Volltext Seite (XML)
Pulsnitzer Anzeiger Ohorner Anzeiger Haupt- und Tageszeitung für die Stadt und den Amtsgerichtsbezirk Pulsnitz und die Gemeinde Ohorn Zeitung erscheint täglich mit Ausnahme der gesetzlichen Sonn- mib Feiertage. Dir Bezugspreis betrügt bei Abholung wöchentlich KO Rpf., bei Lieferung frei HauS KGRpi. Postbezug monatlich 2.KO RM. Die Behinderung der Lieferung rechtfertigt keinen Anspruch auf Rückzahlung de« Bezugspreise». Zettungsaukgabe für Abholer täglich S-k> Uhr nachmittags. Preise und NachlaMtze bei Wiederholungen nach Preisliste Nr. 4 — Für das Erscheinen von Anzeigen in bestimmte« Nummern und an bestimmten Plätzen keine Gewähr. Anzeigen sind an den ErschetnungStagen bis oorm. 10 Uhr aufzugeben. — Berlag: Mohr 5 Hoffmann. Druck: Karl Hoffmann u. Gebrüder Mohr. Hauptschriftleiter: Walter Mohr, Pulsnitz; Stellv.: Walter Hoffmann, PulSnitz. Verantwortlich sür den Heimatteil, Sport u. Anzeigen Walter Hoffmann, Pulsnitz; für Politik, Bilderdienst und den übrigen Teil Walter Mohr, PulSnttz. — D. A. IV.! 2220. Geschäftsstellen: AlbertsU ahe 2 und Adolf-Hitler-Straße 4. Fernruf 218 und 520 Der Pulsnitzer Anzeiger ist das znr Veröfienlliünng der ovillichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft zu Kamenz, de» Stadtrates zu Pulsnitz und des Eemeinderates zu Ohorn behördlicherseits bestimmte Blatt und enthält Bekanntmachungen des Amts- aerichts Pulsnitz, sowie des Finanzamtes zu Kamen» Dienstag, den 31. Mai 1938 Nr. 125 90. Jahrgang GespensterfurchtAerschlingt Millionen „Wie lange wird Prags Mobilisierung noch andauern?" Der Sonderberichterstatter des „Paris Soir", Jules! sauerwein, hat aus Prag seinem Blatt einen bewertens-^ verten Bericht über die Lage in der Tschechoslowakei, vor^ illem über die riesigen militärischen Maßnahmen der Prü fer Regierung an sämtlichen Grenzen übermittelt. Sauerwein, dem man bestimmt keine Voreingenom- nenheit zugunsten der Sudetendeutschen vorwerfen kann,, »erichtet über eine Rundfahrt an die Grenzgebiete, ins-^ »esondere in die Umgebung von Komotau, wobei er an wei verschiedenen Punkten bis an die deutsche Grenze ge- . -angt ist. , . Auf allen großen Straßen, vor allem auf der nach Lhemnitz führenden Laudstratzc, hat Sauerwein umge- chlagcnc Bäume und besonders hcrgerichtete Wegsperrcn cstgcstcllt. Rechts und links konnte er zahlreiche Unter- tändc, Maschinengewehrnester und Sockel für Geschütze vahrnehmen. Tschechische Offiziere sah er mit Ferngläsern den Hori- >ont absuchen. Wiederholt wurde der Kraftwagen von Soldaten oder Polizeibeamten angehalten und er Hane :s nur seinen zahlreichen Ausweispapiercn zu verdauten, saß er nicht festgenommen wurde. (!) Auf der Rückfahrt nach Prag stieß er in der Nähe des kleinen Ortes Ossck auf ein regelrechtes befestigtes Lager, sas ganz offen vor aller Augen dalag, und das bis in Die kleinsten Einzelheiten organisiert war. Ganz in der Nähe fand eine Kirmes statt. Die Kinder spielten nur wenige Meter von den Maschinengewehren entfernt . . . „In anderen Gegenden", so berichtet Sauerwein u. a. weiter, „habe ich vollständig gesperrte Landstraßen und unterminierte Brücken gesehen mit ihren bereits gelegten Zündschnüren. Dies alles sieht die Bevölkerung genau so liegen wie ich. Mir liegt es fern, diese Maßnahmen zu kritisieren, die (ich wahrscheinlich auf allen Flanken des höhmischen Vier ecks wiederholen. Wie lange a b e r", so fragt Sauer wein schließlich, „wird diese Mobilisierung noch andauern?* Die Ausgaben für diese Mobilisierung werden von Sauerwein mit monatlich 700 Millionen Kronen — das ist mehr als der normale Staatshaushalt für die gleiche Zeit beträgt — berechnet. Diese Mobilisierung würde fer ner, wenn sie den ganzen Sommer andaucrt, die Badeorte Karlsbad und Maricnbad und andere Kurorte völlig ruinieren und gleichzeitig im sudetendcutschcn Gebiet statt einer Beruhigung eine Wirtschaftskrise auslöscn, ganz ab gesehen von den Reibereien zwischen den tschechischen Sol daten mit der sudetendcutschcn Bevölkerung. Hieraus könnten, so folgert Sauerwein, jeden Tag Zwischenfälle entstehen. Deutliche Worte an England Die Stellung Budapester maßgebender Kreise zu der tsche chischen Krise wird im „Pester Lloyd" daraelegt, wobei au! die europäische Gefahr einer provokatorischen Haltung de, Tschechoslowakei aufmerksam gemacht wird. Das Blatt schildert dann die inneren Zusammenhänge de. Kroßen internationalen Probleme und bemerkt, daß eine Schwä chung Japans zwangsläufig zu einer Stärkung Sowjettuß- lands im Westen führe. Eine Erstarkung Sowjetrutzlands aber bedeute die Stärkung des Widerstandes der Tschechoslowakei. Man müsse in den europäischen Staatskanzleien die bang« Frage aufwerfen, ob die Tschechoslowakei ein den Frieden erhaltendes Element sein wolle oder ob ihre eigenen Scharf macher nicht die Richtung einer eruptiven Entscheidung ein zuschlagen suchten. Es sei höchste Zeit, daß man in London endlich merke, daß Großbritannien und mit ihm die ganze zivilisierte Welt Gefahr laufe, einem waghalsigen internationalen politischen Ziel rettungslos zum Opfer zu fallen. Plumpe Pressemethodeo! Ein Führerinterview aus den Fingern gesogen! - Die englische Zeitung „Sunday Graphic" veröfferrh. licht ein angebliches Interview mit dem Führer, das die ser einem gewißen Edward Price-Bell vor etwa zehn Tagen gegeben haben soll. Der Führer soll dabei u. L erklärt haben, er lade zu einer Dauerregelung mit Frank reich ein, schlage ein „Luftlocarno" an der Westgrenze vor und habe einen umsangreichen Friedensplan für Europa vorbereitet. Wie hierzu amtlich mitgeteilt wird, handelt es sich bei der ganzen Meldung um eine plumpe Fälschung und Lüge von seltener Dreistigkeit. * Was die englischen Pressemethoden angeht, so find wir schon allerlei gewohnt. Von scheinbarer Loyalität und Objektivität bis zu nackten Gangsterstreichen stuft eine gewisse Presse ihr unverantwortliches Spiel gegen Deutsch land und andere Ordnungssaktoren ab, ein verderbliches Spiel, das immer dann stärkstens einsetzt, wenn bedeut same politische Entwicklungen eintreten. Der freche Be trug, den jetzt ein englisches Blatt seinen Lesern mit einem Interview vorsetzt, das nie stattgefunden hat, (der Füh rer hat den „Journalisten" Price-Bell nie gesehen!) ist mit nichts, auch nicht mit der „Konkurrenz" zu rechtfer tigen. Man wird dieser Art von Revolverjournalisten nur dann gerecht, wenn mau dahinter ein System erkennt: Man legt irgend jemandem, in diesem Falle dem Führer, angebliche politische Pläne in den Mund, um sie erstens umgehend sofort selbst zu verzerren, und zweitens dann, wenn von der betroffenen Stelle das Dementi kommt, aus dieser Tatsache in unverschämter Weise neues Kapi tal für Verleumdungen und Hetzereien zu schlagen. Zum vorliegenden Fall braucht im übrigen nicht erst festgestellt zu weiden, daß der Führer wohl kaum aus dem Umwege über ein so unbedeutendes Blatt an seine bekannten Frie- densvorschläge erinnern würde, die der unsaubere Schrei berling als neu in die Welt posaunen will. Polnischer Bericht über die Anstände in Nordböhmen Straßensperren und Militärs, osten — Arbeitslose in Baracken aus Kistenbrettern Warschau. Die Zeitung „Wieczer Warszawawski" setzt gestern Lie Schilderung feines Berichterstatters über die Zu stände in Ler Tschechoslowakei fort. Dieser berichtet aus Karls bad eingehend über Absperrungen an Ler Grenze. Die Straßen seien Lurch Bamststämme, Lie quer über Len Fahrdamm liegen, gesperrt. Ueberall cm Len Ausfallstraßen sei Militär postiert. Der Korrespondent weist auf die Arbeitslosigkeit unter Ler deutsche «Bevölkerung dieses Gebietes hin. In Len nicht stillgelegten Fabriken werde nicht dte einheimische Bevölkerung beschäftigt, sondern Arbeiter aus anderen Teilen des Landes. Unter solchen Umständen sei es nicht verwunderlich, daß das Elend in der Umgebung von Karlsbad immer größer wird. In Len Vororten von Karlsbad wohnen die Arbeitslosen! in Baracken aus Kistenbrettern. Hier cm Ort und Stelle könne man sich persönlich von der großen Anziehungs kraft Ler von der Sudetendeutschen Partei vertretenen Idee überzeugen. Eine Befriedigung Ler Bevölkerung werde für Lie Prager Regierung schwer zu erreichen sein, denn Ler Widerspruch zwischen den Taten der Prager Regierung und dem Wollen des Volkes sei allzugroh. Die komische und die ernste Seite Oslo. 2n einer Schilderung von „Aftenposten" über das Bild, welches die Grenzgebiete in Deutschböhmen zeigen, heißt es nach Aufzählung Ler bekannten tschechischen Wobilisierungs- mahuahmen u. a.: Der ausländische Reisende kann sich kaum eines Lächelns erwehren über das Erstaunen, das auf Len Gesichtern der tschechischen Soldaten darüber zum Ausdruck kommt, sich keinem Feinde gegenüber zu befinden, mit dem sie sich schlagen sollen. Die Sache habe aber auch eine tragische Seite, denn, w heißt es in Lem Bericht, wie sollen die Sudetendeutschen Disziplin halten bei derartigen Maßnahmen, welche natürlicher weise für sie nicht anders als im höchsten Grade kränkend und belästigend sind?" Der unerfüllte Vertrag Bereits am 22. Oktober 1015 war in Cleveland zwischen Slowaken und Tschechen vereinbart worden, daß beide Völker nach dem erwarteten Zusammenbruch der Donaumonarchie sich zu einem söderativen Staatswesen zusammenschließen würden. Im Laufe der Zeit mochten den Slowaken Zweifel an der Haftung der Tschechen ge kommen sein. Nachdem jedenfalls Masaryk im Jahre 1918 in Chikago und in Pittsburg in vertraulichen Sitzungen nochmals die Autonomieforderungen der Slowaken an erkannt hatte, wurde am 30. Mai 1918 in Pittsburg erneut ein Vertrag geschlossen, um dessen Ver wirklichung die Slowaken heute noch kämpfen. Die Reise amerikanischer Slowaken mit dem Vertragsoriginal lenkt die Aufmerksamkeit weiter Kreise in diesen Tagen der zwanzigjährigen Wiederkehr des Vertragsabschlusses auf dies Dokument tschechischer Willkür. Der Hauptpunkt des Pittsburger Vertrages lautet: „Wir genehmigen das politische Programm, das eine Vereinigung der Tschechen und Slowaken in einem un abhängigen Staate, bestehend aus den böhmischen Län dern und der Slowakei, anstrebt. Die Slowakei wird ihre eigene Verwaltung, ein eigenes Parlament und eigene Gerichte haben. Die slowakische Sprache wird die Amtssprache in den Schulen, vor Gerichten uno im öffentlichen Leben sein." Das bedeutet also, wie Masaryk am Vorabend des Vertragsschlusses sagte: „Die Slowakei wird nicht von Prag aus regiert, sondern in der Slowakei verwaltet werden." Die Innehaltung des Vertrages hätte den Slowaken die endliche Erfüllung ihrer politischen Wünsche gebracht. Denn das Schicksal hatte es dem Slowaken versagt, in einem eigenen Staate seine politische Gestalt zu gewinnen. Von 1025 bis 1018 hatte das Gebiet der heutigen Slowakei zu Ungarn gehört und keine eigene Geschichte gehabt. In der Zeit um die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts, als die deutsche Bewegung zu einem Erwachen der Völker führte, begann sich auch im Slowakenvolk allmählich ein eigenes Volksbewußtsein zu formen. Die Ausrichtung des erwachenden slowakischen Volks bewußtseins auf politische Ziele kam erst verhältnismäßig spät. Denn die Slowaken hatten zunächst die Aufgabe, sich über die bestehenden religiösen Gegensätze, Katholizis mus und Protestantismus, zu finden und sich eine eigene Schriftsprache zu schaffen. Dieser letzte Mangel hing zum Teil mit der religiösen Unterschiedlichkeit zusammen. Durch die hussitische Bewegung und hernach durch die- Reformation hatte bei den Slowaken, soweit sie Protestan ten waren, die tschechische Sprache als Kirchen- und damit als Gelehrtensprache Eingang gefunden. Indessen hielt die katholische Geistlichkeit an der in Ungarn als Jntelli- genzsprache geltenden lateinischen Sprache fest. Ungefähr um 1848 beginnt das slowakische Volks bewußtsein politisch zu werden. Hierzu tragen die all gemeinen Zeitströmungen und ferner die Tatsache bei, daß die Ungarn ihren Staat zu madjarisieren begannen und daß andererseits Wien, um den ungarischen Reichs partner zu schwächen, die Eigenheiten der Völker, so auch sie „ her Slowaken, gegen ihn förderte. Tauchte doch damals sogar der Gedanke eines Kronlandes Slowakei auf. Von Wien her wurde den Slowaken ein eigenes Schulwesen geschaffen, in dem freilich tschechisch unterrich tet wurde. Die nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich ver schärft einsetzende Madjarisierungstendenz, die den Slo waken schließlich ihr ganzes mühsam errichtetes Schul wesen raubte, trug dazu bei, saß die politischen Forde rungen, die ursprünglich nur auf Wahrung der kulturellen Eigenart gerichtet waren, mehr und mehr auf völlige Autonomie hinzielten. Die neunziger Jahre des ver gangenen Jahrhunderts brachten erneut eine Annäherung der Tschechen und Slowaken. 1896 wird auf Masaryks Betreiben in Prag die tschechoslowakische Jednota gegrün-