kann? Und hat er ja etwas, womit er einige Zeit lang seine Kleinen zu speisen hofft, so kommt der Büddel oder Vogt und entreißt ihm sein Weniges! Wer soll freudig bleiben, wenn jede Hoffnung fehlt, daß es einst besser werden wird ? Wer kann sich am fröhlichen Aufblühen seiner Kinder ergötzen, wenn er denkt, daß seine Kinder dasselbe Joch, ja vielleicht noch ein härteres tragen müssen? Und wer sieht, wie Menschen ihre Mitbür ger und Brüder hintergehen und betrügen und doch glücklich und angesehen sind, wie sie durch Ungerech tigkeiten groß und reich werden und stolz auf ihn, den ehrlichen Mann, herabsehen; wem soll da nicht Groll und Grimm die Brust zerreißen? Wahrlich, eS ist traurig, sehr traurig! Der Bürger, die Stütze des Staates, ja, ich möchte sagen: der Staat selbst, soll tragen und geben und immer nur geben. Und was hat er dafür? Daß jeder Schreiber und Büddel auf das lasttragende Thier stolz herab sieht und an ihm seinen Uebermuth auslassen zu können glaubt. Die Worte, die einst ein Ritter zu einem deutschen Fürsten sagte: „Bedenken Ew. Durchlaucht, daß daS Volk auch ohne Sie ist, was es ist; daß Sie aber n ohne das Volk nichts sind", sind leider ganz in Der« Um.- gessenheit gerathen. Bei uns stellt sich jeder Hand- «n» langer des Landesherrn und jeder, der auch nur da»'' geringste öffentliche Aemtchen bekleidet, über den Bür ger und Bauer; und wenn es nur irgend möglich ist, so will er ihn aussaugen und seinen Vortheil von ihm ziehen. Merkwürdig bleiben mir die Worte ei«