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Wochen- und RachrichtMatt zugleich KeMK-DzeW für Lchiims, MdH, Aemdorf, Wdors, St. Lgidim, Keimchzort, UmmM m!> MW. Anrtsblatt für den Ltcrdtrat zu Lichtenstein. 45. Jahrgang. -- — — Nr. 270. Mittwoch, den 20. November 1895. Dieses Blatt erscheint täglich (außer Sonn- und Festtags) abends für den folgenden Tag." Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mart 25 Pfennige. — Einzelne Nummer 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiser!. Postanstaiten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespaltme KorpuSzrlk» oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. —> Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Des Bußtages wegen erscheint die nächste Nummer dieses Blattes Donnerstag abend. "MW BekMMrmchzmg. Der vierte diesjährige LtasraUlageatermi«, welcher am 30. vor. Mts. fällig gewesen, ist bis läugsteus zum Dezember dss. Js. au die hiesige Siavlsteuereinnahme abzuführen. Nach Ablauf dieser Frist werden die noch ausstehenden Beträge unnachsicht lich exekutivisch beigetrieben werden. Lichtenstein, den 18. Novbr. 1895. Der Stadtrat. Lan g e. Vgl. Gsschäftstags der Sparkasse za Callnoerg: Montag, Donnerstag und Sonnabend. BekMKtmschrmg. Nächsten Sonnabend, den 23. November 1893, Vorm. 10 Uhr sollen auf dem an der Bahnhofstraße, unmittelbar hinter dem Post- gebände gelegenen Arbeitsplätze des Bildhauers Möckel hier S Denkmäler, 3 Sockel, 11 Schleifsteine, 7 Marmor- platte«, 1 Kreuz, ea 110 Stück Pirnaer Sandsteinblöcke in verschiedenen Größen und 8 fertige Stufen versteigert werden. Lichtenstein, den 18. November 1895. Gerichtsvollzieherei des Kgh Amtsgerichts das. Buß- und Bettag An ungewöhnlichem Tage ertönen die Glocken und laden zu Feier und Gottesdienst. Ernst schallen ihre Klänge durch das herbstliche Gelände. Was wollen sie allem Volke verkünden? Auf zu Buße und Gebet! Es stimmt so gut zu der Sprache der Zeit und Natur. Es ist schon so still und leer draußen geworden, und einen Ton der Wehmut glaubt man im Rauschen der falben und fallenden Blätter zu vernehmen, das Bild der Vergänglichkeit tritt uns unverkennbar vor die Seele. Jst's aber nur der Ver gänglichkeit Bild? Die Vergänglichkeit ist nur ein Stück der Unvollkommenheit dieses Lebens und da rum nur das erste Glied in einer langen Ge- dankenreihe, welche sich, einmal eröffnet, aus der sin nenden Betrachtung dieser Zeit und Natur entspinr.t. Dis Glocken heute Sünden uns, daß wir einmal Zeit und Anlaß haben, nehmen sollen, diesen Gedanken nachzuhängen. Mitte» im lärmende» Treiben der Geschäfte ein besonderer Tag der Ruhe zur Einkehr in uns selbst, zur Sammlung und Selbstbesinnung. Es ist, wie wenn dis Leute unserer Zeit nur so durchs Leben stürmten, so jagen und drängen sich die Er eignisse und Geschäfte im Kampfe ums Dasein. Man muß schon weit ins Land hineingehen, um noch etwas von der behäbigen Gemütlichkeit im Lebensgetriebe früherer Zeiten zu finden. Damit ist aber dem Leben viel innerer Gehalt an Ernst und Frieds genommen worden, und glücklicher, zufriedener sind die Men schen nicht geworden. Wir hätten so viel zu danken auch in diesem Jahre: das Vaterland im Frieden und geordneten Regiment, die Orte volkreich und blühend, Hantierung und Nahrung gesegnet, die Fluren voll reicher Fülle an Gottesgabe». Wir hätten soviel zu loben an unserer Zeit, wie herrlich weit wir es gebracht haben. Und darum ein fröhlich dankendes Volk? Im Gegenteil: vielfach Murren und Verstimmung. Woran mag's nur lie gen: Dem sollten wir am Bußtage doch einmal etwas tiefer als sonst nachdenken. Der allgemeine Buß- und Bettag lenkt doch von selbst die Blicke auf das Ganze, auf die großen und allgemeinen Volks- und Zeitschäden und -Gebrechen. Wer auch die welt lichen Dinge nur weltlich betrachtet, muß sehen, daß irgendwo ein Schaden steckt und der Volkskörper an einer inneren Krankheit leidet. Denn alle Beding ungen zu Volksglück und -Wohlfahrt scheinen ge geben, und doch Unbehagen in weitesten Kreisen. Im politischen Leben stehen die Parteien scharf wider einander, im sozialen die verschiedenen Stände. Ver- untreuungen, grausige Unthaten, Selbstmorde sind ein stehender Gegenstand der Berichte in den TageS- blättern und ein Zeichen unserer Zeit geworden, ganze Klassen des Volks stehen grollend zur Seite im vollendeten Gegensatz gegen die bestehende Ord nung. „So kann's nicht weitergehen", ist die Ueber- zeugung Vieler geworden. Sie fühlen der kranken Zeit an den Puls, und was ist ihr Befund? Ueber- Iriebene Genußsucht, sagen die Einen — Verurteilung zur Entbehrung, so die Andern; Zügellosigkeit, heißt es hier — Unterdrückung und Ausbeutung, so dort; trotzige Unehrerbietigkeit, bestimmen es Manche — Hochmut und unwürdige Bevormundung, hält man entgegen. In allem dem steckt etwas Wahres, aber es sind nur Erscheinungen der Krankheit, nicht sie selbst, und in Allem vermißt man Eins. Hundert Volks- und Parteireden kann man hören voll tau send Klagen und Anklagen, aber kaum irgendwo einen Ton der Buße und Umkehr bet sich selbst. Ver schieden wie die Deutungen des Uebels sind auch dis empfohlenen Heilmittel. Das ist recht offenbar ge worden bei den Auslassungen über die Bußrede, welche jüngst der Kaiser allem Volke kurz und bündig hielt: auf zum Kampfe für Religion, Sitte und Ordnung gegen die Parteien des Umsturzes. Die Einen raten zur Gewalt, die Anderen zur sozialen Reformarbeit, und die Dritten verwerfen Beides. In diesen ver wirrenden Streit der Meinungen läßt der heutige Tag feine Stimme erschallen, ernst, feierlich, stra fend und versöhnend, sie predigt allen Buße, und von den vielerlei Wegen ruft sie die Geister zurück auf den einen, dessen Betreten alles Andere entschei det. Eines ist offenbar, so ruft er, euer Glück und euer Elend liegt nicht in den äußerlichen Verhält nissen. Laßt uns besser werden, gleich wird's besser sein. Das Herz ist krank, von Einem muß die Hei lung kommen. Es geht doch mehr und mehr eine Ahnung durch viele Kreise, daß es mit der vor Jahren geschmähten Religion, dem verachteten Glau ben doch etwas sei, daß über dem Leben nicht nur Natur, sondern sittliche Gesetze walten und entschei den, und daß der alte Kaiser Wilhelm das Rechte getroffen hat, wenn er sagte: dem Volks muß die Religion erhalten werden. So vertieft sich das Mahnwort der Zeit zur Umkehr, zum Rufe der Buße im religiösen Sinne. Gottentfremdung ist un ser Jammer, religiös-sittliche Erneuerung unser Bet tag. Die fängt aber bei den Einzelnen an, und steht's mit diesem gut, dann auch mit dem ganzen Volke, die Gesamtschuld ist immer auch eme Mit schuld des Einzelnen. Der Bußtag hat seine Wir kung gethan, wenn er die Erkenntnis lebendig macht, welche der Mund der Weisheit schon vor Alters aus- sprach: Es heilt sie weder Kraut noch Pflaster, son dern Dein Wort, Herr, welches Alles heilt. TagesU-fchLchLe. *— Lichtenstein, 19. Novbr. Buß- und Bettag. In den weitaus meisten Staaten des deut schen Reiche« wird der morgende Mittwoch als Buß- und Bettag begangen. Still und öde ist es in Flur und Feld, in Wald und Hain geworden, eine me lancholische Stimmung waltet in der weiten Runde, die auch der Schimmer der Novembersonne nicht mehr verdrängen kann. Die letzten Blätter, die noch vereinzelt im schwarzen Baumgeäst hängen, fallen langsam zur Erde, zur Erde neigt sich alles in der Natur. Unser deutsches Vaterland ist im letzten Jahr vor schweren Katastrophen glücklich bewahrt geblieben, und wenn auch nicht alles geworden ist, wie mancher wohl gehofft hat, es ist doch Schlimmes, welche« alle Bevölkerungskreise in Mitleidenschaft gezogen hätte, fern geblieben. Und so hat denn wohl ein jeder am Buß- und Bettage Anlaß, sich einmal mit sich selbst zu beschäftigen und in sein Inneres zu schauen. Ueber die Sünden unserer Zeit, über das stachelige, scharfe und gehässige Wort, über die wilde Gier nach Geld, über den zersetzen den Neid gegen andere, über Mangel an Zufrieden heit und selbstloser Nächstenliebe, da hört man sehr viele klagen, und es giebt doch nur so wenige, die sich frei fühlen von diesen Sünden der Zeit. Es ist schon Zeit sich einmal zu prüfen, ob nicht ein bitteres Wort auch anderen den Zorn erweckte, ob nicht Habsucht anderen kürzte, was sie wohl ver dient Hütten. Der Neid saugt mit seinen vielen Wurzeln Nahrung aus so mancher Zeiterscheinung, und wer über andere ein schweres Urteil sprechen will, hat wohl Anlaß, daran zu denken, wie wohl andere über ihn selbst geurteilt haben oder noch ur teilen. Die Tiefe des deutschen Gemüts, dieses Ur quells unseres Volksglücks, ist abgeflacht im Sturm der Zeit, die wilden Erscheinungen unserer Tage haben auch das Gemüt verheert, und wo ein wacke res, treues deutsches Herz schlagen sollte, regieren Neid und Habsucht. Aber wer hat nie andere ge kränkt, wer kann nicht durch seine eigene Handlungs weise, durch seine Worte mit dazu beigetragen haben, jemanden auf Wege zu drängen, über deren Betreten er sich entrüstet äußert? Die Einkehr in sich selbst thut allen not, Hoch und Niedrig, die Feuerflamme, welche unsere ganze Ordnung bedroht, alles, was uns teuer ist, wäre nicht ohne Nahrung so stark geworden. Deutsches Volk, dsnks deutsch, Handls deutsch, rede deutsch! DaS ist die ernste Mahnung sür unsere Tage. (Nachdruck verboten.) *— Es sei hiermit ausdrücklich darauf hinge-- wiesen, daß am Bußtage und am Totenfestsonntage nur der Handel mit Eß- und Materialwaren und Kleinhandel mit Heizungs- und Beleuchtungsmaterial, am Totenfestsonntag auch der Handel mit Blumen, Bindereien und Topfgewächsen zum Gräberschmuck innerhalb der an anderen Sonntagen nachgelassenen Zeiten gestattet ist. — Die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbe-Ausstellung zu Leipzig 1897 bereitet die Ausgabe einer Ausstellungssiegelmarke vor, welche demnächst im Geschäftsverkehr Verwendung finden soll. Getragen von dem Gedanken, daß nur eine voll endet schöne Marke auch einen vollen Erfolg haben kann, und daß bei dem Charakter Leipzigs als Hauplsitzes des deutschen Buchgewerbes, insbesondere die Leipziger Ausstellung keine Kosten scheuen dürfe, sondern ihre Ehre darein setzen müsse, auf diesem Gebiete etwas Hervorragendes zu bieten, hat der ge schäftsführende Ausschuß der Ausstellung die von der bewährten Künstlerhand Prof. M. Honneggers ent worfene Leipziger Ausstellungsmarke der weltberühm ten Firma Giesecke und Devrient in Leipzig zur al leinigen Herstellung übertragen. Im Mittelpunkte des Bildes thront die mauergekrönte Lypsia auf hohem Sitze. Zu Füßen der stolzen Frauengestalt liegen in sinniger Anordnung Hilfsmittel und Erzeugnisse der Industrie und des Gewerbes, die oberen Ecken zieren Embleme der bildenden Künste, darüber ist zu